TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 W247 2229626-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2020
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Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W247 2229626-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm §§ 10 Abs. 3, 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., sowie §§ 52 Abs. 3 iVm Abs. 9, 55 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erster Antrag auf internationalen Schutz, Gewährung des Status des Asylberechtigten und Aberkennung:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste spätestens am 25.03.2004 mit seiner Ehefrau in das österreichische Bundesgebiet unrechtmäßig ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamts vom 05.11.2004, ZI XXXX stattgegeben und dem BF gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt wurde. Gemäß § 12 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Bescheid erwuchs mit 23.11.2004 in Rechtskraft.

1.2. Im Sommer 2018 ist die Familie des BF bereits in die Russische Föderation ausgereist. Der BF ist am 20.09.2018 in Richtung Türkei ausgereist.

1.3. Am 03.04.2019 wurde von Amts wegen ein Aberkennungsverfahren gegen den BF, aufgrund seiner Reisebewegungen in die Russische Föderation, wegen der Ausstellung eines russischen Reisepasses, sowie aufgrund der bis dahin nicht wieder erfolgten Wiedereinreise in das österreichische Bundesgebiet eingeleitet.

1.4.

Im Zeitraum 14.05.2019 bis 22.07.2019 hatte der BF keinen gemeldeten Wohnsitz in Österreich.

1.5. Mit Bescheid des BFA vom 15.07.2019 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt (Spruchpunkt I.), der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF durch Ausstellung seines russischen Reisepasses im Jahr 2017, der mehrfachen Wiedereinreise und der auf Dauer angelegten Niederlassung in der Russischen Föderation freiwillig unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass der BF nicht mehr schutzbedürftig sei und habe sich die Situation in Tschetschenien im Übrigen auch nachhaltig, nicht nur vorübergehend, verbessert. Der BF habe keinen Hauptwohnsitz mehr in Österreich, habe das Bundesgebiet freiwillig verlassen und sei er seitdem nicht mehr zurückgekehrt. Er habe kein nennenswertes soziales Netz, weshalb die Rückkehrentscheidung zulässig sei. Der Bescheid erwuchs am 02.08.2019 unbekämpft in Rechtskraft.

1.4. Mit Mandatsbescheid vom 30.08.2019, ZI. XXXX , rechtskräftig am 14.09.2019, wurde dem BF sein Konventionsreisepass entzogen.

2. Erster Antrag auf Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG:

2.1. Am 11.09.2019 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 und gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.

Seinem Antrag beigefügt wurden folgende Unterlagen/Dokumente:

?        Kopien seines russischen Auslandsreisepasses (Nr. XXXX , ausgestellt am 23.10.2017);

?        Einstellungszusage von XXXX vom 05.10.2019;

?        Versicherungsdatenauszug vom 05.09.2019;

?        Bestätigung der Anmeldung einer geringfügigen Beschäftigung des VGKK vom 13.08.2019;

2.2. Am 13.11.2019 erging ein Verbesserungsauftrag zur Vorlage weiterer Unterlagen.

2.3. Der BF reichte am 27.11.2019 elektronisch seine Heiratsurkunde, sowie die Geburtsurkunden seiner Kinder nach, seinen Meldezettel und eine Bestätigung über seine Teilzeittätigkeit.

2.4. Am 17.01.2020 wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Dabei wurde mitgeteilt, dass das BFA beabsichtige seinen Antrag nach § 55 AsylG abzuweisen, da der BF sich mit der Ausstellung eines russischen Reisepasses im Jahr 2017, der mehrfachen Wiedereinreise und der auf Dauer angelegten Niederlassung in der Russischen Föderation wieder freiwillig unter den Schutz seines Herkunftsstaates bzw. ehemaligen Verfolgerstaates gestellt hätte und ihm deswegen mit Bescheid des BFA vom 15.07.2019, rechtskräftig seit 02.08.2019, der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, die Abschiebung für zulässig erklärt worden war und eine zweiwöchige Ausreisefrist festgelegt worden ist. Die Familie des BF sei schon im Sommer 2018 ausgereist, der BF sei im Sommer 2019 untergetaucht und habe im September 2019 gegenständlichen Antrag gestellt. Dem BF wurde jedoch die Möglichkeit gegeben binnen 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben und eine Reihe an ihn gestellter Fragen zu beantworten.

