Entscheidungsdatum
25.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2191720-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des
irakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX ,
vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX vom XXXX .03.2018,
Zl.
XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Am XXXX .08.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am XXXX .08.2015 wurde er von Organen der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, er habe als stellvertretendes Oberhaupt seiner Großfamilie viele Mitglieder seiner Familie aufgefordert, mit ihm friedlich gegen die Regierung und deren brutale Mittel zu demonstrieren. Daraufhin sei er vom XXXX , mit dem Tod bedroht worden. Später sei dann der IS eingedrungen und er habe mit den Demonstrationen aufhören müssen und sei geflohen. Die Regierung habe zudem sein Haus mit einem Panzer zerstört, wobei er verletzt worden sei. Bei seiner Rückkehr würde man ihn sicher töten, konkrete Hinweise auf eine etwaige unmenschliche Behandlung oder eine Bedrohung mit der Todesstrafe nannte er nicht [Erstbefragung AS 9].
Zur Reiseroute befragt, gab er an, Ende Jänner 2015 den Irak in Richtung Türkei verlassen zu haben. Ausgehend von XXXX sei er mit dem Bus nach Corum gefahren, wo er sich fünf Monate aufgehalten habe. In der Folge sei er an einen ihm unbekannten türkischen Ort gereist und von dort schlepperunterstützt auf eine griechische Insel gelangt, wo er von der Polizei aufgegriffen worden sei. Man habe ihm Fingerabdrücke abgenommen und nach einem ausgesprochenen Landesverweis mit einer Fähre nach Athen verbracht. Von dort sei er mit dem Zug nach Thessaloniki gefahren und in der Folge nach insgesamt etwa drei Tagen in Griechenland mit dem Zug und teilweise zu Fuß über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt. Die österreichische Staatsgrenze habe er fußläufig überquert und sei er nach einiger Zeit von der Polizei aufgegriffen worden [Erstbefragung AS 5].
1.3.
Am XXXX .12.2017 wurde der BF ab 13:00 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) im Beisein einer Rechtsvertreterin einvernommen.
Anlässlich dieser Einvernahme wiederholte er die von ihm bei der Erstbefragung erwähnten Fluchtgründe und präzisierte diese. Er habe vom XXXX .06.2013 bis Jänner 2015 Demonstrationen gegen die Regierung und die schiitischen Milizen Al Badr, Asaib Ahl al Haqq und Hizbollah organisiert. Diese hätten in XXXX stattgefunden, da dieser Ort, im Vergleich zu XXXX nicht von Milizen kontrolliert worden sei und hätten 120 bis 150 Personen umfasst. Er sei von einem Anführer der Badr Miliz, dem bereits erwähnten XXXX bedroht worden, dies Ende 2013, einmal 2014 und zuletzt im Jänner 2015. Die Demonstrationen seien gegen die Verschränkung von Politik und Religion sowie die durch schiitische Milizen ausgeübte Diskriminierung der Sunniten gerichtet gewesen. Die Polizei habe die Demonstrationen geschützt. Am Tag der letzten Demonstration, dem XXXX .01.2015, habe XXXX ihn erneut bedroht und sei es in der Nacht zu einer Explosion gekommen, die das Haus der Familie des BF zerstört habe; ob dies durch eine Bombe, Granate oder etwas anderes geschehen sei, könne er nicht angeben. Durch diese Explosion seien er, seine Mutter und sein Bruder XXXX verletzt worden. Sämtliche Onkel des BF seien frühere Offiziere und hohe Beamte der ehemaligen Regierung unter Saddam Hussein gewesen, einer davon der Vorsitzende der Baath-Partei in XXXX . Drei von ihnen seien derzeit in Jordanien aufhältig. Der BF habe zwar zu den Demos aufgerufen, sich jedoch nicht exponiert, da er Angst gehabt habe, verfolgt zu werden. XXXX , der den BF bedroht habe, sei eine gefährliche Person, welche im gesamten Irak gesucht werde. Bei seiner Rückkehr drohe ihm die Tötung durch schiitische Milizen [NS-BFA AS 105ff].
