TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/8 W171 2176368-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2020
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Entscheidungsdatum

08.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2176368-1/7E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Mauretanien, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, Zahl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG (i.d.F. BGBl. I Nr. 70/2015) i.V.m. mit § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) stellte bereits am 02.08.2011 in Spanien, am 14.09.2016 in Deutschland sowie am 15.01.2016 und am 28.01.2016 in Italien Anträge auf internationalen Schutz. Sodann reiste er zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 10.05.2017 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Am 11.05.2017 wurde der BF im Rahmen der Erstbefragung im Asylverfahren einvernommen. Im Wesentlichen gab er an, im Jahr 2015 den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst zu haben. Sein Zielland sei Österreich gewesen, da dieses Land gut organisiert sei. In Italien habe er ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, jedoch sei ihm dort nicht geholfen worden. Er wolle in Österreich bleiben.

1.3. In der Folge wurden Konsultationen mit Italien über eine Rücknahme des BF geführt. Mit Schreiben vom 09.06.2017 stimmten die italienischen Behörden dem Rückübernahmeersuchen zu.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 06.07.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 10.05.2017 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 18 Absatz 1 lit. d Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG eine Anordnung zur Außerlandesbringung gegen den BF angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Absatz 2 FPG zulässig sei. Dieser Bescheid erwuchs erstinstanzlich in Rechtskraft.

1.5. Am 29.06.2017 wurde der BF erneut und in Anwesenheit einer Rechtsberatung einvernommen. In der Einvernahme führte der BF im Wesentlichen aus, er sei in der Lage der Einvernahme zu folgen, jedoch nicht bei gutem gesundheitlichen Zustand. Er leide seit zehn Jahren an wiederkehrenden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule – ausstrahlend in andere Körperregionen, da er in Mauretanien von der Polizei geschlagen worden sei. Er habe weder einen Reisepass noch sonstige Dokumente als Nachweis seiner Identität. Er habe in Europa keine Verwandten. Nach seiner Antragstellung in Italien habe er das Lager in Mailand freiwillig verlassen, weil es dort nicht gut gewesen sei. Es habe hineingeregnet und Heizung sei auch keine vorhanden gewesen. Danach habe er auf der Straße gelebt. Er wolle nicht nach Italien zurückkehren, da er dort nichts habe und im Freien schlafen müsse. Seine Angaben in der Erstbefragung vom 11.05.2017 halte er vollinhaltlich aufrecht.

1.6. Am 06.09.2017 wurde dem BF ein Laissez-Passer Dokument für seine Überstellung von Österreich nach Italien ausgestellt.

1.7. Am 27.09.2017 wurde der BF im Rahmen einer Kontrollrunde in einem Park von der Polizei angetroffen, wobei er beim Anblick des nahenden Polizeifahrzeuges versuchte, den Ort fluchtartig zu verlassen. Der BF wurde von den Beamten aufgegriffen, welche sich sodann – aufgrund der vorliegenden Anordnung zur Außerlandesbringung – an das BFA wandten. Das BFA erließ daraufhin einen Festnahmeauftrag iSd § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG, woraufhin der BF festgenommen und in das nächstgelegene Polizeianhaltezentrum verbracht wurde.

1.8. Am selben Tag wurde mittels Mandatsbescheid des BFA die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung über den BF verhängt. Im Wesentlichen führte die Behörde aus, dass beträchtliche Fluchtgefahr bestehe, da der BF bereits in diversen Staaten falsche Personendaten angegeben und den Ausgang behördlicher Verfahren nicht abgewartet habe. Zudem zeige er sich unkooperativ, habe versucht vor der Polizei zu fliehen und könne keinerlei Integration im Inland vorweisen. Die Verhängung einer Schubhaft sei daher notwendig und auch verhältnismäßig. Der Bescheid wurde dem BF am 27.09.2017 direkt durch Ausfolgung zugestellt.

