Entscheidungsdatum
24.06.2020Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W240 2231334-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Nairobi, Zl. Nairobi-ÖB/KONS/0211/2020, vom 11.03.2020, beschlossen:
A)
Der Beschwerden gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 11.03.2020 wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Botschaft Nairobi zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 09.02.2018 – gemeinsam mit seinem angeblichen Bruder - bei der Österreichischen Botschaft Nairobi (in der Folge auch: „ÖB Nairobi“) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß
§ 35 Abs. 1 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer behauptete, am XXXX geboren zu sein und als seine Bezugsperson wurde die angeblich Mutter namens XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, genannt, der in Österreich der Asylstatus vom Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 09.11.2017 zu W159 2144870-1/9E, zuerkannte wurde.
2. Mit Schreiben der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 27.02.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert eine Stellungnahme abzugeben. Es wurde darin ausgeführt, dass die Stattgabe des Antrages auf internationalen Schutz in Österreich nicht wahrscheinlich sei, weil der Beschwerdeführer volljährig sei. Verwiesen wurde auf die Stellungnahme des BFA. In der ebenfalls zur Stellungnahme übermittelten Mitteilung des BFA gemäß § 35 AsylG 2005 vom 26.02.2020 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer behaupte, der leibliche Sohn der Bezugsperson in Österreich zu sein. Die im Zuge der Antragstellung beigebrachten Unterlagen, wie der somalische Reisepass und die Geburtsurkunde, seien nicht dazu geeignet, abschließend ein Familienangehörigenverhältnis zu bestätigen. Aufgrund der massiven Zweifel an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers sei ein DNA-Abstammungsgutachten nicht erforderlich und würde selbst bei einer Bestätigung der Mutterschaft gegenüber dem Beschwerdeführer, dies keinen Einfluss auf die Entscheidung hinsichtlich einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose haben. Der Antrag sei binnen drei Monaten nach Statusgewährung der Bezugsperson gestellt worden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Familieneigenschaft müsse eindeutig und unzweifelhaft feststehen, damit eine Zuerkennung eines Status im Familienverfahren als wahrscheinlich angesehen werden könne. Aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse sei das BFA zur Schlussfolgerung gelangt, dass bereits die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren nicht vorliegen würden, weil davon ausgegangen werden müsse, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine zum Antragszeitpunk volljährige Person handle und mit dem Überschreiten der Altersgrenze nicht die rechtlichen Grundlagen gegeben seien, die für eine wahrscheinliche Statusgewährung vorausgesetzt würden. Im vorliegenden Fall liege kein relevantes Familienverhältnis im Sinne vom § 35 Abs. 5 AsylG vor, da davon ausgegangen werden müsse, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine volljährige Person handle. Das behauptete Lebensalter des Beschwerdeführers sei zum Untersuchungszeitpunkt am 28.03.2019 durch das Aga Khan University Hospital bei 159 Monaten (13,25 Jahren – behauptetes Geburtsdatum XXXX ). Die Altersfeststellung durch vorzitiertes Hospital am 28.03.2015 habe jedoch nach der Methode nach Greulich und Pyle ein ermitteltes Alter von 204 Monaten (17 Jahren) ergeben, was ausgehend vom statistischen Mittelwert von 158,39 Monaten außerhalb einer Abweichung von 20,88 Monaten liege und dem behaupteten Alter somit nicht entspreche. Somit habe sich der Beschwerdeführer um rund vier Jahre jünger gemacht und sei das angegebene und errechnete Alter auch nach Berücksichtigung einer Schwankungsbreite nicht vereinbar. Somit seien weder der Beschwerdeführer noch die Bezugsperson willens, die Wahrheit anzugeben. Es sei deshalb der Eindruck gewonnen worden, dass die Volljährigkeit des Beschwerdeführers versucht worden sei zu verschleiern. Durch die vorgelegten Fotos ergebe sich ebenfalls, dass der Beschwerdeführer erwachsen sei und kein 13jähriger Junge sei.
