TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W180 2220761-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W180 2220761-7/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan alias Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 17.11.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers (BF) – der sich als afghanischer Staatsangehöriger ausgab - abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf Afghanistan erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2019 als unbegründet abgewiesen.

Bezüglich des Beschwerdeführers wurde die Schubhaft mit Mandatsbescheid vom 16.11.2019 zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG angeordnet.

2. Am 28.11.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Schubhaft – durch einen begründeten Aktenvermerk – nach § 76 Abs. 6 FPG weiter aufrechterhalten.

3. Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 08.01.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.01.2020 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.

4. Am 14.01.2020 wurde das Bundesamt von der postalischen Zustellung einer pakistanischen ID-Card an den Beschwerdeführer (in der Schubhaft) informiert. Am 07.02.2020 erfolgte die Vorführung des Beschwerdeführers vor eine afghanische Delegation zwecks Identitätsabklärung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Diese verwies auf eine erforderliche Überprüfung der Tazkira, welche mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde.

Am 14.02.2020 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für Pakistan eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde noch am selben Tag als XXXX , geboren am XXXX , identifiziert. Überdies wurde ein Heimreisezertifikat (HRZ) mit Gültigkeit von 11.03.2020 bis 13.06.2020 ausgestellt. Das Bundesamt konnte einen Flug zwecks Abschiebung für den 14.03.2020 buchen.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 05.03.2020 im Rahmen einer amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

6. Am 26.03.2020 legte das Bundesamt den Akt erneut zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor und führte ergänzend aus, dass die für 14.03.2020 geplante Abschiebung aufgrund der Streichung des Fluges im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nicht habe durchgeführt werden können. Derzeit seien keine Abschiebeflüge durchführbar und könnten auch nicht gebucht werden. Das Bundesamt gehe allerdings von der Möglichkeit einer Abschiebung im Verlauf der kommenden drei Monate aus.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 01.04.2020 festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

7. Am 27.04.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt wieder zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Im beigefügten Schreiben wurde ausgeführt, dass ein bis 13.06.2020 gültiges Heimreisezertifikat (HRZ) vorliege. Geplante Abschiebetermine am 14.03.2020 und 14.05.2020 hätten aufgrund der Maßnahmen im Zusammenhang mit der CoVid-19-Pandemie storniert werden müssen. Eine Abschiebung sei nunmehr „in absehbarer Zeit nicht geplant“; von der Abschiebung innerhalb der maximalen Anhaltedauer sei jedoch auszugehen.

Mit Erkenntnis vom 28.04.2020 sprach das Bundesverwaltungsgericht erneut aus, dass die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

8. Am 25.05.2020 erfolgte eine neuerliche Vorlage des Verwaltungsaktes zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesamt wies im begleitenden Schreiben darauf hin, dass im Zuge der Lockerungen der CoViD-19 Maßnahmen bereits für diverse Staaten wieder Charterabschiebungen ausgeschrieben worden seien, weshalb man seitens des Amtes davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer innerhalb der kommenden 4-6 Wochen abgeschoben werden könne. Außerdem bestehe die Option, eine Einzelabschiebung zu organisieren, wenn die entsprechenden Fluglinien ihre Transporttätigkeit wieder aufnehmen.

Mit Erkenntnis vom 28.05.2020 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

9. Am 19.06.2020 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt neuerlich zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Im beigefügten Schreiben vom 18.06.2020 führte die Behörde aus, dass der nächste Charter nach Pakistan für den 18.08.2020 anberaumt und der Beschwerdeführer bereits für diesen Charter angemeldet sei. Zum Heimreisezertifikat, welches von der pakistanischen Vertretungsbehörde am 11.03.2020 mit einer Gültigkeit bis 13.06.2020 ausgestellt worden sei, verwies die Behörde darauf, dass eine diesbezügliche Verlängerung seitens der pakistanischen Behörden unkompliziert erfolge und eine zeitgerechte Verlängerung bis zum Chartertermin zu erwarten sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer konnte als XXXX , geboren am XXXX , pakistanischer Staatsangehöriger, identifiziert werden. Pakistan hat für ihn am 11.03.2020 ein bis 13.06.2020 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt. Eine für 14.03.2020 organisierte Abschiebung nach Pakistan konnte aufgrund der Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden.

Der Beschwerdeführer führte in Österreich erfolglos ein Verfahren zur Erlangung von internationalem Schutz – dabei gab er sich als afghanischer Staatsangehöriger aus. Ein Beleg für die pakistanische Staatsangehörigkeit ergab sich erst am 14.01.2020, als dem Beschwerdeführer (in der Schubhaft) ein pakistanisches ID-Dokument zugestellt werden sollte. Im Asylfolgeverfahren wurde der faktische Abschiebeschutz rechtskräftig aufgehoben. Eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung liegt vor.

Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht integriert, hat sich dem Verfahren entzogen und ist nicht ausreisewillig. Durch bewusst falsche Angaben zur Identität hat er die Feststellung seiner Identität sowie die Erlangung eines Ersatzreisedokuments zumindest massiv erschwert. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, keinen Wohnsitz und keine finanziellen Mittel. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich dreimal strafrechtlich verurteilt, ist nicht kooperativ und nicht vertrauenswürdig.