Die Reiseroute wurde wie im Rahmen der Erstbefragung angegeben, jedoch dahingehend präzisiert, dass er in Summe EUR 2.300 und 1.000.000 irakische Dinar zahlen musste. Da seine Familie recht wohlhabend sei, habe er von ihr das Geld für die Reise bekommen [NS-BFA AS 105].
Bei seiner Befragung brachte der Beschwerdeführer seinen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis, Farbfotografien der Meldekarte seiner Mutter, Fotografien seiner Heimatstadt, zwei Kursteilnahmebestätigungen sowie ein Schreiben des Arbeitsmarktservice (in der Folge. AMS) zur Vorlage.
1.4. Mit dem zum XXXX .03.2018 datierten Bescheid der belangten Behörde, wies das BFA den Antrag des BF vom XXXX .08.2015 (korrekt müsste es hier lauten 04.08.2015) auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen kurz zusammengefasst damit, dass der BF keine asylrelevanten Bedrohungen glaubhaft machen konnte und auch die vorgebrachte Teilnahme an Demonstrationen unglaubwürdig sei, da sich diese zeitlich und örtlich mit den Kampfhandlungen mit dem IS überschneiden würden.
1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF. Darin erklärt er, dass er diesen - gestützt auf die Beschwerdegründe „unrichtige rechtliche Beurteilung“ und „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ - vollumfänglich anfechte und die Beschwerde mit den Anträgen verbinde, 1.) den angefochtenen Bescheide zur Gänze zu beheben und ihm den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, in eventu 2.) den Bescheid dahingehend abzuändern, dass ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt werde, 3.) jedenfalls die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben, in eventu 4.) den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt zurückzuverweisen, und 5.) eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesgericht anzuberaumen. Er brachte hierbei vor, dass das BFA die Bedrohung durch XXXX nicht ausreichend berücksichtigt habe und die schiitischen Milizen als staatliche Organe zu werten seien. Es habe keine detaillierte Prüfung der vorgelegten Beweismittel stattgefunden und auch eine Zeugeneinvernahme sei unterblieben.
1.6. Am 09.04.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt und die vollumfängliche Bestätigung des Bescheides beantragt.
1.7. Anlässlich einer am XXXX .09.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden der BF und ein von ihm beantragter Zeuge im Beisein seiner Rechtsvertreterin (im Folgenden: RV), einer Behördenvertreterin (im Folgenden: BehV) und eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Identitätsfeststellungen
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität XXXX und wurde am XXXX in XXXX geboren. Er lebte bis zum Jahr 2015 in seinem Heimatstaat und spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft.
Entgegen seinen Angaben in der Erstbefragung, aus dessen Protokoll sich eine Eheschließung ergibt, ist er ledig und ohne Sorgepflichten [Erstbefragung AS 1; NS-BFA AS 102].
Der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer hat seinen Hauptwohnsitz seit dem XXXX .08.2015 im Bundesgebiet (derzeit an der Anschrift XXXX ). [Auszug aus dem Zentralen Melderegister - ZMR].
1.2. Zur Reiseroute des Beschwerdeführers, die ihn vom Herkunftsstaat nach Österreich führte und zur darauffolgenden Asylantragstellung:
Der BF lebte bis zu seiner Flucht in der Region von XXXX , hier im XXXX in einem eigenen Haus, welches sich im Eigentum seiner Familie befindet. [NS-BFA AS 104; PV vom 09.09.2019 S. 13].
