TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/30 W155 2176081-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W155 2176081-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 31.10.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde.

Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen bezüglich seiner Fluchtgründe an, dass er mit seinem Arbeitgeber am Rückweg nach einer Besprechung von Rebellen aufgehalten worden und es zu einem Schusswechsel gekommen sei. Dabei sei einer der Rebellen erschossen worden. Daraufhin sei seine Familie von den Rebellen ausfindig gemacht worden, sein Vater mehrmals bedroht und er mehrmals von den Rebellen angehalten worden. Ihm sei vorgeworfen worden, einen der Rebellen getötet zu haben. Sein Chef habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass er nicht mehr für seine Sicherheit garantieren könne und es für ihn besser sei, zu flüchten. Das sei sein Fluchtgrund.

Im Rahmen der am 22.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) abgehaltenen niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass er als Leibwächter für einen Politiker namens XXXX gearbeitet habe. Eines Tages sei sein Chef mit ihm und den anderen Leibwächtern am Rückweg von einer Besprechung mit dem Auto gefahren, als ihnen ein Auto entgegengekommen sei, in welchem sich Kommandant XXXX mit seinen Leibwächtern befunden habe. Da niemand den Weg freimachen habe wollen, sei es zu einem Schusswechsel gekommen, wobei einer der Leibwächter von XXXX erschossen worden sei. Er sei daraufhin aufgefordert worden, zu XXXX zu kommen. Nachdem er abgelehnt habe, sei er über seinen Vater aufgefordert worden, sich mit XXXX zu treffen. Er sei daraufhin auch telefonisch bedroht worden. Als er in Kabul seinen Cousin besucht habe, sei ihm ein Geländewagen entgegengekommen. Ein Insasse sei ausgestiegen und habe ihn sofort erkannt. Der Beschwerdeführer habe laut geschrien und sei die Polizei gekommen. Der andere Mann wäre weggelaufen, auch er selbst wäre weggelaufen. Er habe seinem Chef von diesem Vorfall erzählt und habe ihm dieser mitgeteilt, dass er auf sein Leben aufpassen müsse. Daraufhin sei er geflüchtet.

Unter einem gab der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Einvernahme an, dass er zum Christentum konvertiert sei, aber noch immer nicht getauft sei. In Afghanistan habe er immer nur Schlechtes über das Christentum gehört. In Österreich habe er von einem Mann namens XXXX von den Zeugen Jehovas gehört und habe ihn dieser immer zu Sitzungen gefahren. Das habe ihm jedoch nicht gut gefallen und habe er dann in Villach die freie Kirche kennengelernt. Dort habe er an allen Sitzungen eines Monats teilgenommen, das habe ihm sehr gut gefallen. Er sei dann in der Mariakirche in XXXX gelandet, wo er 3 bis 4 Monate hingegangen wäre. Das habe ihm sehr gut gefallen. Er habe viele Leute und Familien kennengelernt und stehe mit diesen in Kontakt. Er habe auch einen Priester namens XXXX kennengelernt. Über 3 Monate habe er 1 bis 2 Mal in der Woche gelernt, und habe ein gutes Gefühl, er sei stolz darauf. Er sei kein gläubiger Moslem gewesen, seine Eltern hingegen schon. Befragt, wie er seinen Glauben lebe, gab er an, dass er 1 bis 2 Mal in die Kirche gehe, wenn dort etwas zu machen sei. Nach dem Gebet würden sie frühstücken und er helfe beim Aufräumen des Tisches. Manchmal helfe er bei der Reinigung der Kirche. Er lebe seinen Glauben insofern nicht öffentlich, als in seiner Unterkunft fast alle islamischen Glaubens wären und er das nicht öffentlich leben könne.

