TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 W117 2117915-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W117 2117915-2/4E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2018, Zl. 1047476905-170540347, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorangegangenes asylrechtliches Verfahren:

Die Österreich schon vor längerer, aber nicht zu einem exakt bestimmbaren Zeitpunkt verlassen habende Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste mit ihrem Ehegatten (W117 2117912-2) und dem gemeinsamen volljährigen Sohn (W117 2117913-2) am 08.12.2014 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.12.2014 gab die Beschwerdeführerin zunächst im Zuge der Aufnahme ihrer Daten an, in XXXX , Russische Föderation, von 1973 – 1983 die Schule besucht zu haben, eine weitere Ausbildung in XXXX abgeschlossen und zuletzt als Bürokraft gearbeitet zu haben. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie im Heimatland Probleme gehabt hätten, da ihr Ehegatte Armenier und sie selbst Ukrainerin sei. Am 03.12.2014 wäre ihre Wohnung von unbekannten Tätern in Brand gesetzt worden. Auch wären ihre Autos durch unbekannte Täter beschädigt worden. Deswegen hätte sich die Familie dazu entschlossen das Heimatland zu verlassen. Bei einer Rückkehr würde die Beschwerdeführerin um das Leben ihrer Familie fürchten.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin gab anlässlich seiner Erstbefragung am selben Tag an, dass die Familie in XXXX Probleme gehabt hätte, da er armenischer Abstammung und die Beschwerdeführerin Ukrainerin sei. Auch sei es zu tätlichen Übergriffen gekommen.

Am 15.04.2015 wurde die Beschwerdeführerin im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab im Wesentlichen an, einverstanden zu sein, in der Sprache Russisch einvernommen zu werden sowie psychisch und physisch zu einer Einvernahme in der Lage zu sein. Die Beschwerdeführerin wies eingangs auf ein Missverständnis der Protokollierung anlässlich ihrer Erstbefragung hin und gab sodann an, dass es ihr gesundheitlich gut gehe, sie einen Deutschkurs besuchen würde, in die Kirche gehe und sie in keinem Verein tätig sei. Ihren Ehemann habe sie XXXX standesamtlich in XXXX geheiratet, da man sich geweigert hätte, sie im Heimatland zu verheiraten. Vor ihrer Ausreise aus dem Heimatland habe sie bei einer Firma für Steinbearbeitung gearbeitet. Zu ihrer Volksgruppe/Religion befragt gab die Beschwerdeführerin an, zu der Volkgruppe der Ukrainer zu gehören und armenisch-apostolischen Glaubens zu sein. Wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit habe sie im Heimatland Probleme gehabt. Im November 2014 hätten die Vorfälle begonnen. Der Beschwerdeführerin wären ihr fremde Personen auf der Straße gefolgt und hätten gerufen, dass sie in die Ukraine verschwinden solle. Am 29.11.2014 wäre das Auto der Familie zerstört worden. Die Scheiben wären eingeschlagen und eingedrückt gewesen, die Scheinwerfer eingeschlagen. Der Ehemann habe die Polizei gerufen, welche lange Zeit nicht gekommen sei. Am 02.12.2014 wäre das zweite Auto zerstört worden. Sie hätten wiederum die Polizei gerufen, die lange Zeit nicht gekommen sei. Am Abend hätte es an der Türe geläutet und wären drei junge Männer, davon einer bewaffnet, in die Wohnung eingedrungen. Die Männer hätten geschrien, dass sie verschwinden sollen, wenn ihnen ihr Leben lieb sei. Der Ehemann habe noch versucht die Situation zu beruhigen, aber er sei niedergeschlagen und getreten worden. Dann wäre der Ehemann zur Polizei gegangen, die ihm den Eindruck vermittelt hätte, als ob sie ihn bereits erwarten würden. Offensichtliche Verletzungen habe der Ehemann nicht gehabt, aber habe er aus der Nase geblutet. Am 03.12.2014 wäre die Beschwerdeführerin bei der Arbeit angerufen worden und sei ihr mitgeteilt worden, dass die Wohnung brenne. Die Beschwerdeführerin habe die Wohnung dann selbst nicht mehr gesehen, nur ihr Ehemann hätte berichtet, dass nichts mehr zu retten gewesen sei. Am Abend habe die Beschwerdeführerin ihre Tante angerufen und wären sie sodann zu dieser gefahren. Befragt, ob die Beschwerdeführerin sich überlegt habe, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, führte sie aus, dass die Situation überall so sei, weil diese von den Behörden ausgehe und sie im ganzen Heimatland keinen sicheren Ort finden würden. Die Behörden würden sich nicht um solche Vorfälle kümmern.

