TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 W117 2233013-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W117 2233013-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: AFGHANISTAN, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und em. RA DR. LENNART BINDER LL.M, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien vom 06.07.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1085904504/200567658, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 06.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG, als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Gemäß §35 Abs. 1 VwGVG idgF wird der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 06.07.2020 um 16:00 Uhr durch Beamte der LPD Wien in Wien 21., Bahnhof Floridsdorf, bei seinem illegalen Aufenthalt betreten. Da er behördlich nicht gemeldet war und sich nicht legitimieren konnte sowie angab, keine Unterkunft zu haben. wurde er festgenommen und seine Einlieferung in das PAZ HG verfügt.

Der Beschwerdeführer wurde noch am selben Tag zur beabsichtigten Schubhaftanordnung von einem Organ der Verwaltungsbehörde einvernommen; diese nahm entscheidungswesentlich folgenden Verlauf:

(…)

„F: Wann, Wie und Warum sind Sie das letzte Mal ins Bundesgebiet eingereist?

A: Ich kam im Jahr 2015 illegal, schlepperunterstützt, in das Bundesgebiet ein. Ich wurde von der Polizei festgenommen und habe dann einen Asylantrag gestellt. Ich mag Österreich, deshalb bin ich herkommen.

F: Warum haben Sie bis dato trotz Verpflichtung aus Eigenem das Bundesgebiet nicht verlassen?

A: Ich kann nicht zurück. Mein ganzes Leben in Österreich hat sich verändert. Ich möchte Österreich nicht verlassen. Es gibt dort keine Sicherheit.

F: Wo haben Sie Unterkunft genommen?

A: Ich schlafe bei verschiedenen Freunden, ich habe keine Unterkunft. Da mein Asylverfahren negativ war, konnte ich mich nicht anmelden.

F: Wie haben Sie sich Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet finanziert?

A: Ich habe € 400,-- bei mir. Ich habe in einer Wäscherei tageweise gearbeitet.

F: Wo wohnten Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich?

A: Ich war zuvor etwa 1 Jahr im Iran.

F: Leben von Ihnen Familienangehörige oder enge Freunde im Bundesgebiet oder der EU?

A: Meine Eltern leben in Afghanistan. Ich habe vier Schwestern und Brüder. Ein Bruder lebt in der Türkei, eine Schwester in Pakistan, die anderen leben in Afghanistan.

F: Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen oder schwere Erkrankungen?

A: Ich bin gesund.

F: Werden Sie in Afghanistan strafrechtlich oder politisch verfolgt?

A: Ich hatte Probleme mit der Taliban.

V: Ihre Asylverfahren wurden rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Zu meinen persönlichen Verhältnissen gebe ich an:

Ich bin verlobt, meine Verlobte lebt in Pakistan, und habe keine Sorgepflichten. Ich habe keine Dokumente und etwa € 400.

F: Wo befinden sich Ihre Dokumente?

A: Die sind in Afghanistan. Sie sind verpflichtet an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken.

Entscheidung

Ihre Asylverfahren im Bundesgebiet wurden rechtskräftig negativ abgeschlossen. Sie haben keine Unterkunft, keine Barmittel, keine Dokumente. Zur Sicherung Ihrer Abschiebung wird die Schubhaft verhängt.

F: Möchten Sie noch Stellung nehmen?

A: Ich habe alles verstanden. Warum können Sie mich nicht gehen lassen, ich werde in ein anderes EU – Land reisen.

(…)

Mit im Spruch angeführten Bescheid der Verwaltungsbehörde
wurde in Bezug auf den daraufhin seit 06.07.2020 in Schubhaft angehaltenen Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet. Die Verwaltungsbehörde führte u. a. Folgendes aus:

„1. Feststellungen:

Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger. Sie sind afghanischer Staatsbürger, 20 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Ihr Asylantrag wurde in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen wurden. Sie entzogen sich dem Verfahren und tauchten im Bundesgebiet unter und missachteten Ihre Ausreiseverpflichtung.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

-        Sie hielten sich seit Ihrer Einreise illegal in Österreich auf.

-        Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

-        Sie stellten einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen wurden

-        Sie tauchten unter und entzogen sich Ihrem HRZ – Verfahren.

-        Sie gehen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden. Sie gaben an, der Schwarzarbeit nachgegangen zu sein.

-        Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie trotz aufrechter Rückkehrentscheidung illegal im Bundesgebiet aufhältig waren.