1.9. Der BF befand sich ab 27.09.2017 in Schubhaft und wurde sodann am 03.10.2017 nach Italien überstellt.

1.10. Mit Schriftsatz vom 12.11.2017 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, der BF habe versucht selbstständig nach Italien auszureisen, was ihm jedoch nicht geglückt sei, da es an der Zustimmung der italienischen Behörden gemangelt habe. Der BF sei rückkehrwillig gewesen, sodass von erheblicher Fluchtgefahr keine Rede sein könne. Die Behörde habe die Anwendung gelinderer Mittel zu Unrecht ausgeschlossen und auch keine Einvernahme hinsichtlich der Schubhaft mit dem BF durchgeführt. Auch das Verfahren sei somit mit Rechtswidrigkeit behaftet. Der BF beantragte die Behebung des angefochtenen Bescheides, die Rechtswidrigerklärung der Anhaltung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Kostenersatz.

1.11. Das BFA legte dem erkennenden Gericht den gegenständlichen Schubhaftakt am 14.11.2017 vor und erstattete Stellungnahme. Im Wesentlichen verwies die Behörde auf die im Schubhaftbescheid angeführten Eurodac-Treffer sowie das Anhalteprotokoll einer LPD hinsichtlich des Fluchversuchs des BF. Das BFA beantragte die Abweisung der Beschwerde sowie Kostenersatz.

1.12. Mit Beschluss vom 15.01.2018 trug das BVwG dem BF die Beantwortung zweier Fragen hinsichtlich der vorgebrachten Selbstausreiseversuche auf. In der Begründung des Bescheides wurde zudem ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Vorlage geeigneter Beweismittel hingewiesen. Mit Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF vom 24.01.2018 wurden die beiden Fragen des Gerichtes im Wesentlichen dahingehend beantwortet, dass ein Selbstausreiseversuch am 20.08.2017 stattgefunden habe, der genaue Ort des versuchten Grenzübertritts jedoch nicht mehr bekannt sei. Der BF habe zweimal eine Rückkehrberatung in Anspruch genommen. Einmal am 27.06.2017 und ein weiteres Mal nach dem zweiten missglückten Ausreiseversuch am 06.09.2017. In der Stellungnahme wurde zwar eine Ansprechperson aus der Rückkehrberatung beim Verein für Menschenrechte angeführt, nicht jedoch die Person(en) angegeben, die eine Beratung tatsächlich durchgeführt haben sollen. Sonstige Beweismittel wurden nicht vorgelegt.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist Staatsangehöriger Mauretaniens und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

1.2. Der BF befand sich von 27.09.2017 bis 03.10.2017 in Schubhaft.

1.3. Hinweise auf wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF liegen nicht vor.

1.4. Der BF verfügte nicht über ein gültiges Reisedokument.

Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF stellte am 10.05.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 06.07.2017 zurückgewiesen wurde. Gemäß § 61 FPG wurde weiters die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Einer Beschwerde dagegen wurde nicht erhoben, sodass der Bescheid erstinstanzlich in Rechtskraft erwuchs.

2.2. Das BFA leitete ein Konsultationsverfahren mit Italien ein. Die italienischen Behörden stimmten dem Übernahmegesuch mit Schreiben vom 09.06.2017 fristgerecht zu, sodass Italien zur Rückübernahme des BF verpflichtet war.

2.3. Am 29.07.2017 wurde der BF festgenommen und befand sich fortan in Schubhaft.

2.4. Der BF war haftfähig.

2.5. Der BF wurde am 03.10.2017 nach Italien überstellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Überstellungsfrist nach Italien noch nicht abgelaufen.

Zum Sicherungsbedarf (erhebliche Fluchtgefahr):

3.1. Der BF stellte in der Vergangenheit bereits in Spanien, Italien und Deutschland Anträge auf internationalen Schutz. Jedenfalls in Italien und Deutschland wartete er den Ausgang der jeweiligen Verfahren nicht ab und reiste weiter. Er entzog sich daher den dort laufenden Asylantragsverfahren. In seinen Einvernahmen gestand der BF aus Eigenem lediglich die Antragstellung in Italien zu. Jene in Deutschland räumte er erst auf Vorhalt hin ein.

3.2. Zum Zeitpunkt der Schubhaft lag eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung vor.

3.3. Der BF versuchte sich durch Flucht einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen.

3.4. Aufgrund des gegebenen Vorverhaltens des BF war dieser als nicht vertrauenswürdig anzusehen.

3.5. Für die Durchführung des Asylverfahrens war Italien zuständig.

3.6. Der BF war nicht gewillt nach Italien auszureisen.

3.7. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF Versuche zur Selbstausreise nach Italien unternahm.