Ebenfalls am 15.04.2015 wurde vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch der Ehegatte der Beschwerdeführerin (W117 2117912-2) niederschriftlich einvernommen, wobei sich dieser auch auf die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin, nämlich auf die Vorfälle Ende 2014 stützte. Im Wesentlichen gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin an, dass er von Männern überwältigt und misshandelt worden sei. Dabei wäre die Familie von den Angreifern aufgefordert worden, das Land zu verlassen.

Am 16.06.2015 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine weitere niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache statt. Dabei wurden der Beschwerdeführerin Länderinformationen zu rassistisch motivierten Übergriffen und Maßnahmen der Polizei übersetzt und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Beschwerdeführerin führte dazu zusammengefasst aus, dass die Behörden die Bevölkerung nicht schützen würde. Zum ihrem Leben in Österreich gab sie an, dass sie viele Leute kennengelernt habe, die Kirche besuche und sich bemühe, die deutsche Sprache zu lernen.

Mit angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.11.2015, Zl. 1047476905-140260547, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 08.12.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Dem Bescheid wurden Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegt.

Im Wesentlichen zusammengefasst wurde das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft angesehen. Den vorliegenden Länderinformationen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass rassistisch motivierte Übergriffe gegen ukrainische Volksangehörige zugenommen hätten. Auch hätten die vorliegenden Länderinformationen ergeben, dass die staatlichen Organe Verfolgungshandlungen Dritter nicht billigen oder tatenlos hinnehmen würden, sondern bekämpfen, sodass davon auszugehen sei, dass eine Verfolgung durch private Personen durch die zuständigen Behörden geahndet werden würden.

Gleichlautende Bescheide ergingen an die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 23.11.2015 fristgerecht Beschwerde erhoben und die erstinstanzliche Erledigung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang angefochten.

Mit Beschwerdeergänzung vom 26.11.2015 wurden eine Therapieempfehlung eines Universitätsklinikums betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin vom 19.04.2015, ein Arztbericht vom 07.04.2015, eine Liste von Unterstützungserklärungen aus einer Gemeinde vom 22.11.2015, ein Empfehlungsschreiben vom 21.11.2015, eine Bestätigung über geringfügige Tätigkeiten des Sohnes der Beschwerdeführerin vom 14.10.2015, eine Bestätigung über geringfügige Tätigkeiten des Ehemannes der Beschwerdeführerin vom 20.11.2015 und ein Empfehlungsschreiben vom 20.11.2015 in Vorlage gebracht.

Am 01.04.2016 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit des Ehegatten, des gemeinsamen Sohnes und einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die Beschwerdeführerin im Beisein ihres Rechtsvertreters neuerlich zu ihren Fluchtgründen, ihrem Familien- und Privatleben und allfälligen Integrationsaspekten sowie ihrem Gesundheitszustand befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte schriftlich mitgeteilt, keinen Vertreter zu entsenden.

Am 07.07.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation ein, wonach aus den Länderberichten hervorgehe, dass Angehörige von nationalen Minderheiten im Gebiet der Russischen Föderation massiven Anfeindungen bzw. Übergriffen seitens der Mehrheitsbevölkerung, vor allem seitens russischer Nationalisten, ausgesetzt seien.

Mit einem weiteren als Stellungnahme bezeichneten Schreiben vom 04.07.2016 brachte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung einer Stadtgemeinde über geringfügige Tätigkeiten ihres Ehemannes in Vorlage.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2017, W147 2117915-1/12E, wurde diese Beschwerde als unbegündet abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, dass ihr Vorbringen zu den Fluchtgründen nicht als glaubhaft erachtet worden sei und auch von Amts wegen keine Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin ersichtlich gewesen seien. Auch subsidiärer Schutz sei mangels realer Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zu gewähren gewesen. Der gesunden und erwerbsfähigen Beschwerdeführerin sei es möglich und zumutbar im Herkunftsstaat selbständig fürs Überlebensnotwendige zu sorgen. Eine extreme Gefahrenlage in der Russischen Föderation habe nicht festgestellt werden können. Auch im Rahmen des Familienverfahrens lägen die Voraussetzungen für Asyl oder subsidiären Schutz nicht vor. Da die unbescholtene Beschwerdeführerin, welche die staatliche Grundversorgung bezogen hat und einen Deutschkurs in Österreich absolviert hat ohne über nennenswerte Deutschkenntnisse zu verfügen und auch nicht selbsterhaltungsfähig war, konnte angesichts ihrer schwachen sozialen Bindungen in Österreich und ihrer Aufenthaltsdauer nicht von einem besonderen Maß an sozialer und wirtschaftlicher Integration der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Außer ihren ebenfalls im Asylverfahren befindlichen Angehörigen habe sie keine Verwandten in Österreich und könne jedenfalls von einer möglichen Reintegration im Fall der Rückkehr ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wurde daher -ebenso wie jene nach § 57 AsylG 2005 nicht als gegeben erachtet und eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin erlassen und ihre Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig befunden. Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde mangels besonderer Umstände mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Diese Entscheidung wurde der Beschwerdeführerin am 16.02.2017 zugestellt.

