TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/7 W251 2128773-11

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W251 2128773-11/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.03.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2. Der Beschwerdeführer hat unterschiedliche Identitäten angegeben und ist in mehrere unterschiedliche EU-Länder untergetaucht.

3. Der Beschwerdeführer wurde von Deutschland nach Österreich zurück überstellt. Er stellte am 15.01.2020 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 07.02.2020 hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz vom 15.01.2020 auf. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Der Beschwerdeführer wird seit 16.01.2020 in Schubhaft angehalten.

5. Der Beschwerdeführer sollte mit dem Flugzeug am 30.03.2020 nach Marokko abgeschoben werden. Er wurde mittlerweile als Staatsangehöriger Marokkos identifiziert und es wurde für ihn die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugesagt. Der Flug am 30.03.2020 musste wegen der COVID-19-Einschränkung storniert werden.

6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2019 und vom 09.06.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

7. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 26.06.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.03.2016 in Österreich erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer entzog sich dem Verfahren und tauchte unter, er konnte vom Bundesamt nicht einvernommen werden.

Mit Bescheid vom 07.04.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde am 14.06.2016 aufgrund der Dublin-VO von der Schweiz nach Österreich zurückgestellt und über diesen die Schubhaft verhängt.

1.3. Am 14.06.2016 stellte der Beschwerdeführer während der Anhaltung in Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2016 wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde am 27.08.2016 aus der Schubhaft entlassen, da die Erlangung eines Heimreisezertifikats zeitlich nicht absehbar war.

Der Beschwerdeführer tauchte erneut unter. In weiterer Folge reiste er am 23.12.2016 in die Niederlande, am 05.04.2017 nach Dänemark, am 18.04.2017 nach Deutschaland sowie nach Schweden. Da er sich den jeweiligen Dublin-Verfahren immer wieder entzog, konnte er erst am 03.08.2017 von Schweden nach Österreich zurücküberstellt werden. In Österreich tauchte der Beschwerdeführer erneut unter. Er wurde am 08.08.2017 amtswegig abgemeldet.

1.5. Der Beschwerdeführer wurde am 18.10.2017 und am 21.11.2017 von einem Landesgericht wegen Vergehen nach dem SMG verurteilt.

1.6. Mit Bescheid vom 06.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist und ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.01.2018 abgewiesen.

1.7. Am 26.02.2018 wurde die Identität des Beschwerdeführers durch Interpol festgestellt.

1.8. Am 22.08.2018 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2019 wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Es wurde bereits am 11.01.2017 bei der marokkanischen Botschaft ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt und dieser Antrag mehrfach urgiert. Die Botschaft habe jedoch nicht reagiert, sodass die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer nicht realistisch sei.

Der Beschwerdeführer wurde am 08.05.2019 aus der Schubhaft entlassen. Der Beschwerdeführer ist erneut untergetaucht und nach Deutschland gereist.

1.9. Mit Verbalnote vom 28.05.2019 hat Marokko einer Abschiebung des Beschwerdeführers und einer Ausstellung des Heimreisezertifikats zugestimmt.

1.10. Der Beschwerdeführer wurde am 06.01.2020 von Deutschland nach Österreich zurück überstellt und in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten.

1.11. Der Beschwerdeführer stellte am 15.01.2020 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.12. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Der Beschwerdeführer wird seit 16.01.2020 in Schubhaft angehalten.

1.13. Mit Bescheid vom 07.02.2020 hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz vom 15.01.2020 auf. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist.

1.14. Der Beschwerdeführer sollte mit dem Flugzeug am 30.03.2020 nach Marokko abgeschoben werden. Dieser Flug musste wegen der COVID-19-Einschränkung storniert werden.

1.15. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2019 und vom 09.06.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist marokkanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Der Beschwerdeführer wurde am 18.10.2017 von einem Landesgericht wegen Vergehen nach dem SMG (§27 Abs 2a SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 30.08.2017 im Nahebereich einer Diskothek zwei Baggies Cannabiskraut zwei verdeckten Ermittlern zum Gesamtpreis von EUR 20,00 zum Kauf angeboten.

Der Beschwerdeführer wurde am 21.11.2017 von einem Landesgericht wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§§ 27 Abs 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs 2 SMG; § 27 Abs 2a SMG; § 27 Abs 2a SMG iVm §15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 22.10.2017 gegenüber eines Lokals 4 Gramm Cannabiskraut für insgesamt EUR 40,00 an zwei unterschiedliche Personen verkauft. Er hat zudem an der szenetypischen Örtlichkeit noch 11 weitere Baggies mit insgesamt 12,6 Gramm Cannabiskraut zum Verkauf bereitgehalten. Er hat im Zeitraum 19.10.2017 bis 22.10.2017 Cannabiskraut erworben und besessen.

