Entscheidungsdatum
30.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W254 2177897-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Iran gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im österreichischen Bundesgebiet am 17.11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in welcher der BF ausführte, dass sich seine Rückkehrbefürchtung auf seinen Religionswechsel beziehe. Am 11.09.2017 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass er den Iran verlassen hätte, da er wegen der islamischen Religion Probleme gehabt hätte. In Österreich habe er sich dann für das Christentum zu interessieren begonnen. Er habe sich Anfang 2016 in Salzburg von der „ XXXX “ taufen lassen. Wegen der Konversion könne er nicht mehr in den Iran zurück.
2. Mit dem Bescheid vom 16.10.2017, Zl. 1095088710-1517943993 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft habe machen können. Bei der vorgebrachten Konversion handle es sich um eine Scheinkonversion.
Der BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen das bisher Vorgebrachte vor. Darüber hinaus führte der BF aus, dass er seine Konversion auch in sozialen Medien veröffentlicht habe.
Mit Erkenntnis vom Bundesverwaltungsgericht vom 21.11.2019, W 170 2177897-1 wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit §§ 3, 8, 10, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, abgewiesen.
Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhob der BF sowohl Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
3. Der BF stellte am 21.01.2020 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass er bei seiner Aussage bleibe, dass er jetzt Christ sei und sein Leben im Iran in großer Gefahr sei. Außerdem habe er seit November 2019, vier Mal an Demonstrationen gegen das iranische Regime in Wien teilgenommen und zwar am 15.11.2019, am 24.11.2019, am 11.01.2020 und am 19.01.2020. Es seien iranische Spione auf den Demonstrationen gewesen, welche gefilmt und fotografiert hätten.
Am 30.01.2020 wurde der BF im Zulassungsverfahren einvernommen. Die Frage weshalb er neuerlich einen Asylantrag gestellt habe, beantwortete er, dass er wegen der neuen Vorfälle Asyl beantragt habe. Er habe Unterlagen mit, welche zum Akt genommen wurden. Er sei gefährdet wegen der Taufe, aber auch weil seine Teilnahme an Demonstrationen unter anderem vor der iranischen Botschaft dokumentiert worden sei und daher Lebensgefahr für ihn bestehe. Die Demonstrationen seien vom Volksmudschaheddin organisiert worden. In einer weiteren Einvernahme am 12.02.2020 gab der BF an, dass der Volksmudschaheddin im Iran als terroristische Vereinigung dargestellt werde; seine Familie wisse nicht, dass er für diese Organisation demonstriere. Höchstwahrscheinlich wisse aber die iranische Regierung Bescheid. Die Namen der Demonstranten seien bekannt und Fotos seien auf der Internetseite des Volksmudschaheddin ersichtlich.
Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 31.03.2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018 (im Folgenden: AVG), hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005, Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden AsylG 2005), wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den IRAN zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Die Zurückweisung des Antrags begründete das Bundesamt damit, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Der BF habe im Folgeantragsverfahren keine neuen Verfolgungsgründe vorgebracht. Soweit der BF nunmehr auf Demonstrationen in Österreich verweise, ist klar zu sehen, dass dem BF dies bereits bekannt gewesen sei und er die Verpflichtung gehabt hätte dies vorzubringen.
4. Der Beschwerdeführer erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids fristgerecht Beschwerde. In dieser führte er aus, dass in seinem ersten Asylverfahren nicht geprüft worden sei, ob dem BF aufgrund seines exilpolitischen Engagements und seiner Teilnahme an Demonstrationen im Iran Verfolgung drohe.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verfahrensakt samt dem Beschwerdeschriftsatz dem Bundesverwaltungsgericht am 19.05.2020 vor.
Mit Beschluss vom 20.05.2020 des Bundesverwaltungsgerichtes, W 254 2177897-2/2Z wurde der Beschwerde gemäß § 17 Abs. BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens
insbesondere der Verwaltungsakt der Beurteilung zugrunde gelegt.
1.2. Zur Person der Beschwerdeführerin und zum Verfahrensablauf:
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht. Er stammt aus Arak, hat sich aber die letzten Jahre vor der Flucht in Teheran aufgehalten.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2019 hinsichtlich des Status des Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gleichzeitig wurde kein Aufenthaltstitel erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Am 21.01.2020 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten - nunmehr zu beurteilenden - Antrag auf internationalen Schutz. Der Verlauf und Inhalt der asylrechtlichen Verfahren im Detail wird wie unter Pkt. I. ausgeführt festgestellt.