Vorgelegt und zur Entscheidung herangezogen wurden insbesondere der Verfahrensakt der Bezugsperson, die Bezugsperson wurde am 28.05.2019 und am 19.09.2019 als Zeugin einvernommen. Es wurde eine Kopie des Konventionsreisepasses der Bezugsperson, eine Kopie der Meldebestätigung der Bezugsperson, das Erkenntnis des BVwG, mit dem der angeblichen Mutter Asyl zuerkannt wurde, eine Kopie der Geburtsurkunde betreffend den Beschwerdeführer, eine Kopie des somalischen Reisepasses des Beschwerdeführers und eine Kopie der Sterbeurkunde des angeblichen Vaters des Beschwerdeführers, ein Untersuchungsbericht einer österreichischen Landespolizeidirektion betreffend die in Vorlage gebrachten somalische Geburtsurkunde, wonach keine Sicherheitsmerkmale aufscheinen, ein Befund des Aga Khan University Hospitals hinsichtlich der radiologischen Untersuchung und Altersdiagnose vom 28.03.2019, welchem entnehmbar sei, dass das chronologische Alter zum Untersuchungszeitpunkt am 28.03.2019 mit 159 Monaten berechnet worden sei und das geschätzte Knochenalter 204 Monate betrage (17 Jahre).
3. Die beschwerdeführende Partei führte in der Stellungnahme vom 05.03.2020 insbesondere aus, dass aufgrund der radiologischen Untersuchung des Handwurzelknochens im März 2019 ein Knochenalter zum Untersuchungszeitpunkt von 204 Monaten, also 17 Jahren, festgestellt worden sei. Ein Jahr später sei im Februar 2020 dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden, dass für den jüngeren Bruder eine positive Mitteilung vorliege, dem Beschwerdeführer sei jedoch mitgeteilt worden, dass dessen Einreiseantrag gemäß § 35 AsylG abzuweisen sei, weil er volljährig sei. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei und wurde ausgeführt, dass auch durch die vorgelegten Unterlagen die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers dargelegt worden sei. Zwar komme somalischen Urkunden ein geringerer Beweiswert zu, dieser Umstand liege jedoch an den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten im Herkunftsland des Beschwerdeführers und könne ihm daher nicht persönlich zu Lasten gelegt werden. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Mutter hätten sich bereit erklärt, mittels einer DNA-Analyse deren Verwandtschaftsverhältnis darzulegen, würden daran Zweifel bestehen. Der Beschwerdeführer habe auch eingewilligt, mittels radiologischer Untersuchung seine Minderjährigkeit nachzuweisen und habe er damit gemäß § 13 Abs. 5 BFA-VG am Verfahren mitgewirkt. Das Ergebnis der radiologischen Untersuchung entspreche zwar nicht dem vom Beschwerdeführer behaupteten Alter, jedoch sei eindeutig von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Antragszeitpunkt auszugehen, welche rund 14 Monate vor dem Untersuchungszeitpunkt stattgefunden habe. Es werde vom BFA nicht präzisiert, ob die Behörde von der Volljährigkeit zum Antragszeitpunkt, zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchung oder zum Entscheidungszeitpunkt ausgehe. Völlig unklar sei, auf Grundlage welcher Beweismittel – abgesehen von vorgelegten Fotos – die Behörde die Volljährigkeit des Beschwerdeführers feststelle. Gemäß § 13 Abs. 3 BFA-VG schreibe vor, dass von der Minderjährigkeit des Fremden auszugehen sei, wenn nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel daran bestünden. Andernfalls wäre eine multifaktorielle Altersdiagnose durchzuführen, um zu einer präziseren Altersfeststellung zu gelangen. Mit dem bloßen Verweis auf das Aussehen des Beschwerdeführers auf im Verfahren vorgelegter Fotos werde das BFA seiner Ermittlungspflicht nicht gerecht. Schließlich werde beantragt, die Familienangehörigeneigenschaft gegebenenfalls mittels DNA-Gutachten nachzuweisen und werde eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG beantragt.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.03.2020 wies die ÖB Nairobi den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab. Verwiesen wurde auf die Stellungahmen des BFA zu der Antragstellung des Beschwerdeführers.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher insbesondere zusammengefasst das Vorbringen in der Stellungnahme vom 05.03.2020 wiederholt wurde. Weiters wurde ausgeführt, dass das Vorgehen im gegenständlichen Fall wegen der Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung, der Außerachtlassung wesentlichen Parteienvorbringens und Begründungsmängel des Bescheides das Verfahren mit formeller Rechtswidrigkeit belastet sei, die so schwer wiege, dass es sich gemäß der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs um einen Akt der Willkür handle. Beantragt wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen materieller und formeller Rechtswidrigkeit.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.03.2020 wies die ÖB Nairobi die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.