Der BF hat Ende Jänner 2015 den Irak in Richtung Türkei verlassen. Er ist mit dem Bus ausgehend von XXXX nach Corum gefahren, wo er sich fünf Monate aufgehalten hat. In der Folge ist er an einen ihm unbekannten türkischen Ort gereist und schlepperunterstützt auf eine griechische Insel gelangt, wo er von der Polizei aufgegriffen wurde. Dort wurde er erkennungsdienstlich behandelt, indem ihm u.a. Fingerabdrücke abgenommen wurden. In der Folge wurde er nach einem gegen ihn ausgesprochenen Landesverweis mit einer Fähre nach Athen verbracht. Von fuhr er mit dem Zug nach Thessaloniki gelangte und in der Folge nach insgesamt etwa drei Tagen in Griechenland mit dem Zug und teilweise zu Fuß über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Die österreichische Staatsgrenze überquerte er fußläufig und wurde nach kurzer Zeit von der Polizei aufgegriffen [Erstbefragung AS 5].
1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Partei im Heimatstaat:
Im Herkunftsstaat besuchte der BF sechs Jahre die Grundschule und zwei Jahre die Mittelschule, welche er jedoch nicht abgeschlossen hat; über weitere Ausbildungen verfügt er nicht. Er leistete keinen Militärdienst, da zu jenem Zeitpunkt, als er einberufen hätte werden können, der vormalige Staats- und Regierungschef des Herkunftstaates, Saddam Hussein, bereits entmachtet worden war. Ab dem Jahr 2003 arbeitete der Beschwerdeführer bis 2004 in der XXXX der Familie und im Anschluss daran als XXXX für seine Familie und brachte so monatlich zwischen 1.500 und 2.000 US-Dollar ins Verdienen [NS-BFA AS 103; PV vom 09.09.2019 S. 5].
Im Herkunftsstaat leben keine Mitglieder der Kernfamilie des BF. Sein Vater ist im Jahr 2005 bei einem Autounfall verstorben, seine Mutter, XXXX , geboren XXXX , befindet sich zusammen mit einem Bruder in der Türkei, ein zweiter Bruder befindet sich seit etwa einem Jahr in Tunesien. Eine Schwester des BF lebt bei der Mutter in der Türkei, zwei weitere Schwestern leben mit ihren Familien in Jordanien, alle Schwestern sind verheiratet. Die gesamte Familie gehört dem Clan der XXXX an, welcher im Irak etwa 100.000 Mitglieder umfasst. Während er zu seinen Brüdern wenig Kontakt hat, steht er im konstanten Austausch mit seiner Mutter [NS-BFA AS 103; PV vom XXXX .0.2019 S. 7 und S. 21]. Der Rest der Kernfamilie des BF befindet sich in Jordanien, der Türkei, den USA und Finnland [PV vom XXXX .0.2019 S. 17 und S. 22].
Die Kernfamilie des BF ist nach eigenen Angaben wohlhabend und verfügte im Irak über Grundflächen von etwa 70 Hektar, wovon 10 Hektar im Eigentum der Familie standen und 60 Hektar von staatlicher Seite an die Familie verpachtet wurden. Diese 60 Hektar wurden in der Folge weiterverpachtet. Auf diesen Flächen wurden Getreide, Weintrauben und Äpfel angebaut. Das Getreide wurde in Silos abgegeben und verkauft, das Obst und Gemüse wurde bevorzugt nach XXXX geliefert, da auf den dortigen Märkten höhere Preise erzielt werden konnten. Für den eigenen Haushalt wurde Gemüse angebaut. Zur Bestellung des Landes verfügte die Familie über eine Egge, einen Pick-Up Baujahr 2001 und den LKW des BF. Darüber hinaus besaß der BF einen japanischen Pkw [NS-BFA AS 103f; PV vom XXXX .2019 S. 6].
1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:
Der Beschwerdeführer war nie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Er hatte nie ein Problem mit den Gerichten, der Polizei oder den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates oder war je Mitglied einer Miliz oder des IS. Er ist in seiner Heimat strafrechtlich unbescholten [PV vom XXXX .09.2019, S. 7].
Er war auch nie Adressat einer Verfolgung aus politischen Motiven oder aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber oder aus Gründen seiner religiösen Zugehörigkeit zu den sunnitischen Muslimen, sei es durch den Staat, durch eine Miliz oder aus anderen Gründen.
