TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W266 2225631-1

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W266 2225631-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 9.10.2019, OB: XXXX , betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in der Folge: belangte Behörde), wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 29.1.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten ein Grad der Behinderung von 40% vorliege.

Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig anerkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung in Höhe von 40% festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor, da gemäß § 40 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz der Grad der Behinderung mindestens 50% zu betragen habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, fristgerechten Beschwerde führt die Beschwerdeführerin ohne Vorlage weiterer Befunde - im Wesentlichen aus, dass sie vor allem wegen ihrer Wirbelsäulenleiden und ihrem Augenleiden eine Untersuchung durch einen Facharzt beantrage.

In der Folge wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein HNO, ein orthopädisches und ein allgemeinmedizinisches Gutachten eingeholt.

Mit Schreiben vom 1.4.2020 wurden die Gutachten der BF und der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs zur allfälligen Stellungnahme übermittelt.

Weder die BF noch die belangte Behörde haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, Einholung eines Gutachtens durch eine Fachärztin für Augenheilkunde und ein Gutachten einer Fachärztin für Orthopädie sowie Allgemeinmedizin, welche auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basieren, in die vorgelegten Befunde sowie Einholung eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin ist österreichischer Staatsbürger, am XXXX geboren und wohnhaft in 1160 Wien, XXXX .

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 160 cm, Gewicht 70 kg, Alter:53 Jahre

Caput:

klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein

Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel stt9ht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich, gleichzeitig möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte

Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, geringgradig Klopfschmerz über der unteren LWS.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 0 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität, Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild hinkfrei und unauffällig, zügig. Gesamtmobilität zügig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbstständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus:

Allseits orientiert Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Augenbefund:

Visus

rechts -13,0 sph +1,25 cyl 100° 1/24
Links -10,75 sph +2,0 cyl 75°         add +2,5 sph Jg 2

Beide Augen: VBA reizfrei, HH zentral klar

Linse klar

Fundus

rechts myope Papille, zentrale Narbe, myoper Fundus

links myope Papille mit Conus temp, zentral trocken, myoper Fundus mittlere Peripherie OB Augendruck re 16mmHg li 14mmHg

Gesichtsfeld links OB

Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin entsprechen der folgenden Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Hochgradige Kurzsichtigkeit und Astigmatismus beidseits, zentrale Netzhautnarbe rechts

Sehverminderung rechts auf 1/24 und links auf ca. 0,6

Tabelle Kolonne 9 Zeile 2

 

11.02.01

40

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden mit Lumboischialgie links bei geringgradigen bis mäßigen radiologischen Veränderungen ohne relevante funktionelle Beeinträchtigung.

02.01.01

20

3

Migräne

Oberer Rahmensatz, da keine gehäuften Anfälle und medikamentös kupierbar.

04.11.01

20

4

Allergische Rhinopathie mit Nasenatmungsbehinderung

Unterer Rahmensatz, da therapeutisch gut beeinflussbar, keine Polypose

12.04.03

10

5

Chronisch entzündliche Veränderungen der Nasenhaupthöhte und der Nasennebenhöhlen

Unterer Rahmensatz, da radiologisch nur geringe Veränderungen in den Nasennebenhölen beschrieben.

12.04.04

10

und beträgt der Grad der Behinderung 40%.

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten, welche auf persönlichen Untersuchungen basieren. Diese sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle, von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

Die augenärztliche Sachverständige ordnet das Leiden 1 (Hochgradige Kurzsichtigkeit und Astigmatismus beidseits, zentrale Netzhautnarbe rechts Sehverminderung rechts auf 1/24 und links auf ca. 0,6) der Position 11.02.01 der Position der EVO zu. Diese Position und der dort genannte Grad der Behinderung in Höhe von 40% entspricht der festgestellten Seheinschränkung der Beschwerdeführerin.

Das Leiden 2 (Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule) wurde von der orthopädischen/allgemeinmedizinischen Sachverständigen dem oberen Rahmensatz der Position 02.01.01 der EVO mit einem Grad der Behinderung von 20% zu, da rezidivierende Beschwerden mit Lumboischialgie links bei geringgradigen bis mäßigen radiologischen Veränderungen ohne relevante funktionelle Beeinträchtigung vorliegen. Dies entspricht den in der EVO genannten Kriterien (Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage), Mäßige radiologische Veränderungen. Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben. Keine Dauertherapie erforderlich).

Leiden 3 (Migräne) ordnet die orthopädische/allgemeinmedizinische Sachverständige dem oberen Rahmensatz der Position 04.11.01 der EVO mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20% zu, da keine gehäuften Anfälle gegeben sind und diese medikamentös kupierbar sind. Dies entspricht den in der EVO genannten Kriterien (10 %: Analgetika der WHO Stufe 1 oder Intervallprophylaxe; 20 %: Nicht opioidhaltige oder schwach opioidhaltige Analgetica, Intervallprophylaxe, Schmerzattacken an weniger als 10 Tagen pro Monat).