-        Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich. Stattdessen tauchten Sie unter und prolongierten Ihren illegalen Aufenthalt im Schengenraum.

-        Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie untertauchten und

-        Ihre Ausreiseverpflichtung missachtet haben.

-        Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

-        Sie sind in keinster Weise integriert, weil Sie über keine beruflichen oder sozialen Bindungen zum Bundesgebiet verfügen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Ihre Angehörigen leben in Afghanistan oder Pakistan und der Türkei, im Bundesgebiet haben Sie keine Angehörigen.

Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. 1085904504, sowie aus Ihrer Einvernahme am 06.07.2020.

Rechtliche Beurteilung

(…)

In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten.

(…)

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr: 1, 2, 3, 5 und 9.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, notwendig und erforderlich.

Sie haben bereits durch Ihr Untertauchen bewiesen, dass Sie nicht bereit sind, den österreichischen Gesetzen Folge zu leisten.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie tauchten im Bundesgebiet unter und sind über einen langen Zeitraum bewusst illegal im Bundesgebiet aufhältig. Sie zeigen, dass Sie nicht bereit sind, den österreichischen Gesetzen Folge zu leisten. Sie gehen keiner legalen Beschäftigung nach, und haben keinerlei Barmittel. Sie gaben an, der Schwarzarbeit nachzugehen. Ihre Angehörigen leben in Afghanistan, Pakistan und der Türkei, zum Bundesgebiet bestehen keinerlei Bindungen. Sie missachteten das Meldegesetz, indem Sie untertauchten und sich so dem HRZ – Verfahren sowie Ihrer Ausreise entzogen. Sie gaben an, bei verschiedenen Freunden genächtigt zu haben.

(…)

Sie zeigen, dass Sie nicht bereit sind, die österreichischen Gesetze zu befolgen. Sie tauchten unter und verweigerten die Ausreise.

(…)

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

(…)

Sie haben bereits bewusst versucht, sich Ihrem Verfahren durch Untertauchen zu entziehen. Sie sind bewusst seit einem langen Zeitraum illegal im Bundesgebiet aufhältig und haben gezeigt, dass Sie alles daran setzen, Ihren illegalen Aufenthalt zu prolongieren.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie gaben im Zuge der Einvernahme an, psychische Probleme zu haben. Ihre Haftfähigkeit wurde überprüft. Sollten Sie ärztlicher Hilfe bedürfen, so kann Ihnen eine solche auch im Stande der Schubhaft gewährt werden.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte aus:

„Geltend gemacht wird Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, mit dem gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FFG iVm § 57 Abs 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde, die Festnahme und die weitere Anhaltung.

Aus unionsrechtlichem Blickwinkel ist die Rückführungs-RL einschlägig, Es liegt keine (erhebliche) Fluchtgefahr vor, Verhältnismäßigkeit ist nicht gegeben. Ausreiseunwilligkeit als solche stellt keinen Haftgrund dar. Der Beschwerdeführer ist über seine Rechtsvertretung jederzeit erreichbar.

In Anbetracht der Covid-19 Pandemie ist ungewiss, ob der Beschwerdeführer in absehbarer Zeit abgeschoben werden kann. Der UNHCR ist der Auffassung, dass Abschiebungen nach Afghanistan derzeit unterbleiben sollten, infolge der Sicherheitsverhältnisse, die sich seit dei Beendigung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers maßgeblich verschlechtert haben. Eine Abschiebung würde eine Verletzung nach Art 3 EMRK herbeiführen.

Jedenfalls kann mit gelinderen Mitteln vorgegangen werden, wobei der Beschwerdeführer bei XXXX , geb. XXXX , XXXX Aufenthalt nehmen könnte.

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag

„a) den Beschwerdeführer, allenfalls bei Anwendung gelinderer Mittel, zu enthaften,

b) die Kosten für die Schubhaftbeschwerde zuzusprechen“.

Die Verwaltungsbehörde legte den Akt vor und begehrte die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch der Fortsetzung der Schubhaft sowie Kostenersatz für Schriftsatz- und Vorlageaufwand. Unter anderem führte sie noch aus:

„Zur monierten Unverhältnismäßigkeit darf wie folgt Stellung genommen werden:

Es wurde im Rahmen einer durchgeführten Einzelfallprüfung das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes sowie das Vorliegen einer ultima-ratio-Situation nachvollziehbar geprüft.