Im gegenständlichen erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als mangelhaft. Strittig blieb im Verfahren das Alter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Antragstellung. Ein Handwurzelröntgen hat ein Alter im Untersuchungszeitpunkt von rund 17 Jahren ergeben, dennoch ging die belangte Behörde von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers aus, ein multifaktorielles Altersfeststellungsgutachten wurde hingegen nicht durchgeführt. Auch ein DNA-Test wurde nicht durchgeführt, da dieser aufgrund der von der Behörde festgestellten Volljährigkeit des Beschwerdeführers nicht erforderlich sei.
2. Beweiswürdigung:
Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB Nairobi.
Die festgestellten Tatsachen, insbesondere das Datum der Rechtskraft der Asylzuerkennung hinsichtlich der Bezugsperson, der Zeitpunkt der Antragstellung der gegenständlichen Anträge, ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der ÖB Nairobi und wurden von den Beschwerdeführern nicht in sustantiierter Weise bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Beschwerde
Zu Spruchpunkt A) Behebung der Bescheide und Zurückverweisung:
Zu prüfen ist im gegenständlichen Fall, ob die Beschwerde gegen den Bescheid der ÖB Nairobi vom 11.03.2020 gemäß § 35 AsylG 2005 zu Recht als unbegründet abgewiesen wurde.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:
Familienverfahren im Inland
„§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
2. aufgehoben
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. aufgehoben
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
„§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
§ 75 Abs 24 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 24/2016 lautet:
„(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
„§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.
Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, müssen die Beschwerdeführer lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).
Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH klargestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung iSv § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen ist. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor bzw. wurde auch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen.
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 09.02.2018 – gemeinsam mit seinem angeblichen Bruder - bei der Österreichischen Botschaft Nairobi (in der Folge auch: „ÖB Nairobi“) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß
§ 35 Abs. 1 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer behauptete, am XXXX geboren zu sein und als seine Bezugsperson wurde die angeblich Mutter XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, genannt, der in Österreich der Asylstatus vom Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 09.11.2017 zu W159 2144870-1/9E, zuerkannte wurde.
