TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 W117 2117913-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W117 2117913-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2018, Zl. 1047476807-170540185, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorangegangenes asylrechtliches Verfahren:

Der Österreich schon vor längerer, aber nicht zu einem exakt bestimmbaren Zeitpunkt verlassen habende Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste gemeinsam mit seinen Eltern (Beschwerdeführer W117 2117912-2 und W117 2117915-2) am 08.12.2014 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag seinen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.12.2014 an, dass er ledig sei, dem orthodoxen Glauben und der russischen Volksgruppe zugehöre sowie von 2003 bis 2013 die Grundschule in XXXX besucht habe. Im Weiteren gab der Beschwerdeführer an, mit seiner Familie am 04.12.2014 mit dem Zug vom Heimatland nach XXXX (Ukraine) gereist zu sein. Dort wären sie bis zum 07.12.2014 bei der Tante seiner Mutter geblieben. Von dort aus wären sie mit einem Kastenwagen über ihm unbekannte Länder nach Österreich gereist.

Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass seine Familie in XXXX Probleme gehabt hätte. Am 03.12.2014 wäre die Wohnung der Familie durch unbekannte Täter in Brand gesteckt worden. Deswegen hätten seine Eltern beschlossen das Land zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe sich angeschlossen. Bei einer Rückkehr hätte er Angst um das Leben seiner Familie.

Die Eltern des Beschwerdeführers gaben in ihrer Erstbefragung am selben Tag an, dass sie in XXXX Probleme gehabt hätten, da sie von den Volksgruppen der Armenier und Ukrainer stammen würden. Die Wohnung sei in Brand gesetzt worden und wären auch die Autos der Familie zerstört worden.

Am 15.04.2015 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab eingangs an, einverstanden zu sein, in der russischen Sprache einvernommen zu werden sowie psychisch und physisch zu einer Einvernahme in der Lage zu sein. Weiters gab er befragt zu seinem Leben in Österreich an, dass er im Bundesgebiet bis auf seine Eltern keine Verwandten habe, jedoch Kontakt zu russischsprachigen Personen pflege, einen Deutschkurs besuchen würde und in keinem Verein tätig sei. Im Heimatland habe er keine weiteren Verwandten. Vor seiner Ausreise habe er Immobilienmanagement studiert. Sein Taschengeld habe er als Kurier aufgebessert. Einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung habe er nicht angehört. Sein Vater sei Armenier und die Mutter Ukrainerin. Welcher Volksgruppe er angehöre, wisse er nicht genau, jedoch sei seine Religion christlich orthodox. Wegen seiner Volksgruppe habe er im Heimatland Probleme gehabt, da man aufgrund seines Nachnamens darauf geschlossen habe, dass er Armenier sei. Zu seinen Gründen für die Ausreise führte er an, dass die Probleme vor längerer Zeit begonnen hätten. Die Eltern hätten ihm erzählt, dass sie sofort nach ihrer Anreise in die Russische Föderation wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt hätten. Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer möge von eigenen Problemen erzählen, gab er an, dass sich die Probleme der Eltern auch auf sein Leben ausgewirkt hätten. Er hätte wegen seines armenischen Familiennamens bereits in der Schule Schwierigkeiten gehabt. Er sei beschimpft und manchmal auch von den Schulkollegen geschlagen worden. Die ernsten Probleme hätten erst im November 2014 begonnen, als man seine Mutter auf offener Straße beschimpft hätte. Dabei habe es sich um nationalistische Aussprüche aufgrund der Ereignisse in der Ukraine gehandelt. Am 29.11.2014 wäre das Auto der Familie zerstört worden. Die Scheiben wären zerschlagen, die Räder zerschnitten und das Blech eingeschlagen worden. Der Vater habe die Polizei gerufen, jedoch wäre diese erst nach einiger Zeit gekommen. Danach hätten Personen den Eltern aufgelauert und diesen mitgeteilt, dass sie bekommen hätten, was sie verdienen. Am 02.12.2014 sei das zweite Auto der Familie auf gleiche Weise wie das erste Auto zerstört worden. Am selben Abend hätten Personen an der Tür geläutet, woraufhin der Vater die Türe geöffnet habe und hätten sich drei Personen in die Wohnung gedrängt. Diese Personen hätten geschrien, dass die Familie verschwinden solle. Dann sei der Vater verletzt und mit den Füßen getreten worden. Einer der Angreifer sei mit einer Pistole bewaffnet gewesen. Der Vater sei daraufhin zur Polizei gegangen. Dort hätte man dem Vater den Eindruck vermittelt, als hätten die Polizisten bereits Bescheid gewusst. Am nächsten Tag sei der Beschwerdeführer wie gewohnt auf die Universität gegangen. Als er nach Hause gefahren sei, sah er bereits Feuerwehrautos vor dem Haus stehen. Erst dann habe er bemerkt, dass die Wohnung der Familie gebrannt habe. Er habe seine Eltern alarmiert. Der Vater habe später die Wohnung betreten, es sei jedoch alles verbrannt bzw. voller Löschwasser gewesen. Dann wären seine Mutter und er zur Tante in die Ukraine gereist. Der Vater habe nach dem Verkauf der Autowracks nachkommen wollen. An dem Tag der Anreise des Vaters wären drei bewaffnete Männer in das Haus der Tante eingedrungen und hätten dem Beschwerdeführer vorgeworfen, für die Russen zu spionieren und hätten Geld gefordert. Nachdem kein Geld vorhanden gewesen sei, hätten sie das Haus verlassen. Nach der Ankunft des Vaters wären die Männer erneut in das Haus der Tante eingedrungen, hätten sie beschimpft, den Vater verprügelt und ihm Geld gestohlen. Im Weiteren sei gedroht worden, dass die Familie mehr Geld auftreiben solle, um zu überleben. Danach hätten die fremden Männer alle Dokumente und Handys mitgenommen.