Auf die Niederschrift vom 06.07.2020 darf explizit hingewiesen werden.

Auf Grund der weltweiten COVID-Maßnahmen wird – wie der BVwG bereits in zahlreichen Judikaten äußerte – die Außerlandesbringung zwar zeitlich verzögert, jedoch schadet dies dem Verfahren nicht in der Weise, dass bei Vorliegen der restlichen Voraussetzungen die Anordnung von Schubhaft per se unverhältnismäßig wäre.

Die durch den RV behauptete Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann ha sohin zum Zeitpunkt der bescheidmäßigen Anordnung nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden – es existiert mannigfach Judikatur des BVwG und VwGH, im Zuge welcher bei gleichgelagerten Sachverhalten Schubhaft jedenfalls als verhältnismäßig angesehen wurde.

Die belangte Behörde machte sich auch sonst keiner wie immer gearteten Säumigkeit schuldig – der BF wurde bereits am 10.07.2020 der afghan. Delegation vorgeführt. Der BF wurde dabei als afghanischer Staatsbürger identifiziert und kann eine HRZ-Ausstellung lt dem zuständigen Referat der Direktion des BFA erfolgen.

Derzeit bemüht sich die Behörde um die Organisation der Ausreise des BF, wobei auch eine freiwillige Ausreise mittels VMÖ aus dem Stande der Schubhaft nicht ausgeschlossen wird.

Es besteht – wie aus der Aktenlage ersichtlich – weiterhin durchschlagender Sicherungsbedarf, sodass letztlich eine ultima-ratio-Situation vorliegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die von der Verwaltungsbehörde im oben angeführten Schubhaftbescheid getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Der BF wurde bereits am 10.07.2020 der afghan. Botschaft vorgeführt. Der BF wurde dabei als afghanischer Staatsbürger identifiziert. Bereits für den 25.10.2019 war ein entsprechender Termin vorgesehen – der Beschwerdeführer war aber untergetaucht.

Es sind sohin auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Bescheid der Verwaltungsbehörde und den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten.

2. Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche Beweiswürdigung zu verweisen.

Die ergänzende Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 10.07.2020 i als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert wurde und dass ein entsprechender Termin lange davor vorgesehen gewesen ist, ergibt sich unzweifelhaft aus der Aktenlage.

Die Verwaltungsbehörde hat damit vollends der Verpflichtung, die Abschiebung so rasch wie möglich vorzubereiten und dann auch durchzuführen, entsprochen.

Weder zeigt die Beschwerde Mängel des Schubhaftbescheides noch der darauf aufbauenden Anhaltung auf und ergibt sich daraus die schlussfolgernde Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist:

Im Einzelnen:

Zur Frage der Rückführungs-RL siehe rechtliche Beurteilung.

Das Beschwerdevorbringen, dass keine erhebliche Fluchtgefahr vorliege, findet nicht einmal ansatzweise Deckung in der Aktenlage – hierbei ist im Besonderen auf die oben zitierten Ausführungen im Rahmen der Schubhafteinvernahme zu verweisen. So hatte der Beschwerdeführer selbst zugestanden:

„F: Wo haben Sie Unterkunft genommen?

A: Ich schlafe bei verschiedenen Freunden, ich habe keine Unterkunft. Da mein Asylverfahren negativ war, konnte ich mich nicht anmelden.“

Aus dieser Angabe ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf den negativen Asylverfahrensausgang untertauchte.

Der Beschwerdeführer hatte weiters zugestanden, seinen Aufenthalt im Untergrund durch Schwarzarbeit finanziert zu haben:

„F: Wie haben Sie sich Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet finanziert?

A: Ich habe € 400,-- bei mir. Ich habe in einer Wäscherei tageweise gearbeitet.“

Die Verwaltungsbehörde hatte daher völlig zu Recht alleine schon aus den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Schubhafteinvernahme erhebliche Fluchtgefahr angenommen.

Die Beschwerdeargumentation „Der Beschwerdeführer ist über seine Rechtsvertretung jederzeit erreichbar“, vermag zunächst einmal nicht in Bezug auf den Schubhaftbescheid vom 06.07.2020 zu greifen, da der Beschwerdeführer zufolge der im Akt aufliegenden Vollmacht das Vollmachtsverhältnis erst zwei Tage nach seiner Inschubhaftnahme begründete.

