TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/15 G314 2232830-1

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Veröffentlicht am 15.07.2020
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Entscheidungsdatum

15.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G314 2232830-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .05.2020, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX .02.2016 ein bis XXXX .02.2017 gültiger Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt, der in der Folge bis XXXX .02.2018 verlängert wurde. Über den vom BF am 06.02.2018 gestellten Verlängerungsantrag wurde noch nicht entschieden.

Am XXXX .02.2018 wurde der BF im Rahmen einer Kontrolle der Finanzpolizei bei Arbeiten am Betriebsgelände der XXXX in XXXX ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung betreten. Ein daraufhin wegen des Verdachts der Übertretung von § 120 Abs 1a FPG eingeleitetes Strafverfahren wurde mit der Begründung eingestellt, dass der Aufenthalt des BF nicht schon allein durch die unerlaubte Tätigkeit unrechtmäßig geworden war.

Das von der Fremdenpolizei über den Sachverhalt informierte Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) forderte den BF mit den Schreiben vom 06.03.2018 und vom 27.09.2018 auf, sich zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich und seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Er erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein einjähriges Einreiseverbot gegen ihn erlassen (Spruchpunkt V.). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF am XXXX .02.2018 in XXXX bei der Arbeit in einer Werkstatt betreten worden sei, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Genehmigung oder eines entsprechenden Aufenthaltstitels zu sein. Durch die Aufnahme einer Beschäftigung sei sein Aufenthalt unrechtmäßig geworden. Mangels einer Stellungnahme des BF sei davon auszugehen, dass keine familiären oder beruflichen Bindungen und keine Beziehungen zu Österreich bestünden. Seine Angehörigen würden in Serbien leben. Er halte sich erst kurz im Bundesgebiet auf, habe keine Integrationsbemühungen gezeigt und die Bindungen zu seinem Herkunftsstaat noch nicht verloren. Er habe kein Aufenthaltsrecht in Österreich, was ihm auch bewusst sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG seien nicht erfüllt. Deshalb und aufgrund seines nicht rechtmäßigen Aufenthalts sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, die nach § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie auf Behebung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass sich der BF seit 2008 regelmäßig im Bundesgebiet aufhalte und seit sechs Jahren einen Aufenthaltstitel als Angehöriger habe, weil sein Vater Österreicher sei. Er habe bereits einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, der ihn zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, beantragt. Abgesehen von der Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis am XXXX .02.2018 habe er nicht gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen. Da er seit mehr als fünf Jahren über einen Aufenthaltstitel als Angehöriger verfüge und die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt erfüllt seien, bestünde die vom BFA angenommene Gefahr einer neuerlichen Beschäftigung entgegen dem AuslBG nicht. Außerdem sei sein Privat- und Familienleben zu berücksichtigen. Er sei in Österreich bestens integriert, habe hier einen großen Freundeskreis und eine enge Bindung zu seinem hier aufhältigen Vater, sodass die Erlassung eines Einreiseverbots unverhältnismäßig sei.

Das BFA legte die Beschwerde samt Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungserhebliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.

Die dem BF seit 2016 erteilten Aufenthaltstitel und der Verlängerungsantrag sind im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) ersichtlich. Aus dem Ende 2018/Anfang 2019 zwischen BFA und der Behörde nach dem NAG geführten Schriftverkehr ist ersichtlich, dass über den Verlängerungsantrag noch nicht entschieden wurde.

Die Betretung des BF bei einer Kontrolle der Finanzpolizei am XXXX .02.2018 geht aus der aktenkundigen Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX .02.2018 hervor. Der BF gesteht in der Beschwerde die Beschäftigung ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung auch zu. Die Information des BFA über diesen Sachverhalt und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 120 Abs 1a FPG werden anhand des E-Mails vom 09.02.2018 festgestellt.

Aus dem Strafregister geht die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF hervor, aus dem Zentralen Melderegister sind Hauptwohnsitzmeldungen in XXXX von Juni 2002 bis September 2008 und von Jänner 2013 bis dato ersichtlich.

Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Ihm wurde eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ (§ 47 Abs 3 NAG) erteilt, die gemäß § 8 Abs 1 Z 6 NAG zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Da er rechtzeitig vor dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seines letzten Aufenthaltstitels im Februar 2018 einen Verlängerungsantrag stellte, über den noch nicht entschieden wurde, hält er sich gemäß § 24 Abs 1 dritter Satz NAG grundsätzlich weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die Annahme des BFA im angefochtene Bescheid, dass der BF nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei, ist daher verfehlt. Auch die Betretung bei einer Beschäftigung ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung führt für sich genommen nicht dazu, dass sein Aufenthalt unrechtmäßig wird (worauf bei der Einstellung des gemäß § 120 Abs 1a FPG geführten Verwaltungsstrafverfahrens richtigerweise Bedacht genommen wurde). Eine solche Betretung kann gemäß § 53 Abs 2 Z 7 FPG allenfalls zum Anlass für die Erlassung eines Einreiseverbots genommen werden, das aber nur zusammen mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden darf (siehe z.B. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0209).

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG ist zu beheben, weil die amtswegige Prüfung, ob ein solcher Aufenthaltstitel zu erteilen ist, voraussetzt, dass sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, was hier nicht der Fall ist.

Auch die vom BFA auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützte Rückkehrentscheidung laut Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids setzt voraus, dass sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Angesichts seines rechtmäßigen Aufenthalts erfolgte sie zu Unrecht und ist daher ebenfalls zu beheben. Dies bedingt auch den Entfall der übrigen, auf der Rückkehrentscheidung aufbauenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids, der somit in Stattgebung der Beschwerde zur Gänze zu beheben ist.

Es ist dem BVwG verwehrt, gegen den BF allenfalls auf einer anderen gesetzlichen Grundlage (z.B. § 52 Abs 4 FPG) eine Rückkehrentscheidung auszusprechen, weil dies die Sache des Beschwerdeverfahrens, die nur jene Angelegenheit umfasst, die den Inhalt des Spruchs der Behörde gebildet hat, überschreiten würde (vgl. VwGH 27.03.2018, Ra 2015/06/0011). „Sache des Beschwerdeverfahrens“ ist hier lediglich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts. Eine Befugnis des BVwG, stattdessen eine Rückkehrentscheidung gegen den BF als rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, besteht nicht (zumal der angefochtene Bescheid dazu keine Begründung enthält und insbesondere entsprechende Feststellungen fehlen).

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen, zumal sich das BVwG an bestehender Rechtsprechung des VwGH orientieren konnte.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2232830.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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