TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/5 96/21/0333

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Veröffentlicht am 05.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des (am 22. Mai 1958 geborenen) AM, vertreten durch Dr. Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, Blumengasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 29. März 1996, Zl. Fr-127/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (der belangten Behörde) wurde über Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, er sei im Iran gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen aus, daß der Beschwerdeführer während des gesamten Asylverfahrens und des gegenständlichen Verfahrens keine konkreten gegen ihn gerichteten individuellen Verfolgungen durch den Iran selbst glaubhaft gemacht habe. Ausschlaggebend hiefür seien die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am 13. Dezember 1995, seine Berufung gegen den abweisenden Asylbescheid des Bundesasylamtes und die Angaben in dem durch seinen Rechtsanwalt eingebrachten gegenständlichen Antrag vom 28. Dezember 1995. Der Beschwerdeführer habe hiebei als Flucht- bzw. Verfolgungsgrund geltend gemacht, daß er in seiner Heimat von der Staatsanwaltschaft wegen eines Verhältnisses zu einer verheirateten Frau gesucht werde und aufgrund dieses Umstandes mit der Todesstrafe zu rechnen hätte. Der Beschwerdeführer sei durch das Bundesasylamt am 13. Dezember 1995 ausdrücklich befragt worden, ob dies die Gründe gewesen seien, aus denen er den Iran verlassen hätte. Der Beschwerdeführer habe diese Frage mit einem eindeutigen Ja beanwortet. Er sei auch konkret befragt worden, ob er bis zu seiner Ausreise Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt oder jemals in Haft oder festgenommen worden sei.

Darauf habe er wörtlich geantwortet: "Nein, ich war keinem der vorangeführten Verfolgungen bis zu meiner Ausreise ausgesetzt. Auch war ich niemals in Haft oder wurde ich festgenommen". Auf die abschließende Frage des Bundesasylamtes, ob der Beschwerdeführer noch weitere Fluchtgründe vorbringen möchte, habe er angegeben, daß er auf keinen Fall in den Iran zurückkehren wolle, weil er dort bei einer eventuellen Rückkehr mit der Todesstrafe rechnen müßte. Aufgrund des gegenständlichen Sachverhaltes und des Faktums, daß der Beschwerdeführer während des ganzen Asyl- und Fremdenrechtsverfahrens nicht in der Lage gewesen sei, entsprechend konkrete und glaubwürdige Angaben über ihn treffende stichhaltige Flucht- und Verfolgungsgründe vorzubringen, weiters bloß allgemein gehaltene Angaben über die derzeitige politische und rechtliche Situation in seinem Heimatland gemacht habe und darüber hinaus bloße Vermutungen über angeblich ihm drohende Gefahren für den Fall angestellt habe, daß er in seine Heimat zurückkehre, ohne hiefür entsprechende glaubwürde Anhaltspunkte liefern zu können, gelange die belangte Behörde zur Ansicht, daß der Beschwerdeführer gegenwärtig keiner Verfolgung im Iran aus den dem Beschwerdeführer behaupteten Gründen ausgesetzt sei.

Zu einem viel späteren Zeitpunkt (nach dem erstinstanzlichen Bescheid in einer Beilage zur Berufung an das Bundesasylamt) habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, er sei im Winter 1981/1982 aufgrund seiner politischen Tätigkeit von Revolutionswächtern festgenommen und für eine Woche inhaftiert worden. Im November/Dezember 1990 sei er gemeinsam mit seinem Vater festgenommen und für ein Jahr lang in einer Einzelzelle inhaftiert worden. Dort sei er ständig gefoltert und ausgepeitscht worden. Letztendlich sei er nach Anklageerhebung durch den Richter des Revolutionsgerichtes am 7. Mai 1992 aus der Haft entlassen worden.

Die belangte Behörde teile die Auffassung der Behörde erster Rechtsstufe, daß Flucht- und Verfolgungsgründe im allgemeinen nicht als glaubwürdig angesehen werden können, wenn ein Fremder die nach seiner Meinung einen Asyl- bzw. Verfolgungstatbestand im Sinne der §§ 37, 54 FrG begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar seien und daher unwahrscheinlich erscheinen und/oder er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asyl- bzw. Fremdenrechtsverfahrens vorbringt. Die Behörde könne einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Fremde während der vorgenannten Verfahren im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache, diese wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluß aufdrängen, daß sie nur der Asylerlangung bzw. der Erlangung des weiteren Aufenthaltes in Österreich um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit jedoch nicht entsprechen.

Wollte man dennoch den späteren Angaben des Beschwerdeführers Glauben schenken, so könne nicht von stichhältigen Gründen im Sinne des § 37 FrG gesprochen werden. Längere Zeit zurückliegende Verfolgungshandlungen begründeten weder einen Asylanspruch, noch das Vorliegen eines Tatbestandselementes nach § 37 FrG. Andererseits sei anzumerken, daß der Beschwerdeführer nach seiner Inhaftierung durch den zuständigen Richter aus der Haft entlassen worden sei. Dies lasse den Schluß zu, daß die staatlichen Stellen den Beschwerdeführer offensichtlich nicht als politisch gefährlich eingestuft haben.

Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführer, daß er wegen seines Verhältnisses zu einer verheirateten Frau gesucht werde, sei folgendes festzustellen: Wollte man dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers Glauben schenken, daß er aufgrund eines Irrtums über das Faktum der Verehelichung die erwähnte Beziehung eingegangen sei, habe er nach den (vorangeführten) Artikeln mit keiner Todesstrafe zu rechnen gehabt. Die belangte Behörde könne nicht erkennen, warum es dem Beschwerdeführer aufgrund des gegenständlichen Sachverhaltes nicht zugemutet werden könnte, sich wie jeder andere iranische Staatsbürger dem angeblich ihn treffenden Gerichtsverfahren zu stellen und die aufgebotenen Beweismittel zu entkräften.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde eine Verletzung der Verfahrensgrundsätze der §§ 37, 39, 45 und 60

AVG vor. Diese Verfahrensrüge ist im Ergebnis berechtigt: Gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 i.V.m. § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen (die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zugänglichen) Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, E 8 zu § 67 AVG und E 1 bis 9 zu § 60 AVG wiedergegebene

hg. Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt.

Im vorliegenden Fall kann dem angefochtenen Bescheid nicht klar entnommen werden, ob die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers über seine politische Tätigkeit und über sein Verhältnis zur verheirateten Frau Glauben schenkte, oder keiner dieser beiden Varianten oder einer, wenn ja welcher.

Sollte der Bescheid so zu verstehen sein, daß die belangte Behörde keiner der behaupteten Varianten Glauben schenkt, ist nicht verständlich, warum die belangte Behörde zur politischen Tätigkeit (in Seite 9) und zur Frage der Strafbarkeit des Verhältnisses zu einer verheirateten Frau (ab Seite 10) umfangreiche Ausführungen vornimmt.

Geht man davon aus, daß die belangte Behörde beiden Varianten Glauben schenkt, ist nicht ersichtlich, welche konkrete politische Tätigkeit dem Beschwerdeführer von seinem Heimatstaat vorgehalten wird und warum er dessen ungeachtet keiner Verfolgung ausgesetzt ist; hinsichtlich des behaupteten Verhältnisses zu einer verheirateten Frau ist wiederum nicht ersichtlich, welches Delikt nach den Bestimmungen seines Heimatlandes der Beschwerdeführer dadurch zu verantworten hat und welche Strafe ihm droht sowie warum diese Strafe nicht einer die Abschiebung unzulässig machenden im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG gleichgehalten werden kann.

Der angefochtene Bescheid war daher infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210333.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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