Gegenständliches Verfahren:

Bereits am 05.05.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Neuausstellung eines Aufenthaltstitels nach dem Asylgesetz, ohne diesen näher zu spezifizieren. Beigelegt waren eine „Kostenübernahmeerklärung“ vom 02.03.2017 des XXXX , mehrere Unterstützungsschreiben, ein ÖSD-Sprachzertifikat A2 für die Beschwredeführerin vom 16.03.2016 sowie eine Arbeitsplatzzusage für die Beschwerdeführerin als Küchenhilfe im Fall einer Arbeitserlaubnis vom 27.02.2017.

Mit Parteiengehör gemäß § 45 AVG vom 16.05.2017 wurde der Beschwerdeführerin zusammengefasst die beabsichtigte Zurückweisung ihres Antrages mitgeteilt. Die nach § 8 AsylG-DV erforderlichen Unterlagen (gültiges Reisedokument, Geburtsurkunde) habe sie nicht vorgelegt und den Antrag auch nicht näher begründet. Sodann wurde um Vorlage weiterer Belege (Reisepass, Geburtsurkunde, begründeter Antrag, Nachweis über ortsübliche Unterkunft, Nachweis für eine Krankenversicherung, Nachweis für gesicherten Lebensunterhalt) binnen zwei Wochen ersucht und darauf hingewiesen, dass im Fall der Nichtentsprechung der Antrag gemäß § 58 Abs. 10 und 11 AsylG 2005 zurückzuweisen sei.

Hierauf langte am 23.06.2017 ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen den Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wegen Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung ein.

Am 02.07.2017 wurden ein bedingter Arbeitsvorvertrag vom 31.05.2017 als Bauhilfsarbeiter für den Ehemann der Beschwerdeführerin für den Fall einer Arbeitserlaubnis, ein Unterstützungsschreiben sowie eine entsprechende Unterschriftenliste des örtlichen Pfarramtes vorgelegt.

Nach der Mitteilung des russischen Innenministeriums vom 30.09.2017 haben die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann die russische Staatsbürgerschaft niemals erworben und werde ihre Rückübernahme daher abgelehnt (vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Staatsbürgerschaft ).

Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 07.11.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, gesund zu sein. Ihr Reisepass befinde sich in der Ukraine und sie von ukrainischen Nationalisten in XXXX weggenommen worden, um sie wegen Geld zu erpressen. Sie sei Angehörige der Volksgruppe der Ukrainer du armenisch-apostolische Christin. Sie habe ihren Ehemann am XXXX in XXXX (Russland) geheiratet. Ihr erwachsener Sohn befinde sich ebenfalls in Österreich. Alle drei würden in Österreich auf Kosten der Grundversorgung im gemeinsamen Haushalt leben. Arbeiten dürfe sie nicht, helfe aber einer Nachbarin und pflege eine Kranke namens XXXX . Ihren Lebensunterhalt bestreite sie durch die Grundversorgung (200 € pro Person und 300€ für die Miete). Sie habe in Österreich einen Deutschkurs gemacht, Niveau A2, das Zertifikat sei vorgelegt worden. Außerdem lese sie Bücher, besuche am Wochenende die Kirche und sei auch in einem Verein tätig. Sie habe auch bereits Freundschaften mit Österreichern geknüpft. Befragt, warum sie ihrer Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachkomme, stellte sie die Frage, wohin sie ausreisen solle, da es in Russland gefährlich sei und sie keinen anderen Ort hätten. Zum Parteiengehör über die beabsichtigte Abweisung ihres Antrages vom 16.05.2017 und der damit zu verbindenden Rückkehrentscheidung brachte sie vor, dass sie keinen Reisepass hätten und also auch keinen vorlegen könnten. Sie habe nicht gewusst, dass sei bei der Botschaft einen Reisepass hätten beantragen können. Zuletzt habe sie bis 2014 in der Russischen Föderation in XXXX gelebt; ihr Sohn sei dort geboren. Zum Vorhalt der Ablehnung einer Rückübernahme in die Russische Föderation konnte die Beschwerdeführerin keine Angaben machen. Auf den Vorhalt ihrer Angaben, wonach ihr der russische Reisepass von den Schleppern abgenommen worden sein solle, konnte sie ebenfalls keine Angaben machen. Selbst zur Aufforderung gemäß § 46 Abs. 2 FPG, bei der Vertretungsbehörde ihres Herkunftsstaates einen Reisepass zu beantragen und diesen binnen vier Wochen vorzulegen, blieb sie dabei, dass sie russische Staatsbürger seien.