3.8. Der BF war nahezu mittellos.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Der BF hatte keine Familienangehörigen und auch sonst keine nennenswerten sozialen Kontakte in Österreich.

4.2. Er ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

4.2. Der BF verfügte nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung.

4.3. Er verfügte nicht über einen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person (1.1.-1.4.):

Der Verfahrensgang und die hiezu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person des BF (1.1 bis 1.4), ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, deren Akteninhalt der BF in keiner Phase des Verfahrens substantiiert entgegentrat. Die Feststellung zur Gesundheit des BF (1.3.) und über das Fehlen eines Reisedokumentes (1.4.) ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme am 11.05.2017 vor dem BFA in Zusammenschau mit dem gesamten Akteninhalt.

2.2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.5.):

Die Feststellungen zu Antragstellung und Bescheid (2.1.) lassen sich dem vorliegenden Mandatsbescheid der Behörde, den eigenen Angaben des BF in der Beschwerdeschrift und dem vorliegenden Auszug aus dem zentralen Fremdenregister entnehmen. Einleitung und Verlauf eines Konsultationsverfahrens (2.2.) lassen sich auf Basis des entsprechenden Schreibens der italienischen Behörden problemlos feststellen.

Die Haftfähigkeit des BF (2.4.) ergibt sich daraus, dass sich weder im Beschwerdevorbringen noch in der Anhaltedatei dem entgegenstehende Anhaltspunkte finden lassen. Zwar gab der BF im Zuge beider Einvernahmen an, gesundheitliche Beschwerden zu haben, führte jedoch aus, an diesen bereits seit vielen Jahren zu leiden und sehr wohl in der Lage zu sein, der Einvernahme folgen zu können. Gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF wurden in der Beschwerde nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Insbesondere ist in der Anhaltedatei – in welcher notwendige medizinische Behandlungen aufscheinen – sind keinerlei Beeinträchtigung vermerkt. Es war daher von Haftfähigkeit des BF auszugehen.

Die Feststellungen zu Festnahme und Überstellung (2.3. und 2.5.) waren unstrittig.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.8.):

Die Feststellungen 3.1 bis 3.8. gründen sich auf die Angaben im Akt des BVwG – im Besonderen auf die Einsicht in das Zentrale Fremden- und Melderegister (IZR bzw. ZMR) – sowie auf das übereinstimmende Vorbringen der Verfahrensparteien. Aus dem im Akt einliegenden Auszug des IZR ergibt sich, dass der BF verschiedene Asylanträge in den genannten Ländern stellte. Die Feststellung zu 3.1. hinsichtlich dessen, dass sich der BF (zumindest) den Verfahren in Italien und Deutschland entzog, ergeben sich daraus, dass der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA selbst angab das Lager in Italien freiwillig zunächst innerstaatlich und schließlich über Deutschland – wo er aufgrund Geldmangels ebenfalls einen Asylantrag gestellt habe – nach Österreich verlassen zu haben. Die versuchte Flucht (3.3.) geht aus dem Akteninhalt, so insbesondere aus dem vorliegenden Polizeibericht, hervor und wurden auch in der Beschwerde selbst bestätigt.

Der BF ist nicht als vertrauenswürdig anzusehen (3.4.), da er sich sowohl dem italienischen, und deutschen Asylverfahren wie auch dem österreichischen Verfahren zur Außerlandesbringung entzog bzw. entziehen wollte, in verschiedenen Mitgliedsstaaten falsche Identitätsdaten angab und beim Anblick einer Polizeistreife die Flucht ergreifen wollte. Zudem sagte er – wie bereits erwähnt – aus, nicht nach Italien zurück zu wollen, was klar zeigt, dass er sich dem Verfahren erneut entzogen hätte. Es ist aus dem Verfahren und auch aus dem Vorbringen im Rahmen der Beschwerdeschrift nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der BF nunmehr sein Verhalten ändern sollte und er bereit gewesen wäre, mit den Behörden zu kooperieren. Im Gegenteil hiezu versuchte er beim Anblick eines Polizeiwagens die Flucht zu ergreifen. Dies ist keineswegs das Verhalten einer Person, die gewillt ist mit den Behörden zusammenzuarbeiten oder auch keine Einwände gegen eine Außerlandesbringung hätte. Die Angaben des BF in den beiden Einvernahmen, welche zeitnah zu seiner Inschubhaftnahme stattfanden, zeigen ebenso, dass der BF versuchte die Anzahl seiner bisherigen Anträge auf internationalen Schutz zu verschleiern, indem er erst auf Vorhalt zugestand, auch in Deutschland einen solchen gestellt zu haben.

