TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 W146 2202064-1

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §55 Abs1a

Spruch

W146 2202064-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zl. 830723801/161066255, zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der aus der Russischen Föderation stammende Beschwerdeführer stellte am 02.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 01.07.2013 zurückgewiesen, weil eine Zuständigkeit Ungarns vorliege. Nach Weiterreise des Mitbeteiligten in die Niederlande und Deutschland wurde der Mitbeteiligte nach Ungarn überstellt und schließlich von den ungarischen Behörden in die Russische Föderation abgeschoben.

Am 02.08.2018 stellte der Beschwerdeführer nach neuerlicher Einreise in das Bundesgebiet einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 20.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005), (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden: BFA-VG), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: FPG) (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid erkannte das Bundesamt gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Weiters sprach das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 20.04.2018 verloren habe (Spruchpunkt VIII.).

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Teilerkenntnis vom 01.08.2018 hob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde) ersatzlos auf.

Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18.03.2019 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Mit dem gegenständlich in Revision gezogenen Teilerkenntnis (ebenfalls vom 01.08.2018) wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. sowie VIII. als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.). Hinsichtlich Spruchpunkt VI. des bekämpften Bescheids gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und hob diesen Spruchpunkt (Nichtfestsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise) ersatzlos auf (Spruchpunkt A.II.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass es durch die Behebung des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheids (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde) an einer Rechtsgrundlage für die Nichtfestsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise fehle. Dieser Spruchpunkt sei daher ersatzlos zu beheben gewesen.

Gegen Spruchpunkt A.II. dieses Erkenntnisses wurde eine außerordentliche Amtsrevision erhoben und zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, dass das Bundesverwaltungsgericht übersehe, dass in Fällen, in denen es zu einer Bestätigung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung komme, im Spruch eine Frist für die freiwillige Ausreise festzusetzen sei.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 08.06.2020, Ra 2018/19/0478-7, wurde das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt A.II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Entscheidung des BVwG betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vom Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitlich mit Erkenntnis vom 18.03.2019 aufgehoben worden sei, und zwar gemäß § 42 Abs. 3 VwGG mit Wirkung „ex tunc“. Das habe zur Folge, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Erkenntnisses und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob das aufgehobene Erkenntnis von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeute auch, dass allen Rechtsakten und Vollzugsakten, die während der Geltung der vom Verwaltungsgerichtshof danach aufgehobenen Erkenntnisse auf deren Grundlage gesetzt worden sind, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen worden sei (vgl. etwa VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0161).

Die - auf § 55 Abs. 1a FPG gestützte - Behebung der behördlich ausgesprochenen Nichtfestsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise durch das BVwG erweise sich somit schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts und dem Erkenntnis des VwGH.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der § 55 FPG lautet:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

Mit Bescheid vom 20.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden: BFA-VG), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid erkannte das Bundesamt gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Weiters sprach das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 20.04.2018 verloren habe (Spruchpunkt VIII.).

Mit Erkenntnis vom 01.08.2018 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich Spruchpunkt VI. des bekämpften Bescheids statt und hob diesen Spruchpunkt (Nichtfestsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise) ersatzlos auf (Spruchpunkt A.II.).

Mit Erkenntnis des VwGH vom 08.06.2020, Ra 2018/19/0478-7, wurde Spruchpunkt A.II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Durch diese Behebung ist somit Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018 wieder in Geltung, wonach keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe (Spruchpunkt VI.). Die Erteilung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis des VwGH vom 18.03.2019 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weshalb Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, wonach gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde, wieder in Geltung tritt.

Da die Nichtgewährung einer Frist zu freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine gesetzliche Folge der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist, war die Beschwerde bezüglich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt und der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte, kann eine Beschwerdeverhandlung entfallen. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten.

Schlagworte

Amtsrevision freiwillige Ausreise Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W146.2202064.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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