TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 W140 2227168-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W140 2227168-7/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.05.2020, W117 2227168-6/2E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

„Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und versuchte am 15.09.2019 nach Italien ausreisen, ohne im Besitz von Dokumenten zu sein. Eine ED Behandlung brachte weder einen VIS Treffer noch einen EURODAC Treffer zum Vorschein.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge festgenommen, es wurde ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs 3 Z vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erlassen. 2. Er wurde am 15.09.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Er gab bei dieser Einvernahme im Wesentlichen an, dass er nach Italien reisen wolle, um dort zu leben und keinerlei Anbindungen im Bundesgebiet habe, nicht einmal wisse, wie er nach Österreich gekommen sei. In der Folge wurde über den Beschwerdeführer am 15.09.2019 die Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde vom BFA am 16.09.2019 einvernommen, und mit Bescheid vom 19.09.2019 eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt und ein 18monatiges Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs mit 30.10.2019 in Rechtskraft. 3. Am 13.11.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag, seitens des BFA wurde ein Aktenvermerk nach § 76 Abs 6 FPG erstellt und dem Fremden zugestellt. Mit Bescheid des Bundesamts wurde der Asylantrag negativ entschieden und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des BFA unter L506 2226593-1/3E 19.12.2019.

Der BF trat in Hungerstreik und es wurde der Heilbehandlung zugestimmt. Durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 11.02.2020 – nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft unter der GZ: W112 2227168-2/7Z.

Am 09.03.2020 langte der Verfahrensakt zur erneuten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers. Die Gründe für die Verhängung der Schubhaft lägen daher aus Sicht der Behörde auch weiterhin vor und sei diese im Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig. Die Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft sei nach wie vor als absolut wahrscheinlich anzusehen. Die letzte Urgenz betreffend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei am 17.02.2020 erfolgt.

Am 09.03.2020 übermittelte das PAZ, über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts die medizinischen Unterlagen des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 10.03.2020, W278 2227168-3/4E, erneut erkannt, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

Am 01.04.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Im Vorlageschreiben wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das HRZ-Verfahren mit Pakistan weiterhin am Laufen sei und von einer Abschiebung im Rahmen des gesetzlich zulässigen Anhaltezeitraumes ausgegangen werden könne. Die gegenwärtige Aussetzung des Flugbetriebs im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sei überdies nur vorrübergehend. Beigeschlossen war eine schriftliche Urgenz an die pakistanische Botschaft vom 31.03.2020 bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikats.

Mit Erkenntnis vom 07.04.2020, W137 2227168-4/3E, erkannte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

Erneut erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.04.2020, W154 2227168-5/2E, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.
Das Bundeverwaltungsgericht begründete diese seine letzte Entscheidung wie folgt:

„1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsangehöriger von Pakistan und nicht österreichischer Staatsbürger. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Er hielt sich seit 2013 in EUROPA auf. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt nach Österreich ein. Er trat nicht von sich aus mit den Behörden in Kontakt, sondern wurde am 15.09.2019 im Nachtzug bei einem Ausreisversuch nach Italien polizeilich betreten und festgenommen.

1.2. Mit Bescheid vom 19.09.2019, zugestellt am 01.10.2019 erließ das Bundesamt nach der niederschriftlichen Einvernahme am 16.09.2019 gegen ihn eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und räumte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise ein; erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig ist. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

1.3. Der Beschwerdeführer stellte erst mit Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz zur Verhinderung der Abschiebung. Diesen wies das Bundesamt nach der Erstbefragung am 13.11.2019 und Einvernahmen am 18.11.2019 und 27.11.2019 mit Bescheid vom 03.12.2019, zugestellt am selben Tag, sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Mit Schriftsatz vom 11.12.2019 erhob er Beschwerde gegen diesen Bescheid, mit Erkenntnis vom 19.12.2019, ihm zugestellt zu Handen seines Vertreters am selben Tag, wies das Bundesverwaltungsgericht seine Beschwerde als unbegründet ab. Beschwerde oder Revision wurde nicht erhoben.

1.4. Der Beschwerdeführer tat nichts, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen oder seine Identifizierung zu bewirken und lehnte bei der Rückkehrberatung die freiwillige Ausreise ab. Es steht auf Grund seines Vorverhaltens fest, dass er sich im Falle der Haftentlassung auf freiem Fuß der Abschiebung durch Weiterreise in einen anderen Mitgliedsstaat oder untertauchen im Bundesgebiet entziehen würde.

