TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W155 2168857-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W155 2168857-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. KRASA im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur IFA-Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.03.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der vom ehemaligen Bundesasylamt mit Bescheid vom 05.04.2011 abgewiesen und eine Ausweisung aus Österreich ausgesprochen wurde. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AsylGH) vom 19.09.2011, Zl. C11 418924-1/2011/4E wurde die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Auf den detaillierten Verfahrensgang und die Feststellungen in diesem Erkenntnis wird verwiesen.

Am 06.10.2011 wurde der Beschwerdeführer mit Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien (BPD)-Fremdenpolizei zu einer Einvernahme geladen, eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise übermittelt und auf die Möglichkeit der Rückkehrhilfe bei einer freiwilligen Ausreise hingewiesen. Dieser wurde vom Beschwerdeführer an seiner gemeldeten Wohnadresse nach erfolglosem Zustellversuch beim zuständigen Postamt hinterlegt. Der Ladungstermin wurde vom Beschwerdeführer nicht wahrgenommen.

Am 28.11.2011 wurde der Beschwerdeführer bei einer Zufallskontrolle festgenommen, der fremdenpolizeilichen Behörde vorgeführt und niederschriftlich einvernommen. Ihm wurde neuerlich mitgeteilt, dass er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und verpflichtet sei, das Bundegebiet zu verlassen. Er war nicht bereit, das zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgelegte Formblatt auszufüllen. Er gab an, nicht nach Indien zurückkehren zu wollen.

Am 06.12.2011 ersuchte die BPD im Wege der Vertretungsbehörde der Republik Indien um Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Am 28.12.2012 wurde das Ersuchen urgiert.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem unrechtmäßigen Aufenthalt und seiner Schwarzarbeit als Zusteller bei Zufallskontrollen mehrfach wegen Verwaltungsübertretungen angezeigt.

Am 29.04.2013 erfolgte eine Anfrage bezüglich der Ausstellung des Heimreisezertifikates.

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 12.05.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand und Fahrens ohne entsprechende Lenkerberechtigung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Am 09.11.2015 legitimierte sich der Beschwerdeführer bei einer Zufallskontrolle mit einem griechischen Führerschein und einer abgelaufenen Aufenthaltskarte. Nach seiner Festnahme wurde er dem Bundesamt für Fremdenwasen und Asyl vorgeführt und niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass ihm sein illegaler Aufenthalt bewusst sei, mit Zustelldiensten Geld verdiene und sich nicht um die Ausstellung von Dokumenten bemüht habe. Die notwendigen Formblätter zur Erlangung des Heimreisedokumentes füllte er aus.

Am 18.11.2015 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der indischen Vertretungsbehörde abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates und vereinbarte in der Folge für den 31.05.2016 ein Interviewtermin zur Klärung der Identität des Beschwerdeführers. Der betreffende Ladungsbescheid vom 13.05.2016 konnte dem Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse in 1150 Wien trotz mehrerer Zustellversuche durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht persönlich zugestellt werden. Der Beschwerdeführer war seit 19.05.2016 nicht mehr in 1150 Wien gemeldet und für die Behörden greifbar.

Am 17.06.2016 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs.3 Z. 2 BFA-VG.

Am 18.08.2017 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Zufallskontrolle festgenommen Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am selben Tag nannte er zwar eine Wohnadresse bei einem indischen Staatsangehörigen, war aber weder dort gemeldet noch besaß er einen Wohnungsschlüssel. Er gab an bei verschiedenen Freunden zu wohnen. Weiters gab er an, als Zeitungszusteller zu arbeiten, nicht sozialversichert und nicht angemeldet zu sein. Um indische Reisedokumente habe er sich vor ca. 2 ½ Jahren ergebnislos bemüht. Er habe sich durchgehend in Österreich aufgehalten.

Im Anschluss an die Einvernahme verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Mandatsbescheid vom 18.08.2017 gemäß § 76 Abs. 2 Z.1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Der Bescheid wurde ihm persönlich übergeben.

Gegen oben genannten Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch eine Rechtsberatung Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.09.2017, W197 2168857-1, wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der laufenden Schubhaft gegeben waren.

Für den 04.09.2017 war ein Interviewtermin des Beschwerdeführes bei der indischen Vertretungsbehörde zur Erlangung eines Heimreisezertifikats vereinbart. Die Vorführung vor der diplomatischen Vertretungsbehörde fand statt.

Am 20.11.2017 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, da bis dahin kein Heimreisezertifikat von der indischen Botschaft ausgestellt wurde. Er meldete seinen Wohnsitz in 1120 an.

Mit Bescheid vom 20.05.2019 trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG auf, durch Ausfüllen von Formblättern bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken. Die Zustellung des Bescheides erfolgte an die aktuelle Meldeadresse durch Hinterlegung. Das Behördendokument wurde jedoch vom Beschwerdeführer nicht behoben.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 03.10.2019 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe zu 2 Monaten bedingt verurteilt.

Am 24.01.2020 wurde abermals ein Festnahmeauftrag erlassen.

Am 23.02.2020 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er führte aus in Österreich keine Angehörigen zu haben und nicht ausreisewillig zu sein. Seit seiner letzten Einvernahme 2017/18 sei er bei der Botschaft gewesen und habe einen Reisepass beantragt. Da er aber die indische Staatsangehörigkeit nicht nachweisen habe können, sei ihm ein Reisepass verwehrt worden. Eine Bestätigung darüber habe er nicht. Von einem Mitwirkungsbescheid habe er nichts gewusst. Er habe zu dieser Zeit nicht an seiner Meldeadresse gewohnt. Es übernachte bei verschiedenen Freunden oder manchmal auch in einem Sikh-Tempel. Er arbeite als Zeitungs- bzw. Werbezusteller und habe keinerlei Personaldokumente. Der Beschwerdeführer füllte die neu aufgelegten Formblätter der indischen Botschaft aus.

Mit Mandatsbescheid vom 23.02.2020 ordnete das Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl neuerlich die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch sein Vorverhalten die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1,3 u. 9 FPG erfülle und von einer Fluchtgefahr auszugehen sei. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH-ARGE Rechtsberatung Beschwerde gem. § 22a BFA-VG.

Mit Erkenntnis vom 30.03.2020, W171 2168857-2 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab und stellte fest, dass für die Fortsetzung der Schubhaft die maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Unterdessen wurde mit Schreiben vom 19.03.2020 mitgeteilt, dass die vom Beschwerdeführer angegebene Heimatadresse falsch gewesen sei und musste der Beschwerdeführer sodann in einer weiteren Einvernahme am 21.03.2020 zum nochmaligen Ausfüllen der Papiere angehalten werden. Bei dieser Einvernahme erklärte der Beschwerdeführer abermals sein Rückkehrunwilligkeit.

Mit Bescheid vom 21.03.2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, erklärte die Abschiebung nach Indien für zulässig, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und erließ ein Einreiseverbot. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsberatung eine Beschwerde, in der im Wesentlichen die Unverhältnismäßigkeit der laufenden Schubhaft vorgebracht wurde. Die Erreichbarkeit des Sicherungszwecks der Abschiebung wurde in Zweifel gezogen, da bisher noch immer kein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer erlangt werden konnte. Darüber hinaus sei aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der verbreiteten Viruskrankheit CoVid-19 und der damit einhergehenden Pandemie der Flugverkehr und auch die konsularische Arbeit zum Erliegen gekommen, sodass eine Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar wäre, was die gegenständliche Schubhaft ebenfalls unverhältnismäßig mache. Der Beschwerdeführer sei überdies kooperativ, da er die Formblätter für die Botschaft freiwillig ausgefüllt habe und würde er sich an ein allenfalls verhängtes gelinderes Mittel halten. Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Einvernahme des Beschwerdeführer und eines informierten Vertreters der Behörde sowie der Ersatz der Aufwendungen gem. VwG-Aufwandersatzverordnung. Das Beschwerdeverfahren ist zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung noch offen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft bzw. zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Unbestritten ist, dass der volljährige Beschwerdeführer seiner rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen ist und sich illegal im Bundesgebiet aufhält.

Er hat bisher keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen. Seine Identität steht daher nicht fest. Er gibt an, ein Staatsangehöriger Indiens zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer wurde von 18.08.2017 bis 20.11.2017 in Schubhaft angehalten und befindet sich seit 23.02.2020 wieder in Schubhaft, die Anordnung dieser Schubhaft wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2020 bestätigt.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor.

Mit aktuellem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein dreijähriges Einreiseverbot verhängt. Über die Beschwerde und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat das Bundesverwaltungsgericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung noch nicht entschieden.

