TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/9 W165 2232616-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2020
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Entscheidungsdatum

09.07.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W165 2232616-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2020, Zl. 1260875604-20026598, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Nigerias, gelangte über Libyen kommend irregulär über Italien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und stellte am 26.04.2016 in Italien, am 22.11.2018 in der Schweiz sowie am 01.02.2019 in Deutschland Asylanträge (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“). In weiterer Folge begab sich der BF in das österreichische Bundesgebiet und stellte hier am 09.03.2020 einen weiteren, den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF war am 13.02.2020 wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz in einer Justizanstalt in Haft genommen worden.

In der am 09.03.2020 durchgeführten polizeilichen Erstbefragung gab der BF an, dass er keine ihn an der Einvernahme hindernden Beschwerden oder Krankheiten habe. Er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. In Österreich habe er keine Familienangehörigen. Er habe seinen Herkunftsstaat im Februar 2016 zu Fuß illegal nach Niger verlassen und sei über Libyen, Italien (Aufenthaltsdauer 14.04.2016 bis 19.11.2018), die Schweiz (Aufenthaltsdauer zwei Monate), Deutschland (Aufenthaltsdauer 30.01.2019 bis November 2019) und erneut Italien, nach Österreich gelangt. In Italien habe er einen ersten Asylantrag gestellt und sei zwei Jahre lang in einer Asylunterkunft aufhältig gewesen. Diese habe er nach zwei Jahren verlassen müssen. Im Jahr 2018 hätte er dann keine Unterkunft und Arbeit gehabt und eine negative Asylentscheidung erhalten. Daher habe er beschlossen, das Land zu verlassen und habe sich in die Schweiz begeben, wo er zwei Monate in einem Lager aufhältig gewesen sei. Die den negativen Asylbescheid Italiens bestätigenden Unterlagen habe er seinem Anwalt übergeben. In der Schweiz habe man ihm nach einem dortigen weiteren Asylantrag mitgeteilt, dass Italien für sein Asylverfahren zuständig sei. Er sei hierauf illegal nach Deutschland weitergereist, um einer angekündigten Abschiebung nach Italien zuvorzukommen. Die Unterlagen habe er in der Schweiz im Lager zurückgelassen. In Deutschland hätten ihm die Behörden nach einem weiteren dort gestellten Asylantrag ebenfalls gesagt, dass Italien für sein Verfahren zuständig sei. Die Unterlagen zu seinem negativen Asylbescheid habe er nach Italien mitgenommen. Vor einer Abschiebung sei er selbständig mit dem Zug nach Italien gereist. Gefragt, ob einer Rückkehr in das Land, in welchem ein Asylantrag gestellt worden sei, Gründe entgegenstünden, gab der BF an, dass er nichts dagegen habe, aber dort keine Arbeit habe. Das Leben dort sei sehr schwer. Er habe in keinem anderen Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erhalten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA), richtete am 12.03.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien.

Mit Schreiben vom 24.03.2020 stimmte die italienische Dublin Behörde der Wiederaufnahme des BF (unter Angabe zweier Aliasnamen und zweier Alisasgeburtsdaten des BF) ausdrücklich zu. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Überstellung erst durchgeführt werden könne, wenn die auf Covid-19 zurückzuführende Notfallsituation beendet sei.

Mit Schreiben vom 24.03.2020 setzte das BFA die italienische Dublin-Behörde darüber in Kenntnis, dass die Überstellung des BF infolge Inhaftierung zu verschieben sei und deshalb eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf zwölf Monate erforderlich sei (Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO).

Mit Schreiben vom 21.04.2020 wurde das BFA von der Staatsanwaltschaft Wien über eine Anklageerhebung wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gegen den BF (§§ 27 Abs. 1 Z 1 8.Fall, 27 Abs. 3 SMG) in Kenntnis gesetzt.