Ebenfalls am 15.04.2015 wurden vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch die Eltern des Beschwerdeführers niederschriftlich einvernommen, wobei sich diese auf dieselben Fluchtgründe, nämlich auf die Vorfälle im Dezember 2014 stützten.

Am 16.06.2015 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache statt. Dabei wurde dem Beschwerdeführer Länderinformationen zu rassistisch motivierten Übergriffen und Maßnahmen der Polizei übersetzt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer führte dahingehend aus, dass sein Vater sich an die staatlichen Behörden gewandt hätte, er jedoch keine Hilfe bekommen habe.

Am 30.10.2016 langte eine Bestätigung einer Stadtgemeinde über die geringfügige Tätigkeit des Beschwerdeführers beim Bundesamt ein.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2015, Zl. 1047476807-140260555, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.12.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Dem Bescheid wurden Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt. Eingangs hielt die belangte Behörde fest, dass es sich im Verfahren den Beschwerdeführer betreffend um kein Familienverfahren handelt.

Im Wesentlichen zusammengefasst wurde das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft angesehen. Den vorliegenden Länderinformationen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass rassistisch motivierte Übergriffe gegen armenische Volksgruppenzugehörige zugenommen hätten. Auch hätten die vorliegenden Länderinformationen ergeben, dass die staatlichen Organe Verfolgungshandlungen Dritter nicht billigen oder tatenlos hinnehmen würden, sondern bekämpfen, sodass davon auszugehen sei, dass eine Verfolgung durch private Personen durch die zuständigen Behörden geahndet werden würden.

Abweisende Bescheide ergingen ebenso an die Familienangehörigen des Beschwerdeführers

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer am 11.11.2015 zugestellt.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2015, Zl. 1047476807-140260555, wurde mit Schriftsatz vom 23.11.2015 fristgerecht Beschwerde erhoben und die erstinstanzliche Erledigung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang angefochten.

