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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §20 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des Dr. M in G, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 7. Jänner 1997, Zl. UVS 30.5-61/95-19, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretungen nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt, weil er am 2. Juni 1994 um
2.32 Uhr auf der Bundesstraße 76, in Richtung Deutschlandsberg als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Pkws
1.
auf Höhe des Straßenkilometers 8,050, Ortsgebiet Schlieb, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 90 km/h,
2.
auf Höhe des Straßenkilometers 8,600, Ortsgebiet Rossegg, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 57 km/h und
3.
um 2.33 Uhr, auf Höhe einer näher bezeichneten Gärtnerei, die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten habe, wobei jeweils durch die Nachtzeit beeinträchtigte Sichtverhältnisse gegeben gewesen seien und somit besonders gefährliche Verhältnisse geherrscht hätten.
Hiefür wurden über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 Geldstrafen von 1. S 9.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage),
2. S 7.000,-- (Ersatzfreiheitstraße 7 Tage), und 3. S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltunsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafeverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß der Beschwerdeführer den Pkw, dessen Zulassungsbesitzer er gewesen sei, zu den Tatzeiten selbst gelenkt habe. Seiner Verantwortung, daß das Fahrzeug von dem in Italien wohnhaften J. J. gelenkt worden sei, schenkte die belangte Behörde keinen Glauben, dies insbesondere deshalb, weil der Beschwerdeführer bei der telefonischen Lenkererhebung am 6. Juni 1994 seine Lenkereigenschaft eingestanden habe.
Dagegen wendet der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ein, die belangte Behörde habe es unterlassen, den von ihm beantragten Zeugen J. J. dem Verfahren beizuziehen. Der Zeuge habe selbst der erstinstanzlichen Behörde am 22. Juni 1994 mitgeteilt, daß er den Pkw zur fraglichen Zeit gelenkt habe; dieses "Geständnis" habe er in einer vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten eidesstättigen Erklärung bestätigt. Damit sei der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die belangte Behörde hätte zumindest den Versuch unternehmen müssen, "mit dem in Udine wohnhaften Zeugen, dessen ladungsfähige Anschrift der Behörde bekannt war, in Verbindung zu treten, sei es in Form einer Aufforderung zur Stellungnahme oder einer Ladungszustelung zur abgeführten Verhandlung. Dies um so mehr, als Italien das europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssache im Ausland (BGBl. 64/1985) ratifiziert hat und zwischen Österreich und Italien der Vertrag über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahrangelegenheiten (BGBl. 406/1990) besteht.
Somit hätte unter Umständen auch eine Rechtshilfevernehmung in Italien durchgeführte werden können".
Dem ist entgegenzuhalten, daß die vom Beschwerdeführer angeführten Staatsverträge keine rechtliche Möglichkeit zur Zustellung einer Zeugenladung an eine in Italien wohnhafte Person oder zur Vernehmung dieser Person im Rechtshilfeweg bieten, finden sie doch in Strafsachen keine Anwendung (siehe Art. 1 Abs. 2 1. Satz des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, und Art. 1 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahrangelegenheiten, BGBl. Nr. 406/1990).
Zu einem Versuch, mit dem im Ausland lebenden J. J. in Verbindung zu treten, bestand für die belangte Behörde im Hinblick auf die ihr bereits vorliegende Mitteilung des Genannten vom 22. Juni 1994 und dessen diese bestätigende eidesstättige Erklärung keine Veranlassung. Eine solche Vorgangsweise der Behörde, die darauf abzielt, eine schriftliche Stellungnahme einer im Ausland lebenden Person zu erlangen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091), ist nämlich dann nicht mehr erforderlich, wenn die betreffende Person schon eine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat.
Daß die belangte Behörde - wie der Beschwerdeführer vorbringt - die erwähnte Erklärung des J. J. in der Beweiswürdigung völlig übergangen hätte, trifft nicht zu. Die belangte Behörde hat vielmehr in der Begründung ihres Bescheides eingehend ausgeführt, welche Erwägungen sie dazu bewogen haben, dieser Erklärung den Glauben zu versagen. Ihre diesbezüglichen Ausführungen begegnen im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Ferner wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, die von ihm beantragte zeugenschaftliche Vernehmung der Meldungsleger unterlassen zu haben. Dazu führt er folgendes aus:
"Die Einvernahme dieser Zeugen wäre insoferne von Relevanz gewesen, zumal, wie dies anläßlich der Verhandlung aufgezeigt wurde, die Anzeige hinsichtlich der einzelnen Fakten widersprüchlich ist. Die Einvernahme wäre auch dadurch geboten gewesen, da die Geschwindigkeitsmessung mit einer sogenannten ProViDa-Anlage durchgeführt wurde, für welche Messung allerdings ein Nachfahren des Meßfahrzeuges im gleichbleibenden räumlichen Abstand zum voranfahrenden PKW mit gleichmäßiger Geschwindigkeit notwendig ist, um richtige Meßergebnisse zu erhalten.