2.5. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 04.02.2020 gab der BF zusammenfassend an, dass er seit 18.11.2019 als Hausmeister angestellt sei und er derzeit ca. EUR 650 brutto verdiene. Er bestreite seinen Lebensunterhalt zur Gänze aus seinem Einkommen aus unselbständiger Arbeit und seit 16.01.2020 habe er ein Zimmer bei seinem Arbeitgeber für EUR 250 gemietet. Darüber hinaus habe er schon verschiedene Tätigkeiten in Österreich ausgeübt, beispielsweise als LKW-Fahrer, Hausmeister, Lagerarbeiter, Beschichter und Verpackungsmitarbeiter. Er habe österreichische Freunde gefunden, beispielsweise seien sein Arbeitskollege und sein Chef auch persönliche Freunde geworden. Er spreche Deutsch auf A2 Niveau und habe auch diesbezüglich Prüfungen abgelegt, die Zertifikate jedoch im Zuge eines Umzugs verloren. Im Zeitraum von 14.05.2019 bis 22.07.2019 sei er in der Russischen Föderation gewesen, weil er sich 2014 von seiner Frau getrennt habe und diese mit den gemeinsamen Kindern ohne seine Kenntnis nach Tschetschenien verzogen sei. Er sei daraufhin in die Russische Föderation gereist, um seine Familienangelegenheiten zu klären und sich von seinen Kindern zu verabschieden. Drüber hinaus würden noch seine Großmutter, seine Mutter und Geschwister in Tschetschenien leben. Er sei jedoch bereits im Dezember 2003 ausgereist und lebe seit 2004 in Österreich. Der BF äußerte sich auch zu den Länderberichten und zitiert diese auszugsweise, beispielsweise äußerte er, dass tschetschenische Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben hunderte Verdächtige nach einem Terror-Angriff in XXXX festgehalten hätten und nach einem Bericht 27 Personen exekutiert worden seien. Folter werde in der RF angewendet und bliebe die Anwendung davon durch Sicherheitsbehörde weitgehend ungestraft. Der BF wies erneut darauf hin, dass er seit 2004 durchgehend in Österreich lebe, sich ein umfassendes Privatleben aufgebaut hätte und sehr gut Deutsch spreche. Er sei berufstätig und selbsterhaltungsfähig. Daher stelle er die Anträge seinem Antrag nach § 55 AsylG stattzugeben, in eventu die Ausweisung für dauerhaft unzulässig zu erklären, in eventu ihn zu einer persönlichen Einvernahme zu laden.

2.6. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.02.2020 gab der BF zusammenfassend zu Protokoll, dass seine Familie bereits im Sommer 2018 in die Russische Föderation gereist sei, er selbst sei von September 2018 bis ca. August 2019 in Tschetschenien gewesen. Als er zurückgekommen sei, seien alle Dokumente aus seiner Wohnung weggeschmissen worden, deshalb habe er kein Integrationszeugnis. Er habe beim Integrationsfonds angefragt, doch sei ihm gesagt worden, sie würden unter seinem Familiennamen im System nichts finden. Der BF habe 11 Monate in Österreich einen Deutschkurs in Haid gemacht, es sei A1 oder A2 gewesen. Seine Freu lebe mit seinen Kindern in XXXX in Tschetschenien im Haus des Bruders seiner Frau. Der BF habe mit seinen Kindern Kontakt, mit seiner Frau jedoch nicht. Seine Frau bestreite ihren Lebensunterhalt selbst, sie sei Verkäuferin. Sie seien noch nicht geschieden, würden jedoch seit 2015 getrennt leben. Der BF finanziere seine Familie in Tschetschenien derzeit nicht, weil er zu wenig Lohn habe. Wenn er etwas verdiene, helfe er jedoch seinen Kindern. Bis dato sei er noch nicht ausgereist, weil er in Tschetschenien keinen Job und keine Wohnung habe. Seit 16 Jahren sei er in Österreich und hier sei es besser, er habe Arbeit und eine Wohnung. Sein Ziel sei es, in Österreich zu leben und zu arbeiten, was seine Familie mache, wisse er nicht. 2019 sei er zuletzt in der Russischen Föderation gewesen. Der BF legte im Zuge der Vernehmung seinen Russischen Inlandsreisepass im Original vor.

