TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W115 2229824-2

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W115 2229824-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Nigeria, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.    Aufgrund der behaupteten Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung in Auftrag gegeben. Mit Sachverständigengutachten vom XXXX wurde als spätestmögliches „fiktives“ Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX festgestellt. Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers, der bei der Erstbefragung sein Geburtsdatum mit XXXX angegeben hatte, wurde vom Bundesamt das fiktive Geburtsdatum des Beschwerdeführers, dem eingeholten Gutachten folgend, mit dem XXXX festgesetzt.

1.2.    Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 269 Abs. 1 StGB, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall sowie Abs. 2 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt.

1.3.    Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.); gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) sowie gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

1.4.    Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Spruchpunkte VI. und VII. wurde der Beschwerde stattgegeben und diese ersatzlos behoben und dem Beschwerdeführer eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

1.5.    In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

1.6.    Im XXXX leitete das Bundesamt bei der nigerianischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer ein und wurde dieser in weiterer Folge durch die nigerianische Botschaft als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert.

1.7.    Der Beschwerdeführer ist seit XXXX im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet. Er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar. Das Bundesamt erließ in weiterer Folge einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG.

1.8.    Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer Zufallskontrolle angehalten und festgenommen.

1.9.    Am selben Tag stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Anhaltung einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag).

1.10.   Mit Bescheid vom XXXX ordnete das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an.

1.11.   Am XXXX beging der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Schubhaft eine Ordnungswidrigkeit, durch die Nichtbefolgung einer Anordnung.

1.12.   Gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes vom XXXX sowie die Anhaltung in Schubhaft wurde vom Beschwerdeführer Beschwerde erhoben.

1.13.   Das Bundesamt legte in der Folge den Verwaltungsakt vor und erstattete im Zuge der Aktenvorlage eine Stellungnahme im Sinne des Akteninhalts und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde sowie den Ausspruch, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

1.14.   Die vom Beschwerdeführer gegen den Schubhaftbescheid vom XXXX sowie die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ XXXX , als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

1.15.   Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

1.16.   Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen.

1.17.   Das Bundesamt führte am XXXX , am XXXX und am XXXX Schubhaftprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durch.

2.       Am XXXX legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor. Im Zuge der Vorlage wurde vom Bundesamt nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Es bestehe weiterhin aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Auch mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne wegen der gänzlichen Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Die Dauer der Schubhaft sei maßgeblich dadurch bedingt, dass sich der Beschwerdeführer bisher geweigert habe freiwillig auszureisen und sich in der Vergangenheit durch Untertauchen dem Zugriff der Behörden entzogen habe. Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sei bei der nigerianischen Vertretungsbehörde im XXXX eingeleitet worden und sei der Beschwerdeführer auch bereits von dieser als nigerianischer Staatsbürger identifiziert worden. Zum Zwecke der Ausstellung eines Heimreisezertifikates müsse der Beschwerdeführer jedoch erneut der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt werden. Aufgrund von wiederholten Urgenzen sei nunmehr als Vorführungstermin der XXXX mit der nigerianischen Vertretungsbehörde vereinbart worden. Mit einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers sei weiterhin zu rechnen. Zur aktuellen Situation hinsichtlich der Einschränkung von Reisebewegungen im Zusammenhang mit COVID-19 wurde vom Bundesamt zusammengefasst ausgeführt, dass es sich dabei um zeitlich begrenzte Maßnahmen handle und auch in dieser Hinsicht mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers jedenfalls binnen der zulässigen Höchstgrenzen der Schubhaftdauer zu rechnen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer gibt an ein Staatsangehöriger Nigerias zu sein. Dokumente, die seine Identität bescheinigen, hat der Beschwerdeführer bisher nicht vorgelegt. Es liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria vor. Der Beschwerdeführer wurde bereits einer nigerianischen Delegation vorgeführt; seine Staatsangehörigkeit wurde bestätigt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, der schweren Körperverletzung und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Erschwerend wurde vom Gericht das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und der lange Tatzeitraum hinsichtlich des Eigenkonsums gewertet. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit, das teilweise Geständnis (Eigenkonsum) und die Suchtgiftsicherstellung gewertet.

Der Beschwerdeführer wird seit XXXX in Schubhaft angehalten.

Am XXXX beging der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Schubhaft eine Ordnungswidrigkeit, durch die Nichtbefolgung einer Anordnung.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Eine signifikant erhöhte Gefahr einer Infektion mit COVID-19 besteht im Polizeianhaltezentrum, wo der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wird, nicht.