Soweit es Pakistan betrifft, erscheint eine Überstellung nach gerichtlicher Einschätzung im Sommer dieses Jahres möglich. Für 18.08.2020 ist ein Charter nach Pakistan anberaumt und der Beschwerdeführer ist für diesen Charter angemeldet. Es ist davon auszugehen, dass Pakistan die Gültigkeit des Heimreisezertifikates problemlos verlängert bzw. ein weiteres Heimreisezertifikat ausstellt.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinem Asylbeschwerdeverfahren und den bereits erfolgten Schubhaftprüfungen. Dies gilt auch für die Identifizierung als pakistanischer Staatsangehöriger, die Ausstellung des Heimreisezertifikats und die Gründe für den Ausfall der für 14.03.2020 geplanten Abschiebung.

2.2. Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers sowie zur Identität ergeben sich ebenfalls aus der bisherigen Aktenlage.

2.3. Aktenkundig ist, dass sich der Beschwerdeführer seinem Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz zwischenzeitlich entzogen hatte und nach wie vor ausreiseunwillig ist. Aus der Aktenlage ergibt sich auch zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer erst Ende November 2019 seine tatsächliche Identität gegenüber den Behörden enthüllte – ohne diese allerdings zunächst belegen zu können. Es gibt keinen Hinweis auf Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers, familiäre Anknüpfungspunkte, berufliche oder substanzielle soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Ein gesicherter Wohnsitz wurde nie behauptet; die Mittellosigkeit ist aus der Anhaltedatei ersichtlich. Die strafrechtlichen Verurteilungen sind in einer rezenten Strafregisterabfrage (unter der vorgetäuschten afghanischen Identität) ersichtlich. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer weder als kooperativ noch als vertrauenswürdig einzustufen ist.

2.4. Die Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich zunächst aus der diesbezüglich grundsätzlich guten Zusammenarbeit mit der Vertretung Pakistans. Es besteht gegenwärtig auch eine realistische Chance, dass Abschiebungen im Sommer 2020 durchgeführt werden können. Die Wiederherstellung des globalen Reiseverkehrs ist dafür nur bedingt Voraussetzung, da Abschiebungen mit Charterflügen an keine Aufnahme des regulären Flugbetriebs gekoppelt sind. Wie sich aus der Stellungnahme des BFA ergibt, ist für August ein Charter nach Pakistan anberaumt.

Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, dass Pakistan die Verlängerung der Gültigkeit des HRZ bzw. die Ausstellung eines neuen HRZ verweigern würde.

2.5. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder beachtenswerte gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

§22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 16.11.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. f EMRK:

„(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f)       wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.“

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG:

„(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.“

§ 76 FPG:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder Z 2“ – immer noch – „vor“, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens erfüllt.

Soweit die Anhaltung des Beschwerdeführers im Zuge eines Asylfolgeantrags zwischenzeitlich auf die Bestimmung des § 76 Abs. 6 FPG gestützt worden ist, hat der Beschwerdeführer diese nicht bekämpft und ergibt sich aus dem Akteninhalt, dass die behördliche Annahme, dass dieser Folgeantrag eine Verschleppung oder Verhinderung einer Abschiebung bewirken solle, für das Gericht jedenfalls nachvollziehbar ist. In diesem Verfahren wurde überdies der faktische Abschiebeschutz rechtskräftig aberkannt.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend auch weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu die Ausführungen in der Beweiswürdigung – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Die Abschiebung am 14.03.2020 scheiterte an Gründen, die weder das Bundesamt noch der Beschwerdeführer zu verantworten haben. Dass das Bundesamt während der laufenden Schubhaft von einem letztlich falschen Herkunftsstaat ausgehen musste – und sich die Abschiebung dadurch verzögerte – ist hingegen sehr wohl dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Er trägt damit zweifelsfrei die Verantwortung, dass die Schubhaft bis zum Eintritt der Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie andauerte – auch wenn dieser Zusammenfall (ebenso zweifelsfrei) nicht intentional war.

Gegenwärtig wird der Beschwerdeführer rund sieben Monate in Schubhaft angehalten. Die höchstzulässige Dauer der Schubhaft beträgt im Falle des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 4 FPG achtzehn Monate. Derzeit kann realistisch von einer Abschiebung des BF im Sommer 2020 ausgegangen werden, die Möglichkeit der Abschiebung innerhalb der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft ist jedenfalls anzunehmen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich das BFA um die Möglichkeit der Außerlandesbringung des BF umfassend bemüht, ist die Aufrechterhaltung der Anhaltung des BF in Schubhaft nach wie vor verhältnismäßig.

Vor dem Hintergrund der §§ 52 Abs. 9 und 10 FPG sowie der Identifizierung des Beschwerdeführers durch die pakistanische Botschaft (samt Ausstellung eines Heimreisezertifikats) erweist sich auch das gegenwärtige Fehlen einer (rechtskräftigen) Rückkehrentscheidung bezüglich Pakistan als unbedenklich. Siehe dazu auch VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0348, und vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0125.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W180.2220761.7.00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten