TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 I408 2164588-1

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2164588-1/24E

Schriftliche Ausfertigung des am 28.05.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. IRAK, vertreten durch: Queer Base, Linke Wien Zeile 102, 1060 Wien gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2017, Zl. 10924966906-151639240, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er nach seiner Weigerung, mit der schiitischen Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq zusammenzuarbeiten, von dieser Gruppe mit dem Tod bedroht und mit einem Auto angefahren worden sei. Aus Angst um sein Leben habe er darauf den Irak verlassen.

2.       Am 02.05.2017 wiederholte der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Wesentlichen dieses Fluchtvorbringen und führte es detaillierter aus.

3.       Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 29.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage (Spruchpunkt IV.).

4.       Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 10.07.2017 fristgerecht, über die zugewiesene Rechtsberatung des Beschwerdeführers eingebrachten Beschwerde.

5.       Mit Schriftsatz seiner nunmehr bevollmächtigten Rechtsverletzung vom 04.03.2019 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er homosexuell sei und dies bereits im Geheimen im Irak ausgelebt habe. Er habe dort einen Partner gehabt, den er in der Mittelschule kennengelernt habe und sich ihm gegenüber 2010/2011 geoutet habe. Dieser habe seine Gefühle erwidert und sie haben viel Zeit als geheimes Paar miteinander verbracht. Er habe auch in seinem Geschäft mitgearbeitet und sie haben sich oft bei ihm zu Hause getroffen. Ein Cousin seines Partners habe diesen immer wieder belästigt und der Beschwerdeführer habe diesen Cousin selbst zwei- bis dreimal getroffen. Ab Jänner 2014 wären dann sein Partner, dessen Mutter und Schwestern plötzlich verschwunden. Aufgrund seines Unfalles habe er aber keine Nachforschungen zum Verbleib seines Partners anstellen können. Im Mai 2015 habe dann der schon genannte Cousin seinem Klan von seiner Homosexualität erzählt, worauf diese den Beschwerdeführer verstoßen haben. Ein Freund habe ihm dann zur Ausreise verholfen.

6.       Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde die Rechtssache dem erkennenden Richter zugewiesen. 

7.       Am 28.05.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung statt, in der das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.

8.       Am 04.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der mittlerweile 25-jährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Irak, stammt aus Bagdad und bekennt sich zum moslemisch-sunnitischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig und hält sich nach schlepperunterstützer Einreise seit (mindestens) 22.09.2015 in Österreich. Eine in der Vergangenheit erlittene Unfallverletzung an seinem Bein wurde auch Österreich (nochmals) medizinisch behandelt.

In Bagdad hat der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise ein Bekleidungsgeschäft geführt. Sein Vater ist ein Geschäftsmann, der Strom produziert. Die Familie lebt in guten wirtschaftlichen Verhältnissen und der Beschwerdeführer besitzt ein Feld auf dem Land.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft. Mit Urteil des BG XXXX vom 03.02.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Vorwurf, der versuchten Köperverletzung am 10.02.2019 vor dem Eingangsbereich des Lokales „ XXXX “ freigesprochen. Von einer Strafverfolgung wegen gefährlicher Drohung aufgrund eines früheren Vorfalles am 06.10.2018, als er den Türsteher der „ XXXX “ mit einem Messer bedroht hatte, ist Abstand genommen worden, weil sich der Beschwerdeführer im Wege einer Diversion zu gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 120 Wochenstunden bereiterklärte und zum Ausgleich der Folgen der Tat beigetragen hat.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt in einer Flüchtlingsunterkunft. Er ist in der Lage, sich auf Deutsch zu verständigen. 2019 hat er einen Prüfungsvorbereitungskurs für Deutsch B1 besucht, die Prüfung dazu aber nicht abgelegt. Maßgebliche Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht weist er jedoch nicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak von der schiitischen Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq bedroht bzw. seinen Herkunftsstaat aufgrund einer homosexuellen Beziehung verlassen musste.

Der Beschwerdeführer hat den Irak aus anderen Gründen, als auf wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen. Der konkrete Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak ausgesetzt wäre.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Nach langen Jahren kriegerischer und gewalttätiger innerstaatlicher Auseinandersetzungen hat sich die politische Situation und die Sicherheitslage stabilisiert bzw. ein Niveau erreicht, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass jedermann nur aufgrund seiner Anwesenheit im Land einer unmittelbaren Gefahr in Bezug auf Leib und Leben ausgesetzt ist.

Gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Intimitäten sind im Irak nicht verboten und stehen auch nicht unter Strafe. Homosexualität ist aber in der Gesellschaft weitgehend tabuisiert und wird abgelehnt. Auch wenn Homosexuelle dadurch Diskriminierungen und sozialer Ausgrenzungen ausgesetzt sind, ist eine systematische Verfolgung nicht erkennbar.

Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, die dort aufgewachsen ist, über familiäre Anknüpfungspunkte und Arbeitserfahrung verfügt, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Der Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die Covid 19 Pandemie keinen Einfluss auf Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den angefochtenen Bescheid, in die Beschwerde sowie der Stellungnahme zu seiner Homosexualität vom 04.03.2019, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zum Irak sowie durch Befragung des Beschwerdeführers und Erörterung der Unterlagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit beruhen auf den Ergebnissen der der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020. Da der Beschwerdeführer bisher keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu seiner schlepperunterstützen Einreise in Österreich sind seinen Angaben im behördlichen Verfahren entnommen.

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers im Irak und zu deren wirtschaftlichen Situation ergeben sich auf seinen Angaben vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Die in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer in Bezug auf die Erwerbstätigkeit seines Vaters vorgenommene Ergänzung, „er führe und besitze ein Reisebüro, welches Reisen nach Mekka organisiere“, wird nur als Unterstützung auf das „neue“ Fluchtvorbringen der sexuellen Orientierung angesehen und damit als nicht glaubhaft gewertet, weil es nur zur Bekräftigung der Verfolgungsgefahr als Homosexueller dient.

Ebenfalls ist den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen, dass er in Österreich über keine Verwandten und sonstige maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfügt.

Die Feststellungen zu seiner Erwerbstätigkeit als Kleiderhändler entsprechen seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 und finden in den Beschwerdeausführungen sowie der Stellungahme vom 04.03.2019 Deckung.

Aus dem Strafregisterauszug ergibt sich, der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist. Die Verwicklung in Streitereien vor Nachtlokalen, die über Strafgerichte und Strafverfolgungsbehörden abgewickelt wurden, sind den eingeholten strafgerichtlichen Unterlagen zu entnehmen, und wurden vom Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht und Leistungen der staatlichen Grundversorgung bezieht, beruht auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten GVS-Auszug und einer Abfrage aus der Sozialversicherungsdatenbank. Daraus ergibt sich auch zweifelsfrei seine mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit.

Wie es der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, ist er zwar in der Lage sich auf Deutsch auszudrücken und hat 2019 einen B1-Kurs besucht, sonstige Verfestigungen in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht haben sich aber nicht ergeben. Auch aus dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck ist kein hervorzuhebendes Bemühen für eine vertiefende und zukunftsorientierte Integration zu erkennen.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Zunächst wird auf die Begründung der belangten Behörde im verfahrensgegenständlichen Bescheid verwiesen, in der umfassend und nachvollziehbar dargelegt wurde, warum schon dem damaligen Fluchtvorbringen kein Glauben geschenkt wurde.

In der Ersteinvernahme am 28.10.2015 und in der Befragung am 02.05.2017 lag der der Grund für seine Flucht ausschließlich in der Bedrohung durch schiitische Milizen. Nach Ablehnung einer Zusammenarbeit mit den Milizen und dem Erhalt eines Drohbriefes, wurde der Beschwerdeführer auf der Fahrt mit dem Motorrad nach Hause von einem Auto absichtlich niedergefahren. Er verlor das Bewusstsein, sein Bein wurde mehrfach gebrochen und er musste zweimal, im Augst und November 2014 operiert werden. Er versteckte sich bei einem Onkel und verließ am 17.08.2015 den Irak mit einem Flugzeug in die Türkei.

In seiner Stellungnahme vom 04.03.2019, fast zwei Jahre später, und in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 führte er dann erstmalig und ergänzen an, homosexuell zu sein. Abgesehen von den Bedrohungen durch die Miliz Asaeb ahl Al Haq habe seine Familie im April 2014 von seiner Neigung sowie einer homosexuellen Beziehung zu einem Mann erfahren, worauf er von seinem Klan verstoßen wurde. Ein Freund habe ihm dann zur Ausreise verholfen.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 04.03.2019 ausführt, „es sei ihm aus Scham und Angst unmöglich gewesen, seine sexuelle Orientierung zu offenbaren“, so steht das im krassen Widerspruch zu seinem Vorbringen am 02.05.2017. Dort gab er auf konkrete Nachfrage noch an, „dass er ein gutes Verhältnis mit seiner Verwandtschaft und Familie habe“. Zudem gab er dabei an, dass er nach seinem Unfall am 27.07.2014 und nach den Operationen im Irak bis zu seiner Ausreise am 17.08.2015 bei einem Onkel gewohnt habe.

Eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Familie, die bereits im April 2014 von der sexuellen Beziehung des Beschwerdeführers erfahren haben soll, ist aus diesen Schilderungen nicht erkennbar und auch nicht mit Scham und Angst ob seiner Orientierung zu begründen. Bei einem Antragsteller, der viel Geld in die Hände nimmt, um in ein sicheres Land zu gelangen, das er sich damit auch letztendlich im Hinblick auf seine Verfolgung aussucht, ist zu erwarten, dass er von Anbeginn an seine eigentlichen Fluchtgründe offenlegt oder zumindest erkennen lässt, worin die wesentlichen Beweggründe für seine Ausreise lagen. Es besteht keine Veranlassung, bei einer Verfolgung durch Familienangehörige, diese positiv und als Unterstützer darzustellen.

Hinzu kommt, dass aus dem Schreiben über den Ausschluss aus seinem Stamm, welches der Beschwerdeführer über Whats-App erhalten haben will, der Vorwurf einer Homosexualität schlichtweg nicht hervorgeht. Der Beschwerdeführer war auch in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, den Inhalt „er habe in einem Bekleidungsgeschäft für Frauen gearbeitet, sei deshalb mehrmals gewarnt worden und habe sich darum nicht gekümmert, sodass er deshalb wegen mangelnden Respekts und Nichtbefolgung von Befehlen verstoßen worden sei“, der mit ihm und seiner Rechtsvertretung erörtert wurde, plausibel zu erklären. Bezeichnenderweise war in seinen Angaben die Homosexualität kein Thema.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bestrebt ist, sein ursprüngliches Fluchtvorbringen weiter aufrecht zu erhalten. Dabei verstrickt sich aber nur in weitere Widersprüche und Unplausibilitäten.

So war der Cousin seines homosexuellen Partners, der im April 2014 die homosexuelle Beziehung der Familie des Beschwerdeführers mitgeteilt hatte, nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung auch Teil jener drei Mitglieder der Miliz, die den Beschwerdeführer im Juli 2014 in seinem Geschäft aufsuchten und zur Zusammenarbeit aufgefordert hatten. Dieser kam dazu, kontrollierte den Ausweis des Beschwerdeführers, befragte ihn zu den Gründen seiner Weigerung und warf ihm darauf den Ausweis vor die Füße. Unabhängig davon, dass der Beschwerdeführer diesen vierten Mann bei seinen Ausführungen vor der belangten Behörde mit keinem Wort erwähnte, bleibt es verwunderlich, dass in einem solchen Fall, wo es nur darum geht, dem Beschwerdeführers zu schaden, diesen nicht mit seiner Homosexualität konfrontiert. Dieser Ablauf ist weder nachvollziehbar noch plausibel.

Selbst wenn die Unfallverletzung des Beschwerdeführers unstrittig ist, gibt es keinen Hinweise, dass dieser Unfall absichtlich, als Reaktion auf den erfolglosen Anwerbungsversuch, herbeigeführt wurde.

Zudem ist seine homosexuelle Orientierung nur über sein Umfeld in Österreich seit 2018 (Freundschaften zu Homosexuellen, Aufenthalt in einschlägigen Lokalen, Mitgliedschaft bei einschlägigen Kontaktportale) dokumentiert. Allen Versuchen, seine sexuelle Orientierung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft zu machen, blieben vage und unbestimmt und wurden emotionslos dargelegt.

Das betrifft vor allem die Beziehung im Irak. Sein Partner verschwand Anfang 2014 plötzlich mit seiner Familie, ein Umstand, der ebenfalls emotionslos zur Kenntnis genommen wird. In der Stellungnahme durch Queer Base vom 04.03.2019 ist noch davon die Rede, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Krankenhausaufenthalte keine Nachforschungen mehr anstellen konnte, obwohl der auslösende Unfall erst im Juli, sieben Monate später, stattfand. Unabhängig davon war auch das Verschwinden seines Partners in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 kein Thema. Erst auf konkrete Frage, warum er keinen Kontakt mehr zu ihm hatte, führte der Beschwerdeführer kurz aus: „Wir waren zu Silvester gemeinsam unterwegs. Danach gingen wir nach Hause. Wir hatten danach über soziale Medien eine Woche Kontakt und danach ist er verschwunden.“