Mit Beschwerdeergänzung vom 26.11.2015 wurde eine Therapieempfehlung eines Universitätsklinikums betreffend den Vater des Beschwerdeführer vom 19.04.2015, ein Arztbericht vom 07.04.2015, eine Liste von Unterstützungserklärungen aus einer Gemeinde vom 22.11.2015, ein Empfehlungsschreiben vom 21.11.2015, eine Bestätigung über geringfügige Tätigkeiten des Beschwerdeführers vom 14.10.2015, eine Bestätigung über geringfügige Tätigkeiten des Vaters des Beschwerdeführers vom 20.11.2015 und ein Empfehlungsschreiben vom 20. 11.2015 in Vorlage gebracht.

Am 01.04.2016 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit der Eltern des Beschwerdeführers und einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters neuerlich zu seinen Fluchtgründen, seinem Familien- und Privatleben und allfälligen Integrationsaspekten sowie seinem Gesundheitszustand befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte schriftlich mitgeteilt, keinen Vertreter zu entsenden.

Am 07.07.2016 ist beim Bundesverwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation eingegangen, wonach aus den Länderberichten hervorgehe, dass Angehörige von nationalen Minderheiten im Gebiet der Russischen Föderation massiven Anfeindungen bzw. Übergriffen seitens der Mehrheitsbevölkerung, vor allem seitens russischer Nationalisten, ausgesetzt seien.

Mit einem weiteren als Stellungnahme bezeichneten Schreiben vom 04.07.2016 brachte der Beschwerdeführer erneut eine Bestätigung einer Stadtgemeinde vom 21.06.2016 über geringfügige Tätigkeiten des Vaters des Beschwerdeführers in Vorlage.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2017, GZ. W147 2117913-1/12E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2015 als unbegründet abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer russischer Staatsbürger armenischer und ukrainischer Volksgruppenzugehörigkeit nach seinen Eltern sei, sein Vorbringen zu den Fluchtgründen nicht als glaubhaft erachtet worden sei und auch bei Wahrunterstellung keine Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung ersichtlich gewesen seien. Auch subsidiärer Schutz sei mangels realer Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zu gewähren gewesen. Der Beschwerdeführer leide weder an einer chronischen noch lebensbedrohlichen Krankheit, welche seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehe. Er sei grundsätzlich erwerbsfähig und sei es ihm möglich und zumutbar das Überlebensnotwendige ohne fremde Hilfe selbständig zu erwirtschaften.

Eine extreme Gefahrenlage in der Russischen Föderation habe nicht festgestellt werden können. Da der unbescholtene Beschwerdeführer, welcher in Österreich die staatliche Grundversorgung bezogen hat und einen Deutschkurs absolviert hat ohne über nennenswerte Deutschkenntnisse zu verfügen und auch nicht selbsterhaltungsfähig war, konnte angesichts seiner schwachen sozialen Bindungen in Österreich und seiner Aufenthaltsdauer nicht von einem besonderen Maß an sozialer und wirtschaftlicher Integration des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wurden daher -ebenso wie jene nach § 57 AsylG 2005 nicht als gegeben erachtet und eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen und seine Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig befunden. Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde mangels besonderer Umstände mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 16.02.2017 zugestellt.

Gegenständliches Verfahren:

Bereits am 05.05.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neuausstellung eines Aufenthaltstitels nach dem Asylgesetz, ohne diesen näher zu spezifizieren. Beigelegt waren eine „Kostenübernahmeerklärung“ vom 02.03.2017 des XXXX , mehrere Unterstützungsschreiben aus 2015 und 2016, ein ÖSD-Sprachzertifikat A2 für den Beschwerdeführer vom 16.03.2016, eine Bescheinigung der Gemeinde vom 14.10.2015 ber geringfügige Tätigkeiten des Beschwerdeführers sowie eine bedingte Arbeitszusage für den Fall einer Arbeitsbewilligung vom 23.02.2017.

Mit Parteiengehör gemäß § 45 AVG vom 16.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer zusammengefasst die beabsichtigte Zurückweisung seines Antrages vom 05.05.2017 mitgeteilt. Die nach § 8 AsylG-DV erforderlichen Unterlagen (gültiges Reisedokument, Geburtsurkunde) habe er nicht vorgelegt und den Antrag auch nicht näher begründet. Sodann wurde um Vorlage weiterer Belege (Reisepass, Geburtsurkunde, begründeter Antrag, Nachweis über ortsübliche Unterkunft, Nachweis für eine Krankenversicherung, Nachweis für gesicherten Lebensunterhalt) binnen zwei Wochen ersucht und darauf hingewiesen, dass im Fall der Nichtentsprechung der Antrag gemäß § 58 Abs. 10 und 11 AsylG 2005 zurückzuweisen sei.