Im Rahme der Rückkehrberatung am 14.11.2017 zeigten sich der Ehemann und Sohn der Beschwerdeführerin nicht rückkehrwillig.

Am 16.11.2017 wurde drei Seiten russischsprachiger Schriftstücke ohne Übersetzung beim Bundesamt vorgelegt.

Nach Mitteilung ihres bevollmächtigten Vertreters vom 11.12.2017 hätten die Beschwerdeführer am selben Tag bei der Russischen Botschaft vorgesprochen. Die beiliegenden russischsprachigen Schriftstücke waren ebenfalls unübersetzt. Die vom Bundesamt veranlasste Übersetzung ergab, dass es sich dabei um Terminvormerkungen bei der Russischen Botschaft handelte.

Mit Schreiben vom „02.06.2017“ (gemeint wohl 02.06.2018) beantragte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ausstellung von Heimreisezertifikaten für die Beschwerdeführer.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 04.06.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 05.05.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitles aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen in Österreich seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht maßgeblich verändert habe. In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass sie den Antrag nur zweieinhalb Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gestellt und keine wesentliche Sachverhaltsänderung dargelegt habe. Hiezu wurde auf die Judikatur des VwGH verwiesen, wonach der bloße Zeitablauf von wenigen Monaten auch bei Vorliegen von geringfügigen neuen Vorbringen jedenfalls eine Neubeurteilung nach Art. 8 EMRK nicht erfordere und eine Antragszurückweisung korrekt sei. Infolge des Fehlens einer Arbeitserlaubnis komme den vorgelegten Einstellungszusagen keine wesentliche Bedeutung zu und die Unterstützungserklärungen würden sich auf einen Sachverhalt beziehen, welcher bereits in die Rückkehrentscheidung im Asylverfahren miteinbezogen worden sei. Hinzuweisen sei darauf, dass Anträge gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 keine Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Mangels Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts sei auch die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG zulässig. Mangels Gründen im Sinne von § 50 FPG sei ihre Abschiebung in die Russische Föderation auch zulässig und die Frist für die freiwillige Rückkehr sei gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen gewesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.06.2018 wurde er Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BVA-VG für ein etwaiges Beschwerdeverfahren ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. und II. dieses Bescheides erhob „der Beschwerdeführer“ mit Schriftsatz vom „16.06.2018 bzw. 18.06.2018“ Beschwerde und machte Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend und beantragte die vollumfängliche Aufhebung des Bescheides. Mangels Ausstellung eines Heimreisezertifikats durch die Russische Botschaft sei klar geworden, dass der angefochtene Bescheid überhaupt nicht vollziehbar sei und die Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer sei nicht geklärt worden. Dadurch seien keine Änderungen in der Integration der Beschwerdeführer bewirkt worden. Die Behörde habe eine inhaltlich unrichtige Entscheidung getroffen und nicht geprüft, ob wegen der Weigerung der Russischen Föderation zur Aussteillug eines Reisepasses für „den Beschwerdeführer“ nicht eine Duldung zu erteilen gewesen wäre. Beantragt wurde ferner ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 oder 57 AsylG 2005.

Diese Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2018 vorgelegt.

Dem Auszug aus dem ZMR vom 12.05.2020 zufolge, ist die Beschwerdeführerin seit dem 24.01.2019 im Bundesgebiet nicht mehr behördlich gemeldet.

