TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/5 97/21/0325

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Veröffentlicht am 05.11.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des JF, geboren am 4. April 1964, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 28. April 1997, Zl. Fr 428/1-1997, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) fest, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, in Nigeria gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei bei seiner Vernehmung am 22. November 1995 im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Kenntnis gebracht worden, daß gegen ihn ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde. Dabei habe er angegeben, in seinem Heimatland nicht strafrechtlich wohl aber politisch vom Militärregime verfolgt zu werden. Er hätte in Lagos als Journalist gearbeitet und regimekritische Titel verfaßt. Im Juni 1995 wäre die Redaktion einer namentlich genannten Zeitung von der Polizei gestürmt und der Beschwerdeführer verhaftet worden. Da der Beschwerdeführer über Diktat des Dolmetschers in englischer Sprache gravierende Fehler gemacht habe, sei ihm zur Kenntnis gebracht worden, daß es als äußerst unglaubwürdig erscheine, daß er in englischer Sprache Artikel gegen das Militärregime verfaßt hätte. Weiters sei er über die Möglichkeit eines Antrages gemäß § 54 FrG auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in sein Heimatland belehrt worden. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, daß er einen solchen Antrag nicht stellen möchte und habe (im Zusammenhang mit ihm vorgeworfenen Suchtgiftstraftaten) darum ersucht, so schnell wie möglich nach Nigeria abgeschoben zu werden. Zur Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG habe er angegeben, in Nigeria weder strafrechtlich noch politisch noch im Sinne des § 37 FrG verfolgt zu werden. Nachdem in der Folge der Vertreter des Beschwerdeführers (dennoch) einen Antrag gemäß § 54 FrG gestellt habe, sei der Beschwerdeführer am 12. Dezember 1995 neuerlich befragt und auf die in der Niederschrift vom 22. November 1995 enthaltenen Widersprüche hingewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe am 12. Dezember 1995 angegeben, bezüglich der Verfolgungsgründe zur Gänze auf die Niederschrift vom 22. November 1995 zu verweisen. Warum er dann (in Anbetracht der zwischenzeitigen Stellung eines Antrages nach § 54 Abs. 1 FrG) angegeben hätte, in Nigeria nicht verfolgt zu werden und so schnell wie möglich wieder nach Nigeria zurückzuwollen, habe er nicht beantworten können. Einen Asylantrag habe der Beschwerdeführer erst am 19. Dezember 1995, somit nach Ablauf eines Zeitraumes von mehr als fünf Monaten nach seiner Einreise in das Bundesgebiet, gestellt. Vor der Asylbehörde habe der Beschwerdeführer angegeben, Artikel für diverse Zeitungen und für Flugzettel geschrieben zu haben. Er hätte die Regierung wegen illegaler Morde und wegen der Verhaftung von Journalisten kritisiert. Er wäre am 18. Juni 1995 in Lagos verhaftet und mit anderen Personen unter argen Mißhandlungen in das Gefängnis gebracht worden. Die Beamten im Gefängnis hätten ihm mitgeteilt, daß er in einigen Tagen getötet werden würde, bevor "die Menschenrechtsorganisation Sie erretten würde". Am 2. Juli 1995 wäre er von den Mitgliedern der Menschenrechtsorganisation aus dem Gefängnis befreit worden. Der Name des Beschwerdeführers wäre zwar auf den von ihm verfaßten Schriftstücken nicht genannt worden, die staatlichen Organe hätten jedoch sein Büro gekannt. Auf einigen weniger brisanten Flugzetteln wäre der Beschwerdeführer namentlich genannt worden. Die verspätete Asylantragstellung habe der Beschwerdeführer damit begründet, er hätte nicht gewußt, wie dies ablaufen würde und Angst gehabt. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland wäre zu befürchten, daß er schon am Flughafen ermordet werden könnte.

Bei einer weiteren Vernehmung am 20. September (richtig: März) 1997 habe er ergänzend ausgeführt, daß er in seiner Heimat zum Tod verurteilt worden wäre, weil er als Journalist einen gegen die Militärregierung gerichteten Artikel geschrieben hätte.