1.3.    Zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX unter Angabe eines falschen Geburtsdatums seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.); gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) sowie gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Spruchpunkte VI. und VII. wurde der Beschwerde stattgegeben und diese ersatzlos behoben und dem Beschwerdeführer eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Der Beschwerdeführer kam seit XXXX seiner Meldeverpflichtung in Österreich nicht nach und war untergetaucht und für die Behörden nicht greifbar. Erst aufgrund eines vom Bundesamt erlassenen Festnahmeauftrages wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Zufallskontrolle am XXXX angehalten und festgenommen.

Am selben Tag stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Anhaltung einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen.

Es besteht somit eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung nicht. Der Beschwerdeführer ist nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Er ist nicht gewillt, mit den Behörden zu kooperieren. Er ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten nicht vertrauenswürdig, es bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird er untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen.

Der Beschwerdeführer will weiterhin nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung ausreichend mitwirken. Er ist nicht ausreisewillig.

Der Beschwerdeführer unterhielt in Österreich mit der nigerianischen Staatsangehörigen XXXX eine Beziehung bis zu deren Schwangerschaft. Am XXXX wurde ihr Kind ( XXXX ) geboren, bei welchem es sich um den Sohn des Beschwerdeführers handelt. Dem Beschwerdeführer kommt keine Obsorge für seinen Sohn zu. Von Ende XXXX bis zur Festnahme des Beschwerdeführers am XXXX hat wieder ein Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin bestanden. Ein gemeinsamer Haushalt des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn bestand zu keiner Zeit. Ein aufrechtes, gefestigtes Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich besteht somit nicht.

Die Asylverfahren der XXXX und ihres Sohnes wurden negativ beschieden und ihre Abschiebung nach Nigeria für zulässig erachtet. Der Verfassungsgerichtshof erkannte den Beschwerden am XXXX die aufschiebende Wirkung zu. Über weitere familiäre Kontakte in Österreich verfügt der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer hat Familienangehörige in Nigeria.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

Dem Beschwerdeführer steht bei einem Landsmann eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung.

Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen; es hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde von der nigerianischen Botschaft bereits als nigerianischer Staatsbürger identifiziert. Das Verfahren wird vom Bundesamt fortwährend mit geeigneten Maßnahmen und der gebotenen Sorgfalt verfolgt. So ist vom Bundesamt eine weitere Vorführung des Beschwerdeführers im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den XXXX mit der nigerianischen Vertretungsbehörde vereinbart worden. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates und die Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist nach wie vor möglich. Da der Beschwerdeführer nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren will und am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht ausreichend mitwirkt (u.a. durch die Stellung eines weiteren unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz aus dem Stande der Anhaltung), dauert das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates weiterhin an. Im Hinblick auf sein Verhalten ist der Beschwerdeführer selbst ursächlich für die Dauer der Schubhaft verantwortlich.

Es ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 zumindest innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen innerhalb dieses Zeitraumes durchführbar sind.

Eine (relevante) Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bzw. der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hat sich seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX nicht ergeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die vorangegangenen Asyl- und fremdenpolizeiliche Verfahren des Beschwerdeführers betreffend (Geschäftszahlen XXXX und XXXX ), in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asyl- und fremdenpolizeiliche Verfahren der XXXX und ihres Sohnes betreffend (Geschäftszahlen XXXX und XXXX ), in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Schubhaftbescheid vom XXXX sowie die Anhaltung in Schubhaft (Geschäftszahl XXXX ), in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus den unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten der vorgelegten Verwaltungsakte und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Der Beschwerdeführer hat in seinen bisherigen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren jedoch übereinstimmend angegeben, Staatsangehöriger Nigerias zu sein. Gegenteiliges ist in den bisherigen Verfahren auch nicht hervorgekommen und wurde seine Staatsangehörigkeit auch von der nigerianischen Vertretungsbehörde bestätigt.

Die Volljährigkeit des Beschwerdeführers wurde bereits in seinem ersten Asylverfahren durch Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt und resultiert daraus auch der Täuschungsversuch über sein Alter.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zumindest seit der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz am XXXX , ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, dem vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesamtes, den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes sowie den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in den bisherigen Verfahren.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers.