2.7. Der BF brachte erstinstanzlich folgende weitere Unterlagen in Vorlage:

?        Russischer Reisepass samt Kopie;

?        Empfehlungsschreiben vom 28.11.2019 von XXXX ;

?        Bestätigung vom 29.01.2020 von XXXX über seine Tätigkeit als Hausmeister;

?        Gehaltsabrechnungen von November und Dezember 2019;

?        Mietvertrag des BF mit XXXX vom 10.01.2020;

?        Lebenslauf des BF vom Juni 2016 und September 2019;

?        Meldebestätigung vom 21.01.2020;

2.8. Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid vom 03.03.2020, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG erließ die belangte Behörde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im Bundesgebiet kein Familienleben habe, weil seine Frau und seine 5 Kinder im Sommer 2018 aus dem Bundesgebiet ausgereist seien. Außerdem befinde sich der BF des Öfteren in Russland und habe sich seit 2017 wieder ein Leben in Tschetschenien aufgebaut. Zuletzt habe er sich von September 2018 bis August 2019 in Tschetschenien aufgehalten. Dort habe er darüber hinaus noch seine Mutter, seine Großmutter und seine Geschwister. In Österreich sei er zwar immer wieder berufstätig, er habe jedoch keinen Beruf erlernt, seine Dienstverhältnisse seien nie von längerer Dauer und geprägt von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gewesen. Er habe außerdem keinen Nachweis über die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung vorgelegt, obwohl ihm dafür genügend Zeit eingeräumt worden sei. Er habe selbst angegeben seit 18.11.2019 als Hausmeister beschäftigt zu sein, dieser Beschäftigung gehe er jedoch ohne arbeitsmarktrechtlichem Dokument nach. Im Übrigen sei dem BF der Status des Asylberechtigten in Österreich aberkannt worden. Auf die Länderinformationen betreffend tschetschenischer Streitkräfte könne er sich nicht berufen, weil er offenbar ohne Probleme mehrere Monate in Tschetschenien habe leben können. Es seien auch keine Umstände für die Unzulässigkeit der Abschiebung hervorgekommen.

2.9. Mit Verfahrensanordnung vom 04.03.2020 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für ein etwaiges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