Leiden 4 (Allergische Rhinopathie mit Nasenatmungsbehinderung) schätzt die orthopädische/allgemeinmedizinische Sachverständige dem unteren Rahmensatz der Position 12.04.03 der EVO mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10% zu, da es therapeutisch gut beeinflussbar ist und keine Polypose gegeben ist. Dies entspricht den in der EVO genannten Kriterien (10 %: Ein- oder beidseitig bei leichter bis mäßiger Atembehinderung, Polypenbildung geringeren Ausmaßes; 20 %: Doppelseitig bei starker Atembehinderung, Polypenbildung geringeren Ausmaßes).

Auch das Leiden 5 (Chronisch entzündliche Veränderungen der Nasenhaupthöhte und der Nasennebenhöhlen) wird durch die orthopädische/allgemeinmedizinische Sachverständige schlüssig dem unteren Rahmensatz der Position 12.04.04 der EVO mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10% eingeschätzt, da radiologisch nur geringe Veränderungen in den Nasennebenhölen beschrieben sind. Auch dies entspricht den in der EVO genannten Kriterien (10 20 %: Ohne wesentliche Neben- oder Folgeerscheinungen; 30 – 40 %: Ständig erhebliche Eiterabsonderung, Trigeminusreizerscheinung, rezidivierende und schwere Polyposis, ein- oder beidseitig).

Ebenso nachvollziehbar begründet die orthopädische/allgemeinmedizinische Sachverständige den Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40%, da sie schlüssig darlegt, dass das Leiden 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht wird, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Die gegenständlichen Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

11.02.01

Störung des zentralen Sehens

(Sehschärfe mit Korrektur)

nach Tabelle

Sehschärfe

1 – 0,8

0,6 – 07

¾ –

2/3

0,5

½

0,3

1/3

0,2

0,16

1/6 –

1/8

0,1

1/10

0,05

1/20

GdB

in %

1 – 0,8

0

0

10

10

20

20

20

30

30

0,6 – 0,7

¾ –

2/3

0

10

20

20

30

30

30

40

40

0,5

1/2

10

20

30

30

30

40

40

40

40

0,3

1/3

10

20

30

40

40

50

50

50

60

0,2

20

30

30

40

50

50

60

60

70

0,16

1/6 –

1/8

20

30

40

50

50

60

70

70

80

0,1

1/10

20

30

40

50

60

70

70

80

80

0,05

1/20

30

40

40

50

60

70

80

90

90

GdB

in %

30

40

40

6

70

80

80

90

100

02.01.01

Funktionseinschränkungen geringen Grades

10 – 20 %

Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage)

Mäßige radiologische Veränderungen

Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben

Keine Dauertherapie erforderlich

04.11.01

Chronisches Schmerzsyndrom Leichte Verlaufsform

10 – 20 %

10 %:

Analgetika der WHO Stufe 1 oder Intervallprophylaxe

20 %:

Nicht opioidhaltige oder schwach opioidhaltige Analgetica, Intervallprophylaxe

Schmerzattacken an weniger als 10 Tagen pro Monat

12.04.03

Verengung der Nasengänge

10 – 20 %

10 %:

Ein- oder beidseitig bei leichter bis mäßiger Atembehinderung,

Polypenbildung geringeren Ausmaßes

20 %: Doppelseitig bei starker Atembehinderung, Polypenbildung geringeren Ausmaßes

12.04.04

Chronisch entzündliche Veränderungen der

Nasenhaupthöhle und der Nasennebenhöhlen

10 – 40 %

10 20 %: Ohne wesentliche Neben- oder Folgeerscheinungen

30 – 40 %:

Ständig erhebliche Eiterabsonderung, Trigeminusreizerscheinung, rezidivierende und schwere

Polyposis, ein- oder beidseitig

Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Daraus folgt:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten entsprechen den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und werden aus den unter Punkt 2 näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.

Die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin betragen aufgrund des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachtens, wie festgestellt, 40% da diese, wie bereits oben ausgeführt, von den Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den oben genannten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden.

Da der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin sohin entsprechend § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung iVm Punkt 11.02.01, 02.02.01, 04.11.01, 12.04.03 und 12.04.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung 40% beträgt und die Beschwerdeführerin über einen Wohnsitz im Inland verfügt, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Wurde – wie im vorliegenden Fall – kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur („rather technical in nature“) sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt („the outcome depended on the written medical opinions“) unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten und als schlüssig erachteten Gutachten von medizinischen Sachverständigen gegen die die Beschwerdeführerin keine Einwände erhoben hat. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W266.2225631.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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