Entscheidungsdatum
06.07.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W279 2228034-1/16E
Schriftliche Ausfertigung des am 03.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Ali POLAT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2020, Zl. 1258594100/200085874, sowie die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 22.01.2020, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.02.2020, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.01.2020 wird gem. § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 FPG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft ab 22.01.2020 für rechtmäßig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 15.11.2016 wurde ein Visum C, Antragsnummer XXXX , mit der Nummer XXXX , gültig für die Schengener Staaten, für den Beschwerdeführer (in Folge: BF) ausgestellt.
2. Am 30.12.2019 wurde ein Visum C, Antragsnummer XXXX , mit der Nummer XXXX , gültig bis 12.02.2020 für die Schengener Staaten, ausgestellt. Dieses Visum wurde am 22.01.2020 durch die LPD XXXX aufgrund Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufgehoben.
3. Der BF, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 14.01.2020 mit einem Flugzeug der XXXX Airlines von Istanbul nach Wien.
4. Am 15.01.2020 reiste der BF mit dem Zug nach Deutschland, von wo aus er am 21.01.2020 wieder nach Wien zurück fuhr.
5. Am 22.01.2020 wollte der BF mit einem gefälschten Visum für das Vereinigte Königreich vom Flughafen Wien Schwechat nach London reisen. Der BF wurde am selben Tag durch die SPK Schwechat Grenzpolizei strafrechtlich einvernommen und angezeigt. Dabei gab er an, dass er sich beide Visa am 20.12.2019 über einen Reiseveranstalter in Ankara organisiert habe. Dafür habe er € 2000,- bezahlt. Vom selbigen Reiseveranstalter habe er auch die Flugtickets nach Wien und London erhalten. Er sei nie in der Tschechischen Republik gewesen und habe auch nie dorthin wollen. Sein Reiseziel sei London gewesen, da dort Verwandte seinerseits leben würden. Im Zuge dieser Amtshandlung stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.
6. Am selben Tag langte ein Kurzbrief der Landespolizeidirektion XXXX ein. Nach Mitteilung der Tschechischen Polizei sei das Visum mit der Nr. 009915840 amtlich und rechtmäßig von der Tschechischen Botschaft in Ankara ausgestellt worden.
7. Am 23.01.2020 wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass seine Eltern sowie seine Brüder nach wie vor in der Türkei leben würden, seine Ehefrau befinde sich mit seiner Tochter in Georgien. Er habe nach Großbritannien reisen wollen, da er dort Verwandte habe. Ausgereist sei er legal mit seinem türkischen Reisepass. In Wien habe er sich einen Tag bei einem Freund aufgehalten, außerdem habe er 5 Tage bis 19.01.2020 in Frankfurt bei seinem Onkel verbracht. Danach sei er erneut nach Wien gereist. Sein Visum habe er über ein „Reisebüro“ in Ankara beantragt. Er habe € 2.000,- bezahlt. Dass es sich um eine Fälschung handeln solle, habe er erst am Flughafen in Wien erfahren.
Zu seinem Fluchtgrund befragt führte er aus, dass er aufgrund seiner Tätigkeiten für die XXXX Partei im Jahr 2017 aus seinem Amt als Staatsdiener entlassen worden sei und als Taxifahrer habe arbeiten müssen. Seine Frau sei nach ihrem Studium in Istanbul nach XXXX zurückgekehrt und habe im Hauptquartier der XXXX Partei gearbeitet. Aufgrund dessen habe ihr wegen angeblich terroristischer Aktivitäten ein Gerichtsverfahren gedroht. Im März 2019 seien seine Frau und seine Tochter nach Georgien geflohen, um sich vor der Willkür der türkischen Regierung zu schützen. In der Türkei würden ihnen mehrjährige Haftstrafen drohen.
8. Die Prognose der Behörde lautete auf Polizeianhaltezentrum, Dublin Verfahren, weshalb der BF in das PAZ Wien Roßauer Lände eingeliefert wurde.
9. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2020 wurde gem. Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF einem Verfahren nach der Dublin-Verordnung unterliege und ein Konsultationsverfahren mit der Tschechischen Republik eingeleitet worden sei. Gegen den BF sei ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung eingeleitet worden. Diese sei noch nicht durchführbar. Er habe sich mit einem gefälschten Dokument ausgewiesen, als er nach London habe reisen wollen. Dadurch habe er die österreichische Rechtsordnung missachtet und sei angezeigt worden. Er habe keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und sei aufgrund seines mangelnden Bezuges zu Österreich in keiner Weise integriert. Der BF erfülle daher die Voraussetzungen gem. § 76 Abs. 3 Z 1, 6b, 6c und 9 FPG.
10. Mit Schriftsatz vom 28.01.2020 erhob der BF rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass er mit einem gültigen Schengenvisum C, mit der Nummer D 054503797, im Flugweg nach Österreich gereist sei. Österreich sei das erste Land, in das der BF gereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. Der BF habe sowohl das Schengenvisum, als auch das Visum für das Vereinigte Königreich in seinem Herkunftsland in Ankara gemeinsam über eine Agentur für Visumangelegenheiten beantragt. Dass das Visum gefälscht sei, habe er nicht gewusst. Die verhängte Schubhaft sei unberechtigt und unverhältnismäßig, zumal die Unterbringung im naheliegenden Asylzentrum als gelinderes Mittel möglich sei. Da dem BF seine Reisedokumente abgenommen worden seien, sei eine Weiterreise in das Vereinige Königreich nicht möglich. Der BF habe kein Interesse unterzutauchen, sich dem Verfahren zu entziehen oder gar zu fliehen. Vielmehr werde der BF aufgrund seiner oppositionellen politischen Einstellung und Gesinnung verfolgt. Der BF habe in Österreich viele Freunde und Bekannte, bei denen er Unterkunft nehmen könnte. Aus all diesen Gründen sei eine Schubhaft unverhältnismäßig. Der BF beantrage, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
11. Ebenfalls am 28.01.2020 langte eine Stellungnahme des Bundesamtes zur Schubhaftbeschwerde des BF ein. Demnach habe die Behörde keinerlei Gründe zur Annahme, dass sich der BF den weiteren Verfahren auf freiem Fuß stellen werde. Er habe am 22.01.2020 mit einem gefälschten Visum von Wien nach London reisen wollen. Die Behörde könne nicht ausschließen, dass er einen weiteren diesbezüglichen Versuch unternehmen würde. Die Behörde müsse davon ausgehen, dass der BF anhand dieser Gründe an seinem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitwirken würde und die Rückkehr oder Abschiebung umgehen oder behindern würde. Aufgrund des tschechischen Visums sei nach der Dublin-Verordnung diese für das Verfahren des BF zuständig. Der Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Tätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie eines gesicherten Wohnsitzes seien nicht existent. Außerdem verweigere der BF jegliche Kooperation mit der Behörde. Es bestehe daher erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der Dublin-III Verordnung. Auch mit der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten oder einer periodischen Meldeverpflichtung könne im Fall des BF nicht das Auslangen gefunden werden. Dem geordneten Fremdenwesen komme im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu.
12. Am 03.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt teilnahm.
Dabei gab der BF an, dass er Verwandte in England, seine zwei Schwägerinnen, besuchen habe wollen. Er sei daher am 14.01.2020 mit dem Flugzeug nach Österreich gereist. Von dort aus sei er am 15.01.2020 nach Deutschland, Frankfurt, gefahren, um seinen Onkel zu besuchen. Am 21.01.2020 sei er nach Wien zurückgekehrt, von wo aus er am 22.01.2020 nach London habe fliegen wollen. In Wien habe er bei einem Bekannten von seinem Onkel väterlicherseits übernachtet. In Österreich habe er ein paar Bekannte. Seine Visa habe er über eine Firma organisiert, die online Zugangsdaten zu staatlichen türkischen Behörden bekomme, das nenne sich E-Devlet. Er habe € 2000,- mittels Überweisung dafür bezahlt. Der Dolmetscher bestätigte die Existenz solcher Firmen. Auch € 2000,- seien ein angemessener Preis. Der BF habe allerdings weder eine Rechnung noch eine Bestätigungsemail von E-Devlet. Er sei vor Weihnachten kontaktiert worden, weil er seine Fingerabdrücke habe abgeben müssen. Dafür sei er nach Ankara gereist. Den Namen der Firma wisse er nicht.