Ihm gelang es nicht, sein Fluchtvorbringen, das im Kern auf einer Bedrohung durch den Leiter der Al Badr Miliz, XXXX (in der Folge kurz: XXXX ) wegen seiner angeblichen Teilnahme an Demonstrationen gegen die Regierung und die schiitischen Milizen Al Badr, Asa’ib ahl al Haqq und Hizbollah beruhen sollte, glaubhaft zu machen.
Tatsächlich war er weder einer konkreten Bedrohung noch gezielten Angriffen auf seine Person, von wem immer, ausgesetzt.
1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:
Der BF arbeitet derzeit auf einem XXXX und legte im Rahmen der hg. Verhandlung eine Kursbestätigung für die Teilnahme an einem Deutschkurs Niveau A1/A2 vor. Von XXXX .12.2018 bis XXXX .08.2019 arbeitete er für das XXXX , von November 2015 bis Februar 2017 besuchte er Deutschkurse des Vereins „ XXXX “. Beim österreichischen Roten Kreuz absolvierte er die Ausbildung zum XXXX [PV vom XXXX .09.2019 S. 22; Bestätigungsschreiben der XXXX und der Stadtgemeinde XXXX ; Teilnahmezertifikat für Deutschkurs „ XXXX “; Teilnahmebestätigung des Roten Kreuzes AS 135; Bestätigung des Vereins „ XXXX “ AS 161].
Der BF hat in Österreich weder ein Familienleben noch ein Privatleben von maßgeblicher Bedeutung.
Der Beschwerdeführer bezieht derzeit Leistungen aus der Grundversorgung [AMS Bescheid AS 129; GVS-Auszug].
1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einer konkreten asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Gerichte, die Verwaltungsbehörden oder die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihm - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
1.6.1. Die Badr-Organisation (Al-Badr Miliz) ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des „Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak“ gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der „Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak“ wurde später zum „Obersten Islamischen Rat im Irak“ (OIRI), siehe Abschnitt „Politische Lage“]. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie die Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen (Süß 21.8.2017). Die Badr-Organisation besteht offiziell aus elf Brigaden, kontrolliert aber auch einige weitere Einheiten (FPRI 19.8.2019). Zu Badr und seinen Mitgliedsorganisationen gehören Berichten zufolge die 1., 3., 4., 5., 9., 10., 16., 21., 22., 23., 24., 27., 30., 52., 55. und 110. PMF-Brigade (Wilson Center 27.4.2018; vgl. Al-Tamini 31.10.2017). Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem (Süß 21.8.2017; vgl. Wilson Center 27.4.2018). Bei den Wahlen 2018 bildete die Badr-Organisation gemeinsam mit Asa‘ib Ahl al-Haqq und Kata‘ib Hizbullah die Fatah-Koalition (Wilson Center 27.4.2018), die 48 Sitze gewann (FPRI 19.8.2019), 22 davon gewann die Badr-Organisation (Wilson Center 27.4.2018). Viele Badr-Mitglieder waren Teil der offiziellen Staatssicherheitsapparate, insbesondere des Innenministeriums und der Bundespolizei (FPRI 19.8.2019). Die Badr-Organisation strebt die Erweiterung der schiitischen Macht in den Sicherheitskräften an, durch Wahlen und durch Eindämmung sunnitischer Bewegungen (Wilson Center 27.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff 13.3.2020
- Al-Tamini - Aymenn Jawad Al-Tamimi (31.10.2017): Hashd Brigade Numbers Index, http://www.aymennjawad.org/2017/10/hashd-brigade-numbers-index, Zugriff 13.3.2020
- FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/, Zugriff 13.3.2020
- Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.3.2020
- Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff 13.3.2020
1.6.2 Berufsgruppen und Menschen, die einer bestimmten Beschäftigung nachgehen:
Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien. Auch Mitglieder der Ministerien sowie Mitarbeiter von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten (AA 12.11.2019).
Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).
Der Beschwerdeführer übte während seiner Zeit im Irak keine dieser Tätigkeiten aus, weswegen ein diesen Betreffendes erhöhtes Sicherheitsrisiko nicht festgestellt werden kann.