Hierauf langte am 23.06.2017 ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen den Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wegen Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung ein.

Am 02.06.2017 wurden ein Arbeitsvorvertrag vom 31.05.2017 als Bauhilfsarbeiter für den Vater des Beschwerdeführers für den Fall einer Arbeitserlaubnis, ein Unterstützungsschreiben vom Mai 2017 sowie eine undatierte Unterschriftenliste des örtlichen Pfarramtes vorgelegt.

Nach der Mitteilung des russischen Innenministeriums vom 30.09.2017 hätten die Beschwerdeführer die russische Staatsbürgerschaft niemals erworben und werde ihre Rückübernahme mangels Feststellbarkeit ihrer Identität abgelehnt (vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Staatsbürgerschaft).

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 07.11.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, gesund zu sein. Sie hätten alle nur Inlandspässe besessen. Sein Reisepass befinde sich samt Führerschein in der Ukraine in XXXX , wo ihnen ukrainische Nationalisten alle Papiere weggenommen hätten. Die Tante seine Mutter wohne dort. Sein Vater sei armenischer und seine Mutter ukrainischer Volksgruppenzugehörigkeit. Er sei orthodoxer Christ und ledig. Er habe keine Kinder und lebe mit seinen Eltern in Österreich im gemeinsamen Haushalt und beziehe Grundversorgung. In Österreich gehe er keiner Erwerbstätigkeit nach. Monatlich würden sie 215€ pro Person und €300 für die Miete bekommen. Er habe in Österreich einen Deutschkurs besucht, das A2-Zertifikat sei vorgelegt worden. In seiner Freizeit versuche er seine Deutschkenntnisse zu verbessern, arbeiten oder studieren dürfe er nicht. Er sei Mitglied eines Kulturvereins in Österreich, so wie seine Eltern. Dort würden sie bei der Organisation von Festen usw. helfen. Er habe auch gute Bekannte, welche österreichische Staatsbürger seien.

Befragt, warum er seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachkomme, gab er an, dass sie nicht wüssten, wohin. Zum Parteiengehör über die beabsichtigte Abweisung seines Antrages vom 16.05.2017 und der damit zu verbindenden Rückkehrentscheidung brachte er vor, dass es keine Änderungen seit Februar 2017 gebe und sie sich um einen Reisepass bemühen würden. Er habe seit seiner Geburt in XXXX gelebt.

Zum Vorhalt, dass er entgegen den Angaben des russischen Innenministeriums behaupte, einen russischen Reisepass besessen zu haben, gab er an, dass er nicht wisse, warum die russische Botschaft behaupte, dass sie nicht registriert seien.

Hierauf wurde ihm der Auftrag erteilt, einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses von der Vertretungsbehörde seines Herkunftsstaates nachzuweisen oder einen Passersatz beizubringen. Dazu gab der Beschwerdeführer an, er werde sich um einen Reisepass bemühen.

Im Rahmen der Rückkehrberatung am 14.11.2017 zeigten sich die Beschwerdeführer nicht rückkehrwillig, willigten jedoch zu einem Antrag auf Identitätsprüfung bei der russischen Botschaft ein.

Am 16.11.2017 wurden drei Seiten russischsprachiger Schriftstücke ohne Übersetzung beim Bundesamt vorgelegt.

Nach Mitteilung ihres bevollmächtigten Vertreters vom 11.12.2017 hätten die Beschwerdeführer am selben Tag bei der Russischen Botschaft vorgesprochen. Die beiliegenden russischsprachigen Schriftstücke waren ebenfalls unübersetzt. Die vom Bundesamt veranlasste Übersetzung ergab, dass es sich dabei um noch zu bestätigende Terminvormerkungen für den selben Tag bei der Russischen Botschaft zwecks Überprüfung der Staatsbürgerschaft handelte.