2.10. Der BF erhob mit Schriftsatz vom 16.03.2020, mit 17.03.2020 eingelangt, durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, dass dem BF mit Bescheid vom 15.07.2019 der Status des Asylberechtigten aberkannt worden sei. Dieser sei am 02.08.2019 in Rechtskraft erwachsen. Die belangte Behörde habe im gegenständlich angefochtenen Bescheid die persönlichen Umstände des BF, wie beispielsweise die Dauer seines Aufenthalts und seine soziale Integration, nicht ausreichend berücksichtigt. Die Behörde verkenne, dass der BF seit 2004 in Österreich legal aufhältig sei und ein sehr ausgeprägtes Privatleben iSd Art. 8 EMRK pflege. Es werde im Übrigen nicht bestritten, dass der BF aufgrund der im Jahr 2015 realisierten Trennung von seiner Ehefrau, an einer anderen Adresse als seine Familie, die aktuell in Tschetschenien lebe, angemeldet sei. Trotz der unterschiedlichen Wohnortadressen bestehe nach wie vor regelmäßiger Kontakt des BF zu seinen dort lebenden Kindern. Da der erfolgte Wegzug seiner Ehefrau und Kinder nicht als bloß vorübergehend zu bewerten sei, würden sich der BF und seine Ehefrau auch scheiden lassen wollen. Außerdem sei der BF stets sozial- und krankenversichert gewesen, da er jahrelang legalen Beschäftigungen nachgegangen sei und über jahrelange Berufserfahrung in diversen Berufsgebieten verfüge. Derzeit sei er seit einigen Monaten als Hausmeister beschäftigt, ab dem Sommer 2020 solle dieses in ein Vollzeit-Arbeitsverhältnis umgewandelt werden. Der BF spreche auch fließend Deutsch und bestünden daher auch in Zukunft keine Hindernisse für sein weiteres Erwerbsleben in Österreich. Er lebe seit 2004, sohin seit 16 Jahren in Österreich und fühle sich mit dem Staat sehr tief verbunden und betrachte dieses Land als seine neue Heimat. Er habe viele Menschen kennen gelernt, die ihn unterstützen würden und die er mittlerweile zu seinen Freunden zähle. Es liege sohin mit der angefochtenen Entscheidung ein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privatleben in Österreich vor, wobei eine Rückkehrentscheidung insbesondere, aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer, nur zulässig wäre, wenn der BF die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genutzt hätte, um sich sozial und beruflich zu integrieren. Die Behörde hätte demnach aussprechen müssen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und dem BF einen Aufenthaltstitel nach §55-56 AsylG erteilen müssen. Der BF beantragte, das BVwG möge 1.) den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55-56 AsylG erteilen; 2.) jedenfalls den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid betreffend die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation aufgehoben werde; 3.) jedenfalls die gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären; 4.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen; 5.) eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG anberaumen.

2.11. Mit der Beschwerde wurde ein neuerlicher Versicherungsdatenauszug vom 11.03.2020 vorgelegt.

2.12. Die Beschwerdevorlage vom 17.03.2020 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 20.03.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG vom 11.09.2019, der Einvernahme vor dem BFA am 25.02.2020, der beschwerdeseitigen Stellungnahmen von 27.11.2019 und 04.02.2020, der Beschwerde vom 17.03.2020 gegen den angefochtenen Bescheid vom 03.03.2020, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakte und den Aberkennungsbescheid vom 15.07.2019, dem Mandatsbescheid vom 30.08.2019, der Einsichtnahme in die beschwerdeseitig im Verfahren vorgelegten Unterlagen, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Ausländer- und Fremdeninformationssystem, das Strafregister und Grundversorgungssystem und das AJ-Web, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

1.1. Zur Person des BF, dem Vorverfahren, dem Familien- und Privatleben im Bundesgebiet und Bindungen zum Herkunftsland:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, aus der Teilrepublik Tschetschenien, sohin Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG und dem muslimischen Glauben zugehörig. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der BF ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau 5 Kinder im Alter von 18, 17, 15, 13 und 7 Jahren. Der BF lebt seit 2015 von seiner Ehefrau getrennt. Seine Ehefrau lebt mit den gemeinsamen Kindern seit Sommer 2018 in XXXX in Tschetschenien.

Der Beschwerdeführer spricht zumindest eine Landessprache der Russischen Föderation und Deutsch. Er leidet an keinen schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist gesund, sowie arbeitsfähig.

Im Bundesgebiet hat der BF keine Angehörigen oder Verwandten. Er verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet.