Die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich daraus, daß er vorerst am 22. November 1995 ausgesagt habe, in seinem Heimatland politisch vom nigerianischen Militärregime verfolgt zu werden, nach Belehrung "über den § 37 FrG" jedoch angegeben habe, daß er keinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria stellen möchte und darum ersuche, so schnell wie möglich nach Nigeria abgeschoben zu werden. In diesem Zusammenhang habe er auch angegeben, daß er in Nigeria weder strafrechtlich noch politisch noch im Sinne des § 37 FrG verfolgt werde. Nachdem der Beschwerdeführer am 12. Dezember 1995 auf die Widersprüche in der Vernehmung vom 22. November 1995 und in seinem Antrag nach § 54 FrG aufmerksam gemacht worden sei, habe er ausgeführt, nicht angeben zu können, warum er diese Angaben gemacht habe. Weiters habe er nicht angeben können, welche konkrete Verfolgung er in seinem Heimatstaat zu erwarten hätte. Eine Verfolgung aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit habe er noch in der Niederschrift vom 22. November 1995 ausdrücklich widerrufen und dementiert. Während sich seine asylrechtliche Niederschrift noch auf eine bloße Vermutung stütze, daß er ermordet werden könnte, habe er bereits in seiner ergänzenden Vernehmung vom 20. März 1997 dezidiert ausgeführt, daß er in seiner Heimat angeblich zum Tod verurteilt worden wäre. Dazu habe er keine Bescheinigungsmittel für die Glaubhaftmachung seiner Angaben vorgelegt bzw. angeboten und es stünden diese Angaben im völligen Widerspruch zu seinen Angaben in der asylbehördlichen Niederschrift vom 17. Jänner 1996, wo er ausgeführt habe, daß er in seinem Heimatstaat weder zu einer Gerichtsverhandlung noch zu einem Verhör vorgeladen worden wäre. Wenn er tatsächlich in Nigeria zum Tod verurteilt worden wäre, hätte er dies sofort im Zuge der mit ihm mehrfach aufgenommenen Niederschriften

(22. November 1995, 12. Dezember 1995) bzw. in seiner Antragstellung gemäß § 54 FrG am 6. Dezember 1995 bzw. letztendlich in seiner Asylantragstellung vom 19. Dezember 1995 geltend gemacht. Weiters hätte er bei Vorliegen einer solchen konkreten Verfolgungsgefahr wohl sofort nach seiner Ankunft in Österreich einen Asylantrag gestellt. Somit seien seine Angaben hinsichtlich einer angeblichen Verurteilung zum Tode absolut unglaubwürdig. Überdies sei es unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer durch einen Gefängniswächter mit Hilfe der Menschenrechtsorganisation aus einem als sicher bekannten Gefängnis hätte flüchten können.

Das Bundesministerium für Inneres habe mit rechtskräftigem Bescheid festgestellt, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung sicher sei. Der Behörde sei es aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen. Wenn auch der Beschwerdeführer als Journalist angesehen werden könnte, sei es ihm nicht gelungen, für den Fall seiner Rückkehr in seinem Heimatstaat konkret eine aktuelle Bedrohung bzw. Verfolgung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Ein vom Beschwerdeführer vorgelegtes Schreiben aus Nigeria enthalte lediglich eine allgemein gehaltene Empfehlung, im Zusammenhang mit dem Brand des privaten Verlagshauses keinen Versuch zu unternehmen, nach Nigeria zurückzukehren. Aus dem Hinweis, man werde ihn über die Entwicklung in seiner Heimat auf dem Laufenden halten, um ihm so die Kenntnis davon zu ermöglichen, wann die Zeit für ihn reif sei, in sein Land zurückzukehren, lasse sich keine aktuelle, konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung bzw. Verfolgung glaubhaft belegen und nachvollziehen.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (der Bundesrepublik Deutschland) gebe es in Nigeria derzeit eine relativ freie Presse, in der die in Nigeria herrschenden Zustände angeprangert werden dürften, soweit nicht offen zum Umsturz aufgerufen werde. Unter Berücksichtigung des beim Beschwerdeführer nach angeblicher Ausbildung zum Journalisten vorauszusetzenden Bildungsniveaus sehe sich die Berufungsbehörde ausgehend von seiner am Beginn des fremdenpolizeilichen Verfahrens dezidierten Verneinung sowohl einer strafrechtlichen als auch einer politischen Verfolgung in seinem Heimatstaat bis zur nunmehrigen Behauptung, wegen seiner angeblichen journalistischen Tätigkeit als Regimegegner angeblich zum Tod verurteilt worden zu sein, mit einem "nach logischen Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungen nicht nachvollziehbarem gedanklichen geistigen Quantensprung ... konfrontiert", welcher keinesfalls mit den in der Regel bei Journalisten berufsbedingt vorauszusetzenden Fähigkeiten, nämlich des realistischen und sachlich bezogenen Einschätzens und Analysierens von aktuellen Gegebenheiten und tatsächlichen Situationen, zu vereinbaren sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides versucht der Beschwerdeführer im wesentlichen damit zu begründen, daß dieser Bescheid aus "Bescheidbausteinen" zusammengesetzt sei und keinesfalls der Bestimmung des § 60 AVG Rechnung trage, wonach die maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen wären. Ausgehend von der Annahme, daß der Beschwerdeführer doch regimekritisch journalistisch tätig gewesen sei und Journalisten in Nigeria nach wie vor verfolgt würden, sei der Beschwerdeführer seiner Bescheinigungs- und Konkretisierungspflicht nachgekommen.