1.5. Er trat am 21.12.2019 in den Hungerstreik, um sich aus der Schubhaft freizupressen. Diesen brach er am 24.12.2019 nach Genehmigung der Heilbehandlung freiwillig ab.

1.6. Das BFA suchte am 08.01.2020 um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer an. Das Bundesamt urgierte zuletzt am 31.03.2020 die HRZ Ausstellung bei den Pakistanischen Vertretungsbehörden. Mit der Ausstellung des HRZ und der Durchführung der Abschiebung ist mit maßgeblicher Sicherheit in wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen.

1.7. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 15.09.2019 in Schubhaft. Er leidet an einer reaktiven Depression. Im Übrigen ist er gesund. Er ist haftfähig.

1.8. Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist annähernd mittellos.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zu 1.1 ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020.

Die Feststellungen zu den Vorverfahren ergeben sich aus den im Akt einliegenden Bescheiden des Bundesamts sowie der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ.: L506 2226593-1.

2.2 Die Feststellungen zu 1.4 ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020.

Die Feststellung zum Hungerstreik des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Anhaltedatei. 2.3. Die Feststellungen zum HRZ Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020 sowie aus der Beschwerdevorlage des Bundesamts vom 01.04.2020. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Die bereits vergleichsweise lange Dauer des einschlägigen Verfahrens ergibt sich aus der mangelhaften Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren. Derzeit ist zudem mit Verzögerungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zu rechnen.

2.4. Die Anhaltedauer des Beschwerdeführers in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei. Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand und seiner Haftfähigkeit ergibt sich aus den Vorverfahren sowie der Stellungnahme des PAZ vom 27.04.2020 sowie den einschlägigen Einträgen in der Anhaltedatei.

2.5. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich daraus, dass der BF bewusst nicht an seiner Identifizierung mitwirkt und die freiwillige Rückkehr ablehnt, sowie dem Umstand, dass er seine Freilassung aus der Schubhaft durch einen Hungerstreik zu erpressen versucht hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

(…)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass sich die laufende Anhaltung in Schubhaft nunmehr erneut auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG bezieht, weil das zwischenzeitliche Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen worden ist und § 76 Abs. 6 FPG aus diesem Grund nicht mehr zur Anwendung kommt.

Es liegt Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vor, weil der Beschwerdeführer die Abschiebung durch Nichtvorlage von Dokumenten behindert; hinzukommt, dass sich der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren unangemeldet im Gebiet der Mitgliedsstaaten aufhält und er in der Schubhaft in den Hungerstreik trat.

Es liegt auch Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG vor, weil im Zeitpunkt der Stellung des

Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihn bestand und er sich zu jenem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand.

Schließlich ergibt sich die Fluchtgefahr auch aus § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, weil der Beschwerdeführer in Österreich weder über Familie noch Wohnung oder Arbeit verfügt und insoweit allenfalls einen äußerst geringen Grad der sozialen Verankerung im Bundesgebiet vorweisen kann.

Mit der Anwendung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden.

Die Anhaltung in Schubhaft ist auch verhältnismäßig: Der Beschwerdeführer ist abgesehen von der reaktiven Depression, die in Schubhaft behandelt wird, gesund. Mit der Ausstellung des Heimreisezertifikates ist innerhalb eines Zeitraums von voraussichtlich wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Die Dauer des Verfahrens resultiert aus dem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der (letztlich unbegründeten/erfolglosen) Asylantragstellung nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und der Notwendigkeit der Identifizierung des Beschwerdeführers zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, da er keine Dokumente in Vorlage bringt. Alle Verfahren wurden und werden vom Bundesamt effizient geführt. Daher ist auch die bisher über siebenmonatige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig.

Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das eingeleitete HRZVerfahren ist aktuell noch im Laufen – wobei das Bundesamt regelmäßig, zuletzt am 31.03.2020, urgiert - und bewegt sich, unter Berücksichtigung der bewussten Nichtmitwirkung des Beschwerdeführers am Verfahren, im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates (diesbezüglich ist auch auf die im Gerichtsakt einliegende Stellungnahme der zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zuständige Stelle des BFA vom 10.02.2020 zu verweisen, aus der hervorgeht, dass eine Überprüfung durch die pakistanischen Behörden in Islamabad in der Regel etwa 3-4 Monate in Anspruch nimmt).