Einvernommen wurde der Zeuge XXXX . Er gab an, dass der BF zwei Nächte bei ihm untergekommen sei und nach wie vor eine Wohnmöglichkeit dort habe. Er sei jedoch auch nur Untermieter der Wohnung.
Der Behördenvertreter brachte vor, dass für die belangte Behörde die Frage nach der tatsächlichen Absicht über den wahren Aufenthaltsort und Aufenthaltszweck offenbleibe, zumal bei einer eingangs beabsichtigten Reise nach England kein tschechisches Visum erforderlich gewesen wäre. Daraus leite die belangte Behörde planvolle Täuschungshandlungen des BF ab. Ein weiterer Widerspruch würde sich durch den Reiseentschluss des BF ergeben. So habe er angegeben, dass das Prozedere der Visumerlangung bereits im Dezember 2019 in Auftrag gegeben worden sei, während er in der Erstbefragung angab, dass er den Entschluss zur Ausreise am 03.01.2020 gefällt habe. Zudem könnten keinerlei Belege vorgelegt werden. Aufgrund der Einvernahme sei außerdem von einer Vielzahl an Reisebewegungen auszugehen, was in weiterer Folge eine hohe Mobilität des BF darstelle. Unter all diesen Gesichtspunkten würde seine Glaubwürdigkeit leiden. Die Behörde gehe davon aus, dass der BF mit allen Mitteln versuchen würde, nach England zu gelangen, zumal er dort, im Gegensatz zu Österreich, familiäre Anknüpfungspunkte habe. Die Behörde verkenne jedoch die marginalen Bekanntschaftsverhältnisse des BF in Österreich nicht. Der BF werde bei Aufhebung der Schubhaft für die Behörde nicht greifbar sein. Das aktuelle Verfahren hinsichtlich des Dublinsachverhaltes werde derzeit in der Tschechischen Republik geprüft, ein entsprechendes Konsultationsverfahren sei am 27.01.2020 eingeleitet worden. Es bestehe eine Frist zur Zustimmung bis zum 10.02.2020. Bei Vorliegen eines durchsetzbaren Bescheides betreffend Anordnung zur Außerlandesbringung nach Tschechien sei die Abschiebung nach Tschechien zulässig. Erfahrungsgemäß dauere dieses Prozedere etwa sieben Tage.
Festgehalten wurde, dass der BF in der mündlichen Verhandlung angab, für zwei Visa und einen Hin- und Rückflug Istanbul-Wien € 2000,- gezahlt zu haben. In Großbritannien, Deutschland und Österreich habe er Bekanntenbesuche geplant gehabt. Den Namen der Firma, an die für ihn die Summe von € 2000,- bezahlt wurde, sei ihm nicht bekannt. Auch dahingehende Unterlagen konnte der BF nicht vorbringen. Das Vorbringen des BF war nicht glaubhaft, er als Person auch nicht glaubwürdig. Aufgrund der zahlreichen Reisebewegungen des BF ist eine derartige Fluchtgefahr gegeben, dass gelindere Mittel nicht zweckerfüllend erschienen sind. Die voraussichtliche Dauer der Schubhaft – mit einer voraussichtlichen Gesamtdauer von circa einem Monat (22.01.2020 bis Mitte/Ende Februar) ist jedenfalls verhältnismäßig.
12. Mit Schriftsatz vom 13.02.2020 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des am 03.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
1.2 Zur Person des BF
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger der Republik Türkei und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Der BF verfügt über einen gültigen Reisepass der Republik Türkei, ausgestellt am 27.01.2019.
Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist strafgerichtlich unbescholten.
Der BF befand sich von 22.01.2020 bis 24.01.2020 in Verwaltungsverwahrungshaft und befindet sich seit 24.01.2020 in Schubhaft.