Am 15.05.2020 wurde der BF in der Justizanstalt durch das BFA einvernommen. Er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Er stehe derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein. In Österreich habe er keine Familie, nur Freunde. Der BF wurde in Kenntnis gesetzt, dass Italien seiner Wiederaufnahme mit Schreiben vom 24.03.2020 zugestimmt habe und nunmehr beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und den BF aus dem Bundesgebiet nach Italien auszuweisen. Nach dem entgegenstehenden konkreten Gründen befragt, gab der BF an, dass er nicht zurückwolle. Er habe kein Haus und keine Wohnung und habe auch keine Arbeitserlaubnis. Auf Vorhalt, dass er beides auch in Österreich nicht habe, räumte der BF ein, dass dies zutreffend sei, dass ihn jedoch hier seine Freundin unterstützen würde. Auf Vorhalt, dass ihn seine Freundin auch in Italien unterstützen und ihm Geld schicken könne, entgegnete der BF, dass er nicht denke, dass dies der Fall wäre. Sie helfe ihm immer dann, wenn sie einander sehen würden. Er sei bei seiner Freundin nie behördlich gemeldet gewesen. Auf Frage nach Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit der Freundin gab der BF an, dass diese Julia heiße. Den Nachnamen kenne er nicht, sie sei (Anmerkung: Antwort nach Zögern) 1997 im Oktober geboren und arbeite bei der Caritas. Der BF bestätigte, dass er laut eigenen Angaben von den italienischen Behörden untergebracht worden sei. Der BF wurde darauf hingewiesen, dass sein Verfahren in Italien noch nicht abgeschlossen sei und er bereits in die Schweiz und nach Deutschland gereist sei, wo er jedes Mal darauf hingewiesen worden sei, dass Italien für sein Asylverfahren zuständig sei. Daran habe sich nichts geändert und beabsichtige die Behörde nun ebenfalls, den BF nach Italien abzuschieben.

Am 18.05.2020 wurde der BF aus der Haft entlassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.06.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Italien wurden folgende Feststellungen getroffen (unkorrigiert):

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Allgemeines zum Asylverfahren

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) einige legislative Änderungen (siehe dazu insbesondere Abschnitte 6. und 7. in diesem LIB, Anm.):

(AIDA 4.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylerfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (MdI 27.9.2019). Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni 42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz, 2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (MdI 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019

- MdI – Ministero dell‘Interno (27.9.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo,

per E-Mail

- MdI – Ministero dell‘Interno (7.6.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo,

https://www.camera.it/application/xmanager/projects/leg18/attachments/upload_file_d

oc_acquisiti/pdfs/000/001/795/REPORT_FINO_AL_07.06.2019_.pdf, Zugriff 24.9.2019

- SN – Salzburger Nachrichten (2.10.2019): Zahl der Migrantenankünfte in Italien 2019 stark

rückläufig, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/zahl-der-migrantenankuenfte-in-italien-

11/38 –BE-0311-150

2019-stark-ruecklaeufig-77097958, Zugriff: 9.10.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices

2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

3. Dublin-Rückkehrer

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom- Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3. Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019). (Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.2. „Dublin-Rückkehrer“, Anm.)

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). (für nähere Informationen zu diesem Thema siehe Abschnitt 7.

“Schutzberechtigte”, Anm.) Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthaltes waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in

Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff

25.9.2019

- VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

- VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

4. Non-Refoulement

Medienberichten zufolge wurden 2018 über 100 auf See aufgelesene Migranten nach Libyen zurückgebracht. Italienische Gerichte haben Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedsstaaten, in denen Asylverfahren der besagten Afghanen bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement-Risiko nach Afghanistan annulliert (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde auch das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten in Italien eingeführt. Da aber bislang keine entsprechende Liste sicherer Herkunftsstaaten beschlossen wurde, wird das Konzept in der Praxis derzeit nicht angewendet (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über ignorierte Versuche Asyl zu beantragen und kollektive Kettenabschiebung nach Slowenien und weiter bis nach Bosnien-Herzegowina (AI 1.3.2019).

Quellen:

- AI – Amnesty International (1.3.2019): Italy: Refugees and migrants' rights under attack:

Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 34th Session of the

UPR Working Group,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2007541/EUR3002372019ENGLISH.pdf, Zugriff 30.9.2019

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 29.8.2019

5. Versorgung

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen.

Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

- Unterbringung, Verpflegung

- Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

- notwendige Transporte

- medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich

zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

- Hygieneprodukte

- Wäschedienst oder Waschprodukte

- Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

- Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

- Schulbedarf

- usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen, sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel; siehe dazu mehr in Abschnitt 7. „Schutzberechtigte“, Anm.). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegt Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängelt hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mitentsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, scheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere, kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere, oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in

- 16/38 –BE-0311-150

Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff

25.9.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices

2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

6. Unterbringung

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019). Das offizielle italienische Unterbringungssystem für erwachsene Asylwerber stellt sich folgendermaßen dar:

CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots

Es handelt sich dabei um Zentren an den Hauptanlandungspunkten der Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die CPSA wurden 2006 gegründet und fungieren seit 2016 formell als “Hotspots” (gemäß dem sogenannten “Hotspot-approach” der Europäischen Kommission). Diese dienen der raschen erkennungsdienstlichen Behandlung, Trennung von Asylwerbern und Migranten und ihrer entsprechenden weiteren Behandlung. Ende 2018 gab es in Italien vier Hotspots in Apulien (Taranto) und Sizilien (Lampedusa, Pozzalo, Messina), die zusammen 453 Migranten beherbergten. Zu Identifikationszwecken werden Migranten in den Hotspots oft wochenlang festgehalten, was Kritiker als ungesetzlich bezeichnen (AIDA 4.2019).