Dass der Beschwerdeführer seit XXXX in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Dass der Beschwerdeführer am XXXX während seiner Anhaltung in Schubhaft eine Ordnungswidrigkeit durch die Nichtbefolgung einer Anordnung begangen hat, ergibt sich aus einem entsprechenden Eintrag in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie aus der im Akt einliegenden Meldung über die vom Beschwerdeführer begangene Ordnungswidrigkeit.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren bezüglich seiner Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid. So hat der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen zu Protokoll gegeben. Auch in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres finden sich keine Einträge, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass auch weiterhin keine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegt. Hinweise, dass der Beschwerdeführer einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er in Schubhaft angehalten wird, ausgesetzt ist, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

2.3.    Zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit dem XXXX seiner Meldeverpflichtung in Österreich nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus einem im Akt einliegenden Auszug des Zentralen Melderegisters.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen ist, nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und nicht vertrauenswürdig ist, ergeben sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers (insb. unrichtige Angaben zu seinem Alter sowie Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen), seiner strafrechtlichen Verurteilung sowie auch zuletzt seinem Verhalten während der Schubhaft (Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch die Nichtbefolgung einer Anordnung).

Dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung ausreichend mitzuwirken, geht unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten hervor. So hat der Beschwerdeführer wiederholt - zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX - angegeben, nicht freiwillig nach Nigeria zurückkehren zu wollen.

Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher zusammenfassend weiter davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. In einer Gesamtschau ergibt sich daher, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist und aktuell Fluchtgefahr sowie Sicherungsbedarf bestehen. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels aktuell nicht vor.

Die Feststellungen zu den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers in Österreich sowie zu seinen in Nigeria aufhältigen Familienmitgliedern ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus einer Einsichtnahme in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asyl- und fremdenpolizeiliche Verfahren der XXXX und ihres Sohnes ( XXXX , geb. XXXX ) betreffend (Geschäftszahlen XXXX und XXXX ) sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX und der zeugenschaftlichen Aussage von Frau XXXX in dieser Verhandlung. So gaben der Beschwerdeführer als auch die Kindsmutter als Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX übereinstimmend an, dass der Beschwerdeführer der leibliche Vater des XXXX , geb. am XXXX , ist. Dieser Umstand wurde von Frau XXXX überdies auch bereits in ihrer sich im Verwaltungsakt befindlichen Eingabe vom XXXX bestätigt. Es war daher die entsprechende Feststellung zu treffen.

Die Feststellung, dass kein aufrechtes, gefestigtes Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich besteht, beruht auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers und der Mutter seines Sohnes zu ihrer Beziehung. Diese gestalteten sich widersprüchlich und weichen die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers vor allem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX von jenen seiner Lebensgefährtin ab. So lagen die Angaben des Beschwerdeführers und der Lebensgefährtin zeitlich und auch inhaltlich auseinander und konnten die Widersprüche nach Vorhalt ebenso nicht aufgeklärt werden. Während die Lebensgefährtin die Beziehung zunächst als eher oberflächlich und flüchtig bezeichnete, nun aber ernstliches Interesse an einem Zusammenleben bestehen würde, sprach der Beschwerdeführer von seiner Verlobten seit dem Jahr XXXX und liegt zwischen einer (intimen) Bekanntschaft und einer Verlobung wohl mehr als ein bloß geringfügiger Unterschied. Übereinstimmend gaben der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin an, dass eine Trennung zu Beginn der Schwangerschaft erfolgte. Zwar geht aus der zeugenschaftlichen Aussage von Frau XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX hervor, dass seit Ende XXXX wieder ein Kontakt mit dem Beschwerdeführer besteht, aus diesem Umstand kann jedoch unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen nicht das Bestehen eines aufrechten, gefestigten Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich abgeleitet werden, da es unstrittig ist, dass ein gemeinsamer Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn zu keiner Zeit bestand. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Auszügen des Zentralen Melderegisters und den damit übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin. Ebenso sind dem vorliegenden Akteninhalt keine Hinweise zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer die Obsorge für seinen Sohn zukommt. Selbst bei einem angenommen regelmäßigen Kontakt zwischen Ende XXXX und dem XXXX (Zeitpunkt der Festnahme) beläuft sich dieser auf nur knapp etwas mehr als einen Monat. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass sich in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres lediglich ein mit XXXX datierter Eintrag findet, wo der Beschwerdeführer Besuch von Angehörigen bzw. Bekannten bekommen hat. Nach diesem Zeitpunkt ist kein solcher Besuch mehr in der Anhaltedatei verzeichnet.

Dass dem Beschwerdeführer bei einem Landsmann eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung steht, ist aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers und des vorliegenden Akteninhaltes unstrittig.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet verfügt, hier keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, kein Einkommen hat und über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen verfügt, ergeben sich aus der Aktenlage und den bisherigen Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren.

