TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 W272 2218355-1

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W272 2218355-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zahl: XXXX , und die Anhaltung von 30.04.2019 bis 07.05.2019, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.04.2019 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 30.04.2019 bis 07.05.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste spätestens im Dezember 2012 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.12.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Urteil des BG XXXX vom 27.03.2014 wurde der BF gem. § 223 (2) StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je € 4,00, bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 2 Jahren verurteilt. Am 08.06.2015 wurde der unbedingte Teil der Geldstrafe, nämlich 20 Tagessätze zu je € 4,00, vollzogen und ein Teil der Geldstrafe endgültig nachgesehen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung wurde für zulässig erklärt. Die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.03.2019, XXXX , als unbegründet abgewiesen.

4. Am 12.04.2019 wurde seitens des Bundesamtes mit der afghanischen Botschaft Kontakt aufgenommen und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt. Die afghanische Botschaft stimmte der Ausstellung eines Heimreisezertifikates bzw. der Rücknahme des BF mit Schreiben vom 18.04.2019 zu.

5. Mit Festnahmeauftrag des Bundesamtes wurde der BF am 29.04.2019 von Beamten der PI XXXX festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum St. Pölten eingeliefert.

6. Am 30.04.2019 wurde der BF von Organen des Bundesamtes niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er vollkommen gesund und arbeitsfähig sei. Hinsichtlich seines Verbleibes im Bundesgebiet nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung erklärte der BF, dass sein Rechtsvertreter ihm gesagt habe, dass erneut Berufung eingebracht werde und er den neuerlichen Bescheid abwarten könne. Er werde nicht freiwillig nach Afghanistan zurückkehren, wenn er abgeschoben werde, könne er auch nichts dagegen machen.

7. Mit Bescheid vom 30.04.2019 wurde gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet. Gem. § 113 Abs. 1 FPG habe der BF die Kosten des Vollzuges der Schubhaft zu ersetzen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei, einen missbräuchlichen Antrag eingebracht habe, nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfüge, um seine Ausreise zu gewährleisten, beharrlich seine Ausreiseverpflichtung verweigere, neuerlich angekündigt habe, nicht freiwillig auszureisen, gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen habe, kein gültiges Reisedokument verfüge und Österreich daher nicht aus eigenem verlassen könne, keine sozialen, familiären oder beruflichen Anknüpfungspunkte habe und zu einem legalen Aufenthalt nicht berechtigt sei, weshalb sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und die Zulässigkeit seiner Abschiebung feststehe. Das Bundesamt müsse dem BF die persönliche Vertrauenswürdigkeit absprechen, da sich das Risiko des Untertauchens aus dem bisherigen Verhalten des BF, der gezeigten Ablehnung gegenüber der geltenden Rechtsvorschriften sowie der niederschriftlich getätigten Aussage ergebe, nicht freiwillig nach Afghanistan zurückkehren zu wollen. Auch die zeitliche Dauer der Schubhaft könne auf das mindest nötige Maß beschränkt werden, zumal für den BF ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden und die Abschiebung für den 07.05.2019 vorgesehen sei.

8. Mit Schriftsatz vom 03.05.2019 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Schubhaftbeschwerde und brachte vor, dass es für die Annahme der Fluchtgefahr an einer nachvollziehbaren Begründung fehle. Ausreiseunwilligkeit alleine sei keine ausreichende Begründung für eine Inhaftnahme. Die Fluchtgefahr sei keineswegs erheblich. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF nur ansatzweise versucht hätte „unterzutauchen“. Im Gegensatz zur Behauptung in dem angefochtenen Schubhaftbescheid, dass sich das Risiko eines Untertauchens in Österreich zwingend aus dem bisherigen Verhalten, insbesondere aus der Ablehnung gegenüber den geltenden Rechtsvorschriften sowie der niederschriftlichen Aussage, nicht freiwillig zurückkehren zu wollen, ergebe, seien dies keine Tatsache im Sinne des Gesetztes, die eine Inhaftnahme rechtfertigen würden. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben. Da der BF über keinen Reisepass oder Geldmittel verfüge, könne sich der BF dem Zugriff der Behörde nicht entziehen und hätte das Auslangen mit gelinderen Mitteln gefunden werden müssen. Der BF verfüge im Fall einer Entlassung auch über eine Wohnmöglichkeit, die ihm seine Schwester zur Verfügung gestellt habe.