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen (…).“

Die Verwaltungsbehörde legte mit Schreiben vom 22.05.2020 den Verwaltungsakt neuerlich zur Überprüfung der Fortsetzung der Anhaltung vor und führte unter anderem, bezogen auf den Zeitraum ab der letzten Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht aus:

„(…)

Die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft scheint daher der Behörde aktuell nicht nur geeignet und erforderlich angesichts der bisherigen Unzuverlässigkeit des betroffenen Fremden, einen geordneten Vollzug des Fremdenwesens, durch die – nach dem derzeitigen Verfahrensstand, absolut als wahrscheinlich und auch möglich erscheinende – Abschiebung zu gewährleisten, sondern im Lichte des Umstandes, des Beurteilungsmaßstabes der novellierten § 80 Abs 2 und 4 FPG auch weiterhin als adäquat.(…)“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Verfahrensgang und die vom Bundesverwaltungsgericht im obzitierten Erkenntnis vom 30.04.2020, Zahl: W154 2227168-5/2E, getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden ebenso zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben wie die ergänzend zitierten Sachverhaltsparameter der Stellungnahme der Verwaltungsbehörde im Rahmen der aktuellen Aktenvorlage.

Ergänzend wird festgestellt:

Es sind (daher) auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Bescheid der Verwaltungsbehörde und den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft weiter fortzusetzen ist.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnis (in Übereinstimmung mit den zuvor erlassenen Vorerkenntnissen) übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen.

Die ergänzende Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. ergibt sich als logische Konsequenz daraus.

Eine Verhandlung war aufgrund des als geklärt anzusehenden Sachverhaltes nicht durchzuführen; anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die schon in den jüngsten Vorerkenntnissen zugrundeliegenden Feststellungen auf einer umfassenden Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen einer am 11.02.2020 durchgeführten Verhandlung basieren.

Rechtliche Beurteilung (…)

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits dem angeführten Vorerkenntnis (in Übereinstimmung mit den zuvor ergangenen Vorentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes) zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; es wird daher die rechtliche Beurteilung des Vorerkenntnisses zur rechtlichen Beurteilung erhoben.

Aufgrund der Verbesserung der COVID-19 Situation und damit verbunden mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter einhergehenden Lockerung der Reisebeschränkungen ist daher auch mit einer zeitnahen Realisierung der Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zu rechnen.

Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich daher die bisherige Anhaltung auch unter diesem Aspekt jedenfalls als verhältnismäßig.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 15.06.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 15.06.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) folgende Stellungnahme:

„(…) Verfahrensverlauf und Verhalten des Fremden:

Der Fremde reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und wollte am 15.09.2019 nach Italien ausreisen, gemeinsam mit seinen 3 Cousins. Er wurde jedoch in XXXX am HBH einer Kontrolle unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass er keinerlei Dokumente mitführte und auch keinerlei Identitätsdokumente vorweisen konnte. Die ED Behandlung brachte weder einen VIS Treffer noch einen EURODAC Treffer zum Vorschein. Er wurde in der Folge festgenommen, es wurde seitens der EAST ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs 3 Z 1 (Prüfung SIM) gegen Ihre Person erlassen, in der Folge wurde er ins PAZ XXXX verbracht.

Er wurde am 15.09.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt: Er gab an, dass er nach Italien reisen will, um dort zu leben, dies mit seinen 3 Cousins, weiters dass er gesund ist und keinerlei Anbindungen im Bundesgebiet hat, nicht einmal weiß, wie er nach Österreich gekommen ist. In der Folge wurde über den Fremden am 15.09.2019 um 10:00 Uhr die Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG verhängt.

Der Fremde wurde vom BFA am 16.09.2019 befragt, und mit Bescheid vom 19.09.2019 eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt und ein 18monatiges Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs am 30.10.2019 in Rechtskraft.

Bereits am 17.09.2019 wurden HRZ Verfahren eingeleitet, die letzte Urgenz erfolgte am 22.05.2020.

Erst am 13.11.2019 stellte der Fremde einen Asylantrag, seitens des BFA wurde ein AV nach § 76 Abs 6 FPG erstellt und dem Fremden zugestellt. Mit Bescheid der XXXX wurde der Asylantrag negativ entschieden und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt. Dagegen erhob der Fremde fristgerecht Beschwerde, das BVwG bestätigte die Entscheidung des BFA unter L506 2226593-1/3E 19.12.2019.

Der Fremde trat in den Hungerstreik und wurde der Heilbehandlung zugestimmt und er vom AHZ XXXX ins PAZ XXXX verlegt.