Mit Schreiben der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 27.02.2020 wurde insbesondere ausgeführt, dass die Stattgabe des Antrages auf internationalen Schutz in Österreich nicht wahrscheinlich sei, weil der Beschwerdeführer volljährig sei. Verwiesen wurde auf die Stellungnahme des BFA gemäß § 35 AsylG 2005 vom 26.02.2020. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer behaupte, der leibliche Sohn der Bezugsperson in Österreich zu sein. Die im Zuge der Antragstellung beigebrachten Unterlagen, wie der somalische Reisepass und die Geburtsurkunde, seien jedoch nicht dazu geeignet, abschließend ein Familienangehörigenverhältnis zu bestätigen. Aufgrund der massiven Zweifel an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers sei ein DNA-Abstammungsgutachten nicht erforderlich und würde selbst bei einer Bestätigung der Mutterschaft gegenüber dem Beschwerdeführer, dies keinen Einfluss auf die Entscheidung hinsichtlich einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose haben. Im vorliegenden Fall liege kein relevantes Familienverhältnis im Sinne vom § 35 Abs. 5 AsylG vor, da davon ausgegangen werden müsse, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine volljährige Person handle. Das behauptete Lebensalter des Beschwerdeführers sei zum Untersuchungszeitpunkt am 28.03.2019 durch das Aga Khan University Hospital bei 159 Monaten (13,25 Jahren – behauptetes Geburtsdatum XXXX ). Die Altersfeststellung durch vorzitiertes Hospital am 28.03.2015 habe jedoch nach der Methode nach Greulich und Pyle ein ermitteltes Alter von 204 Monaten (17 Jahren) ergeben, was ausgehend vom statistischen Mittelwert von 158,39 Monaten außerhalb einer Abweisung von 20,88 Monaten liege und dem behaupteten Alter somit nicht entspreche. Es sei deshalb der Eindruck gewonnen worden, dass die Volljährigkeit des Beschwerdeführers versucht worden sei zu verschleiern. Durch die vorgelegten Fotos ergebe sich ebenfalls, dass der Beschwerdeführer erwachsen sei und kein 13jähriger Junge sei.
In der Stellungnahme vom 05.03.2020 wurde für den Beschwerdeführer insbesondere ausgeführt, dass aufgrund der radiologischen Untersuchung des Handwurzelknochens im März 2019 ein Knochenalter zum Untersuchungszeitpunkt von 204 Monaten, also 17 Jahren, festgestellt worden sei. Es wurde darauf verwiesen, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Mutter sich bereit erklärt hätten, mittels einer DNA-Analyse deren Verwandtschaftsverhältnis darzulegen, würden daran Zweifel bestehen. Der Beschwerdeführer habe auch eingewilligt, mittels radiologischer Untersuchung seine Minderjährigkeit nachzuweisen und habe er damit gemäß § 13 Abs. 5 BFA-VG am Verfahren mitgewirkt. Das Ergebnis der radiologischen Untersuchung entspreche zwar nicht dem vom Beschwerdeführer behaupteten Alter, jedoch sei eindeutig von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Antragszeitpunkt auszugehen, welche rund 14 Monate vor dem Untersuchungszeitpunkt stattgefunden habe. Es wurde zu Recht moniert, dass vom BFA nicht präzisiert werde, ob die Behörde von der Volljährigkeit zum Antragszeitpunkt, zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchung oder zum Entscheidungszeitpunkt ausgehe. Auch für die erkennende Richterin des BVwG ist nicht klar, auf Grundlage welcher Beweismittel – abgesehen von vorgelegten Fotos, auf welchen die belangte Behörde die Volljährigkeit des Beschwerdeführers erkennen will – die Behörde die Volljährigkeit des Beschwerdeführers feststelle. Verwiesen wurde in der Stellungnahme des Beschwerdeführers zu Recht auf
§ 13 Abs. 3 BFA-VG, wonach von der Minderjährigkeit des Fremden auszugehen sei, wenn nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel daran bestünden. Andernfalls wäre eine multifaktorielle Altersdiagnose durchzuführen, um zu einer präziseren Altersfeststellung zu gelangen. Schließlich wurde beantragt, die Familienangehörigeneigenschaft gegebenenfalls mittels DNA-Gutachten nachzuweisen und wurde eine entsprechende Belehrung gemäß
§ 13 Abs. 4 BFA-VG beantragt.
Es ist im gegenständlichen Fall zu beachten, dass die Behörde den Einreiseantrag der Beschwerdeführer gegenständlich mit der Begründung abwies, dass diese bereits volljährig und somit kein Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG sind. Die Volljährigkeit ergebe sich aus dem durchgeführten Handwurzelröntgen; die Echtheit und Richtigkeit bzw. Urkundenüberprüfung hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. dem Wahrheitsgehalt von somalischen Dokumenten könne von österreichischen Vertretungsbehörden keinesfalls überprüft werden.