9. Am 06.05.2019 brachte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme ein, in der vorgebracht wurde, dass es geplant sei, den BF mittels Charter am 07.05.2019 nach Afghanistan zu überstellen, da am 18.04.2019 ein Laissez-Passer für den BF ausgestellt worden sei. Auf Grund des bis jetzt gezeigten persönlichen Verhaltens des BF und der damit verbundenen stark geschmälerten Vertrauenswürdigkeit seiner Person sei davon auszugehen, dass er sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch Untertauchen entziehen würde. Gegen den BF sei eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, dieser sei jedoch nicht bereit gewesen, aus eigenem nach Afghanistan zurückzukehren, wodurch der Verdacht bestehe, dass der BF bei einer Entlassung aus der Schubhaft seine Abschiebung am 07.05.2019 vereiteln würde. Sicherungsbedarf sei daher gegeben. Hinsichtlich der Fluchtgefahr würden zwei normierte Kriterien vorliegen, nämlich die mangelnde soziale Verankerung in Österreich und das Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung. Darüber hinaus sei er bereits wegen Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt worden, weshalb nicht von einer Vertrauenswürdigkeit gesprochen werden könne.

10. Ebenfalls am 06.05.2019 legte der BF die mittels der Beschwerde eingebrachten Unterlagen, nämlich einen niederländischen Reisepass von XXXX sowie einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister von Frau XXXX , vor.

11. Am 07.05.2019 wurde der BF mittels Charter nach Afghanistan abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger Afghanistans und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF stellte am 04.12.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2017 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Die Abschiebung wurde für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mittels Erkenntnis des BVwG vom 21.03.2019, XXXX , als unbegründet abgewiesen.

Der BF befand sich von 30.04.2019 bis zu seiner Abschiebung am 07.05.2019 in Schubhaft.

Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX vom 27.03.2014 gem. § 223 (2) StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je € 4,00, bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 2 Jahren, verurteilt. Nachdem am 08.06.2015 der unbedingte Teil der Geldstrafe, nämlich 20 Tagessätze zu je € 4,00, vollzogen wurde, wurde ein Teil der Geldstrafe endgültig nachgesehen.

Der BF brachte im Rahmen der Schubhaftbeschwerde eine Kopie des Reisepasses sowie eine Wohnsitzmeldung seiner niederländischen Schwester ein. Der BF hätte die Möglichkeit der Unterkunftnahme in der von seiner Schwester zur Verfügung gestellten Wohnung in XXXX /NÖ gehabt.

Der BF betrieb eine Pizzeria mit vier geringfügig beschäftigten Mitarbeitern in XXXX /NÖ und verdiente etwa € 1000,- im Monat.

Es gab keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass sich der BF dem Zugriff der Behörden entziehen würde.

Der BF ist gesund und haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen Angaben; seine Identität kann mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen der Einreise, der Antragstellung sowie der Abweisung ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt.

Dass der BF in Schubhaft war und mittels Charter am 07.05.2019 abgeschoben wurde, ergibt sich aus einem Auszug aus der Anhaltedatei.

Die Feststellung der Straffälligkeit ist aus dem im Akt einliegenden Urteil sowie einem Strafregisterauszug ersichtlich.

Die Möglichkeit der Unterkunftnahme in der von seiner Schwester zur Verfügung gestellten Wohnung in XXXX ergibt sich aus der Schubhaftbeschwerde sowie den damit eingebrachten Unterlagen.

Die Feststellung, dass der BF in Österreich selbstständig eine Pizzeria betrieb, ergibt sich aus einer Stellungnahme der BH XXXX aus dem Verwaltungsakt. Dass der BF etwa € 1000,- pro Monat verdiente, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung seines Asylverfahrens.

Dass der BF gesund ist beruht auf dem Umstand, dass Gegenteiliges nicht vorgebracht wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

3.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem BF gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A.I.) – Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft

3.3 Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z1), oder dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 2), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 3).

3.4 Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.

3.5 Über den BF wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt. Gegen den BF besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung.