Der Beschwerdeführer legte folgende Unterlagen/Dokumente dem BFA vor:

?        Tazkira im Original

?        „Bestätigung“ betreffend die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Leibwächter sowie die erfolgte Bedrohung, ausgestellt von XXXX

?        2 Fotos einer Visitenkarte

?        Foto Biographie von XXXX

?        Bestätigung Kurs für Leibwächter

?        Konvolut Zeugnisse Volkshochschule Englisch, Kreativität und Gestaltung

?        Wirtschaftshof Villach: diverse Anwesenheitsbestätigungen

?        Kurszeugnis und Teilnahmebestätigungen Kärntner Volkshochschulen

?        Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1

?        Schulbesuchsbestätigung, Lehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses

?        Hilfswerk Zertifikat Deutschkurs

?        Stadt Villach Urkunde Module Integrationspass und Foto

?        ÖSD Zertifikat A2

?        2 Schreiben XXXX (Mesner), Pfarramt XXXX

?        Teilnahmebestätigung Deutschkurs für AsylwerberInnen

?        Bestätigung über Aktivität als Hobby-Fußballspieler

?        Empfehlungsschreiben von Herrn XXXX

Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte begründend fest, dass der Beschwerdeführer in seinem gesamten Vorbringen keine konkrete, ihn treffende Verfolgungshandlung glaubhaft vorgebracht habe. Eine Verfolgungsgefahr sei auch aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Hazara nicht gegeben. Überdies stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offen. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen wiege schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich, weshalb sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als geboten erweise.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch die nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 03.11.2017 fristgerecht Beschwerde ein, in welcher begründend zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die Annahme, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagt worden sei, auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung beruhe und ihm bei einer mängelfreien Beweiswürdigung die Flüchtlingseigenschaft hätte zuerkannt werden müssen. Die erstinstanzliche Behörde stütze die vermeintliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auf angebliche Widersprüche in seinen Angaben. Bei näherer Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers hätten sich diese angeblichen Widersprüche jedoch leicht auflösen lassen. Die Behörde verkenne zudem das Vorbringen zur Apostasie, wenn sie vom Beschwerdeführer fordere, seinen Glauben im Geheimen bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu leben. Dies könne ihm nicht zugemutet werden. Auch hätte berücksichtigt werden müssen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner religiösen und ethnischen Gruppe der schiitischen Hazara Verfolgung drohe. Im vorliegenden Fall würde keine innerstaatliche Fluchtalternative vorliegen, da er als schiitischer Hazara überall in Afghanistan Verfolgung zu fürchten habe. Er würde in Afghanistan in eine ausweglose Situation geraten, da es aufgrund der angespannten wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Situation schwer wäre, Fuß zu fassen. Eine Rückkehrentscheidung würde ihn überdies in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzen. Er lerne Deutsch und bemühe sich, die österreichische Kultur kennenzulernen. Er habe soziale Kontakte in der katholischen Kirche und nehme rege diverse Integrations- und Bildungsangebote in Anspruch. Der Eingriff in sein Privatleben sei jedenfalls als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

4. Die vorliegende Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 07.11.2017 vorgelegt und langten am 10.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

In der Folge legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen vor:

?        Taufschein vom 03.05.2018

?        Arbeitsbescheinigung und Praktikumsbericht „ XXXX “

?        Bestätigung Tourismus WissensLabor XXXX vom 27.02.2018

?        Bestätigung Diakonie de La Tour vom April 2018

?        Zeugnis Abschlussprüfung der Volkshochschule Villach „Gesundheit und Soziales“ vom 19.02.2018

?        Teilnahmebestätigung Vorbereitungslehrgang zur Pflichtschulabschlussprüfung Mathematik vom 06.02.2018

?        Bescheinigung Teilnahme Erste-Hilfe-Grundkurs

?        Bestätigung Deutschkurs des Vereins „Willkommen Nachbarn“ vom 31.10.2017

5. Mit Schriftsatz vom 13.12.2018 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter vor, dass er am 01.04.2018 in der Stadtpfarre XXXX getauft worden sei und seinen Asylantrag auch auf seine Konversion zum Christentum und die damit verbundene Gefahr der religiösen Verfolgung in Afghanistan stütze. Sein Glaubenswechsel sei auch innerer Überzeugung erfolgt und drohe ihm aufgrund des Abfalls vom Islam bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Todesstrafe.