Mit Schreiben der NÖ. Landesregierung vom 25.04.2018 wurden die Beschwerdeführer im Rahmen der Grundversorgung nach rechtskräftig negativ abgeschlossenem Asylverfahren in ein anderes Quartier mit Vollversorgung verlegt und die Zahlungen für ihr bisheriges Privatquartier eingestellt.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 04.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.05.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht maßgeblich verändert habe. In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass er den Antrag nur zweieinhalb Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gestellt und keine wesentliche Sachverhaltsänderung dargelegt habe. Hiezu wurde auf die Judikatur des VwGH (2011/22/0035-0039 und 2011/22/0065) verwiesen, wonach der bloße Zeitablauf von wenigen Monaten auch bei Vorliegen von geringfügigen neuen Vorbringen jedenfalls eine Neubeurteilung nach Art. 8 EMRK nicht erfordere und eine Antragszurückweisung korrekt sei. Zwar habe er angegeben, seine Sprachkenntnisse während seines bislang 15-monatigen Aufenthalts im Bundesgebiet verbessert zu haben, habe jedoch kein weiteres Sprachzertifikat vorgelegt. Er habe auch eine Einstellungszusage vorgelegt und sei in seiner früheren Wohnsitzgemeinde geringfügig beschäftigt gewesen. Er verfüge über einen Bekannten- und Freundeskreis in Österreich, jedoch komme diesem wegen seines unsicheren Aufenthalts ebenso wie seiner Einstellungszugsage wegen Fehlens einer Arbeitserlaubnis keine wesentliche Bedeutung zu (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323). Die von ihm vorgelegten Unterstützungsschreiben würden sich trotz teilweiser Datierung nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes auf die Zeit davor beziehen und seien daher bereits in die Rückkehrentscheidung im Zusammenhang mit der Asylentscheidung einbezogen worden. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert hätte, dass eine erneute Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre. Hinzuweisen sei darauf, dass Anträge gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 keine Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Mangels Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts sei auch die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG zulässig. Mangels Gründen im Sinne von § 50 FPG sei seine Abschiebung in die Russische Föderation auch zulässig und die Frist für die freiwillige Rückkehr gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen gewesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BVA-VG für ein etwaiges Beschwerdeverfahren ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. und II. dieses Bescheides erhob „der Beschwerdeführer“ mit Schriftsatz vom „16.06.2018 bzw. 18.06.2018“ Beschwerde und machte Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend und beantragte die vollumfängliche Aufhebung des Bescheides. Mangels Ausstellung eines Heimreisezertifikats durch die Russische Botschaft sei klar geworden, dass der angefochtene Bescheid überhaupt nicht vollziehbar sei und sei die Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer nicht geklärt worden. Dadurch seien keine Änderungen in der Integration der Beschwerdeführer bewirkt worden. Die Behörde habe eine inhaltlich unrichtige Entscheidung getroffen und nicht geprüft, ob wegen der Weigerung der Russischen Föderation zur Aussteillug eines Reisepasses für den Beschwerdeführer nicht eine Duldung zu erteilen gewesen wäre. Beantragt wurde ferner ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 oder 57 AsylG 2005.

Diese Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2018 vorgelegt.

Dem Auszug aus dem ZMR vom 12.05.2020 zufolge, ist der Beschwerdeführer seit dem 24.01.2019 im Bundesgebiet nicht mehr behördlich gemeldet.

Die Bevollmächtigung des Vertreters wurde mit elektronischer Nachricht vom 14.05.2020 beendet, weil der Beschwerdeführer Österreich schon vor längerer Zeit verlassen habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegen den Beschwerdeführer, einen nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigten Drittstaatsangehörigen, wurde zuletzt mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2017 – in Bestätigung einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2015 – das Fehlen der Voraussetzungen gemäß § 55 und 57 AsylG 2005 bzw. eine Rückkehrentscheidung für rechtmäßig erkannt. Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung zunächst jedoch nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer war auch nach seiner rechtskräftigen Ausweisung im Wege der staatlichen Grundversorgung untergebracht und krankenversichert.