In beiden niederschriftlich festgehaltenen Einvernahmen gab der BF explizit an, dass er nicht abgeschoben werden wolle. Er habe in Italien keinen Schlafplatz gehabt und kenne dort niemanden. Hierin manifestiert sich seine mangelnde Bereitschaft zur Ausreise nach Italien (3.6.).

Die in der Beschwerdeschrift behaupteten Selbstausreiseversuche (3.7.) des BF wurden durch keinerlei Beweismittel belegt. Mit beschlussmäßigen Auftrag des erkennenden Gerichts, in welchem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass das entsprechende Vorbringen mit geeigneten Beweismitteln (zumindest) zu belegen sei, erfolgte eine im Akt einliegende Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF. Darin konnte der Ort der versuchten Grenzübertritte nicht angeführt werden. Zwar wurde in der Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF der Name eines Sachbearbeiters genannt, jedoch keinerlei objektivierbare Unterlagen vorgelegt oder konkrete Personen angeführt, die den Grenzübertritt – an welchem er aktiv gehindert worden sei – bezeugen hätten können. Überdies ist nicht ersichtlich, warum die Ausreise an einer mangelnden Zustimmung Italiens gescheitert sein soll. Zum vorgeblichen Zeitpunkt der Ausreiseversuche (20.08.2017 und 06.09.2017) lag, wie aufgrund objektivierbarer Beweismittel festgestellt, die Zustimmung Italiens zur Übernahme des BF bereits vor. Es ist daher davon auszugehen, dass diesfalls die italienischen Grenzorgane eine Meldung vom versuchten Grenzübertritt an die österreichischen Behörden erstattet hätten. Auch scheint es nicht glaubhaft, dass der BF während des laufenden Verfahrens zur Außerlandesbringung mehrfach an der Ausreise gehindert wurde, ohne dass das BFA von diesem Umstand in Kenntnis gesetzt wurde. Aus einer behaupteten Teilnahme des BF an einer Rückkehrberatung ist diesbezüglich auch nichts zu gewinnen. Fand doch die erste Rückkehrberatung – laut Stellungnahme – am 27.06.2018 statt. Zwei Tage später erklärte der BF im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich erneut, dass er nicht nach Italien zurückkehren wollte. Aufgrund der objektivierbaren Beweislage und dem Versäumnis des BF seine Ausreiseversuche über das unsubstanziierte Beschwerdevorbringen hinaus auch mit geeigneten Beweismitteln zu untermauern, war die in 3.7. getätigte Negativfeststellung zu treffen.

Die Feststellung in 3.8. war aufgrund der eigenen Angaben des BF in den Einvernahmen zu treffen. Überdies wurde das Vorbringen der Behörde zur finanziellen Situation des BF nicht bestritten.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.3.):

Die zu diesem Punkt getroffenen Feststellungen sind unstrittig. Zudem ergibt sich die Wohnsituation des BF aus der Einsicht in das ZMR, jene hinsichtlich seiner Finanzlage unter anderem aus der Anhaltedatei und den eigenen Angaben des BF in seinen Einvernahmen.

2.5. Weitere Beweise waren aufgrund von Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden. Insbesondere liegen zwei zeitnahe Einvernahmeprotokolle vor, aufgrund derer die persönliche Sicht des BF fundiert ermittelt werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), StF BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im – gegenüber der Dublin II-VO neuen – Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223 [in Druck]).

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

„Fluchtgefahr“ definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).

Eine derartige Ausnahme liegt vor, wenn Art. 2 lit. n Dublin III-VO dem Gesetzgeber aufträgt, Kriterien für Vorliegen von Fluchtgefahr zu regeln (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 94 [in Druck]). § 76 Abs. 3 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 sieht solche Kriterien vor. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 28 Dublin III-VO hätte die belangte Behörde die Schubhaft jedoch jedenfalls auch nach dieser Bestimmung verhängen müssen. Die über das Vorliegen der Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit (vgl. Erwägungsgrund 20 Dublin III-VO) hinausgehenden Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO hat die belangte Behörde aber nicht geprüft.