Die Bevollmächtigung des Vertreters wurde mit elektronischer Nachricht vom 14.05.2020 beendet, weil die Beschwerdeführerin Österreich schon vor längerer Zeit verlassen habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegen die Beschwerdeführerin, eine nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigte Drittstaatsangehörige, wurde zuletzt mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2017 – in Bestätigung einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2015 – das Fehlen der Voraussetzungen gemäß § 55 und 57 AsylG 2005 bzw. eine Rückkehrentscheidung für rechtmäßig erkannt. Die Beschwerdeführerin ist ihrer Ausreiseverpflichtung zunächst jedoch nicht nachgekommen. Die Beschwerdeführerin war auch nach ihrer rechtskräftigen Ausweisung im Wege der staatlichen Grundversorgung untergebracht und krankenversichert.

Am 05.05.2017 beantragte die Beschwerdeführerin umgehend die Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach dem Asylgesetz, ohne diesen näher zu bezeichnen. Sie legte dazu eine Kostenübernahmeerklärung vom 02.03.2017, ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A2 vom 16.03.2016 und eine Arbeitsplatzzusage als Küchenhilfe vom 27.02.2017 im Fall einer Arbeitserlaubnis und Unterstützungsschreiben aus 2015 bzw. 2016 vor. Ein gültiges Reisedokument oder eine Geburtsurkunde brachte sie trotz Aufforderung nicht bei. Auch einen Nachweis über eine ortsübliche Unterkunft, einen Nachweis für eine Krankenversicherung und einen gesicherten Lebensunterhalt wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht erbracht. Die Beschwerdeführerin war demnach auch nach der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht selbsterhaltungsfähig.

Die Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren zwar erstmals eine vom 27.02.2017 stammende bedingte Einstellungszusage und eine Kostenübernahmeerklärung vom 02.03.2017 vorgelegt sowie nach Erlassung der vorangegangenen Rückkehrentscheidung verfasste Unterstützungsschreiben aus ihrem privaten Umfeld in Vorlage gebracht, das nun vorgelegte Sprachzertifikat datiert jedoch bereits aus 2016 und ist daher so wie die vorgelegten Unterstützungsschreiben aus 2015 und 2016 bereits von der Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes umfasst.

Die Beschwerdeführerin hat (damit) nicht vorgebracht, dass sich im Hinblick auf ihr Privat- und Familienleben seit der Erlassung des oben angeführten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts eine maßgebliche Änderung ergeben hätte. Ihre familiäre und private Situation im Bundesgebiet sowie ihre Bindungen zum Heimatland stellen sich im Wesentlichen als unverändert dar.

Seit dem 25.01.2019 ist die Beschwerdeführerin in Österreich nicht mehr aufrecht behördlich gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid unter Spruchpunkt I. nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

Gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung plus" oder "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wenn dies zumindest gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: BFA-VG), zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit; Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Im gegenständlichen Fall hat sich die belangte Behörde im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides auf § 58 Abs. 10 AsylG als Grundlage für die Zurückweisung bezogen. Das Bundesverwaltungsgericht war im gegenständlichen Fall dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es liegt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2017 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, wobei aus den rechtlichen Erwägungen hervorgeht, dass im Fall der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entscheidung bei rund zweijähriger Aufenthaltsdauer keine maßgebliche Integrationsverfestigung vorgelegen hätte. Die Beschwerdeführerin hätte keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet, habe ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch staatliche Unterstützungsleistungen bestritten und keine tiefgreifende Integration dargetan.

Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2017, in dem von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet ausgegangen wurde, ist keine Veränderung in Bezug auf die Integration der Beschwerdeführerin eingetreten, die einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrags gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegenstünde. Die Beschwerdeführerin konnte sich im gegenständlichen Verfahren lediglich auf die Kostenübernahmeerklärung vom 02.03.2017, aktuelle Unterstützungserklärungen und eine bedingte Einstellungszusage vom 27.02.2017 stützen. Diesen Aspekten kommt jedoch kein maßgebliches Gewicht zu.

So ging der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde, noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN).

Im Lichte dieser Judikatur sind gegenständlich sohin weder der Zeitablauf von weiteren rund zwei Jahren seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, noch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Einstellungszusage geeignet, eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu begründen. Das vorgelegte ÖSD-Zertifikat A2 über eine bereits im März 2016 bestandene Prüfung fand überdies bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2017 Berücksichtigung, sodass von einer Verbesserung der Sprachkenntnisse nicht auszugehen ist. Die vorgelegten Unterstützungsschreiben sind ebenso wenig geeignet, eine wesentliche Sachverhaltsänderung aufzuzeigen, zumal aus deren Inhalt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger sozialer Bindungen oder das Bestehen allfälliger Abhängigkeitsverhältnisse hervorgehen. Änderungen hinsichtlich der beruflichen Integration der Beschwerdeführerin oder hinsichtlich ihrer Bindung zum Herkunftsstaat wurden – auch in der Beschwerde- nicht vorgebracht. Auch in Bezug auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin hat sich keine wesentliche Änderung ergeben, wobei dies im gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt behauptet wurde.