Im Übrigen entband und entbindet das Vorliegen eines Vertretungsverhältnisses den Bescherdeführer nicht von seiner Verpflichtung, seine aktuelle Unterkunft den Behörden bekanntzugeben, was er bis dato offensichtlich unterließ, wurde er doch am 06.07.2020 um 16:00 Uhr durch Beamte der LPD Wien in Wien 21., Bahnhof Floridsdorf, bei seinem illegalen Aufenthalt betreten.

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer angeblich bei XXXX Aufenthalt nehmen könnte, vermag nicht einmal ansatzweise die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der bisherigen Anhaltung aufzuzeigen, wurde dieses Vorbringen doch erstmals in der Schubhaftbeschwerde vorgebracht.

Damit ist aber auch für die weitere Annahme erheblicher Fluchtgefahr im Hinblick auf die Finanzierung des Lebens des Beschwerdeführers nichts gewonnen:

Wie schon angeführt, hatte der Beschwerdeführer nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens seinen Lebensunterhalt durch Schwarzarbeit in einer Wäscherei finanziert.

Auch aktuell wäre er wiederum auf Schwarzarbeit angewiesen, was die Gefahr des Sich-im- Verborgenen-Haltens geradezu bedingt.

Zusätzlich kommt nun dazu, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich – nach seiner Identifizierung als afghanischer Staatsangehöriger am 10.07.2020 mit seiner jederzeitigen Abschiebung nach Afghanistan rechnen muss.

Dass sich der ausreiseunwillige Beschwerdeführer, wie auch in der Beschwerde mit dem Hinweis, wonach Ausreiseunwilligkeit keinen Schubhaftgrund darstelle, eingeräumt, zur behördlichen Verfügung bereit halte, um die mit ihm geplante Abschiebung zu realisieren, kann daher nicht einmal ansatzweise angenommen werden.

In Bezug auf die Beschwerdeargumentation, wonach „in Anbetracht der Covid-19 Pandemie ungewiss ist, ob der Beschwerdeführer in absehbarer Zeit abgeschoben werden kann“ ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH v. 27.04.2020, Ra 2020/21/0116 und jene des Bundesverwaltungsgerichtes zum bloß vorübergehenden Charakter der Krise zu verweisen.

Eine Unmöglichkeit der Abschiebung wurde aber nicht einmal in der Beschwerde behauptet – argum „ungewiss“. Zur Notwendigkeit der Berücksichtigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung siehe rechtliche Beurteilung.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer keiner entsprechenden Risikogruppe angehört – in der Schubhafteinvernahme gab er ausdrücklich an:

„F: Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen oder schwere Erkrankungen?

A: Ich bin gesund.“

Für die im Rahmen der Beschwerde gezogene Schlussfolgerung „Eine Abschiebung würde eine Verletzung nach Art 3 EMRK herbeiführen“ finden sich daher gerade im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte.

Da der Sachverhalt als geklärt anzusehen war, war von der Durchführung einer Verhandlung Abstand zu nehmen – der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass eine Verhandlung nicht einmal vom Beschwerdeführer selbst beantragt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2.

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung):

Gesetzliche Grundlagen:

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114; 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Vor dem Hintergrund des aktuell feststehenden Sachverhaltes, welcher aber in seiner Kernsubstanz des Bestehens von Fluchtgefahr bereits dem angeführten Mandatsbescheid zugrunde gelegt wurde und auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren waren, wird daher die rechtliche Beurteilung des Schubhaftbescheides, soweit nachfolgend nicht Abweichendes ausgeführt wird, zur gegenständlich rechtlichen Beurteilung erhoben: Die Verwaltungsbehörde hatte im Ergebnis zutreffend den Sachverhalt den Tatbeständen des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG unterstellt:

Ad § 76 Abs. 3 Z 1 FPG:

Der Beschwerdeführer verblieb nach dem mit 09.04.2019 rechtskräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens – Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W273 2160670-1, vom 08.04.2019, zugestellt am 09.04.2019 – untergetaucht und seinen Lebensunterhalt mit Schwarzarbeit bestreitend in Österreich; damit hat er eine mögliche Rückkehr oder Abschiebung nach Afghanistan nicht nur umgangen oder behindert, sondern gar verhindert.

Dass diese prinzipiell möglich ist, ergibt sich aus dem Umstand seiner nun während der Anhaltung in Haft erfolgten Identifizierung als afghanischer Staatsangehöriger.