Der vom Beschwerdeführer aufgezeigten im § 60 AVG normierten Anforderung, in der Begründung eines Bescheides die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen, entspricht der angefochtene Bescheid gerade noch. Dem Gerichtshof ist somit eine Überprüfung des Bescheides auf dessen inhaltliche Richtigkeit möglich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/21/0853) hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung - einer solchen ist eine durch Dritte dann gleichgestellt, wenn der Staat infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage ist, eine Verfolgung zu verhindern - im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist.

In der Beschwerde wird nicht erst der Versuch unternommen, die in den Vernehmungen des Beschwerdeführers vor der Fremdenbehörde bzw. der Asylbehörde bestehenden Widersprüche aufzuklären, sondern lediglich darauf verwiesen, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in der Frage seines Berufes doch geglaubt und festgestellt habe, daß der Beschwerdeführer Journalist sei. Sie habe jedoch die sich daran anknüpfenden Konsequenzen nicht gezogen bzw. die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der nunmehrigen Tatsachen nicht neu bewertet.

Dieses Vorbringen ist in keiner Weise geeignet, im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen im angefochtenen Bescheid entstehen zu lassen. Die belangte Behörde führte zutreffend aus, daß derart widersprüchliche Angaben keinesfalls dazu führen können, ausgerechnet die zuletzt getätigten Angaben als glaubwürdig anzusehen. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich in seinem Heimatstaat einer Bedrohung mit dem Tod ausgesetzt, so hätte er - bei dem als Journalisten ein gewisses intellektuelles Niveau vorausgesetzt werden muß - diese Bedrohungssituation zweifellos sogleich nach seiner Einreise in Österreich offengelegt. Demgegenüber gab der Beschwerdeführer jedoch - wie oben dargelegt - vorerst an, nicht verfolgt zu werden und er stellte auch einen Asylantrag erst einige Monate nach seiner Einreise. Dieser Umstand steht mit der behaupteten Situation eines Journalisten, der wegen regimekritischer Beiträge zum Tod verurteilt worden und deshalb geflüchtet wäre, in einem unlösbaren Widerspruch. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes und auch der mit Recht anzuzweifelnden Flucht aus einem Gefängnis in Nigeria ist dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung einer Bedrohungs- oder Verfolgungssituation in Nigeria in keiner Weise gelungen. Darüber hinaus wies die belangte Behörde zutreffend darauf hin, daß sie die Ergebnisse des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens, in welchem eine Verfolgungssituation des Beschwerdeführers in Nigeria verneint wurde, heranziehen und verwerten konnte.

Die Ansicht der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei die Glaubhaftmachung einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht gelungen, kann somit nicht als rechtswidrig beurteilt werden, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung hinsichtlich einander widersprechender Beweisergebnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997210325.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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