Entscheidungsdatum
23.06.2020Norm
ASVG §4 Abs1 Z1Spruch
W164 2184544-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch LBG Burgenland Steuerberatung GmbH, gegen den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (nun Österreichischen Gesundheitskasse) vom 27.10.2017, Zl. II- XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben: Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch genannten Bescheid stellte die Burgenländische Gebietskrankenkasse, nun Österreichische Gesundheitskasse, (im Folgenden: BGKK) fest, dass Herr XXXX , geb. XXXX , (im Folgenden D) aufgrund seiner Beschäftigung beim Beschwerdeführer von 01.01.2012 bis 31.12.2016 der Versicherungspflicht nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlag (Spruchpunkt I) Gleichzeitig schrieb die BGKK dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 410 Abs. 1 Z 1 iVm. § § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG, § 1 Abs 1 lit a AlVG und § 6 Abs 1 BMSVG Sozialversicherungsbeiträge, Sonderbeiträge und Umlagen sowie Beiträge zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge in Gesamthöhe von € 33.038,05 unter Anlastung der gesetzlichen Verzugszinsen gem. § 59 Abs 1 ASVG im Betrag von € 3.239,13 vor. Die BGKK schloss diesem Bescheid eine Anlage mit der Aufstellung der Beitragsdifferenzen an, die sie zum Bestandteil des Bescheidspruches erklärte.
Zur Begründung bezog sich die BGKK auf eine im Jahr 2017 im Betrieb des BF durchgeführte GPLA-Prüfung (Schlussbesprechung am 27.06.2017). Dabei sei festgestellt worden, dass D, gelernter Schlosser, von 01.01.2012 bis 31.1202016 als Dienstnehmer für das Einzelunternehmen des BF, XXXX , tätig gewesen aber nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden sei. Der BF habe die Ausstellung eines Bescheides verlangt. Das genannte Einzelunternehmen, es handle sich um ein Bauunternehmen, das Arbeiten, wie die Aushebung bis hin zum Rohbau und Bautrocknung durchführe und diverse Baumaschinen verleihe, stehe in Geschäftsbeziehung mit der XXXX GmbH (im Folgenden S-GmbH). D habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit Herrn Ing. XXXX (im folgenden Ing. S) die Funktion des Geschäftsführers der S-GmbH ausgeübt. Aufgrund einer zahlenmäßig rückläufigen Auftragslage bei der S-GmbH habe der BF als Einzelunternehmer mit der S-GmbH mündlich vereinbart, dass er D zu einem Stundensatz für diverse Hilfstätigkeiten heranziehen könne. D habe gemeinsam mit mehreren Dienstnehmern des vom BF geführten Einzelunternehmens Hilfstätigkeiten auf vom BF betreuten Baustellen ausgeführt (Befüllen der Putzmaschine, Gerüstaufbau etc.). Die dafür notwendigen Geräte und Materialien habe der BF zur Verfügung gestellt. Arbeitsanweisungen habe D vom BF oder von dem auf der jeweiligen Baustelle anwesenden Polier erhalten. Die Entlohnung sei im Nachhinein auf Basis der geleisteten Arbeitsstunden erfolgt. Der BF habe die Arbeitsaufzeichnungen an die S- GmbH übermittelt. Die S-GmbH habe aufgrund dieser Arbeitszeitaufzeichnungen Rechnungen erstellt, den Lohn an D ausgezahlt und den Aufwand an den BF verrechnet. Dieser Bescheid wurde der Rechtsvertretung des BF am 30.10.2017 nachweislich zugestellt.
Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung in der Weise Beschwerde, als er am letzten Tag der Beschwerdefrist, dem 27.11.2017 bei der BGKK eine Beschwerde mit dem Begehren auf Aufhebung oder Abänderung des genannten Bescheides der BGKK einbrachte und ankündigte, „Sachverhalt, Begründung und Begehren werden nachgereicht“. Eine begründete Beschwerde wurde erst am 28.11.2017, also nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht.