Erstaufnahme

Diese soll in den bereits existierenden Zentren (Centri d’accoglienza richiedenti asilo, CARA und Centri di accoglienza, CDA) und in neu festzulegenden Einrichtungen umgesetzt werden. Die Zentren sind meist groß, geografisch isoliert und der Standard der Unterbringungsbedingungen schwankt zum Teil erheblich. Derzeit gibt es 14 Erstaufnahmezentren, aber Anfang 2019 hat das Innenministerium verlautbart, die großen Zentren schließen und durch kleinere ersetzen zu wollen, weil diese leichter zu kontrollieren seien. Im Falle von Platzmangel kann auch auf temporäre Strukturen (Centri di accoglienza straordinaria, CAS) zurückgegriffen werden, das sind Notunterkünfte der Präfekturen. Die Unterbringung in einem CAS soll so kurz als möglich dauern, bis zur Unterbringung des Betreffenden in einem Erstaufnahmezentrum. Doch es gibt derzeit über 9.000 CAS in ganz Italien und sie bilden damit die Mehrheit der im Land verfügbaren Unterbringungsplätze. Auch in den CAS ist der Unterbringungsstandard stark von der betreibenden Präfektur abhängig. In der Vergangenheit wurden einige CAS stark für die dortigen Zustände kritisiert. In Zukunft sollen die Ende 2018 veröffentlichten amtlichen Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen (AIDA 4.2019).

Die Erstaufnahmezentren müssen seit Oktober 2018 alle Asylsuchenden, einschliesslich Vulnerabler, mit Ausnahme von UMA, aufnehmen. Die Aufnahmezentren der ersten Stufe haben infolge der neuen Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen mit erheblichen Budgetkürzungen zu kämpfen. Diese Kürzungen führen zu einer Verringerung des Personalbestands und somit einer Verschlechterung der Betreuung der Asylsuchenden (SFH 8.5.2019).

Die Integration der Asylsuchenden beginnt erst nach Zuerkennung eines Schutztitels und Verlegung in ein SIPROIMI. Die Erstaufnahmeeinrichtungen bieten keine Integrationsprojekte, wie Berufsorientierung, etc. (AIDA 4.2019).

(Für Informationen zu SIPROIMI siehe Abschnitt 7. “Schutzberechtigte”, Anm.)

Private Unterbringung / NGOs

Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben von karitativen Organisationen bzw. Kirchen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie speziell in Notfällen oder als Integrationsmittel. Im April 2017 beherbergten außerdem über 500 Familien in Italien einen Fremden. In einer Initiative der Caritas waren im Mai 2017 rund 500 weitere Migranten privat untergebracht (AIDA 4.2019).

Im Feber 2018 waren in ganz Italien geschätzt mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen, darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden, von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden aber auch viele legalisiert wurden (MSF 8.2.2018). Informelle Siedlungen gibt es im ganzen Land, wenn auch Ende 2018 einige von den Behörden geräumt wurden (AIDA 4.2019). Auch Vertreter von UNHCR, IOM und anderer humanitärer Organisationen und NGOs, berichteten über tausende von legalen und illegalen Migranten und Flüchtlingen, die in verlassenen Gebäuden und in unzulänglichen und überfüllten Einrichtungen in Rom und anderen Großstädten leben und nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, Rechtsberatung, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen haben (USDOS 13.3.2019).

Mit Stand 30.9.2019 befanden sich in Italien 99.599 Migranten in staatlicher Unterbringung (VB 30.9.2019).