Der BF reiste zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, spätestens am 25.03.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem wurde mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamts vom 05.11.2004, Zl. XXXX stattgegeben und festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Mit Bescheid des BFA vom 15.07.2019 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig erklärt und eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. In diesem Verfahren wurde für den BF ein Abwesenheitskurator bestellt, weil er für die Behörde nicht greifbar war. Begründend wurde im Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF mit Ausstellung seines russischen Reisepasses im Jahr 2017, der mehrfachen Wiedereinreise und der auf Dauer angelegten Niederlassung in der Russischen Föderation freiwillig unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hat. Deshalb ist davon auszugehen, dass der BF nicht mehr schutzbedürftig ist. Außerdem habe sich die Situation in Tschetschenien im Übrigen auch nachhaltig, nicht nur vorübergehend verbessert. Der BF habe keinen Hauptwohnsitz mehr in Österreich, habe das Bundesgebiet freiwillig verlassen, sei seitdem nicht mehr zurückgekehrt und habe kein nennenswertes soziales Netz, weshalb die Rückkehrentscheidung zulässig sei. Der Bescheid erwuchs am 02.08.2019 unbekämpft in Rechtskraft.

Der BF verfügte seit 08.08.2018 über einen Konventionsreisepass, der ihm mit Mandatsbescheid vom 30.08.2019, ZI XXXX , entzogen wurde.

Der BF war von 26.03.2004 bis 14.05.2019 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Von 14.05.2019 bis 22.07.2019 war der BF im Bundesgebiet nicht behördlich gemeldet.

Der BF befand sich von September 2018 bis August 2019 in der Russischen Föderation. Seit seiner Wiedereinreise nach Österreich, zu einem unbekannten Zeitpunkt im August 2019, hält sich der BF, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seit 23.10.2017 verfügt der BF einen russischen Auslandsreisepass und reiste mehrfach in die Russische Föderation ein.

Der Beschwerdeführer verfügt in seinem Herkunftsstaat über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in den Personen seiner Mutter, seiner Großmutter, seiner Geschwister und seiner Ehefrau mit deren gemeinsamen 5 Kindern. Der BF steht zumindest mit seinen Kindern in Kontakt.

Der Beschwerdeführer war in Österreich bei zahlreichen verschiedenen Arbeitgebern, teilweise nur tageweise, erwerbstätig, jedoch nur bei einem Arbeitgeber über ein Jahr beschäftigt. Zwischenzeitig bezog er immer wieder Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Er war demnach von 30.12.2005 bis 01.01.2006, von 11.02.2006 bis 17.02.2006, von 07.03.2006 bis 17.03.2006, von 28.03.2006 bis 11.04.2006, von 02.05.2006 bis 04.05.2006, von 16.05.2006 bis 18.05.2006, von 12.06.2006 bis 16.06.2006, von 17.08.2006 bis 18.08.2006, von 23.11.2006 bis 02.12.2006, von 02.01.2007 bis 04.01.2007, von 15.01.2007 bis 17.01.2007, am 26.07.2007, von 13.09.2007 bis 04.11.2007, von 14.11.2007 bis 23.11.2007, von 11.08.2008 bis 03.09.2008, von 14.11.2008 bis 11.05.2009, von 09.12.2009 bis 15.10.2010, von 11.04.2011 bis 14.04.2011, von 23.05.2011 bis 31.03.2013, von 01.11.2013 bis 30.06.2014, von 30.03.2015 bis 23.11.2015, von 27.10.2016 bis 30.11.2016 geringfügig, von 01.12.2016 bis 03.03.2017, von 03.03.2017 bis 31.08.2017, von 05.09.2017 bis 02.11.2017, von 03.11.2017 bis 30.11.2017, von 01.12.2017 bis 31.08.2018, von 13.08.2019 bis 23.09.2019 geringfügig, erwerbstätig. Seit 18.11.2019 ist der BF Teilzeit beschäftigt, wobei er dieser Tätigkeit ohne arbeitsmarktrechtliches Dokument nachgeht und daher ein Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt. Weitere Aus-, Fort-, oder Weiterbildungen im Bundesgebiet hat der BF nicht absolviert.