In der Anzeige wurde aber dargelegt, daß sich das verfolgte Fahrzeug aufgrund der größeren Motorenstärke vom Meßfahrzeug entfernt hat, wodurch allerdings auf die Geschwindigkeitsdifferenz denklogisch kein gleichbleibender Abstand mehr gegeben sein konnte."
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Relevanz des geltendgemachten Verfahrensmängels darzutun. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0030) ist die Zeugenvernehmung des Meldungslegers nur dann notwendig, wenn sowohl das Vorbringen des Meldungslegers als auch jenes des Beschuldigten in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren keine konkrete Gegendarstellung zu dem von den Meldungslegern geschilderten Ablauf des Verkehrsgeschehens abgegeben; er vermag in der Beschwerde auch keine wesentlichen Widersprüche in den Angaben der Meldungsleger aufzuzeigen. Wenn er vorbringt, in der Anzeige sei dargelegt worden, daß das "Meßfahrzeug" dem voranfahrenden Pkw nicht mit gleichem Abstand nachgefahren sei, so bezieht sich die betreffende Aussage in der Anzeige zum einen lediglich auf die letzte Phase des Nachfahrens vor dem Abbrechen des Sichtkontaktes, zum anderen ergibt sich daraus, daß die Geschwindigkeit des voranfahrenden Pkws jedenfalls höher als die mittels des Meßgerätes festgestellte Geschwindigkeit des "Meßfahrzeuges" gewesen sein muß. Warum in Anbetracht der Entfernung zwischen den Ortsgebieten von Schlieb und Rossegg von 357 m eine Geschwindigkeitsmessung über eine Wegstrecke von ca. 1000 m - wie der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 11. August 1997 behauptet - "denkunmöglich" sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung im sogenannten Jonggraben wurde dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid nicht zur Last gelegt, weshalb das diesbezügliche Vorbringen in der erwähnten Stellungnahme vom 11. August 1997 ins Leere geht.
Wenn der Beschwerdeführer ferner bemängelt, daß der Verhandlung nur "fragmentarische Aktenstücke" aus dem gegen ihn geführten gerichtlichen Strafverfahren zugrundegelegt worden seien und daß er "trotz Vertagungsbitte" nicht im Berufungsverfahren vernommen worden sei, so bleibt er auch in diesen Punkten die Darlegung schuldig, inwieweit die belangte Behörde bei Vermeidung der geltend gemachten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, daß es sich bei den ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen um ein fortgesetztes Delikt gehandelt habe. Damit ist er nicht im Recht. Wird - wie im Beschwerdefall - auf einem Straßenzug, der eine längere Strecke aufweist, die zulässige Höchstgeschwindigkeit mehrmals mit Unterbrechung(en) überschritten, dann sind zwar der zeitliche Zusammenhang und die gleiche Begehungsform, nicht jedoch die Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände gegeben, weshalb in diesen Fällen nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 86/03/0237) keine Deliktseinheit und damit auch kein fortgesetztes Delikt angenommen werden kann. Dazu kommt, daß die Übertretung der auf Freilandstraßen zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Faktum 3) einen Verstoß gegen § 20 Abs. 2 3. Fall StVO 1960 darstellt, während die Übertretungen der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Fakten 1 und 2) einen Verstoß gegen § 20 Abs. 2 1. Fall leg. cit. bedeuten (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 11. November 1987).
Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angenommen hat, daß die Verstöße des Beschwerdeführers gegen § 20 Abs. 2 StVO 1960 unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. c leg. cit. begangen worden seien. Diese Annahme ist schon im Hinblick auf das exorbitante Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitungen in Verbindung mit den zur Nachtzeit gegebenen eingeschränkten Sichtverhältnissen berechtigt. Damit ist auch das Erfordernis eines zu den von § 20 Abs. 2 StVO 1960 erfaßten Tatbildern hinzutretenden zusätzlichen Sachverhaltselementes (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 89/18/0173, = ZVR 1991/6) erfüllt.
Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, ist unbegründet, stellt doch bereits die gegen den Beschwerdeführer ergangene, am 12. Juli 1994 abgefertigte Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 1994, welche sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat, eine rechtzeitige, die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG dar.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997030037.X00Im RIS seit
12.06.2001