Inhaltlich brachte der BF vor, Herr D habe anlässlich der eingangs genannten Baustellenkontrolle angegeben, von der S-GmbH, wo er als Gesellschafter fungiere, an den BF überlassen worden zu sein. Die belangte Behörde sei von einer Scheinselbständigkeit des D ausgegangen. Tatsächlich sei D jedoch in den Jahren 2011 bis 2016 wiederholt in unregelmäßigen Abständen von der S-GmbH an den BF zur Arbeitsleistung überlassen worden, dies auf Basis eines zwischen dem BF und der S-GmbH abgeschlossenen Arbeitskräfteüberlassungsvertrages. Der Geschäftsführer der S-GmbH (S) habe dem BF mündlich mitgeteilt, dass D bei der S-GmbH zur Sozialversicherung gemeldet sei. Er habe keinen Grund gesehen, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln.
Die Finanzpolizei habe mit S am 03.11.2016 eine Niederschrift aufgenommen. Diese Niederschrift sei nicht entsprechend ausgewertet worden. Ing.S habe angegeben, dass D mit 30% an der S-GmbH beteiligt sei. Dies entspreche den Eintragungen im Firmenbuch. D sei überdies seit 30.11.2011 weiterer Geschäftsführer der S-GmbH und zur Sozialversicherung nach GSVG gemeldet. S habe weiters angegeben, es bestehe eine mündliche Vereinbarung zwischen der S-GmbH und dem BF dergestalt, dass der BF D im Bedarfsfall gegen Aufzeichnung der Arbeitsstunden und Rechnungslegung im Nachhinein anfordern und verwenden könne. Als Stundensatz seien € 20,-- vereinbart gewesen. Diesen Stundensatz habe der BF nachweislich an die S-GmbH bezahlt. Welcher Teil dieses Entgelts als Gestellungsentgelt bei der S-GmbH verblieb und welcher Teil von Ing. S an D als Lohn ausgezahlt wurde, sei nicht erhoben worden. D sei nicht direkt vom BF bezahlt worden. Bereits dier Höhe dieses Entgelts (der KV-Lohn für Dienstleistungen der genannten Art hätte zwischen 10,64 und 11,61 betragen) spreche für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung. Die Eingliederung in den Betriebsablauf und Weisungserteilung durch den BF spreche nicht gegen das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung, ebenso wenig das Führen von Arbeitszeitaufzeichnungen. Als Dienstgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinn wäre die S-GmbH anzusehen. Diese müsste im Fall des Vorliegens einer Scheinselbständigkeit zur Verantwortung gezogen werden. Die S- GmbH habe D im Jahr 2016 im Übrigen an das von Frau L, der Ehefrau des BF geführte Einzelunternehmen überlassen. Auch diese Zahlungen seien im angefochtenen Bescheid dem BF zugerechnet worden, was keinesfalls zulässig sei. Die Vorschreibung der eingangs genannten Sozialversicherungsbeiträge, Sonderbeiträge und Umlagen sowie Beiträge zur betrieblichen Vorsorge und Verzugszinsen sei somit insgesamt nicht zur Recht erfolgt.
Zur Höhe des Nachverrechnungsbeitrages wurde eventualiter eingewendet, dass keinesfalls der vom BF an Ing. S gezahlte Betrag als Grundlage für die Nachverrechnung herangezogen werden hätte dürfen, sondern nur jener Teil der Lohnzahlung, der als Arbeitsverdienst an D bezahlt wurde.
Mit Schreiben vom 5.2.2020 konfrontierte das Bundesverwaltungsgericht den BF zu Handen seiner Vertretung damit, dass am letzten Tag der Beschwerdefrist eine „leere Beschwerde“ eingebracht wurde, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dann wenn die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, dazu führen müsse, dass die Beschwerde sofort zurückzuweisen wäre (vgl. VwGH Ra 2018/20/0059 vom 29.05.2018).