Der BF hat von 13.11.2010 bis 01.04.2011, von 03.04.2013 bis 29.10.2013, von 01.07.2014 bis 12.02.2015, von 14.02.2015 bis 27.03.2015, von 04.12.2015 bis 10.01.2016, von 12.01.2016 bis 13.09.2016, von 27.09.2018 bis 31.10.2018, von 05.11.2018 bis 15.11.2018 und von 22.07.2019 bis 17.11.2019 Arbeitslosengeld bezogen. Von 02.04.2011 bis 10.04.2011, 13.05.2011 bis 22.05.2011, 30.10.2013 bis 31.10.2013, 14.09.2016 bis 30.11.2016 bezog der BF Notstandshilfe.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten. Es besteht in Österreich für den BF kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.

1.2. Zur Frage der Rückkehr in die Russische Föderation:

Es können in casu zum Entscheidungszeitpunkt keine Umstände festgestellt werden, welche einer Rückführung des BF aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.

Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation wegen illegaler Ausreise.

Eine in die Russische Föderation zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es ist konkret im Fall des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage geraten werden.

1.3. Zur Lage in der Russischen Föderation:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden, nach wie vor als aktuell anzusehenden, Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt und welche das Bundesverwaltungsgericht in casu seinem Erkenntnis zugrunde legt.

Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report – 100 der WHO (World Health Organization)

vom 21.06.2020

Nach aktuellem Stand zum Entscheidungszeitpunkt gibt es im ganzen Land 584.680 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus und 8.111 Todesfälle.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

2.1.1. Der oben festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts und der Einsicht in den Aberkennungsbescheid des BFA vom 15.07.2019, ZI. XXXX .

2.1.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.1.3. Der BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen. Dieses wurde hauptsächlich zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich erstattet (s. dazu II.3.5.ff).

2.1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.2.1. Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, den familiären Verhältnissen, sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die Feststellungen des rechtskräftigen Bescheides des BFA vom 15.07.2019, Zl. XXXX , sowie auf dem beschwerdeseitigen Vorbringen im Rahmen der schriftlichen Stellungnahmen vom 27.11.2019 und 04.02.2020, seiner Einvernahme vor dem BFA am 25.02.2020 und der Beschwerdeschrift.

2.2.2. Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente, seinen Russischen Reisepass, vorlegen konnte, steht seine Identität fest.

2.2.3. Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand, sowie zu seiner Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus der Aktenlage, dem rechtskräftigen Bescheid vom 15.07.2019, sowie dem Umstand, dass der BF dem in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist.

2.2.4. Dass der BF keine Verwandten im Bundesgebiet hat, ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt in Zusammenhalt mit seinen eigenen Angaben. Die Feststellung zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis ergibt sich aus seinen eigenen glaubhaften Angaben im Verfahren, sowie dem Umstand seiner langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet.

2.2.5. Die Feststellungen hinsichtlich der erfolgten Asylantragstellung, der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, des Aberkennungsverfahrens, sowie seines Verbleibes im österreichischen Staatsgebiet, ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt, vor allem aus dem rechtskräftigen Aberkennungsbescheid des BFA vom 15.07.2019, ZI. XXXX und der Tatsache, dass der BF bis dato nicht ausgereist ist (S. 3 unten des BFA-Prot.).

2.2.6. Dass der BF über einen Konventionsreisepass verfügte, der ihm wieder entzogen wurde, ergibt sich aus einem IFA-Auszug in Zusammenschau mit dem Mandatsbescheid vom 30.08.2019, ZI. XXXX .

2.2.7. Aus dem unzweifelhaften Akteninhalt, sowie aus der von Amts wegen veranlassten Einsichtnahme in das zentrale Melderegister, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit dem 26.03.2004 bis zum 14.05.2019 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet war, sowie von 14.05.2019 bis 22.07.2019 über keine aufrechte Meldung verfügte.

2.2.8. Dass der BF von September 2018 bis August 2019 in der Russischen Föderation war, mehrfach in die RF einreiste und über einen russischen Reisepass verfügte, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben vor dem BFA (S. 2 des BFA-Prot.), einem IFA-Auszug, sowie der Stempellage in seinem vorgelegten Reisepass.