1.2 Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
Der BF reiste am 14.01.2020 mit einem am 30.12.2019 ausgestellten Visum C, Antragsnummer XXXX , Nummer XXXX , gültig für die Schengener Staaten, nach Wien. Dieses Visum wurde am 22.01.2020 durch die LPD XXXX aufgrund Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufgehoben.
Am 15.01.2020 reiste der BF nach Frankfurt und kehrte am 21.02.2020 wieder nach Wien zurück.
Am 22.01.2020 versuchte der BF mit Hilfe eines gefälschten Visums für das Vereinigte Königreich von Wien nach London zu reisen. Im Zuge seiner Einvernahme stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es ist nicht glaubhaft, dass der BF das tschechische und das gefälschte britische Visum bei einer Firma in der Türkei beantragt und dafür gemeinsam mit einem Hin- und Rückflug Istanbul – Wien € 2000,- bezahlt hat.
3. Zur Integration des BF
Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Beziehungen oder maßgeblichen sozialen Anknüpfungspunkte, übt keine legale Erwerbstätigkeit aus und verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz. Er spricht nicht Deutsch.
Der BF hat bei einem Freund die Möglichkeit der vorübergehenden Unterkunftnahme. Diese ist jedoch nicht gesichert, da der Freund selbst nur Untermieter der Wohnung ist.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.1 Zur Person des BF
Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen Angaben; seine Identität steht aufgrund des am 27.01.2019 ausgestellten, türkischen Reisepasses fest. Die Feststellung, dass der BF über einen gültigen Reisepass verfügt, ergibt sich aus der Tatsache, dass der BF mit seinem Reisepass und einem gefälschten britischen Visum nach London zu fliegen versuchte. Im Zuge seiner Festnahme wurde dem BF der Reisepass abgenommen. Eine Kopie liegt im Akt auf.
Die Feststellung, dass der BF an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, ergibt sich aus den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 03.02.2020. Zudem ergibt sich auch aus dem gesamten Verwaltungsakt kein Hinweis auf eine lebensbedrohliche Krankheit des BF und finden sich auch in der Beschwerdeschrift keine gegenteiligen Ausführungen zu diesen Punkten, sodass von der Richtigkeit der Angaben im Akt ausgegangen werden konnte.
Dass der BF in Österreich unbescholten ist ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
Dass sich der BF von 22.01.2020 bis 24.01.2020 in Verwaltungsverwahrungshaft und seit 24.01.2020 in Schubhaft befindet, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.
2.2 Zu den Feststellungen der Fluchtgefahr und des Sicherungsbedarfes
Dass der BF am 14.01.2020 mit einem Visum C nach Österreich reiste, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben sowie den Angaben des Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 03.02.2020. Dass das Visum am 22.01.2020 annulliert wurde ergibt sich aus dem Amtsvermerk der LPD XXXX vom 22.01.2020, wonach aufgrund einer Anordnung des LPD NÖ Journaldienstes das vorliegende Schengenvisum der Kategorie C unter dem Gesichtspunkt, dass das gesetzte gerichtlich strafbare Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde, aufgehoben wurde.
Dass der BF von 15.01.2020 bis 21.01.2020 in Frankfurt war, ergibt sich aus den Angaben des BF selbst sowie des Zeugen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 03.02.2020.
Die Tatsache, dass der BF versuchte, mit einer Totalfälschung eines britischen Visums von Wien nach London zu reisen, ergibt sich aus dem Amtsvermerkt der LPD XXXX vom 22.01.2020. Dass der BF im Zuge dessen einen Antrag auf internationalen Schutz stellte ergibt sich ebenso aus dem Amtsvermerk sowie dem Verwaltungsakt seines Verfahrens.
Der BF konnte nicht glaubhaft vorbringen, dass er das tschechische und das gefälschte britische Visum bei einer Firma in der Türkei beantragt und dafür gemeinsam mit einem Hin- und Rückflug Istanbul – Wien € 2000,- bezahlt hat.