Am 05.05.2017 beantragte der Beschwerdeführer umgehend die Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach dem Asylgesetz, ohne diesen näher zu bezeichnen. Er legte dazu eine Kostenübernahmeerklärung vom 02.03.2017, ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A2 vom 16.03.2016, Unterstützungsschreiben aus 2015 und 2016, eine Bescheinigung über geringfügige Tätigkeiten für die Gemeinde aus 2015 sowie eine Arbeitsplatzzusage vom 23.02.2017 im Fall einer Arbeitserlaubnis vor. Ein gültiges Reisedokument oder eine Geburtsurkunde brachte er trotz Aufforderung nicht bei. Auch einen Nachweis über eine ortsübliche Unterkunft, einen Nachweis für eine Krankenversicherung und einen gesicherten Lebensunterhalt wurde seitens des Beschwerdeführers nicht erbracht. Der Beschwerdeführer war demnach auch nach der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren zwar erstmals eine vom 23.02.2017 stammende bedingte Einstellungszusage und eine Kostenübernahmeerklärung vom 02.03.2017 vorgelegt sowie Unterstützungsschreiben aus seinem privaten Umfeld in Vorlage gebracht. Das nun vorgelegte Sprachzertifikat datiert jedoch bereits aus 2016 und ist daher so wie die vorgelegten Unterstützungsschreiben bzw. Bescheinigungen aus 2015 und 2016 bereits von der Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes umfasst.

Der Beschwerdeführer hat zudem am 07.11.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen ausdrücklich angegeben, dass sich im Hinblick auf sein Privat- und Familienleben seit der Erlassung des oben angeführten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts eine maßgebliche Änderung nicht ergeben hätte. Seine familiäre und private Situation im Bundesgebiet sowie seine Bindungen zum Heimatland stellen sich demnach im Wesentlichen als unverändert dar.

Seit dem 25.01.2019 ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht mehr aufrecht behördlich gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid unter Spruchpunkt I. nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

Gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung plus" oder "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wenn dies zumindest gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: BFA-VG), zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit; Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Im gegenständlichen Fall hat sich die belangte Behörde im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides auf § 58 Abs. 10 AsylG als Grundlage für die Zurückweisung bezogen. Das Bundesverwaltungsgericht war im gegenständlichen Fall dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es liegt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2017 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, wobei aus den rechtlichen Erwägungen hervorgeht, dass im Fall der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entscheidung bei rund zweijähriger Aufenthaltsdauer keine maßgebliche Integrationsverfestigung vorgelegen hätte. Der Beschwerdeführer hätte keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet, habe seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch staatliche Unterstützungsleistungen bestritten und keine tiefgreifende Integration dargetan.

Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2017, in dem von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet ausgegangen wurde, ist keine Veränderung in Bezug auf die Integration des Beschwerdeführers eingetreten, die einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrags gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegenstünde. Der Beschwerdeführer konnte sich im gegenständlichen Verfahren lediglich auf die Kostenübernahmeerklärung vom 02.03.2017, und eine bedingte Einstellungszusage vom 20.02.2017 stützen. Diesen Aspekten kommt jedoch kein maßgebliches Gewicht zu (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0035).

So ging der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde, noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN).

Im Lichte dieser Judikatur sind gegenständlich sohin weder der Zeitablauf von weiteren rund drei Jahren seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, noch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einstellungszusage geeignet, eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu begründen. Das vorgelegte ÖSD-Zertifikat A2 über eine bereits im März 2016 bestandene Prüfung fand überdies bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2017 Berücksichtigung, sodass von einer Verbesserung der Sprachkenntnisse nicht auszugehen ist. Die vorgelegten Unterstützungsschreiben aus 2015 und 2016 sind ebenso wenig geeignet, eine wesentliche Sachverhaltsänderung aufzuzeigen, zumal aus deren Inhalt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger sozialer Bindungen oder das Bestehen allfälliger Abhängigkeitsverhältnisse hervorgehen. Änderungen hinsichtlich der beruflichen Integration des Beschwerdeführers oder hinsichtlich seiner Bindung zum Herkunftsstaat wurden – auch in der Beschwerde- nicht vorgebracht. Auch in Bezug auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers hat sich keine wesentliche Änderung ergeben, wobei dies im gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt behauptet wurde.