2.2.9. Die Feststellung, dass der BF in der Russischen Föderation über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfügt, ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme vom 04.02.2020 (S. 4). Dass er Kontakt zu seinen Kindern hat, gab er vor dem BFA selbst glaubhaft an (S. 3 des BFA-Prot.).

2.2.10. Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet beruht darauf, dass gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegt, er auch sonst über keine Berechtigung zum Aufenthalt verfügt hat und gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 und § 16 Abs. 5 BFA-VG weder die gegenständliche Antragstellung noch die Erhebung der gegenständlichen Beschwerde ein Aufenthalts- oder Bleiberecht in Österreich begründet.

2.2.11. Die Feststellungen zu seiner beruflichen Tätigkeit und dem Bezug von Sozialhilfen, ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem AJ-Web. Aus dem vorgelegten Bestätigungsschreiben von XXXX vom 29.01.2020 ergibt sich die derzeitige Tätigkeit des BF als Hausmeister. Dass der BF über keine Beschäftigungsbewilligung verfügt, ergibt sich aus einem Schreiben des AMS vom 12.06.2020, wonach der BF keinen Antrag auf Ausstellung eines Arbeitsmarktdokuments nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gestellt hat.

2.2.12. Die Feststellungen über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2.13. Zur rechtlichen Begründung, weshalb eine Interessensabwägung im Lichte des Art. 8 EMRK im gegenständlichen Fall zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung auszugehen hatte, darf im Übrigen auf die Punkte II.3.5.ff verwiesen werden.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die zur Lage in der Russischen Föderation getroffenen Feststellungen basieren auf Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts des bereits Ausgeführten im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens der BF dar.

Aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich keine derartige Situation im Herkunftsland ableiten, wonach der BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in der Russischen Föderation aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person drohen würde oder dass ihr im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die Situation im Herkunftsland hat sich auch seit dem Zeitpunkt der Einvernahme vom 25.02.2020 in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der Russischen Föderation um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, darüber hinaus aber nicht – etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH vom 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH vom 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098).

Es wird nicht verkannt, dass der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunden gelegten Länderinformation vom 30.09.2019, letzte KI eingefügt am 03.12.2019, inzwischen am 27.03.2020 ein neues Länderinformationsblatt gefolgt ist. Dieses betrifft insbesondere die angekündigten Verfassungsänderungen betreffend die Erweiterung der Machtbefugnisse des Präsidenten und die Ermöglichung seiner Wiederwahl, sohin politische Aspekte, welche zum gegenständlichen Fall aber keinen erkennbaren inhaltlichen Bezug haben.

Letztlich ist noch anzumerken, dass unter Zugrundelegung der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zur Grundversorgung in der Russischen Föderation auch kein Grund erkannt werden kann, wonach der arbeitsfähige BF, der sich bis dato auch selbst erhalten konnte, sowie über ausreichend Arbeitserfahrung verfügt und gesund ist, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten würde. Außerdem verfügt der Beschwerdeführer über ein familiäres Netz in der Russischen Föderation, das in der Lage ist ihn bei seiner Rückkehr zu unterstützten.

Was die Ausbreitung des Corona Virus in der Russischen Föderation betrifft, ist festzuhalten, dass der BF an keinen Krankheiten leidet, sondern gesund ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF persönlich bei einer Rückkehr eine Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf erleiden würden, weil er nicht zur Risikogruppe zählt. Die absoluten Zahlen in der Russischen Föderation erweisen sich mit 584.680 Erkrankten als so hoch, wie in kaum einem anderen Land. Dennoch erweisen sich die Todesfälle, mit insgesamt 8.111 Toten als, verglichen mit anderen Ländern, verhältnismäßig gering. Sieht man die absolute Zahl der Erkrankten jedoch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, zeigt sich die Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner noch davon entfernt, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzuzeigen, in der Russischen Föderation an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Darüber hinaus gehört der BF, wie bereits erwähnt, nicht zur Risikogruppe an einem schwerwiegenden Verlauf zu erkranken.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

3.5. Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 8 AsylG 2005 bestimmt, dass das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abzusprechen hat.

Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. § 58 Abs. 13 AsylG 2005 gilt.

§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 lautet:

"(3) Wird ein Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der mit "Frist für die freiwillige Ausreise" betitelte § 55 FPG lautet wie folgt:

"§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen also dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).

3.5.1. Im Bundesgebiet sind keine Familienangehörigen des BF aufhältig. Der BF ist zwar verheiratet und hat mit seiner Ehefrau 5 gemeinsame Kinder, diese leben jedoch alle gemeinsam in der Russischen Föderation. Über weitere Familienangehörige in Österreich verfügt der BF nicht. Diesbezüglich liegt daher kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK des Beschwerdeführers vor.

3.5.2. Es ist weiters zu prüfen, ob Aspekte eines schützenswerten Privatlebens vorliegen, welche die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 allenfalls erforderlich erscheinen ließen bzw. ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Im Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis des VfGH vom 17. März 2005, VfSlg. 17.516, und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fremdensachen darauf hingewiesen, dass auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal etwa das Gericht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH vom 17. 2. 2007. 2006/01/0216). Eine lange Dauer des Asylverfahrens macht für sich allein keinesfalls von vornherein eine Ausweisung unzulässig (VwGH vom 2010/22/0094).

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH vom 17.12.2007, 2006/01/0216; siehe die weitere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften: VwGH vom 26. 6. 2007, 2007/01/0479; VwGH vom 16. 1. 2007, 2006/18/0453; jeweils VwGH vom 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; VwGH vom 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH vom 20. 9. 2006, 2005/01/0699).

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH vom 29. 9. 2007, B 1150/07; vom 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH vom 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; vom 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005, S. 282ff).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

3.5.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

3.5.3.1. Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 25.03.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Diesem Asylantrag wurde mit Bescheid vom 05.11.2004, ZI. XXXX stattgegeben und es wurde festgestellt, dass dem BF kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Im vorliegenden Fall beträgt daher die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise - spätestens im März 2004 - über 16 Jahre, was zweifellos einen sehr langen Zeitraum darstellt.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl.

VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253

, mwN).

3.5.3.2. Mit der Rechtskraft des Bescheides des BFA vom 15.07.2019, mit welchem dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt wurde, lag eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen ihn vor. Nachdem der BF während des Aberkennungsverfahrens für die Behörde nicht greifbar war und sich über mehrere Monate in der Russischen Föderation befand, reiste er zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, im August 2019, wieder in das österreichische Bundesgebiet ein und verblieb nach der Aberkennung seines Asylstatus, trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung, bis dato weiter beharrlich illegal in Österreich und kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, weshalb dies seine lange Aufenthaltsdauer relativiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens beziehungsweise ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH vom 31.10.2002, Zl 2002/18/0190; siehe auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9 BFA-VG E 121.).

3.5.3.3. Das Gericht verkennt dabei jedoch auch nicht die Rechtsprechung des VwGH, zuletzt 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, wonach bei den Gesichtspunkten - unsicherer und ab rechtskräftiger Erledigung eines Asylantrages unrechtmäßiger Aufenthalt, Nichtbeachtung einer Ausreiseverpflichtung, Weigerung an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken - es sich um solche handle, die - in mehr oder weniger großem Ausmaß - typischerweise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz insgesamt einen mehr als zehnjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen. Nach Ansicht des VwGH sprechen diese Umstände per se nicht gegen die Anwendbarkeit der in VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253 dargestellten Rechtsprechungslinie. Dem unrechtmäßigen Verbleib des BF im Bundesgebiet kommt jedoch für sich genommen noch kein entscheidungswesentliches Gewicht zu (vgl. auch dazu VwGH vom 19.12.2019, Ra 2019/21/0243).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu.

Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse vom 3. September 2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe das Erkenntnis vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062, sowie den Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss vom 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039, sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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