Es ist in der Folge beabsichtigt unverzüglich nach Zustimmung zur HRZ Ausstellung ehebaldigst einen Abschiebetermin festzulegen. Weitere rechtliche oder faktische Hindernisse hinsichtlich der Effektuierung der Rückkehrentscheidung sind seitens der ho. Behörde nicht zu erkennen. Der Fremde hätte aber auch die Möglichkeit, aus dem Stande der Schubhaft freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Die letzte Schubhaftprüfung durch den BVwG erfolgte am 27.05.2020 unter GZ: W117 2227168-6 /2E.

Die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft scheint daher der Behörde aktuell nicht nur geeignet und erforderlich angesichts der bisherigen Unzuverlässigkeit des betroffenen Fremden, einen geordneten Vollzug des Fremdenwesens, durch die – nach dem derzeitigen Verfahrensstand, absolut als wahrscheinlich und auch möglich erscheinende – Abschiebung zu gewährleisten, sondern im Lichte des Umstandes, des Beurteilungsmaßstabes der novellierten § 80 Abs 2 und 4 FPG auch weiterhin als adäquat.

Sollte aufgrund des Ergebnisses des laufenden HRZ Verfahrens mit Pakistan das mit der Schubhaft verfolgte Ziel nicht mehr erreicht werden, oder sich das weitere Ausstellungsprozedere eines Ersatzreisedokumentes als unverhältnismäßig lang erweisen, wird seitens der ho. Behörde unverzüglich die Entlassung des BF veranlasst werden.

Die Gründe für die Verhängung der Schubhaft liegen daher aus Sicht der Behörde derzeit auch weiterhin vor und ist diese im Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig. Die Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft ist nach wie vor als absolut wahrscheinlich anzusehen.

Auch wenn durch die COVID 19 Pandemie derzeit noch keine Abschiebung nach Pakistan möglich ist – da es derzeit keine Flüge dorthin gibt – so ist dennoch mit einer Abschiebung jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen.

Die neuerliche Ankündigungen der Regierung, dass die derzeit auf Grund COVID 19 noch geltenden Beschränkungen weiter gelockert werden, lassen darauf schließen, dass der Flugbetrieb in absehbarer Zeit wieder aufgenommen wird. Sobald es wieder Flüge nach Pakistan gibt, wird umgehend eine Abschiebung nach Pakistan organisiert werden. Wobei auch die Möglichkeit besteht, den Fremden mittels Charterabschiebungen nach Pakistan zu verbringen, womit das BFA nicht an die Wiederaufnahme der Linienflüge gebunden ist.

Der im Betreff Genannte befindet sich nach wie vor im PAZ Wien HG.

Es wird daher beantragt festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiter vorliegen und diese auch weiterhin verhältnismäßig ist.“

Mit E-Mail vom 18.06.2020 teilte das BFA mit, dass zuletzt am 16.06.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Pakistanischen Botschaft urgiert wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:


1. Feststellungen:

Verfahrensgang und die vom Bundesverwaltungsgericht in den obzitierten Erkenntnissen vom 30.04.2020, W154 2227168-5/2E sowie vom 27.05.2020, W117 2227168-6/2E getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor. Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem von den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft weiter fortzusetzen ist.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Hinsichtlich der von den angeführten Vorerkenntnissen übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche Beweiswürdigung zu verweisen.

Die Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, ergibt sich als logische Konsequenz daraus. Eine Verhandlung war aufgrund des als geklärt anzusehenden Sachverhaltes nicht durchzuführen; anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die den Vorerkenntnissen zugrunde liegenden Feststellungen auf einer Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen einer am 11.02.2020 durchgeführten Verhandlung basieren.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Pakistanischen Botschaft erlangt werden kann. Zuletzt wurde am 16.06.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Pakistanischen Botschaft urgiert.


3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.


Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers die Anhaltung in Schubhaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen war/ist - hat zu einem überwiegenden Teil der Beschwerdeführer zu verantworten. Die realistische Möglichkeit der Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftstaat - innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft - besteht weiterhin.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht / zuletzt wurde am 16.06.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Pakistanischen Botschaft urgiert - auch verhältnismäßig. Da die Covid-19 Maßnahmen auf die Ausstellung des Heimreisezertifikates keine Auswirkung haben, da dieses elektronisch, postalisch und telefonisch betrieben werden kann, erweist sich die weitere Anhaltung als verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.


Zu Spruchpunkt II. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2227168.7.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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