Überdies stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag bereits rund zwei Monate nachdem seine Beschwerde gegen die Abweisung seines Asylantrages abgewiesen worden war sowie infolge unrechtmäßigen Verbleibs im Bundessgebiet in Missachtung seiner mit hg. Erkenntnis vom 10.02.2017 ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung. Seither allenfalls erfolgte weitergehende Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers konnten nur aufgrund der Missachtung seiner rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung und im Bewusstsein der Unsicherheit eines weiteren Aufenthalts erfolgen.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass dem Beschwerdeführer wegen der Weigerung der Russischen Föderation, ihm einen Reisepass auszustellen, eine Duldung zu erteilen wäre, so ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer offenbar bislang nicht ernsthaft versucht hat, sich bei der Botschaft seines Herkunftsstaates einen Reisepass ausstellen zu lassen. Er hat lediglich eine Terminvormerkung bei der Russischen Botschaft nachgewiesen. Ob er dort vorgesprochen hat und mit welchem Ergebnis, hat der Beschwerdeführer hingegen nicht bekannt gegeben. Der Beschwerdeführer hat also bisher weder die nach § 8 AsylG-DV erforderlichen Nachweise erbracht, noch einen begründeten Antrag nach § 4 AsylG-DV gestellt. Anzumerken ist, dass eine Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG lediglich dann in Frage kommt, wenn eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, wofür sich aber bislang keine genügenden Anhaltspunkte ergeben, zumal der Beschwerdeführer auch noch am 07.11.2017 behauptete, russischer Staatsbürger zu sein.

Soweit in der Beschwerde die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 oder § 57 AsylG 2005 beantragt wurde, wird verkannt, dass Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags ist und eine (neuerliche) inhaltliche Entscheidung schon aus diesem Grund unzulässig wäre (vgl. VwGH 29.09.2015, 2013/05/0034).

Da aufgrund der obigen Erwägungen nicht von einem geänderten Sachverhalt auszugehen ist, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, war die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Wird der Antrag eines Drittstaatsnagehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005).

§ 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 lautet:

Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

Da der Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt, war die Entscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Diese Entscheidung wurde unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erlassen. Auch dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55,56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) - (6) [...]

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Diesbezüglich wird auf die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2017, Zl. W147 2117913-1/12E, verwiesen, womit bereits eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen wurde. Darin wurde ausgeführt:

„Der Beschwerdeführer ist unbescholten, lebt von der Grundversorgung und hat in Österreich einen Deutschkurs absolviert, verfügt jedoch über keine nennenswerten Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht selbsterhaltungsfähig.

Ein besonderes Maß an sozialer und wirtschaftlicher Integration hat der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund seiner Aufenthaltsdauer nicht dargetan. Die bisher in Österreich aufgebauten Bindungen und geknüpften sozialen Beziehungen des Beschwerdeführers sind zum Entscheidungszeitpunkt relativ schwach ausgeprägt.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden. […]

Obigen Erwägungen zufolge sind daher auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.“

Seither haben sich nach den vorstehenden Ausführungen zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides keine maßgeblichen Änderungen ergeben, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erfordern würden (§ 58 Abs. 10 AsylG 2005).

Der Beschwerdeführer hat weder eine besondere Immunschwächeerkrankung oder eine sonstige lebensbedrohliche Erkrankung und auch keine Zugehörigkeit zur Covid-19-Risikogruppe geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er besonders gefährdet wäre.

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zurückgewiesen wurde, war die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 3 leg.cit. iVm § 52 Abs. 3 FPG 2005 zu erlassen.

Mangels Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides sind diese bereits in Rechtskraft erwachsen und kommt dem Bundesverwaltungsgericht keine weitere Entscheidungskompetenz zu (vgl. VwGH 25.11.1994, 94/19/0211).

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde hat keine neuen Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2117913.2.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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