Es ist nicht glaubhaft, dass der BF, obwohl er nach eigenen Angaben € 2000,- an die Firma, die sich um seine Visa gekümmert haben soll, gezahlt habe, und dann weder den Namen der Firma weiß noch eine Bestätigung der Vermittlung oder der eigenen Überweisung bzw. eine Rechnung vorzeigen kann. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, warum das Tschechische Visum laut Auskunft der LPD amtlich und rechtmäßig von der Tschechischen Botschaft in Ankara ausgestellt wurde und das Visum für das Vereinigte Königreich eine Totalfälschung ist, obwohl beide Visa von derselben Agentur beantragt worden sein sollen.
Darüber hinaus ist es für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, dass der BF € 2000,- für zwei Visa und einen Hin- und Rückflug Istanbul-Wien bezahlt, nur um seine Schwägerinnen zu besuchen. Das auch im Hinblick darauf, dass der BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, als Taxifahrer gearbeitet zu haben, die letzten sechs Monate jedoch von der Unterstützung seiner Familie gelebt zu haben.
2.3 Zu den Feststellungen der Integration des BF
Die Feststellungen zu seiner Integration ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung am 03.02.2020 sowie aus dem Verwaltungsakt.
Die Feststellung der Möglichkeit der Unterkunftnahme ergibt sich aus der Zeugeneinvernahme im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 03.02.2020. Dabei gab der Zeuge selbst an, lediglich Untermieter der Wohnung zu sein.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A) Rechtmäßig- bzw. widrigkeit der angeordneten Schubhaft
3.1 Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel:
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.
„Fluchtgefahr“ definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
3.2 Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).
3.3 Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.
3.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte im angefochtenen Bescheid begründend insbesondere aus, dass erhebliche Fluchtgefahr gegeben sei, da die Behörde keinerlei Grund zur Annahme habe, dass er sich einem Verfahren auf freiem Fuß stellen würde. Er habe am 22.01.2020 mit einem gefälschten Visum für das Vereinigte Königreich von Wien nach London reisen wollen. Die Behörde könne nicht ausschließen, dass er einen weiteren diesbezüglichen Versuch unternehmen würde und damit die Rückkehr oder Abschiebung umgehen oder behindern würde. Aufgrund des Tschechischen Visums sei die Tschechische Republik nach der Dublin-Verordnung für das Verfahren zuständig. Außerdem sei der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes nicht vorhanden.
Im vorliegenden Fall geht das Gericht ebenfalls von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Aufgrund der zahlreichen Reisebewegungen des BF ist eine derartige Fluchtgefahr gegeben, da von Seiten des Gerichts nicht ausgeschlossen werden kann, dass der BF versuchen wird, seine Reise in das Vereinigte Königreich fortzusetzen bzw. sich dem Verfahren durch eine erneute Ausreise nach Deutschland oder die türkische Republik zu entziehen.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 6 lit. b FPG auch zu berücksichtigen, ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im gegenständlichen Fall zu Recht von der Annahme aus, dass für den BF ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-III-Verordnung zuständig sei: Der BF verfügte über ein Tschechisches Visum, weshalb davon auszugehen ist, dass der BF über die Tschechische Republik eingereist ist, da er ansonsten ein Tschechisches Visum nicht gebraucht hätte.
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides und bis zum Einlangen der dagegen erhobenen Beschwerde zu Recht davon aus, dass sich in Österreich keine Familienangehörigen des BF befinden und kein soziales Netz vorliegt. Der BF geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über ausreichende finanzielle Mittel, um sich während seines laufenden Dublin-Verfahrens einen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren, noch über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF aufgrund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, um sich seinem Überstellungsverfahren nicht zu entziehen.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten und die Tatsache, dass der BF in Österreich weder sozial noch beruflich verankert ist, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war.
Der BF versuchte mit einer Totalfälschung eines Visums des Vereinigten Königreiches von Wien nach London zu reisen. Aufgrund seiner zahlreichen Reisebewegungen war eine hohe Fluchtgefahr gegeben.