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- CSIS - Center for Strategic & International Studies (30.11.2018): The Islamic State and the Persistent Threat of Extremism in Iraq, https://www.csis.org/analysis/islamic-state-and-persistent-threat-extremism-iraq, Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 13.3.2020
1.6.3. Medizinische Versorgung
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).
Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 13.3.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 13.3.2020
- UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 13.3.2020
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (17.2.2020): Iraq: Humanitarian Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian-bulletin-january-2020.pdf, Zugriff 13.3.2020
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 13.3.2020
Der BF ist gesund und arbeitsfähig und liegen anlassbezogen weder rechtliche noch faktische Hindernisse vor, die einem Rücktransport in den Herkunftsstaat bzw. einem Leben dort entgegenstünden. Eine medizinische Behandlung im Herkunftsstaat wird beim Beschwerdeführer nicht notwendig sein.
1.7. Den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätte. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten.
Im Beschwerdeverfahren, das auch der Ermittlung der Lebensumstände vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat diente, kam hervor, dass der BF in seiner Wohngegend mit den Gegenständen des täglichen Bedarfs versorgt war, ohne dass es zu Beeinträchtigungen gekommen wäre, von welcher Seite immer.
Der Beschwerdeführer hatte zu keinem Zeitpunkt direkten Kontakt mit Angehörigen einer Miliz, namentlich der Al-Badr Miliz. Auch wurde kein Mitglied der Kernfamilie des BF je dazu angeworben, für diese oder eine andere (schiitische) Miliz oder den Islamischen Staat zu kämpfen. Auch sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass der BF (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätte.
Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass er mit Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtungen Probleme gehabt hätte.
Die von ihm vorgebrachten Bedrohungspunkte konnte er weder im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde, noch in der am XXXX .09.2019 durchgeführten mündlichen Verhaltung als asylrelevante Bedrohungen glaubhaft machen.
Abschließend konnte nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des Beschwerdeführers ( XXXX ), irakischer Staatsangehöriger muslimisch sunnitischer Glaubensrichtung, Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die auf den Angaben des BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente.
Die zu den Personalia des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten. Die Konstatierungen zum Gesundheitszustand gründen auf seinen Angaben im Rahmen der hg. mündlichen Verhandlung vom XXXX .09.2019.
2.3. Zum Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf dessen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf seinen, vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.
Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der BF am XXXX .08.2015 angegeben, den Herkunftsstaat deshalb verlassen zu haben, weil er als stellvertretendes Oberhaupt seiner Großfamilie viele Mitglieder seiner Familie aufgefordert haben soll, mit ihm friedlich gegen die Regierung und deren brutale Mittel zu demonstrieren, woraufhin er vom XXXX seines Heimatortes mit dem Tod bedroht worden sei. Als später der IS eingedrungen war und habe er mit den Demonstrationen aufhören müssen und die Flucht egriffen. Die Regierung habe zudem sein Haus mit einem Panzer zerstört, wobei er verletzt worden sei. Bei seiner Rückkehr würde man ihn sicher töten, konkrete Hinweise auf unmenschliche Behandlung oder die Bedrohung durch die Todesstrafe nannte er nicht [Erstbefragung AS 9].