Ergänzend wurden folgende Unterlagen nachgereicht:

?        Qualifikationszeugnis Küche

?        Schreiben Diakonie vom 30.04.2018

?        Zeugnis über Abschlussprüfung aus Berufsorientierung

?        Lohnabrechnung

?        Zeugnis über die Pflichtabschlussprüfung Externistenprüfungskommission

?        Zeugnis über die Abschlussprüfung „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“

6. Am 14.10.2019 langte ein Schreiben von Pfarrer XXXX der Diözese Gurk ein, in welchem dieser zusammenfassend vorbrachte, dass er den Beschwerdeführer seit dieser nach Villach gekommen wäre, kenne. Nachdem er von Freunden erfahren hätte, dass er an einer Information über den christlichen Glauben interessiert sei, habe er fast wöchentlich eine Stunde mit ihm über den Glauben, über die christlichen Gebräuche und Kultur gesprochen. Der Beschwerdeführer habe dann den Wunsch ausgesprochen, getauft zu werden. Er sei mit anderen Taufwerbern der Diözese Gurk in die Gruppe der Katechumenaten aufgenommen und in der Osternacht 2018 in der Pfarrkirche XXXX getauft worden. Er sei regelmäßig bei den Gottesdiensten und habe auch guten Kontakt mit einzelnen Personen der Pfarre. Er habe einen ruhigen, ausgeglichenen Charakter, sei sehr hilfsbereit und interessiert an einer gediegenen beruflichen Ausbildung. Er würde es befürworten, wenn der Beschwerdeführer in Österreich bleiben könnte und hier seinen Glauben ausleben könnte.

7. Mit Schriftsatz vom 04.12.2019 brachte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen in Vorlage:

?        Bescheinigung Diakonie La Tour

?        Zeugnis Familie XXXX Oktober 2019

?        Schulbesuchsbestätigung 10.09.2019

?        Unterstützungsschreiben XXXX 13.10.2019

8. Am 11.12.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer, eine Dolmetscherin für die Sprache Farsi sowie der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers, ein Vertreter der belangten Behörde sowie der Pfarrer und Taufspender als Zeuge teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er hat den Herkunftsstaat im Jahr 2015 verlassen und nach illegaler Einreise am 31.10.2015 in Österreich den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer wurde im Herkunftsstaat als schiitischer Moslem erzogen, hat jedoch eine kritische Einstellung zu Glaubensvorschriften und deren gesellschaftliche Auswirkungen entwickelt. Der Beschwerdeführer ist in Österreich im Gespräch mit anderen, bereits konvertierten afghanischen Staatsangehörigen mit dem Christentum in Berührung gekommen. Er hat sich nach Absolvierung eines Taufvorbereitungskurses ab November 2016 und der Aufnahme in den Katechumenat im Jahr 2017 am 01.04.2018 taufen lassen. Er besucht dort auch seither regelmäßig (derzeit zweimal wöchentlich) Katechesen und den Gottesdienst.

Der Beschwerdeführer befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner inzwischen erfolgten Konversion zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem (Schiit) nicht die Religion hätte wechseln dürfen. Der Beschwerdeführer ist jedoch gewillt, auch im Fall der Rückkehr seinen christlichen Glauben auszuüben, seine Konversion zum Christentum nicht zu widerrufen und nicht wieder zum Islam überzutreten.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Das Vorliegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen ist nicht bekannt.