Mit Schreiben vom 13.2.2020 nahm der BF durch seine Rechtsvertretung wie folgt Stellung: Es sei im Zuge der Beschwerdeerhebung leider zu einem verfahrensrechtlichen Versehen gekommen. Dieses lasse sich mit den Unterschieden zwischen den Verfahrensvorschriften erklären: Die für Steuerberater (Anmerkung: die Rechtsvertretung des BF ist eine Steuerberatungskanzlei) relevante Verfahrensvorschrift, die BAO, lasse gem. § 245 Abs 3 BAO zu, dass die Beschwerdefrist von einem Monat auf Antrag (auch mehrmals) verlängert werden könne. Aufgrund dieser Bestimmung sei es alltägliche Praxis, dass Beschwerden gegen Finanzamtsbescheide zwar fristgerecht eingereicht, aber mit dem Hinweis versehen würden, dass die Begründung zu einem gewissen Tag nachgereicht werde. Dieses Vorgehen sei ein von der Finanzverwaltung akzeptierter und gelebter Modus. Der BF möchte mit dieser Erklärung darlegen, dass er die Beschwerde gegen den vorliegenden Bescheid weder bewusst noch rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltet habe, sondern aufgrund der regelmäßigen Erstattung von BAO-Beschwerden übersehen habe, dass die Nachreichung der Beschwerdebegründung bei einem Verfahren nach dem AVG nicht zulässig sei. Es handle sich um ein Versehen. Der BF möchte darüber hinaus betonen, dass er zu keinem Zeitpunkt einen Mängelbehebungsauftrag seitens der BGKK „provozieren“ habe wollen, weshalb bereits am Tag nach der Übermittlung der Beschwerde vom 27.11.1029, nämlich am 28.11.2019 die fehlende Begründung nachgereicht worden sei. Aus der kurzen Zeit zwischen Beschwerde- und Begründungsmitteilung könne man ableiten, dass es niemals das Ziel des BF gewesen sei, eine längere Zeit für die Begründungserstattung zu gewinnen und dadurch die Rechtsmittelfrist unangemessen zu verlängern. Der BF beantragte, die Beschwerde vom 27.11.2019 nicht zurückzuweisen, sondern über diese nach Würdigung aller Beweismittel inhaltlich zu entscheiden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Zuge des Beschwerdeverfahrens Einsicht in das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Burgenland, E109/05/2017.006/010, vom 27.08.2018 genommen, mit dem das Straferkenntnis der BH Oberwart, vom 03.07.2017, XXXX , wegen Übertretung von § 111 Abs 1 iVm 33 ASVG behoben und das Verfahren gem. § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt wurde. Zur Begründung führte das Landesverwaltungsgericht gestützt auf das Firmenbuch und die daran angeschlossene Urkundensammlung aus, D sei zur Zeit der genannten Kontrolle durch die Finanzpolizei Gesellschafter der S-GmbH mit einer geleisteten Stammeinlage von € 150.000,-- gewesen. Der weitere Gesellschafter der S-GmbH sei Ing. S gewesen. Beide Personen seien handelsrechtliche Geschäftsführer dieser GmbH gewesen, wobei Ing. S selbständig vertretungsbefugt, D aber nur gemeinsam mit Ing. S vertretungsbefugt gewesen sei. D habe auf die S GmbH keinen beherrschenden Einfluss gehabt. Seine Dienstnehmereigenschaft zur S-GmbH (iSd der von Verschiedenheit von Dienstgeber und Dienstnehmer) sei daher rechtlich nicht ausgeschlossen. Seine Überlassung an den BF als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person sei rechtlich möglich gewesen.
Gestützt auf die mit Ing S am 03.11.2016 von der Finanzpolizei aufgenommene Niederschrift stellte das Landesverwaltungsgericht fest, D sei der S-GmbH gegenüber zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet gewesen. Die S-GmbH habe sich gegenüber dem BF zur Überlassung der Arbeitskraft des D vertraglich verpflichtet. D sei im Betrieb des BF beschäftigt worden und für betriebseigene Aufgaben eingesetzt worden. Er habe dort Hilfsarbeiten verrichtet. Für seine Tätigkeit habe die S GmbH dem BF Rechnung gelegt. Der Stundensatz habe € 20,-- betragen. Die organisatorische Einbindung in des Betrieb des BF schade unter Beachtung des § 4 AÜG nicht. Weiters schade nicht, dass der BF D Weisungen erteilt hat. Es sei daher Arbeitskräfteüberlassung vorgelegen. Der BF sei nicht Dienstgeber des D iSd § 35 ASVG sondern sein Beschäftiger iSd § 3 Abs 3 AÜG gewesen. Die Pflichten des Arbeitgebers iS der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften hätten gemäß § 5 AÜG Ing. S als Überlasser iSd § 3 Abs 2 AÜG getroffen.