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG idgF hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert, kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes des Fremden und der bisherigen Dauer der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre (im Zusammenhang mit behaupteter Haftunfähigkeit wegen psychischer Beschwerden vgl. VwGH 05.07.2012, Zl. 2012/21/0034; VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/21/0123; VwGH 29.02.2012, Zl. 2011/21/0066). Der Krankheit eines gemeinsam geflüchteten Familienmitglieds kann insofern Bedeutung zukommen, als eine sich aus der Erkrankung ergebende Betreuungsbedürftigkeit auch die Mobilität der übrigen Familienmitglieder einschränken und damit die Gefahr eines Untertauchens in die Illegalität vermindern könnte (vgl. VwGH vom 28.02.2008; Zl. 2007/21/0391).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

Zum Erfordernis der „erheblichen“ Fluchtgefahr iSd Art 28 Abs. 2 Dublin III-VO äußerte sich der VwGH dahingehend, dass hierunter allgemein eine solche Fluchtgefahr zu verstehen sei, die in ihrer Intensität über das hinausgehe, was unter Art. 2 lit. n leg cit als solche definiert werde. Auch wenn (abstrakte) Fluchtgefahr aufgrund entsprechenden „Vorverhaltens“ (hier: verlassen des Grundversorgungsquartiers um unterzutauchen) iSd § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt sei, heiße das noch nicht, dass auch erhebliche Fluchtgefahr vorliege. Ein über einfache Fluchtgefahr hinausgehendes Ausmaß müsse stets im Einzelfall, beruhend auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage, in vertretbarer Weise vorgenommen werden (VwGH 29.06.2017, Zl. 2017/21/0011).

3.1.3. Rechtlich folgt daraus:

Die Behörde geht in ihrem Bescheid von der Erfüllung der Tatbestände der Ziffern 1, 6a und c sowie 9 des § 76 Absatz 3 FPG aus. Hiezu ist festzuhalten:

§ 76 Abs 3 Z 1 FPG ist erfüllt, da der BF sich der Polizei zu entziehen suchte und damit versuchte seine anstehende Rückkehr zu umgehen.

Weiters entspricht das Verhalten des BF auch dem Tatbestand der Z 6a leg cit., da er BF bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in verschiedenen Mitgliedsstaaten stellte und zudem in seinen Einvernahmen vom 11.05.2017 und 29.06.2017 versuchte die Antragstellung in Deutschland zu verschweigen.

§ 76 Abs 3 Z 6c sieht das erkennende Gericht ebenfalls als erfüllt, da der BF aufgrund seines vormaligen Verhaltens deutlich zeigte, dass er nicht vor der Weiterreise in andere Mitgliedsstaaten zurückschreckte. Der Behörde ist beizupflichten, dass sein Verhalten bereits einem bewährten Muster entsprach und er als „sehr mobil“ zu bezeichnen war. Es war daher wahrscheinlich, dass er bei Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen im Inland einen positiv erledigten Antrag auf Asyl zu erhalten wiederum versuchen würde in einen anderen Mitgliedsstaat weiterzureisen.