1.3. Zu Den Fluchtgründen des BF
Das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen im Folgeantrag, nämlich an iran-kritischen Demonstrationen teilgenommen zu haben, enthält neue Fluchtgründe im Vergleich mit den Fluchtgründen des Erstverfahrens, das durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 21.11.2019, W 170 2177897-1 abgeschlossen wurde.
Die Teilnahmen an den Demonstrationen haben (bis auf eine) nach dem 21.11.2019 stattgefunden. Die Teilnahme an den Demonstrationen wurde durch Fotos dokumentiert und vom BF im Verfahren vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Zu den Feststellungen betreffend das Verfahren und die Person des Beschwerdeführers: das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers wurden bereits in der das Verfahren über seinen vorangegangenen Antrag auf internationalen Schutz abschließenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts getroffen; es ergaben sich im nunmehrigen Verfahren keine Anhaltspunkte dafür, davon abweichende Feststellungen zu treffen.
Die Feststellung, dass es sich um neue Fluchtgründe handelt, ergibt sich aus einem Vergleich des Vorbringens mit den Feststellungen des das Erstverfahren abschließenden Erkenntnisses und aufgrund der zeitlichen Dimension. Die Teilnahme an den Demonstrationen wurde durch Fotos dokumentiert, die der belangen Behörde vorgelegt wurden. Die belangte Behörde hat die Teilnahme an den Demonstrationen auch nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.
Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11, K17).
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).
Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH vom 25.4.2007, 2005/20/0300 und 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
3.2. Für die vorliegende Beschwerde ergibt sich daraus Folgendes:
Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 15.03.2016 damit, dass er zum Christentum konvertiert ist. Auf Grund des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 21.11.2019 steht fest, dass der Beschwerdeführer damals nicht zum Christentum konvertiert war, jedenfalls nicht in dem Sinn, dass bei ihm eine ernsthafte, aufrichtige und innere Überzeugung vorliege, sich dem christlichen Glauben ernsthaft zuzuwenden, die nach der Rechtsprechung eine Rückkehr in den Iran unzumutbar gemacht hätte. Es wurde im rechtskräftigen Erkenntnis davon ausgegangen, dass es sich bei seiner vorgebrachten Konversion lediglich bzw. einzig und allein um eine Scheinkonversion handle.
Im Rahmen seiner Befragung zu seinem neuerlichen - nunmehr gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer zwar einerseits nochmals an, dass er zum Christentum konvertiert sei und er daher verfolgt wäre, jedoch gab er auch an, dass er an iran-kritischen Demonstrationen teilgenommen habe, die zeitlich großteils nach dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes stattgefunden haben.
Entgegen der Auffassung im angefochtenen Bescheid behauptet der Beschwerdeführer einen neuen Sachverhalt im Sinne der unter Pkt. II.3.1. dargelegten Judikatur. Mit diesem Vorbringen – nämlich der Teilnahme an iran-kritischen Demonstrationen setzt sich das BFA unzureichend auseinander. Zum einen behauptet das BFA im angefochtenen Bescheid, dass keine neuen Verfolgungsgründe vorgebracht wurden. Zum anderen führt das BFA aus, dass dem BF die Teilnahme an Demonstrationen bereits bekannt war und der BF die Verpflichtung gehabt hätte dies vorzubringen (Bescheid S. 10). Wie der BF eine Teilnahme an Demonstrationen, die zeitlich nach dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht stattgefunden haben, hätte vorbringen können, lässt das BFA offen.
Die dem BFA vorliegenden Beweisergebnisse lassen nicht den Schluss zu, eine andere, das heißt positive Beurteilung des Antrags sei von vorherein ausgeschlossen und es liege nicht einmal ein "glaubhafter Kern" vor. Der BF hat die Teilnahme an den Demonstrationen mit Fotos belegt. Es kann nicht gesagt werden, dass sich der wesentliche Sachverhalt gegenüber dem Erkenntnis nicht geändert habe. Es liegt daher keine "entschiedene Sache" vor, da die Einbeziehung der Teilnahme an den Demonstrationen in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gar nicht möglich war. Dem geänderten Sachverhalt, nämlich die Teilnahme an iran-kritischen Demonstrationen kommt auch Entscheidungsrelevanz zu. Eine exilpolitische Betätigung im Ausland kann einen asylrelevanten Nachfluchtgrund bilden (vgl. VwGh vom 18.05.2020, Ra 2019/18/0503; VwGH 19.1.2016, Ra 2015/01/0070, mwN).
Die Zurückweisung des Antrags durch die belangte Behörde steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang.
4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Beschwerdefall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Christentum entschiedene Sache Identität der Sache Prozesshindernis der entschiedenen Sache Religion VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W254.2177897.2.01Im RIS seit
09.10.2020Zuletzt aktualisiert am
09.10.2020