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass das Bundesamt um die rasche Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bemüht ist. Insbesondere ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass das Bundesamt regelmäßig im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei der Vertretungsbehörde Nigerias urgiert. So ist vom Bundesamt eine weitere Vorführung des Beschwerdeführers im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den XXXX mit der nigerianischen Vertretungsbehörde vereinbart worden. Im Verfahren sind keinerlei Hinweise dafür aufgetreten, dass es im vorliegenden Fall zu einer durch das Bundesamt zu vertretenden Verzögerung bei der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gekommen ist bzw. kommen könnte. Da auch keine Umstände hervorgekommen sind, wonach die Ausstellung eines Heimreisezertifikates innerhalb des gesetzlichen Rahmens nicht möglich ist, konnte die entsprechende Feststellung getroffen werden. Die Dauer der Schubhaft ist maßgeblich durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bzw. durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer aus dem Stande der Anhaltung einen weiteren unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bedingt.

Dass es aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie zu Verzögerungen hinsichtlich der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat wegen der vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen kommt, steht für das Bundesverwaltungsgericht außer Streit. Es ist aber davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - wieder substantiell gelockert werden und eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat spätestens dann erfolgen kann. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit dem XXXX bzw. für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu Spruchteil A) - Fortsetzung der Schubhaft:

3.1.1.  Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

3.1.2.  Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.1.3.  Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Bundesverwaltungsgericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Gemessen also an § 76 Abs. 3 FPG, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 5 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde wurde auch mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass eine Schubhaft nunmehr auch originär auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt werden kann, da der Beschwerdeführer nun nicht mehr Asylwerber ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann, wie bereits ausgeführt, weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten maßgeblich selbst zu verantworten (Fehlen von Identitätsdokumenten bzw. Stellung eines weiteren unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz aus dem Stande der Anhaltung). Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, hat das Bundesamt vielmehr rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet und fortgeführt. Diesbezüglich wird ein Verfahren mit der Vertretungsbehörde Nigerias geführt. Das Verfahren wird vom Bundesamt fortwährend mit geeigneten Maßnahmen und der gebotenen Sorgfalt verfolgt.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich mit seiner Lebensgefährtin einen gemeinsamen Sohn. Sein Sohn und seine Lebensgefährtin sind ebenfalls Staatsangehörige von Nigeria. Wie bereits dargelegt besteht zwischen diesen und dem Beschwerdeführer kein aufrechtes, gefestigtes Familienleben. Überdies wurden ihre Asylverfahren ebenfalls negativ beschieden und ihre Abschiebung nach Nigeria für zulässig erachtet. Der Verfassungsgerichtshof erkannte den Beschwerden am XXXX die aufschiebende Wirkung zu. Über weitere familiäre Kontakte in Österreich verfügt der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer hat Familienangehörige in Nigeria. Weiters steht dem Beschwerdeführer bei einem Landsmann eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung. Davon abgesehen verfügt der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (u.a. Stellung von zwei unbegründeten Anträgen auf internationalen Schutz unter Angabe eines falschen Geburtsdatums, Verletzung seiner Meldeverpflichtung und Aufenthalt im Verborgenen sowie die gezeigte Unwilligkeit mit den Behörden zu kooperieren), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung und eines geordneten Fremdenwesens den Schutz der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführers währt seit rund vier Monaten, sie bewegt sich damit im unteren Bereich des gesetzlich Möglichen und erscheint deswegen nicht nur allein in zeitlicher Hinsicht, sondern auch gemessen an § 76 Abs. 2a FPG im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten als verhältnismäßig.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Wie bereits ausgeführt, weist der Beschwerdeführer eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung auf. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, der schweren Körperverletzung und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Erschwerend wurde vom Gericht das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und der lange Tatzeitraum hinsichtlich des Eigenkonsums gewertet. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit, das teilweise Geständnis (Eigenkonsum) und die Suchtgiftsicherstellung gewertet.

Unter Berücksichtigung dieser Straftaten überwiegt auch in dieser Hinsicht das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung - vor allem im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität - den Schutz der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Selbst wenn es aufgrund der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 zu einer gewissen Verzögerung der Abschiebung kommen sollte, ist, wie bereits in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. dargelegt, davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der Schubhafthöchstdauer durchführbar ist. Diesbezüglich ist nochmals festzuhalten, dass die Dauer der Schubhaft maßgeblich durch das Verhalten des Beschwerdeführers bedingt ist. Bei einer gemäß § 80 Abs. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die seit XXXX aufrechte Schubhaft als verhältnismäßig.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22a Abs. 4 BFA-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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