Der Beschwerdeführer bemüht sich um seine Integration in Österreich. Er hat Deutschkurse besucht und das Sprachzertifikat A2 erworben. Er hat in einem Hotel in Kärnten ein etwa einmonatiges Praktikum absolviert, die Pflichtabschluss-Prüfung bestanden und an diversen Integrationskursen teilgenommen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha‘i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).

Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).

Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).

vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).

Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.6.2019).

Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.6.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.4.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein „Pro Bambini di Kabul“, der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 4.1.2019).

Festgestellt wird, dass das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung 13.11.2019 mit den Letztinformationen vom 18.05.2020 für den vorliegenden Fall grundsätzlich keine entscheidungsrelevanten Änderungen bezüglich der Sicherheitslage enthält, sondern die aktuelle Covid-19 Situation und Auswirkungen darlegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, dem vorgebrachten Fluchtgrund und zur Rückkehrsituation:

Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsort, zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Übrigen ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers Zweifel aufkommen ließ. Identitätsdokumente hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Die Feststellungen hinsichtlich der Konversion zum katholischen Christentum in Österreich, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie die im Verfahren vorgelegten Bestätigungen der Pfarre XXXX über Taufvorbereitung, Taufe sowie die regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam abgewendet und dem katholischen Christentum zugewandt hat.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht den Eindruck vermittelt, sich mit den wesentlichen Glaubenssätzen und den wesentlichen Unterschieden der Religionen beschäftigt zu haben. Der Beschwerdeführer hat glaubhaft dargelegt, mit der Zuwendung zum Christentum einen Weg gesucht und für sich gefunden zu haben, um innere Ruhe zu finden und dem Prinzip der Nächstenliebe zu folgen. Gestützt werden die Angaben des Beschwerdeführers durch die im Verfahren vorgelegten Bestätigungen der Pfarre XXXX sowie die Aussage des als Zeugen einvernommenen Pfarrers.

Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner in Österreich erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, insgesamt als glaubhaft zu beurteilen. So war das Vorbringen des Beschwerdeführers zur möglichen Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des Beschwerdeführers und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel. Der Beschwerdeführer selbst hinterließ in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchwegs einen persönlich glaubwürdigen Eindruck. Das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Konversion war in sich stimmig und wies keine beachtlichen Widersprüche auf.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass die belangte Behörde keine Umstände vorgebracht hat, die die Glaubhaftigkeit der befürchteten Verfolgung allenfalls in Zweifel gezogen hätte.

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers über seine Konversion im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der relevanten Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

Die Verfahrensparteien haben diese Feststellungen nicht bestritten.

Die aktuellen Letztinformationen der Staatendokumentation vom 18.05.2020 wurde in der Entscheidung berücksichtigt und auf entscheidungsrelevante Veränderungen geprüft. Solche wurden nicht festgestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit seinem Vorbringen, in Österreich vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer einen (subjektiven) Nachfluchtgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG geltend.

Wie der VwGH bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen – in Österreich eingetretenen – Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme „wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung“ zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; VwGH 21.09.2000, 98/20/0557).

Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG (Status-Richtlinie) kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001; 99/20/0550; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; VwGH 17.10.2002; 2000/20/0102; VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544).

Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen ausüben will, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, ist nicht tragfähig begründbar.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers vor.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan, ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner erfolgten Konversion zum Christentum der Flüchtlingsstatus jedenfalls zu gewähren war, war daher auf sein weiteres Fluchtvorbringen betreffend seine politische Verfolgung aufgrund seiner Tätigkeit als Leibwächter für einen afghanischen Politiker nicht näher einzugehen.

3.3. Die mit 01.01.2016 in Kraft getretenen Abs. 4 bis 4b des § 3 AsylG, die gemäß § 75 Abs. 24 für Asylanträge gelten, die nach dem 15.11.2015 gestellt worden sind, sind im vorliegenden Fall, in dem der Antrag am 31.10.2015 gestellt wurde, nicht anzuwenden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion Schutzunwilligkeit staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W155.2176081.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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