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 03.01.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenfälschung (§§ 223(2), 224 StBG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er wechselt seine Unterkünfte und ist nicht für die Behörden greifbar. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen; es hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer mit der indischen Vertretungsbehörde eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde am 04.09.2017 einer indischen Delegation vorgeführt. Auf Grund von Änderungen von Formalitäten wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20.05. 2019 zur Mitwirkung bezüglich Ausfüllen von Formblättern aufgefordert. Dieser Bescheid wurde nach erfolglosen Zustellversuchen hinterlegt und nicht behoben. Die angegebene Wohnadresse in Indien hat sich als falsch erwiesen. Der Beschwerdeführer wirkt an der Beschaffung eines Heimreisezertifikates mangelhaft mit. Das Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates wird nochmals betrieben.

Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft und der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2020, wonach die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen, hat sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes ergeben sich zweifelsfrei aus den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erhoben Beweise durch Einsicht in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichtes, zu den Zahlen W197 2168857-1, W171 2168857-2, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft bzw. zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. An seiner Volljährigkeit bestehen keine Zweifel. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder Asylberechtigter bzw. subsidiär Schutzberechtigter ist, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Dass der Beschwerdeführer seit 23.02.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellung zu der behördlichen Anordnung der Schubhaft ergibt sich zudem aus den zitierten Entscheidungen.

Es haben sich weiterhin keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit wird auch nicht behauptet. Dass der Beschwerdeführer gesund ist ergibt sich aus den niederschriftlichen Einvernahmen. Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet. Der Stand des Asylverfahrens, der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seiner fehlenden Integration ergeben sich aus der Aktenlage. Die Feststellungen zu dem mangelnden sozialen Netz, dem fehlenden Wohnsitz, den fehlenden finanziellen Mittel sowie der mangelnden legalen beruflichen Tätigkeit ergeben sich ebenso wie die Feststellung, dass in Österreich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben, insbesondere aus den bisherigen Angaben des Beschwerdeführers in seinen Verfahren. Eine diesbezügliche Änderung der persönlichen Verhältnisse ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Dass der Beschwerdeführer über keine gesicherte Unterkunft verfügt, ergibt sich insbesondere aus seinen eigenen Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme, wonach er bei verschiedenen Freunden oder in einem Sikh Tempel übernachtet.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) mit der indischen Vertretungsbehörde ergibt sich aus den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Schriftstücken, der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Feststellungen in der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Rückkehrentscheidung und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes und der Einvernahmen des Beschwerdeführers (zuletzt vom 23.02.2020). Die diesbezüglichen Angaben und Schriftstücke sind schlüssig und nachvollziehbar, sodass die entsprechenden Feststellungen getroffen werden konnten. Die Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft, welche die höchstzulässige Dauer im Entscheidungszeitpunkt nicht erreicht bzw. übersteigt, resultiert zudem aus der Notwendigkeit der Identifizierung des Beschwerdeführers, an der er nicht ernsthaft bzw. mangelhaft mitwirkt Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife der Sache nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A) Fortsetzung der Schubhaft

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunft-nahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

„Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde“.

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungs-bedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Im gegenständlichen Fall liegt auch weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben, da aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Der Beschwerdeführer hat auch keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan bzw. haben sich aus dem Prüfungsverfahren solche nicht ergeben, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Gegenüber dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt und der Feststellungen im vorangegangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2020 hat sich keine Änderung ergeben, der zu einer anderen Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft führt.

Der Beschwerdeführer hat keine nennenswerten familiären oder sozialen Bindungen in Österreich. Er geht keiner legalen Erwerbstätigkeit in Österreich nach. Er hat in Österreich auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, an dem er für Behörden greifbar ist. Vielmehr gab er zuletzt an, sich an verschieden Adressen und einem Tempel aufgehalten zu haben. Er wurde strafrechtlich verurteilt.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er sich nicht rechtskonform verhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändern würde. Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt überdies die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Auch die aktuelle Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) ändert an an dieser Einschätzung nichts. Entsprechend der medialen Berichterstattung findet aktuell der Flugverkehr aus Österreich wieder, aber beschränkt statt. Die realistische Möglichkeit der Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer der Schubhaft, die im Falle des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG 18 Monate beträgt, besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich das BFA um die Ausstellung eines Heimreisezertifikate umfassend bemüht die Aufrechterhaltung der seit 23.02. 2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nach wie vor verhältnismäßig.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B) Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W155.2168857.3.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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