Im Hinblick auf die Bedenken der Behörde hinsichtlich Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunden (Geburtsurkunde, Reisepass, Identitätsnachweis) ist vorweg festzuhalten, dass dies allein eine Ablehnung des Antrages nicht zu begründen vermag. In einem solchen Fall hat die Behörde andere Nachweise für das Bestehen der Familienangehörigeneigenschaft zu prüfen; darunter fallen etwa Einvernahmeprotokolle der Bezugsperson, deren (bereits erfolgte) zeugenschaftliche Einvernahme oder die Durchführung von DNA-Tests und eben Altersfeststellungsgutachten.
Betreffend das zur Altersfeststellung durchgeführte Handwurzelröntgen ist festzuhalten, dass dieses zwar ein nicht unbedeutendes Indiz darstelle, jedoch keine multifaktorielle Altersdiagnose darstellt und der im Akt erliegende Untersuchungsbericht des Aga Khan University Hospitals vor dem Hintergrund der in der Judikatur entwickelten Anforderungen nicht als Sachverständigengutachten zu qualifizieren ist. Es handelt sich bei dem angesprochenen Bericht (lediglich) um eine ärztliche Auskunft, welche im gegenständlichen Verfahren - neben den vorgelegten Urkunden und dem Parteivorbringen - zur Beurteilung des Sachverhalts herangezogen wurde und – wie bereits ausgeführt wurde – zum Untersuchungszeitpunkt ohnehin ein durchschnittliches Alter des Beschwerdeführers von rund 17 Jahren, somit dessen Volljährigkeit bei Antragsstellung jedenfalls darlegen würde.
Zum Erfordernis der Einholung eines Sachverständigengutachtens ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach die multifaktorielle Altersdiagnose dann angeordnet werden soll, wenn weder aus den bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen hinreichend gesicherte Aussagen zur Volljährigkeit bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers gezogen werden können, noch der Antragsteller seine behauptete Minderjährigkeit durch geeignete Bescheinigungsmittel nachweisen kann. Liegen jedoch Ermittlungsergebnisse vor, die die Annahme der Volljährigkeit des Antragstellers bei Asylantragstellung rechtfertigen, so ist weder verpflichtend von Amts wegen eine multifaktorielle Altersdiagnose anzuordnen, noch kommt die Zweifelsregel zugunsten Minderjähriger zu Anwendung (vgl. VwGH vom 19.06.2018, Ra 2018/20/0251; mH auf VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0007 und VwGH vom 28.03.2017, Ra 2016/01/0267).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 25 AsylG basiert die multifaktorielle Untersuchungsmethodik auf drei individuellen medizinischen Untersuchungen (insbesondere körperliche, zahnärztliche und Röntgenuntersuchung). Den erläuternden Bemerkungen zu § 13 Abs. 3 BFA-VG ist darüber hinaus zu entnehmen ist, dass eine Altersdiagnose auf Grundlage eines Untersuchungsmodells zu erfolgen habe, das sich auf drei individuelle medizinische Untersuchungen stütze und eine radiologische Untersuchung alleine keineswegs ausreichend sei (RV 1803 XXIV. GP). Als Verfahren zur Altersfeststellung werden von der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft folgende Untersuchungen empfohlen: Röntgenuntersuchung der linken Hand, Panoramaschichtröntgen des Gebisses und eine körperliche Untersuchung (Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 13 BFA-VG, Stand: 01.03.2016).
In Gesamtbetrachtung wird im fortgesetzten Verfahren betreffend den Beschwerdeführer ein multifaktorielles Altersgutachten einzuholen sein und – falls erforderlich – ein DNA-Gutachten einzuholen sein, diese werden ebenfalls dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen sein.
Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren die notwendigen weiteren Ermittlungen zur Klärung des tatsächlichen Alters der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung zu veranlassen und in der Folge entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W240.2231334.1.01Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020