Überdies stellte die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen Antrag bereits rund zwei Monate nachdem ihre Beschwerde gegen die Abweisung ihres Asylantrages abgewiesen worden war sowie infolge unrechtmäßigen Verbleibs im Bundessgebiet in Missachtung ihrer mit hg. Erkenntnis vom 10.02.2017 ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung. Seither allenfalls erfolgte weitergehende Integrationsbemühungen der Beschwerdeführerin konnten nur aufgrund der Missachtung ihrer rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung und im Bewusstsein der Unsicherheit eines weiteren Aufenthalts erfolgen.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass der Beschwerdeführerin wegen der Weigerung der Russischen Föderation, ihr einen Reisepass auszustellen, eine Duldung zu erteilen wäre, so ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin offenbar bislang nicht ernsthaft versucht hat, sich bei der Botschaft ihres Herkunftsstaates einen Reisepass ausstellen zu lassen. Sie hat lediglich eine Terminvormerkung bei der Russischen Botschaft nachgewiesen. Ob sie dort vorgesprochen hat und mit welchem Ergebnis, hat die Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben. Die Beschwerdeführerin hat also bisher weder die nach § 8 AsylG-DV erforderlichen Nachweise erbracht, noch einen begründeten Antrag nach § 4 AsylG-DV gestellt. Anzumerken ist, dass eine Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG lediglich dann in Frage kommt, wenn eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, wofür sich aber bislang keine genügenden Anhaltspunkte ergeben, zumal die Beschwerdeführerin auch noch am 07.11.2017 behauptete, russische Staatsbürgerin zu sein.

Soweit in der Beschwerde die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 oder § 57 AsylG 2005 beantragt wurde, wird verkannt, dass Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags ist und eine (neuerliche) inhaltliche Entscheidung schon aus diesem Grund unzulässig wäre (vgl. VwGH 29.09.2015, 2013/05/0034).

Da aufgrund der obigen Erwägungen nicht von einem geänderten Sachverhalt auszugehen ist, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, war die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Wird der Antrag eines Drittstaatsnagehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005).

§ 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 lautet:

Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

Da der Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt, war die Entscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Diese Entscheidung wurde unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erlassen. Auch dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55,56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) - (6) [...]

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Diesbezüglich wird auf die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2017, Zl. W147 2117915-1/12/E, verwiesen, womit bereits eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin erlassen wurde. Darin wurde ausgeführt: „Da die unbescholtene Beschwerdeführerin, welche die staatliche Grundversorgung bezogen hat und einen Deutschkurs in Österreich absolviert hat, ohne über nennenswerte Deutschkenntnisse zu verfügen, und auch nicht selbsterhaltungsfähig war, konnte angesichts ihrer schwachen sozialen Bindungen in Österreich und ihrer Aufenthaltsdauer nicht von einem besonderen Maß an sozialer und wirtschaftlicher Integration der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Außer ihren ebenfalls im Asylverfahren befindlichen Angehörigen habe sie keine Verwandten in Österreich und könne jedenfalls von einer möglichen Reintegration im Fall der Rückkehr ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wurde daher -ebenso wie jene nach § 57 AsylG 2005 nicht als gegeben erachtet und eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin erlassen und ihre Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig befunden.“

Seither haben sich nach den vorstehenden Ausführungen zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides keine maßgeblichen Änderungen ergeben, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erfordern würden (§ 58 Abs. 10 AsylG 2005).

Die Beschwerdeführerin hat weder eine besondere Immunschwächeerkrankung oder eine sonstige lebensbedrohliche Erkrankung und auch keine Zugehörigkeit zur Covid-19-Risikogruppe geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass sie besonders gefährdet wäre.

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zurückgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 3 leg.cit. iVm § 52 Abs. 3 FPG 2005 zu erlassen.

Mangels Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides sind diese bereits in Rechtskraft erwachsen und kommt dem Bundesverwaltungsgericht keine weitere Entscheidungskompetenz zu (vgl. VwGH 25.11.1994, 94/19/0211).

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde hat keine neuen Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2117915.2.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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