3.6 Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt gemäß Abs. 3 vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (Z 1), ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind (Z 1a) ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist (Z 2), ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat (Z 3), ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt (Z 4), ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde (Z 5), ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist (Z 6), insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat (lit. a), der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen (lit. b), oder es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt (lit. c), ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt (Z 7), ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Z 8) und der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9). Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gemäß Abs. 5 ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese gemäß Abs. 6 aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Im gegenständlichen Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, weshalb § 76 Abs. 3 Z 3 FPG, wie von der belangten Behörde ausgeführt, vorliegt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF war seit seiner Einreise durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und hätte auch im Fall einer Entlassung aus der Schubhaft in einer durch seine Schwester bereitgestellten Wohnung Unterkunft nehmen können. Der BF führte als Selbstständiger eine Pizzeria und verdiente damit rund € 1000,- pro Monat.

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Da der BF in Österreich einer selbstständigen Beschäftigung nachgegangen ist und über einen gesicherten Wohnsitz verfügt hat, gab es von vornherein keinen Sicherungsbedarf. Wie der VwGH bereits feststellte und auch in der Beschwerde vorgebracht wurde, ist eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Zusammenhang mit einer Ausreiseunwilligkeit und das bloße Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet kein Grund für die Verhängung der Schubhaft.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum.

Wie bereits festgestellte, bestand schon von vorne herein kein Sicherungsbedarf. Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfes ausgehen würde, hätte die belangte Behörde mit einem gelinderen Mittel das Auslangen finden müssen.

Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF war insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme sowie ein Heimreisezertifikat vorlag und die zuständige Abteilung am 02.05.2019 über die Abschiebung mittels Charter am 07.05.2019 informiert wurde.

Auch der Gesundheitszustand des BF hat die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen lassen.

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Unter der oben genannten Judikatur, darf Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Im vorliegenden Fall war nach Ansicht der belangten Behörde Sicherungsbedarf in Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenden Kriterienkatalog gegeben, dies insbesondere in Hinblick darauf, dass gegen den BF eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand und der BF mittellos war und über keine hinreichenden sozialen wie familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügte. Auch die Effektuierbarkeit der Abschiebung war gegeben. Die nichtvorhandene freiwillige Ausreisewilligkeit vermag für sich genommen nicht die Verhängung der Schubhaft zu rechtfertigen. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts war bereits von vorne herein kein Sicherungsbedarf gegeben, zumal der BF über einen gefestigten Wohnsitz verfügte, stets gemeldet war, einer selbstständigen Beschäftigung nachging und über ausreichende Barmittel verfügte. Selbst unter der Annahme eines Sicherungsbedarfes war die angeordnete Schubhaft jedoch nach Ansicht des Gerichtes nicht als Ultima Ratio zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das Bundesamt Gebrauch machen hätte müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der Abschiebung des BF als ausreichend erachtet. Der BF war seit seiner Einreise in das Bundesgebiet durchgehend an verschiedenen Adressen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF kam seiner Meldeverpflichtung stets nach. Er ging als selbstständiger Erwerbstätiger einer Beschäftigung nach, bei der er monatlich etwa € 1000,- verdiente. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für den BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der Abschiebung durch die verhängten Maßnahmen eine engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF hat auch in der Vergangenheit nicht gegen vergleichbare Auflagen verstoßen, sodass hier das Gericht die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend erachtet hat. Die strafrechtliche Verurteilung des BF liegt 6 Jahre zurück, weshalb – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – nicht davon gesprochen werden kann, dass der BF ein Rechtsbrecher sei, der die österreichischen Gesetze nicht achte und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Auch wenn ein öffentliches Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung gegeben ist, so ist dieses mit dem Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF war gemeldet und den Behörden war sein Aufenthaltsort bekannt bzw. auffindbar, der BF verfügte über eine Beschäftigung und Barmittel, sodass die Behörde dem BF gelindere Mitteln hätte anordnen können und müssen.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 30.04.2019 bis zu seiner Abschiebung am 07.05.2019 für rechtswidrig zu erklären.

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme des BF konnte daher unterbleiben.

Zu Spruchpunkt A.II. und III.) Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

Gem. § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gem. Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteienrechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schritsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.

Zu Spruchpunkt B.) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in Bezug auf die Kostenentscheidung war die Revision bezüglich der Spruchpunkt A.II. und III. gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

finanzielle Mittel gelinderes Mittel Rechtswidrigkeit Schubhaft selbstständig Erwerbstätiger Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2218355.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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