3.2. Der Beschwerdeführer hat in der EU unterschiedliche Angaben zu seinem Namen und zu seinem Geburtsdatum gemacht. Der Beschwerdeführer versuchte seine Identität zu verschleiern um einer Abschiebung zu entgehen.

3.3. Der Beschwerdeführer hat sich sowohl in Österreich als auch in mehreren weiteren EU-Staaten den Asylverfahren durch Untertauchen entzogen.

3.4. Der Beschwerdeführer hält die Meldevorschriften in Österreich nicht ein. Er versucht sich vor den Behörden verborgen zu halten.

3.5. Der Beschwerdeführer begab sich vom 18.01.2020 bis 20.01.2020 sowie vom 14.04.2020 bis 15.04.2020 während der Anhaltung in Schubhaft in Hungerstreik um seine Freilassung zu erpressen.

3.6. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.7. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Österreich und in mehreren anderen EU-Staaten seinem Asylverfahren entzogen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig nach Marokko zurückzukehren. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.8. Der Beschwerdeführer wurde mittlerweile als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert. Es wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugesagt. Die für den 30.03.2020 angesetzte Abschiebung konnte wegen der COVID-19-Situation nicht durchgeführt werden.

3.9. Eine für den 30.03.2020 geplante Abschiebung mit Flugzeug konnte aufgrund der COVID-19-Einschränkungen nicht durchgeführt werden. In den letzten Wochen wurde der internationale Flugverkehr in Wien wieder aufgenommen. Die COVID-19-Einschränkungen werden zunehmend gelockert.

3.10. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 09.06.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen I416 2182430-1, I406 2182430-2, G305 2128773-2, G303 2128773-7, G303 2128773-8, W137 2128773-9, W140 2128773-10 und W251 2128773-11 sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus dem vorgelegten Bescheid und den Beschlüssen und Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 16.01.2020, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellung über die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

2.3. Die Feststellung zum Untertauchen des Beschwerdeführers und, dass er sich bereits dem Asylverfahren entzogen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.4. Die Feststellung zu den fehlenden behördlichen Wohnsitzmeldungen ergibt sich aus dem Auszug aus dem ZMR.

2.5. Die Feststellungen zum Hungerstreik und zum Verhalten während der Anhaltung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus der Anhalte und Vollzugsdatei.

2.7. Die Feststellungen zur Inhaftierung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie in Strafhaft, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.8. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen. Der Beschwerdeführer bekam auch während der Anhaltung in Schubhaft keinen Besuch von Familienangehörigen oder Freunden.

2.9. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus den unrichtigen Angaben zu seiner Identität, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie auch seinem Verhalten während der Anhaltung in Schubhaft und insbesondere aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits öfters dem Asylverfahren entzogen hat.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

2.10. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren und zum ursprünglichen Abschiebetermin am 30.03.2020 ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen.

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, es wurde der internationale Flugverkehr jedoch wieder aufgenommen. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht. Es steht überdies fest, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weitgehend gelockert werden und der Flugverkehr wieder aufgenommen wurde.

2.11. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 09.06.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.12. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.1.5. Der Beschwerdeführer konnte bereits als Angehöriger von Marokko identifiziert werden. Es wurde ein Heimreisezertifikat für ihn erlangt. Eine für den 30.03.2020 geplante Abschiebung konnte wegen der derzeitigen COVID-19-Situation nicht erfolgen.

3.1.6. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hat unterschiedliche Identitäten angegeben, um eine Abschiebung zu verhindern. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Österreich sowie in anderen EU-Staaten einem Asylverfahren bzw. einer Abschiebung durch Untertauchen entzogen. Der Beschwerdeführer ist bereits mehrfach untergetaucht, er hält die Meldevorschriften nicht ein. Der Beschwerdeführer verhält sich auch während seiner Anhaltung in Schubhaft nicht kooperativ. Er ist bereits in Hungerstreik getreten, um seine Entlassung aus der Schubhaft zu erwirken.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Das Bundesamt hat bereits die Ausstellung eines Heimreisezertifikats erwirken können. Es war für den 30.03.2020 bereits eine Abschiebung geplant und ein Flug gebucht. Das Bundesamt hat auf eine besonders kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt.

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, der Flugverkehr konnte jedoch wieder aufgenommen werden. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen. Es steht überdies fest, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sein werden. Eine Verhinderung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt (zumindest noch) nicht ersichtlich.

Da sich der Beschwerdeführer bereits mehrfach dem Verfahren entzogen hat, scheint eine Abschiebung des Beschwerdeführers bei Beendigung der Schubhaft erheblich gefährdet (§ 80 Abs 4 Z 4 FPG). Die höchstmögliche Schubhaftdauer beträgt daher 18 Monate.

3.1.8. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

3.1.9. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft seit dem 09.06.2020 auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.10. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.11. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.12. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2128773.11.00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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