Mit seiner Stellungnahme vom 30.01.2019 legte der BF weiters die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Bruck, Eisenstadt, Oberwart FAFB XXXX vom 29.10.2018 vor, mit der das aufgrund der eingangs genannten Baustellenkontrolle gegen den BF begonnene steuerrechtliche Verfahren durch Stattgabe der Beschwerde in Anlehnung an das eben genannte Erkenntnis des LVwG vom 27.08.2018 im Sinne des BF beendet wurde.
Die Burgenländische Gebietskrankenkasse (nun Österreichische Gesundheitskasse) wendete im Zuge des dazu gewährten schriftlichen Parteiengehörs mit Stellungnahme vom 26.02.2019 ein, die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts sei nicht bindend. Es liege ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vor. Die BGKK beantragte die Bestätigung des angefochtenen Bescheides, in eventu wurde beantragt, die S-GmbH als Dienstgeberin zur Zahlung der im Rahmen der GPLA nachverrechneten Beiträge zu verpflichten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führte in der verfahrensgegenständlichen Zeit, 01.01.2012 bis 31.12.2016, das Einzelunternehmen XXXX , ein Bauunternehmen. Er stand mit der XXXX GmbH (S-GmbH) in Geschäftsbeziehung und vereinbarte mit dem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer dieser GmbH, dass ihm von Seiten der S-GmbH Herr XXXX (D), für diverse Hilfsarbeiten gegen einen Stundensatz von € 20,-- zur Verfügung gestellt werde. In der Folge beschäftigte der BF D als Hilfsarbeiter, wann immer in seinem Bauunternehmen eine zusätzliche Arbeitskraft gebraucht wurde. D war bei der Erbringung seiner Arbeitsleistungen - er verrichtete Hilfsarbeiten - in den Betrieb des BF eingegliedert. Die Stundenaufzeichnungen übermittelte der BF an die S-GmbH. Diese stellte für die von D geleisteten Arbeitsstunden dem BF einen Stundensatz von € 20,-- in Rechnung. Seinen Lohn erhielt D von der S-GmbH.
Im Jahr 2017 wurde im Betrieb des BF eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA-Prüfung) durchgeführt (Schlussbesprechung am 27.06.2017). Im Zuge dieser Prüfung wurde D als Dienstnehmer des BF beurteilt und dem BF entsprechende Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnet.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und ist soweit hier wesentlich unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 grundsätzlich durch EinzelrichterInnen und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Der hier vorliegende Fall ist von dieser Bestimmung erfasst; es wurde aber kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Es liegt somit EinzelrichterInnenzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.1. Zulässigkeit der Beschwerde:
Im vorliegenden Fall wurde am letzten Tag der Beschwerdefrist eine „leere Beschwerde“ eingebracht. Die fehlende Begründung wurde einen Tag später, somit nach Ablauf der Beschwerdefrist unaufgefordert nachgeholt.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dient § 13 Abs. 3 AVG dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sofort zurückzuweisen. Dies gilt auch für die bewusste und rechtsmissbräuchliche Einbringung "leerer" Beschwerden nach dem VwGVG. Um im Sinne dieser Rechtsprechung ein Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen. (vgl. VwGH 2014/01/0036 vom 17.02.2015).
Im vorliegenden Fall hat die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, eine Steuerberatungskanzlei, nachvollziehbar dargelegt, dass im Zuge der Beschwerdeerhebung ein Versehen unterlief, da die für Steuerberater im Alltag relevante Verfahrensvorschrift, die BAO, die Beantragung einer Verlängerung der Beschwerdefrist gem. § 245 Abs 3 BAO zulasse, sodass es in steuerrechtlichen Verfahren alltägliche Praxis sei, Beschwerden gegen Finanzamtsbescheide zwar fristgerecht einzureichen, aber mit dem Hinweis zu versehen, dass die Begründung zu einem gewissen Tag nachgereicht werde. Dass eine solche Praxis bei einem Verfahren nach dem AVG nicht zulässig sei, habe der BFV übersehen. Diese Ausführungen erscheinen nachvollziehbar und unbedenklich. Da weiters zutreffend bereits am nachfolgenden Tag eine Begründung der Beschwerde nachgereicht wurde, war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass es nicht das Ziel des BF war, die Rechtsmittelfrist bewusst und rechtsmissbräuchlich unangemessen zu verlängern. Die innerhalb der Beschwerdefrist eingebrachte ursprünglich mangelhafte Beschwerde wurde vom BF verbessert, noch ehe er dazu aufgefordert wurde. Die Beschwerde ist gemäß § 13 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG als rechtzeitig verbessert und insgesamt als zulässig zu beurteilen.