Hinsichtlich Z 9 ist zu sagen, dass der BF zusammengefasst über gar keine soziale Verankerung in Österreich im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG verfügte. Dieser Punkt war auch im gesamten Verfahren nicht strittig. Zum Kriterium der Ziffer 9 wird in der Beschwerdeschrift relativiert, dass eine fehlende soziale Integration bei noch nicht lange in Österreich aufhältigen Asylwerbern (Dublinkonstellation) kein tragfähiges Argument für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darstellen würde. Im vorliegenden Fall ist jedoch anzumerken, dass die Behörde im gegenständlichen Mandatsbescheid den Sicherungsbedarf nicht alleine auf die Ziffer 9, sondern auch auf die Ziffern 1, 6a und 6c stützte. Diese Tatbestandselemente sind nach Ansicht des Gerichts im gegenständlichen Fall ausreichend, um den für die Schubhaft notwendigen erheblichen Sicherungsbedarf zu begründen. Da es sich bei den Erwägungen zum Sicherungsbedarf (hier „erhebliche Fluchtgefahr“) immer um eine Gesamtbetrachtung handelt, kann die in der Beschwerdeschrift zur Ziffer 9 angeführte Argumentation hier nicht überzeugen. Es bieten sich keine Hinweise auf eine berücksichtigungswürdige Integration, sodass in diesem Bereich nichts für den BF zu gewinnen ist.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht daher insgesamt von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne des Art. 28 Dublin-III-VO aus. Der BF reiste illegal nach Österreich ein und entzog sich sowohl in Italien und Deutschland bereits dem jeweiligen Verfahren. In Österreich zeigte er durch seinen Fluchtversuch vor der Polizei bereits deutlich, dass er auch hier nicht davor zurückschreckte sich den Behörden entziehen zu wollen. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes war es höchst wahrscheinlich, dass der BF auf freiem Fuße nicht am Verfahren mitgewirkt und sich diesem entzogen hätte, zumal er dezidiert anführte nicht nach Italien abgeschoben werden zu wollen und sich sein Vorverhalten auch dementsprechend gestaltete. Er war jedenfalls als nicht vertrauenswürdig anzusehen und das gerichtliche Verfahren hat ergeben, dass der BF, folgt man seinen eigenen dargelegten Angaben in der Einvernahme, nicht als ausreisewillig, bezogen auf Italien zu bezeichnen ist. Die Ausführungen seiner Rechtsvertretung hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft und Ausreisewilligkeit haben sich im Lichte des gesamten Akteninhalts nicht substantiiert. Das Vorbringen zu seiner vorgeblichen Ausreisewilligkeit wurde – auch nach beschlussmäßigem Auftrag – in keiner Weise belegt. In der Beschwerdeschrift finden sich keine weiteren Ausführungen dazu, aus welchem Grunde der BF eine Rückführung nach Italien in die „Obdachlosigkeit“ nunmehr plötzlich doch akzeptiert hätte. Logisch ist dies nicht nachzuvollziehen. Es ist daher für das Gericht kein vernünftiger Grund erkennbar, aus welchem der BF sich für eine Überstellung nach Italien hätte bereithalten sollen. Das Gericht geht daher nach eingehender Prüfung der Sachlage in weiterer Folge davon aus, dass der BF hinsichtlich Italiens aufgrund seiner eigenen klar dargelegten Ausführungen und Handlungen nicht ausreisewillig war. Auch ist kein Grund ersichtlich warum er seine bereits in verschiedenen Staaten der Europäischen Union bewährte Praxis – einen oder mehrere Anträge auf internationalen Schutz zu stellen, sich dann jedoch nicht für das Verfahren bereitzuhalten – ändern hätte sollen. Es stellt sich daher für das erkennende Gericht sehr klar dar, dass der BF im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zur Einhaltung der in der Europäischen Union bestehenden Rechtsnormen verhalten werden musste.

Das Gericht sieht daher im vorliegenden Fall erheblichen Sicherungsbedarf für gegeben an.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Inschubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso erfüllt. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären und sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass hier bisher keine konkret schützenswerten Anknüpfungspunkte entstanden sind. Durch die kurze Anwesenheit in Österreich ist in einer Gesamtschau nicht davon auszugehen, dass er diesbezüglich nennenswerte Kontakte im Inland knüpfen konnte, die hier wesentlich ins Gewicht fallen. Das Verfahren hat auch, ausgehend von seinen eigenen Angaben, nicht ergeben, dass er in Österreich wesentliche Anknüpfungspunkte hat. Der BF hat die ihn treffenden rechtlichen Bestimmungen im Rahmen des Asylverfahrens missachtet und hat Italien und Deutschland verlassen, ohne die dortige Asylentscheidung abzuwarten. Er reiste weiter nach Österreich und gab an, hier verbleiben zu wollen. Er hat dadurch und durch seine versuchte Flucht vor der Polizei unzweifelhaft gezeigt, dass er es mit den ihn betreffenden gesetzlichen Bestimmungen nicht so genau nimmt und im Rahmen des Verfahrens sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass sich das in Hinkunft wesentlich ändern würde. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geht das erkennende Gericht davon aus, dass, wie oben bereits angeführt, den persönlichen Interessen des BF aufgrund seiner aktuellen Wohn- und Familiensituation und des bisherigen Verhaltens kein vergleichbar hoher Stellenwert wie dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, öffentlicher Ordnung sowie dem wirtschaftlichen Wohl des Staates zukommt.