CPR (Centri di Permanenza per il Rimpatrio)

Italien verfügt außerdem über sieben Schubhaftzentrum (CPR) mit zusammen 751 Plätzen. Unbegleitete Minderjährige und Vulnerable dürfen nicht in CPR untergebracht werden, Familien hingegen schon. In der Praxis werden aber nur sehr selten Kinder in CPR untergebracht. Wenn Migranten in den Hotspots die Abgabe von Fingerabdrücken verweigern, können sie zu Identifikationszwecken für max. 180 Tage in CPR inhaftiert werden (AIDA 4.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019

- MSF – Médecins Sans Frontières (8.2.2018): “Out of sight” – Second edition,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html, Zugriff 8.10.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices

2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in

Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff

25.9.2019

- VB des BM.I Italien (30.9.2019): Bericht des VB, per E-Mail

- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

6.1. Dublin-Rückkehrer

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Februar 2015 in einem Rundbrief eine Liste von Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, welche als Dublin-Rückkehrer nach Italien kommen. Im Sinne der neuen Rechtslage im Land hat Italien am 8. Jänner 2019 einen neuen Rundbrief versendet und auf die geänderten Gegebenheiten reagiert. Es wird darin bestätigt, dass in Übereinstimmung mit dem neuen Gesetz 132/2018, gemäß der Dublin-VO rücküberstellte Antragsteller nicht in SIPROIMI, sondern im Rahmen der Erstaufnahme (s.o.) untergebracht werden. Italien garantiert, dass diese Zentren dafür geeignet sein werden, um alle Arten von Betroffenen zu betreuen und die Einhaltung ihrer Grundrechte zu gewährleisten, vor allem die Familieneinheit und den Schutz Minderjähriger (MdI 8.1.2019; vgl. AIDA 4.2019). Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben. (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 29.8.2019

- MdI – Ministero dell‘Interno (8.1.2019): Circular Letter, per E-Mail

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in

Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff

25.9.2019

- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

6.2. Medizinische Versorgung

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden („residenza“) nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim „Wohnsitz“ zwischen „residenza“ und „domicilio“ (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des „domicilio“ garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Somit ist auch für Asylwerber weiterhin die Ausstellung einer Gesundheitskarte („tessera sanitaria“) möglich, mit welcher sie Zugang zu den medizinischen Leistungen erhalten.

Zusätzlich sind in den Erstaufnahmezentren Ärzte beschäftigt, die neben medizinischen Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen auch die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (VB 19.2.2019).

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das gilt unabhängig davon, ob sie staatliche Versorgung genießen oder nicht. Das Recht auf medizinische Versorgung entsteht formell im Moment der Registrierung eines Asylantrags, wobei es aber in der Praxis in einigen Regionen bis zu einigen Monaten Verzögerung kommen kann (AIDA 4.2019), weil bei bestimmten Quästuren die Zuweisung des Steuer-Codes (codice fiscale), die im Zuge der Formalisierung des Asylantrags erfolgt und für den Zugang zur medizinischen Versorgung wichtig ist, länger dauert. Bis dahin haben die betroffenen Asylsuchenden nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst erfolgt im zuständigen Büro des lokalen Gesundheitsdienstes (Azienda sanitaria locale, ASL), in der Gemeinde, in der der Asylwerber seinen Wohnsitz (domicilio) hat. Im Zuge der Registrierung wird eine europäische Gesundheitskarte (tessera europea di assicurazione malattia) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Das Recht auf medizinische Versorgung sollte im Rahmen der Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen. Wenn die Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, besteht keine Garantie auf Zugang zu nicht notwendiger medizinischer Versorgung bis zur Erneuerung derselben, was aufgrund bürokratischer Verzögerungen einige Zeit dauern kann. Wenn Asylwerber keine Wohnsitzmeldung (domicilio) vorweisen können, erhalten sie auch keine Gesundheitskarte. Eines der größten Hindernisse für den Zugang zu Gesundheitsdiensten ist jedoch die Sprachbarriere (AIDA 4.2019).

Asylwerber können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei den ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Die Befreiung gilt zunächst für zwei Monate ab Asylantragstellung (da in diesem Zeitraum kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht). Um die Ticket-Befreiung danach beizubehalten, müssen sich die AW offiziell arbeitslos melden. Laut Gesetz ist die Ticket-Befreiung auch bei niedrigem Einkommen möglich, doch durch die neue Rechtslage mit Gesetz 132/2018 kommen Asylwerber mit niedrigem Einkommen nicht in diesen Genuss, da ihnen entsprechende Bestätigungen aufgrund mangelnder verwaltungsinterner Anweisungen nicht ausgestellt werden (AIDA 4.2019).