Dieses völlige Fehlen an Emotionen macht das Vorbringen zu seiner Homosexualität, neben den anderen Unplausibilitäten, unglaubwürdig. So wie die Bedrohung durch die schiitische Miliz, ist auch die erst 2019 vorgebrachte homosexuelle Orientierung nur ein untauglicher Versuch, ein asylrelevanten Fluchtvorbringen darzustellen. Daher war es auch nicht erforderlich, den in der Stellungnahme vom 04.03.2019 angeboten Zeugen zur sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers einzuvernehmen, zumal die Beziehung nur zwei bis drei Monate ausgelebt wurde, schon im Oktober 2018 nicht mehr Bestand hatte und auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr beantragt wurde, obwohl diese dort konkret thematisiert wurde.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der im Länderbericht angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die sich daraus ergebende Lage im Herkunftstaat und zwar auch in Bezug auf die Situation für Menschen mit homosexueller Orientierung wurde in der mündlichen Verhandlung zusammengefast wiedergegeben und erörtert. Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Es wurden der angeführte Konsolidierungsprozess der Ordnung im Irak, die Etablierung erster Schritte einer politisch wie ethnisch ausgewogeneren Regierung im Irak, die allgemeine Lage, die Sicherheitslage, aber auch die humanitäre und wirtschaftliche Lage in Frage gestellt und auch eingeräumt, dass keine strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen besteht. Aus einer gesellschaftlichen Ächtung von Menschen mit homosexuellen Neigungen, die im gegenständlichen Fall nicht stattgefunden hat, ist noch keine konkrete Verfolgung gegeben.

Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass eine in den Irak zurückkehrende Person nicht aufgrund der Lage im Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, der Todesstrafe oder einem bewaffneten innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt ausgesetzt ist. Es war daher die diesbezügliche Feststellung zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner widersprüchlichen und unplausiblen Angaben nicht gelungen, einen asylrelevanten Fluchtgrund glaubhaft darzulegen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind nicht gegeben und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

Dem Beschwerdeführer droht im Irak - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass er aufgrund homosexueller Aktivtäten das Land verlassen musste oder vom Klan seiner Familie ausgeschlossen wurde.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er war im Herkunftstaat in der Lage sich durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Irak nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation im Irak bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde im Irak keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Irak, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher auch zu diesem Punkt als unbegründet und war damit abzuweisen.

3.3.     Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr iSd § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 22.09.2015 keine fünf Jahre. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des VwGH bedeutet dies, dass außergewöhnliche Integrationsbemühungen erforderlich sind, um eine Rückkehrentscheidung unzulässig zu machen (u.a. VwGH vom 27.02.2020, Ra 2019/01/0471-6).

Diese sind beim Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall nicht erkennbar. Seit Beginn seines Aufenthaltes ist er auf Leistungen der Grundversorgung angewiesen, ist in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und beherrscht die deutsche Sprache auf gutem A2-Niveau. Er hat bisher keinerlei nennenswerte Aktivitäten in Bezug auf erwerbsmäßige oder freiwillige Tätigkeiten gezeigt und ist nicht selbsterhaltungfähig. Er lebt in keiner Beziehung und ist für niemanden sorgepflichtig. Er ist zwar strafgerichtlich unbescholten, war aber 2018 und 2019 alkoholisiert und zu später Stunde in Vorfälle im Zusammenhang mit gefährlicher Drohung und versuchter Körperverletzung verwickelt.

Diesen schwach ausgeprägten privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet, steht das öffentliche Interesse am Vollzug das geltende Migrationsrecht gegenüber, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Somit überwiegt unter diesen Umständen bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Betreffend die mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 9 FPG gleichzeitig festzustellende Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat ist auszuführen, dass keine Gründe vorliegen, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist damit als unbegründet und war abzuweisen.

3.4.    Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was auf solche „besonderen Umstände“ iSd § 55 Abs 2 FPG schließen ließen. Weder aus dem Verwaltungsakt noch in der mündlichen Verhandlung sind Umstände hervorgekommen, die als „besondere Umstände“ iSd § 55 Abs 2 FPG zu werten wären. Daher traf die belangte Behörde zu Recht den Ausspruch, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage beträgt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Homosexualität Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung schriftliche Ausfertigung sexuelle Orientierung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2164588.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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