Anlässlich seiner am XXXX .12.2017 vor der belangten Behörde stattgehabten mündlichen Einvernahme hatte der BF angegeben, er habe von XXXX .06.2013 bis zum Jänner 2015 Demonstrationen gegen die Regierung und die schiitischen Milizen Al Badr, Asaib Ahl al Haqq und Hizbollah organisiert. Diese hätten in XXXX stattgefunden, da dieser Ort, im Vergleich zu seinem Heimatort nicht von Milizen kontrolliert worden sei und hätten 120 bis 150 Personen umfasst. Er sei in der Folge von einem Anführer der Badr Miliz, dem bereits erwähnten XXXX bedroht worden, dies Ende 2013, einmal 2014 und zuletzt im Jänner 2015. Die Demonstrationen seien gegen die Verschränkung von Politik und Religion sowie die durch schiitische Milizen ausgeübte Diskriminierung der Sunniten gerichtet gewesen. Die Polizei habe die Demonstrationen geschützt. Am Tag der letzten Demonstration, dem XXXX .01.2015, habe XXXX ihn wieder bedroht und sei es in der Nacht zu einer Explosion gekommen, die das Haus der Familie des BF zerstört habe, ob dies durch eine Bombe, Granate oder etwas Anderes geschehen sei, sei nicht feststellbar gewesen. Hierbei seien der BF, dessen Mutter und sein Bruder Faisal verletzt worden. Nach den Angaben des BF sollen sämtliche Onkel früher Offiziere und hohe Beamte der ehemaligen Regierung unter Saddam Hussein gewesen sein; einer davon soll sogar Vorsitzender der Baath-Partei in XXXX gewesen sein. Drei von ihnen seien derzeit in Jordanien aufhältig. Der BF habe zwar zu den Demonstrationen aufgerufen, sich jedoch nicht exponiert, da er Angst gehabt habe, verfolgt zu werden. XXXX , der den BF bedroht habe, sei eine gefährliche Person, welche im gesamten Irak gesucht werde. Bei seiner Rückkehr drohe ihm die Tötung durch schiitische Milizen [NS-BFA AS 105ff].
Während der BF seine Reiseroute glaubwürdig schilderte, verstrickte er sich bereits bei seinen Angaben zum Fluchtzeitpunkt in erhebliche Widersprüche. Während er vor dem BFA angab, direkt nach dem Angriff auf das Wohnhaus am XXXX .01.2015 über XXXX ins Ausland geflohen zu sein, gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, bereits vier Monate in XXXX gewesen zu sein, bevor er das Land verließ. Zwischen der Flucht und dem letzten fluchtauslösenden Ereignis sollen sohin mehrere Monate gelegen haben. Im Rahmen der hg. Verhandlung gab der BF an, dass er dies bereits zum Zeitpunkt seiner Einvernahme vor dem BFA angeben hätte wollen, doch habe ihn die damalige Dolmetscherin zu kurzen Antworten gedrängt. Diese Angaben erscheinen dem erkennenden Gericht nicht glaubhaft, zumal der BF im Anschluss an seine vor dem BFA stattgehabte Befragung (nach erfolgter Rückübersetzung der über seine Befragung aufgenommenen Niederschrift) angegeben hatte, dass alles korrekt protokolliert worden sei und dass alles gepasst habe und er nichts mehr hinzuzufügen habe [NS-BFA AS 112 unten]. Die Behauptung vor dem Bundesverwaltungsgericht, von der Dolmetscherin zu kurzen Antworten gedrängt worden zu sein, womit er indirekt zu verstehen geben wollte, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, vor dem BFA alles zu sagen, erweist sich daher als Schutzbehauptung, die jeder Grundlage entbehrt. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass jemand, der durch welche Faktoren immer, keine vollständigen Angaben machen konnte, vor der belangten Behörde zur Niederschrift angibt, dass alles korrekt protokolliert wurde und er „nichts mehr hinzuzufügen“ habe. Gerade der letzte Satz macht deutlich, dass der BF auch die Gelegenheit dazu benützte, alles zu sagen.
Nicht glaubhaft erscheint zudem der Bericht über den behaupteten - gezielten - Angriff auf seine Person und das Elternhaus, dies alles ob seines Engagements im Zusammenhang mit regimekritischen Demonstrationen. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, die Organisation der Demonstrationen federführend geleitet zu haben, nachdem sein Onkel hierfür zu alt gewesen sei. In der Folge gab er an, dass er sich nicht exponiert habe, weil er Angst vor Verfolgung gehabt habe. Mit dieser Angabe setzte er sich in Widerspruch mit seinen zuvor gemachten Angaben. Zudem gab der BF an, dass die Reden von den Stammesführern und angesehenen Männern gehalten worden seien. In derselben Befragung gab er jedoch an, dass nicht er, sondern sein Onkel von einem anderen Mann - XXXX - aufgefordert worden sei, diese Demonstrationen zu organisieren. Bei dieser Namensnennung ergab sich ein Widerspruch zu seiner hg. Aussage, hier nannte er XXXX , Mitglied des Stammesrates und Oberhaupt des in XXXX ansässigen Stammes der XXXX , als Auftraggeber.