Asylwerber mit psychischen Problemen und Folteropfer haben dasselbe Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie italienische Bürger. In der Praxis haben sie die Möglichkeit, von speziellen Leistungen des nationalen Gesundheitsdienstes, spezialisierter NGOs oder privater Stellen zu profitieren. Die NGOs ASGI und Ärzte ohne Grenzen betreiben in Rom seit April 2016 ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern. ASGI arbeitet auch mit anderen Institutionen zusammen und beobachtet die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Migranten auf medizinische Versorgung (AIDA 4.2019).

Bei den Gesundheitsdienstleistungen in den Zentren sehen die neuen Ausschreibungskriterien in Aufnahmezentren mit bis zu 50 Plätzen durchschnittlich nur noch vier Stunden ärztliche Betreuung pro Person und Jahr vor, Pflegepersonal ist in diesen Zentren keines mehr vorgesehen. In großen Zentren (bis zu 300 Plätzen) muss ein Arzt nur noch 24 Stunden pro Woche statt wie bisher rund um die Uhr anwesend sein. Für die Zentren ist keine Unterstützung durch interne Psychologen/Psychiater mehr vorgesehen. Die soziale Unterstützung für Zentren mit bis zu 50 Plätzen wurde auf sechs Stunden pro Woche reduziert, jene für Zentren mit bis zu 300 Plätzen auf 24 Stunden pro Woche (SFH 8.5.2019). MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration

(ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/

aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019

- CILD - Coalizione Italiana Libertà e Diritti Civili (1.2.2019): ANAGRAFE E DIRITTI: COSA

CAMBIA COL DECRETO SALVINI. Know Your Rights, https://immigrazione.it/docs/2019/knowyour-

rights.pdf, Zugriff 26.2.2018

- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in

Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff

25.9.2019

- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Beweiswürdigend wurde im Bescheid festgehalten, dass die Identität des BF nicht feststehe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende oder lebensbedrohliche Krankheiten bestünden. Zu einer angegebenen österreichischen Freundin habe weder ein Familienleben noch ein finanzielles oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden können. Der BF habe zu Nachnamen, Geburtsdatum, Wohnort oder sonstigen Daten der Freundin keine Angaben machen können und habe mit dieser zu keinem Zeitpunkt in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe nicht. Die Außerlandesbringung führe zu keiner relevanten Verletzung von Art. 8 EMRK und sei die Zurückweisungsentscheidung unter diesem Aspekt zulässig. Der BF habe nicht vorgebracht, dass er tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Italien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Außergewöhnliche Umstände, aufgrund derer auf ein reales Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK zu schließen wäre, würden fallbezogen auch im Hinblick auf die aktuelle Coronavirus-Pandemie nicht vorliegen. Dass der BF an einer Erkrankung leiden würde, aufgrund der er im Hinblick auf Covid-19 zu einer vulnerablen Gruppe zählen würde, sei weder im Laufe des Verfahren vorgebracht worden noch sei solches erkennbar. Der BF sei rund 21 Jahre alt und leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, womit dieser nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen falle. Ein im Falle einer Überstellung nach Italien vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK sei somit auch hierzu nicht erkennbar. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 treffe zu und habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

Der Bescheid wurde dem BF am 17.06.2020 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

Am 28.06.2020 brachte der BF fristgerecht die vorliegende Beschwerde ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass im Hinblick auf aktuelle Länderberichte mangelhafte Ermittlungen getätigt worden seien. Zur Unterbringungs- und Versorgungssituation von Dublin-Rückkehrern würden sich im Bescheid lediglich sehr kurz gehaltene Informationen finden. Das SPREAR-System der Unterbringung solle künftig nur mehr für unbegleitete minderjährige Asylwerber gelten. Andere Asylwerber sollten bis zum Schluss ihres Verfahrens in den CAS/CARA verbleiben. Von dieser Neuregelung seien auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Die Aufnahmeprogramme Italiens seien nicht in der Lage, die große Zahl ankommender Geflüchteter zu versorgen. Hätte die Behörde das Vorbringen des BF, insbesondere auch hinsichtlich seiner in Österreich bestehenden Möglichkeit der privaten finanziellen Unterstützung, entsprechend gewürdigt, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass eine Überstellung des BF nach Italien eine Verletzung seiner nach Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bedeuten würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste über Libyen illegal nach Italien ein und stellte dort am 26.04.2016 einen ersten Asylantrag. In der Folge wurden am 22.11.2018 in der Schweiz und am 01.02.2019 in Deutschland weitere Asylanträge gestellt.

In weiterer Folge begab sich der BF nach Österreich, wo er am 09.03.2020 abermals einen Asylantrag, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, stellte.