3.2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens:
Der Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens wird in seinem Umfang durch jene Entscheidung begrenzt, die mit dem erstinstanzlichen Bescheid getroffenen wurde. Die Beschwerdeinstanz darf in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bzw. Gegenstand der bekämpften erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist, nicht erkennen, da ihr dazu die funktionelle Zuständigkeit fehlt. (vgl. VwGH 2008/09/0362 vom 15.10.2009).
Im vorliegenden Fall hat die BGKK mit dem im Spruch genannten Bescheid die Versicherungspflicht nach § 4 ASVG des D aufgrund seiner Beschäftigung beim BF von 01.01.2012 bis 31.12.2016 festgestellt und dem BF gemäß § 410 Abs. 1 Z 1 iVm. § § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG, § 1 Abs 1 lit a AlVG und § 6 Abs 1 BMSVG entsprechende Sozialversicherungsbeiträge, Sonderbeiträge und Umlagen sowie Beiträge zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge samt Verzugszinsen vorgeschrieben. Nur diese Angelegenheit bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Die von der BGKK in eventu beantragte Verpflichtung des Ing. S zur Zahlung der im Rahmen der GPLA nachverrechneten Beiträge würde über den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens hinausgehen. Der diesbezügliche Antrag war daher nicht aufzugreifen.
3.3. In der Sache:
Gemäß § 35 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. […]
Im Fall einer Arbeitskräfteüberlassung ist Dienstgeber im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen der Überlasser:
Gem. § 3 Abs 1 AÜG ist Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.
Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet (§ 3 abs 2 AÜG).
Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt (§ 3 Abs 3 AÜG).
Arbeitskräfte sind Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.
Der Einsatz einer Arbeitskraft zu Hilfsarbeiten indiziert nach herrschender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit (§ 4 Abs. 2 ASVG).
Gemäß § 4 Abs 1 AÜG ist für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Gem. § 4 Abs 2 AÜG liegt Arbeitskräfteüberlassung insbesondere auch dann vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb eines Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber
kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder
die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder
organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder
der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.
Gemäß § 5 AÜG werden die Pflichten des Arbeitgebers, insbesondere im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, durch die Überlassung nicht berührt. […]
Dienstgeber einer überlassenen Arbeitskraft ist somit der Überlasser.
Nur bei den im § 3 Abs. 3 vorletzter Satz ASVG genannten Personen (Personen, die gemäß § 16 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, bei einem inländischen Betrieb beschäftigt werden, also vom Ausland nach Österreich überlassen werden) gilt der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes als Dienstgeber (§ 35 Abs 3, vorletzter Satz ASVG).
Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der oben zusammengefassten Beurteilung des Landesverwaltungsgerichts an: Im vorliegenden Fall wurde D von der S-GmbH an den BF zur Arbeitsleistung im Inland überlassen. Die S-GmbH hatte ihren Betriebssitz in der verfahrensgegenständlichen Zeit laut Firmenbuch FN XXXX in XXXX , Burgenland, somit im Inland. Als Dienstgeber des D kommt daher nicht der BF sondern nur die S-GmbH (deren Dienstgebereigenschaft nicht den Gegenstand dieses Verfahrens bildet) in Betracht.
Da der BF nicht Dienstgeber des D iSd § 35 ASVG war, erfolgte weder Feststellung der Versicherungspflicht nach § 4 Abs 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG des D aufgrund seiner Beschäftigung beim BF von 01.01.2012 bis 31.12.2016, noch die Nachverrechnung der entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge, Sonderbeiträge und Umlagen sowie Beiträge zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge samt Verzugszinsen an den BF zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitskräfteüberlassung Beitragsnachverrechnung Beschwerdeinhalt Dienstgebereigenschaft Rechtsmittelfrist Verbesserungsauftrag VersicherungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2184544.1.00Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020