Entscheidungsdatum
24.06.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W275 2198334-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018, Zahl 1172273803/180408785, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 30.04.2018 bis 02.05.2018 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018, Zahl 1172273803/180408785, sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 30.04.2018 bis 02.05.2018 werden für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Verfahren über diesen Antrag auf internationalen Schutz wurde in weiterer Folge aufgrund des Untertauchens des Beschwerdeführers eingestellt.
Am 29.04.2018 wurde der Beschwerdeführer angehalten und aufgrund eines gegen ihn bestehenden Festnahmeauftrages festgenommen. Der Beschwerdeführer wurde anschließend in ein Polizeianhaltezentrum überstellt und am 30.04.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich zur Anordnung der Schubhaft sowie der Sicherung der Abschiebung einvernommen.
Mit oben genanntem Mandatsbescheid vom 30.04.2018 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an.
Der Beschwerdeführer wurde am 30.04.2018 in Schubhaft genommen und bis zu seiner Abschiebung nach Italien am 15.05.2018 in Schubhaft angehalten. Mit Mandatsbescheid vom 02.05.2018 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG (in der damals geltenden Fassung) Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung sowie der Sicherung der Abschiebung an.
Gegen den Mandatsbescheid vom 30.04.2018 und die Anhaltung in Schubhaft von 30.04.2018 bis 02.05.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt vor; auf die Abgabe einer Stellungnahme wurde verzichtet.
Das gegenständliche Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W275 aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2020 mit Wirksamkeit vom 24.04.2020 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias. Er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht nicht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er war in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
1.2. Mit Mandatsbescheid vom 30.04.2018 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß „§ 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, […]“ über den Beschwerdeführer „die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung“ an. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung lief ein Dublin-OUT-Verfahren mit Italien.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde am 30.04.2018 in Schubhaft genommen und bis zu seiner Abschiebung nach Italien am 15.05.2018 in Schubhaft angehalten. Mit Mandatsbescheid vom 02.05.2018 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den Beschwerdeführer Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung sowie der Sicherung der Abschiebung an.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres:
2.1. Die Feststellung zu Name und Geburtsdatum des Beschwerdeführers beruht auf dessen eigenen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 28); die Identität des Beschwerdeführers steht jedoch mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokumentes nicht fest. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter war, finden sich weder im Verwaltungsakt noch wurde dies vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 30.04.2018 oder in der Beschwerde vorgebracht.
2.2. Die Feststellungen zum Mandatsbescheid vom 30.04.2018 sowie dem Dublin-OUT-Verfahren mit Italien ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Mandatsbescheid (AS 31ff) in Verbindung mit einem Schreiben vom 15.02.2018 betreffend die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (AS 53).
2.3. Die Feststellungen zur Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers bzw. Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft bis zu seiner Abschiebung nach Italien sowie der Erlassung eines Mandatsbescheides am 02.05.2018 ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister, dem im Verwaltungsakt einliegenden Mandatsbescheid vom 02.05.2018 (AS 56ff), der Beschwerde, einem E-Mail des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018 (AS 40f) und dem Abschiebebericht vom 15.05.2018 (AS 66).
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A) – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft von 30.04.2018 bis 02.05.2018:
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:
Der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides geltende § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 lautete:
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
3.1.2. Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018 über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestand jedoch – wie auch im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde – ein Dublin-OUT-Verfahren mit Italien. Die Anordnung von Schubhaft wäre demnach (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nur gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG (in der damals geltenden Fassung) zur Sicherung des Überstellungsverfahrens in Betracht gekommen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 30.04.2018 demnach zu Unrecht auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) gestützt.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Schubhaftbescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn er auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt ist, weshalb sich der angefochtene Schubhaftbescheid vom 30.04.2018 als rechtswidrig erweist.
War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (vgl. VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114).
Der Beschwerde ist daher stattzugeben.
3.2. Zu Spruchteil A) – Spruchpunkt II. – Kostenersatz:
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
3.2.3. Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz; ein solcher wurde auch nicht geltend gemacht.
Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Beschwerdestattgabe obsiegende Partei und hat Anspruch auf Kostenersatz; er hat diesen auch beantragt.
§ 1 Z 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit EUR 737,60.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Der Beschwerde wird stattgegeben; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
3.4. Zu Spruchteil B) – Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Dublin III-VO Rechtsgrundlage Rechtswidrigkeit Schubhaft ÜberstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W275.2198334.1.00Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020