Der BF war am 13.02.2020 wegen eines Suchtmitteldeliktes in einer Justizanstalt in Haft genommen worden.

Das BFA richtete am 12.03.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien.

Italien stimmte dem Wiederaufnahmegesuch mit Schreiben vom 24.03.2020 auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 24.03.2020 setzte das BFA die italienische Dublin-Behörde in Kenntnis, dass die Überstellung des BF infolge dessen Inhaftierung verschoben werden müsse und die Überstellungsfrist auf zwölf Monate zu verlängern sei (§ 29 Abs. 2 Dublin III-VO).

Mit Schreiben einer Staatsanwaltschaft vom 21.04.2020 erging eine Verständigung an das BFA, dass gegen den BF wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen (§ 27 SMG) Anklage erhoben worden sei.

Am 18.05.2020 wurde der BF aus der Haft entlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedsstaat Italien an.

Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedsstaat sprechen würden, liegen nicht vor.

Der BF gab an, nicht in medizinischer Behandlung zu stehen und keine Medikamente einzunehmen. Der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF entnehmbar.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF nach Italien.

Bei Covid-19 handelt es sich um eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Mit Stichtag 09.07.2020 hat es in Italien insgesamt 242149 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 13595 aktive Fälle, 193640 genesene Fälle und 34914 Todesfälle gegeben.

Im österreichischen Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen und keine sonstigen Personen, zu denen ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bzw. besonderes Naheverhältnis bestünde.

Der BF lebt weder in einer Familiengemeinschaft noch in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

Der BF gibt an, in Österreich eine Freundin zu haben, deren Nachnamen, Geburtsdatum, Wohnadresse etc. er nicht zu nennen vermochte. Nach eigener Angabe des BF hat zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Freundin bestanden. Der BF gibt an, von seiner Freundin, wenn sie einander sehen würden, unterstützt zu werden.

Es bestehen keine beruflichen Bindungen des BF an Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen zur illegalen Einreise des BF in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, zu seiner Reiseroute und den Asylantragstellungen in Italien, der Schweiz und Deutschland ergeben sich aus den Angaben des BF im Rahmen seiner Einvernahmen sowie den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“.

Die Feststellungen bezüglich des Wiederaufnahmegesuchs der österreichischen Dublin-Behörde an Italien und der ausdrücklichen Annahme des Gesuchs durch Italien beruhen auf dem durchgeführten – im Verwaltungskat dokumentierten – Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen Dublin-Behörde und der italienischen Dublin-Behörde.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Es wurden die geänderte Gesetzeslage in Italien (Gesetzesdekret Nr. 113 vom 04.10.2018 in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 01.12.2018; „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“) berücksichtigt und die Neuerungen betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen und betreffend die (medizinische) Versorgung von Asylwerbern umfassend dargestellt.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Italien, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht substantiiert dargetan.

Die Länderfeststellungen sind ausreichend aktuell, zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Italien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Die Mitgliedstaaten sind allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen und stehen hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist (vgl. auch den entsprechenden Hinweis der italienischen Dublin-Behörde in ihrem Zustimmungsschreiben zur Wiederaufnahme des BF an das BFA).

Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass Italien eines der Länder Europas ist, das sehr stark von der Covid-19-Pandemie betroffen war und ist. Bei Beobachtung der aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, zeichnet sich aber auch hier ein positiver Trend ab, zumal die Anzahl der Neuerkrankungen rückläufig ist und zuvor gesetzte Maßnahmen allmählich gelockert werden. Es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in den Maximalfristen der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden, zumal davon auszugehen ist, dass erst - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien wieder für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards nach den Länderfeststellungen garantieren kann.

Allfällige Unterbringungsmängel im Zielstaat sind mangels Vulnerabilität des BF nicht derart, dass sie eine Verletzung des Art. 3 EMRK mit hinreichender Sicherheit wahrscheinlich erscheinen ließen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich ebenfalls aus dem eigenen Vorbringen im Zusammenhalt mit der Aktenlage, der keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entnehmen sind. Seitens des BF wurde diesbezüglich keinerlei Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des BF ergeben sich aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

Eine den BF konkret betreffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht substantiiert dargetan.

Die Feststellung der Information Italiens über das Erfordernis der Verschiebung der Überstellung und der Erstreckung der Überstellungsfrist auf zwölf Monate infolge Inhaftierung des BF beruht auf dem dem Verwaltungsakt einliegenden, an Italien ergangenen E-Mail des BFA vom 24.03.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 17 AsylG 2005 idgF).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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