Der BF verfügt zudem in Österreich über keinen eigenen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um sich während seines laufenden Dublin-Verfahrens einen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren. Wie aufgezeigt, ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im gegenständlichen Fall auch zu Recht davon aus, dass keine Verankerung des BF im Inland vorliegt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher im Ergebnis zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen.
Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass der BF über einige Bekannte oder Freunde im Bundesgebiet verfüge, ist anzumerken, dass die soziale Verankerung des BF in Österreich mit Sicherheit nicht so groß ist, dass ihn diese vom Untertauchen abhalten würde.
3.5 Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Der BF hat versucht, mit einer Totalfälschung eines Visums des Vereinigten Königreichs von Wien nach London zu reisen und hat damit bewusst gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging zu Recht davon aus, dass der BF in Österreich weder über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt noch sozial oder beruflich verankert ist. Über eigene Mittel zu Existenzsicherung verfügt er ebenso wenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er geht in Österreich auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und war im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt (aus eigenem) gemeldet.
Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bis Mitte bzw. Ende Februar auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllte und auch der Gesundheitszustand des BF der Anhaltung in Schubhaft nicht entgegenstand, zumal mit einer Abschiebung in die Tschechische Republik innerhalb weniger Tage gerechnet werden kann.
3.6. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.
Aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens – insbesondere der Tatsache, dass er versuchte, mit einer Totalfälschung eines Visums für das Vereinigte Königreich von Wien nach London zu reisen und seinen zahlreichen Reisebewegungen, die erhebliche Fluchtgefahr begründen – konnte ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung des Überstellungsverfahrens führen. Es war somit nicht zu erwarten, dass der BF bei Entlassung aus der Schubhaft seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging auch zu Recht davon aus, dass der BF keinerlei familiäre, berufliche oder soziale Bindungen an Österreich hat und verfügt der BF hier über keinen Wohnsitz. Es war daher nicht zu erwarten, dass der BF in Freiheit belassen seine Überstellung in die Tschechische Republik abwarten würde, sondern Handlungen setzen würde, um in das Vereinigte Königreich weiterzureisen.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.
3.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellte eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2020 sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 24.01.2020 war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu A) II. Zur Fortsetzung der Schubhaft
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA VG übertragbar.
Für die Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung (Abschiebung) bzw. einer Überstellung ist die Anwesenheit des BF erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine familiären oder maßgeblichen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.
Wie festgehalten besteht gem. § 76 Abs. 3 Z 1, 6 und 9 FPG Fluchtgefahr. Aufgrund der massiven Reisebewegungen sowie der Tatsache, dass der BF versuchte, mit einer Totalfälschung eines Visums zu reisen und damit die österreichische Rechtsordnung missachtete, besteht erhebliche Fluchtgefahr.
Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne der Z 9 leg. cit. sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen würden, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, soziale Anknüpfungspunkte, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden.
Im gegenständlichen Fall sind diese exemplarisch genannten Punkte nur teilweise und in sehr geringem Ausmaß gegeben, andere wurden nicht dargelegt. Die Wohnmöglichkeit bei einem Freund der Familie ist zwar gegeben, jedoch ist auch dieser nur Untermieter der Wohnung, weshalb auch hier nicht von einem dauerhaft gesicherten Wohnsitz ausgegangen werden kann.
In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine klare Fluchtgefahr seitens des BF sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung bzw. Überstellung zu bejahen ist.
Im gegenständlichen Fall ist die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.
Substanzielle gesundheitliche Probleme oder gar eine fehlende Haftfähigkeit wurden in der Beschwerde im Übrigen nicht behauptet.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
A) III. und IV. Kostenersatz
1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem BF gebührt als unterlegene Parteien daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde ist auf Grund der Beschwerdeabweisung obsiegende Partei und hat Anspruch auf Kostenersatz.
3. Nach § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei. Der BF hat der belangten Behörde daher Kosten für den Vorlageaufwand iHv 57,40 Euro, den Schriftsatzaufwand iHv 368,80 Euro und den Verhandlungsaufwand iHv 461,00 Euro, somit in Summe von 887,20 Euro zu ersetzen.
B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und EuGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Mitgliedstaat öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2228034.1.00Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020