Wie bereits angeführt stellte die Haftfähigkeit des BF im Verfahren kein Problem dar. Hinsichtlich seiner Beschwerden in der Lendenwirbelsäule fehlt jegliches Beschwerdevorbringen und es ist auch keine sonstige medizinische Problematik aktenkundig, auf welche im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedacht zu nehmen gewesen wäre.

Die gegenständliche Entscheidung des BFA ist daher nach Ansicht des Gerichtes auch im Hinblick auf die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit nicht zu bemängeln.

3.1.5. Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde zu Recht ausgeschlossen. Der BF verfügt nicht über wesentliche Vermögensmittel, weshalb eine Sicherheitsleistung nicht in Frage kommt. Im Rahmen des Schubhaftverfahrens sind keine Tatsachen ans Tageslicht gekommen, die glaubhaft eine Erfüllung des Sicherungszwecks durch die Verhängung eines gelinderen Mittels ergeben hätten. Die Verhängung eines gelinderen Mittels im Sinne einer konkreten Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung hätte daher nach Ansicht des Gerichtes nicht zu einer Sicherung der Abschiebung geführt, sondern wäre diesfalls evident die Gefahr verbunden gewesen, dass der Beschwerdeführer in alte, bestehende Verhaltensmuster zurückgefallen und den Sicherungszweck etwa durch Flucht vereiteln hätte können, zumal klar war, dass die Effektuierung seiner Außerlandesbringung unmittelbar bevorstand. Darüber hinaus hat das Beweisverfahren ergeben, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens in der Vergangenheit nicht als vertrauenswürdig anzusehen war.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“. Auf Grund des vorher Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben, da die vorliegende Fallprüfung ergeben hat, dass keine andere Möglichkeit besteht, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

3.2. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG, dessen Abs. 4 entsprechend kann das Gericht ungeachtet eines Parteiantrags von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und weder Gründe der EMRK noch der GRC entgegenstehen. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt und beurteilt werden. In der Beschwerdeschrift wurde bemängelt, dass der BF nicht zur Inschubhaftnahme einvernommen wurde. Dies ist jedoch in Anbetracht der beiden niederschriftlichen Einvernahmen vom 11.05.2017 und 29.06.2017, welche somit in zeitlicher Nähe zur Schubhaftverhängung stattfanden, unproblematisch. Hinsichtlich der angeblichen Ausreisewilligkeit des BF wurde vom erkennenden Gericht – wie bereits ausgeführt – ohnehin Gelegenheit zum Parteiengehör gegeben. Die Ausführungen blieben bis zuletzt unsubstanziiert. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich war. Die in der Beschwerdeschrift zitierte Judikatur des VwGH vermag dieses Ergebnis nicht zu ändern da der für die Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde in der Tat vollständig in einem geordneten Ermittlungsverfahren erhoben wurde. Allein die Tatsache, dass die Entscheidung in Form eines Mandatsbescheides erging begründet noch nicht die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung. Auch wurde die Beweiswürdigung in ausreichender Form offengelegt, da die Behörde auf dem Verfahrensakt, die Einvernahmeprotokolle, das Anhalteprotokoll und den Übergabebericht vom 27.09.2017 verweist. Diese untermauern die getroffenen Tatsachenfeststellungen. Die Behörde konnte sich in den beiden Einvernahmen einen persönlichen Eindruck verschaffen und hat die getroffenen Feststellungen in nachvollziehbarer Weise belegt und begründet. Auch grundrechtliche Erwägungen standen dieser Vorgehensweise nicht entgegen, insbesondere wurde dem BF Gelegenheit zum Parteiengehör gegeben. Somit konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall Abstand genommen werden.

Zu Spruchpunkt II. und III. – Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde und der Höhe nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die zugesprochenen Verfahrenskosten stützen sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Aufgrund des vollständigen Obsiegens der Behörde kommt der Ersatz der Eingabegebühr von EUR 30.-- nicht in Frage. Im Übrigen darf auf die Spruchpraxis des BVwG verwiesen werden, wonach für den Ersatz der Eingabengebühr bisher keine Rechtsgrundlage gegeben ist.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Das erkennende Gericht konnte die vorliegende Entscheidung auf Basis einer klaren Rechtslage treffen. Es sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen und es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf sämtliche Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Dublin III-VO Fluchtgefahr Mitgliedstaat öffentliche Interessen Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Untertauchen Verfahrensentziehung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2176368.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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