Ad § 76 Abs. 3 Z 3 FPG:

Da all dies vor dem Hintergrund einer bestehenden rechtskräftigen Rückkehrentscheidung zu sehen ist, war auch §76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt, insbesondere erfolgte das Leben im Verborgenen im vollen Bewusstsein des negativen Abschlusses des Asylverfahrens – siehe Beweiswürdigung. Dem Beschwerdeführer kommt daher seit 19.04.2019 weder ein Aufenthaltsrecht noch Abschiebeschutz zu und bleibt die Beschwerde schuldig, auszuführen, inwiefern für den Beschwerdeführer aus der Rückführungs-RL etwas gewonnen ist.

Ad § 76 Abs. 3 Z 9 FPG:

Die ungeordneten Wohnverhältnisse und insbesondere die Verreichtung von Schwarzarbeit zur ausschließlichen Bestreitung des Lebensunterhaltes zeigen, wie wenig der Beschwerdeführer hier in Österreich sozial verankert ist und war und ist insofern auch § 76 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt.

Für die Anwendung des §76 Abs. 3 Z 5 FPG fehlen aber jegliche Ansatzpunkte, da der Beschwerdeführer weder einen Asylfolgeantrag stellte, schon gar nicht während der Anhaltung in Schubhaft.

Aufgrund des angeführten Verhaltens, welches den Schluss nahelegte, dass sich der Beschwerdeführer der drohenden Abschiebung entziehen würde, war auch kein gelinderes Mittel zu verhängen, wobei anzumerken ist, dass eine finanzielle Sicherheit schon wegen fehlender ausreichender Barmittel bzw. Vermögens ausschied.

Da der Beschwerdeführer erst seit 06.07.2020 in Haft befindlich ist, ist die bisherige Anhaltung als verhältnismäßig anzusehen. In Bezug auf die Covid-19-Krise ist nochmals auf den vorübergehenden Charakter zu verweisen – im Übrigen hatte der Beschwerdeführer die späte Inhaftierung durch sein Untertauchen selbst zu verantworten und könnte der Beschwerdeführer, wie die Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme richtig ausführt, durch die Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr zur Verkürzung der Inhaftierung beitragen – der Beschwerdeführer war und ist aber ausreiseunwillig.

Die Verwaltungsbehörde hatte ihrerseits rasch und unverzüglich die Ausstellung eines HRZ beantragt, sodass sich die Haft auch unter diesem Aspekt als verhältnismäßig darstellt.

Weil der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen verfügt, hier auch nicht legal arbeitet und arbeiten kann sowie keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung hat, war und ist dem Interesse des Staates am Vollzug fremdenrechtlicher Normen jedenfalls der Vorrang gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers an seiner Freiheit einzuräumen.

Zu Spruchpunkt A II. (Fortsetzung der Anhaltung):

Die entscheidungsrelevante Bestimmung des § 22 Abs. 3 BFA-VG idgF lautet:

Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

All das soeben Gesagte gilt auch für den Ausspruch der Fortsetzung der Anhaltung.; da die Ausstellung eines Heimreisezertifikates von der Verwaltungsbehörde offensichtlich zügig geführt wird, stößt auch die weitere Anhaltung in verhältnismäßiger Hinsicht auf keine Bedenken. Da der Beschwerdeführer zwischenzeitlich bereits als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, ist vor dem Hintergrund des vorübergehenden Charakters der Covid-19-Krise mit seiner zeitnahen Rückführung zu rechnen. Im Übrigen könnte der Beschwerdeführer durch die Bereitschaft, doch freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren, wesentlich an der Verkürzung der Haft beitragen.

Es war daher auch die Fortsetzung der Anhaltung auszusprechen.

Zu den Spruchpunkten III. undIV. (Kosten):

In der Frage des Kostenanspruches – beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22

(1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:

§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Be schwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

§ 35 VwGVG

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind § 35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:

(…)

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

Da die Verwaltungsbehörde völlig obsiegte, waren ihr die Kosten zuzusprechen; in diesem Sinne war der Verwaltungsbehörde Kostenersatz im Umfang des § 1 Z 3 und Z 4 VwG-Aufwandersatzverordnung, also in der Höhe von € 426,20 Euro, zuzusprechen.

Rechtslogischwerweise war das Kostenbegehren des Beschwerdeführers zu verwerfen.

Zu Spruchpunkt II. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft illegale Beschäftigung öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2233013.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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