Gleichbleibend blieb er bei seinen Angaben, dass das Haus seiner Familie nach dem Einmarsch des IS durch XXXX bombardiert worden sei. Vor dem Bundesgericht verstrickte er sich jedoch in Widersprüche und zweifelhafte Angaben zu den angeblichen Tätern. Hatte er zu Beginn seiner Befragung noch angegeben, dass er XXXX und dessen Fahrzeug genau identifizieren konnte, so ergab sich im Laufe seiner Einvernahme, dass sich die Brücke, von welcher aus auf das Haus des BF geschossen worden sein soll, ca. 1,00 bis 1,5 km entfernt situiert sein soll. Der BF gab zudem an, dass der Angriff gegen 22.30 Uhr stattgefunden habe [PV vom 09.09.2019 S. 13ff]. Ausgehend davon, dass der Sonnenuntergang in XXXX (und sohin in geographischer Nähe zum Heimatort des BF) zum Zeitpunkt des angeblichen Angriffes gegen 17:30 Uhr war (https://www.sunrise-and-sunset.com/de/sun/irak/ XXXX /2014/oktober, Zugriff: 06.10.2020) ist anzunehmen, dass die Lichtverhältnisse zu diesem Zeitpunkt ungünstig waren, um noch dazu in einer durch den behaupteten Angriff bedingten Stresssituation zuerst den Ort auszumachen, von welchem aus die Bedrohung kommt und dann noch die Täter zu identifizieren. Die Aussagen des BF werden auch dadurch entkräftet, dass er nicht genau angeben konnte, auf welche Art das Haus der Familie angegriffen wurde, ob mit Bombe, Granate oder anderen Mitteln, zumal er im Rahmen der Erstbefragung angab, dass die Regierung mit einem Panzer sein Haus zerstörte. Über Nachfrage gab der BF zudem an, nicht genau gesehen zu haben, wie viele Fahrzeuge sich auf der Brücke befinden haben sollen, noch, wie viele Personen dort waren, da es Nacht war [PV vom 09.09.2019 S. 15]. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Behauptung vom zerstörten Einfamilienhaus der Familie ist bei einer derart großen Entfernung, in der sich die Angreifer befunden haben sollen, nicht von einem gezielten Angriff aus allfällig asylrelevanten Motiven auszugehen. Vielmehr ist in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte zur Täterschaft von einem Fehlangriff auszugehen.
Eine, die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens untergrabende Steigerung des Vorbringens lag auch darin, dass der BF anlässlich seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .09.2019 erstmals angab, dass es zu mehreren Bedrohungen durch XXXX gekommen sei, während er vor der belangten Behörde lediglich von drei Telefonaten und mehreren Droh-SMS sprach. Es sei zudem nie zu einem direkten Kontakt mit XXXX gekommen, sondern habe dieser nur mittels Telefon stattgefunden, welches der BF im Irak weggeworfen haben will. Erstmalig vor dem Bundesverwaltungsgericht erwähnte er zusätzliche Schikanen durch örtliche Sicherheitskräfte, die in Zusammenhang mit seinem Nachnamen stehen sollen. Da seine Onkel hohe Beamte gewesen sein sollen, wäre es dem BF nicht möglich gewesen, seine Staatsbürgerschaft zu verlängern oder Checkpoints unbehelligt zu passieren. [NS-BFA AS 105; PV vom XXXX .09.2019 S. 10f und S. 20]. Sollte der BF durch seine Familie eine solch exponierte Person sein und allein sein Nachname ihn gesellschaftlich stigmatisieren, so scheint es unlogisch, eine solche Tatsache erst so spät im Verfahrensverlauf anzuführen.
Auch die vom BF vorgelegten Fotos vermochten nicht, seine Ausführungen zu untermauern. Wie von ihm selbst ausgeführt, wurden diese über Facebook ausgedruckt und stammen sohin nicht von ihm selbst. Diese Bilder zeigen angeblich den Markt seines Heimatortes und das zerstörte Wohnhaus eines Onkels [PV vom XXXX .09.2019 S. 18f]. Diese Bilder zeigen zwar zerstörte Gebäude und vermeintliche Milizionäre, sind jedoch nicht datiert und können daher nicht eindeutig jenem Zeitraum zugeordnet werden, welcher dem vom BF angegebenen Bedrohungszeitraum entspricht. Auch lässt sich anhand der vom BF heruntergeladenen Fotos nicht sagen, um welche Objekte es sich dabei handelt. Bezeichnend ist, dass er ein Bild des angeblich zerstörten Einfamilienhauses seiner Kernfamilie nicht vorzulegen vermochte, was unter Berücksichtigung der angesprochenen Widersprüche insgesamt dafür spricht, dass seine Fluchtgeschichte ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt ist.
Die vom BF angegebene Demonstrationstätigkeit wurde auch von dem im Rahmen der hg. mündlichen Verhandlung befragten Zeugen relativiert. Dieser gab an, dass der BF etwa an drei Tagen unter der Woche regelmäßig an Veranstaltungen in XXXX teilgenommen habe, womit er sich wiederum in Widerspruch mit den Angaben des BF setzte. Zudem gab der Zeuge in Widerspruch zu den Angaben des BF an, dass nicht der BF, sondern der Zeuge die Demonstrationen in XXXX organisiert habe. Der Zeuge gab weiters an, dass der BF in diesem Zusammenhang nicht von Medienvertretern interviewt worden sei, sondern hauptsächlich einem Stammesführer Fragen gestellt worden seien. Hier stellt sich die Frage, warum XXXX ausgerechnet den BF bedrohen sollte, wo dieser sich sowohl nach eigenen Angaben als auch nach den Angaben des Zeugen nie hervorgetan haben soll. Gegen die Bedrohung und die damit einhergehende wichtige Rolle des XXXX in der Al-Badr Miliz spricht auch, dass der Zeuge den Namen des XXXX erst durch den BF kennenlernte [PV des Zeugen vom XXXX .09.2019 AS 26ff]. Bei Wahrunterstellung der Angaben des Beschwerdeführers, denen zufolge XXXX einer der wichtigsten Führer der Miliz in seiner Region gewesen sei, hätte er dem Zeugen schon längst bekannt sein müssen.
In diesem Zusammenhang vermochte der BF keine glaubhafte Gefährdung seiner Sicherheit im Herkunftsstaat darzulegen. Er gab an, nie Probleme mit der Polizei, den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates gehabt zu haben. Auch ein direkter Kontakt zu im Irak operierenden Milizen oder zu Mitgliedern des Islamischen Staates wurde ausgeschlossen.
Die von ihm behaupteten Situationen, welche den Kontakt zu schiitischen Milizen im Irak betreffen, sowie die Teilnahme an Demonstrationen konnten nicht auf eine Art dargelegt werden, dass daraus die vom BF behauptete - asylrelevante - Verfolgung bzw. Bedrohung extrahiert werden könnte. Vielmehr scheint es ob der Angaben des BF wahrscheinlich, dass dieser nie von einer Miliz bedroht wurde und die im Vergleich zu den in der Erstbefragung gesteigerten Vorbringen ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt darstellen.
Im Bewusstsein, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe, sondern der Identität und Reiseroute dient, ist dennoch hervorzuheben, dass der BF auch zwischen seiner Einvernahme vor dem BFA und der hg. Verhandlung sich widersprechende Angaben machte, welche seine Glaubhaftigkeit in Zweifel zogen.
Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen des BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
2.5. Zur Integration des BF in Österreich
Die Feststellungen zu den von vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .03.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der A