TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W154 2226662-6

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W154 2226662-6/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: 1110638503-191208710 über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 06.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens stellte der BF am 30.01.2020 einen Folgeantrag.

2. Während des (ersten) Asyl- bzw. Beschwerdeverfahrens wurde der BF im Bundesgebiet wiederholt straffällig und wurde drei Mal von inländischen Landesgerichten rechtskräftig verurteilt. Er befand sich in Untersuchungshaft bzw. Strafhaft. Zudem wurde gegen den BF ein Waffenverbot verhängt.

3. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 23.08.2019 wurde dem BF Parteiengehör zur beabsichtigten weiteren Vorgangsweise – Verhängung der Schubhaft – geboten. Ihm wurde dabei ein konkreter Fragenkatalog zur Beantwortung und ausführlichen Stellungnahme übermittelt. Er machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und wirkte am weiteren Verfahren nicht mit.

4. Am 29.11.2019 wurde gegen den BF ein Schubhaftbescheid erlassen und über ihn die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Im Anschluss an eine Strafhaft wurde der BF am 03.12.2019 in Schubhaft überstellt.

Seit 03.12.2019 wird der BF in Schubhaft angehalten.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17.02.2020 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 30.01.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Des Weiteren wurde gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für die Dauer von 8 Jahren erlassen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020, W140 2193826-2, dem Rechtsvertreter des BF zugestellt am 16.03.2020, als unbegründet abgewiesen.

6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020 und 26.06.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

7. Am 16.07.2020 legte das BFA den Verwaltungsakt erneut gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vor. In der erstatteten Stellungnahme verwies das Bundesamt nach Darlegung des maßgeblichen Verfahrensganges im Wesentlichen auf die mehrfachen strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, auf das gegen den BF bestehende Waffenverbot, auf das ordnungswidrige Verhalten des BF im Stande der Schubhaft durch Einschmuggeln eines Mobiltelefons in seine Zelle sowie darauf, dass der BF bereits dreimal versucht habe, mittels Hungerstreiks die Beendigung der Schubhaft zu erreichen. Der BF sei zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gewillt gewesen, die österreichischen Gesetze zu respektieren, weshalb dem BF jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden müsse. Sicherheitsbedarf und Verhältnismäßigkeit seien aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF nach wie vor gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der genannten Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates sowie einer zeitnahen Abschiebung des BF innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu rechnen.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidungen.

Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates sowie einer zeitnahen Abschiebung des BF ergeben sich aus der Stellungnahme des BFA vom 22.06.2020 zum Überprüfungsverfahren zur Zahl W281 222662-5/9. Das BFA hat darin dargelegt, dass eine Abschiebung aktuell lediglich aufgrund der herrschenden Grenzschließungen (COVID-19) nicht durchgeführt werden könne. Erste Charterplanungen würden bereits wieder für den Zeitraum 01.09 – 03.09.2020 vorliegen (JRO Afghanistan). Sollten die Grenzschließungen früher beendet werden, so die Ausführungen in der Stellungnahme, könne eine Abschiebung aufgrund r.k. Abschlusses sämtlicher Verfahren und jederzeitiger Ausstellbarkeit eines Heimreisezertifikates auch früher angesetzt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des BF – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der BF seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gegenständlich sind jedenfalls der Tatbestände der Z. 2 und 4 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Der BF hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um die Abschiebung des BF bemüht hat, auch verhältnismäßig. Der Flugverkehr kam zwar aufgrund der COVID-19-Krise im März 2020 beinahe gänzlich zum Erliegen. Zwar ist der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit weiterhin sehr stark eingeschränkt. Anhaltspunkte, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten keine Abschiebung des BF möglich wäre, sind nicht gegeben, hat das BFA in seiner Stellungnahme vom 22.06.2020 doch dargelegt, dass erste Charterplanungen bereits wieder für den Zeitraum 01.09. – 03.09.2020 vorliegen würden, und sollten die Grenzschließungen früher beendet werden, so könnte eine Abschiebung aufgrund der jederzeitigen Ausstellbarkeit eines Heimreisezertifikates auch früher angesetzt werden.

Weiters wird festgehalten, dass eine Abschiebung nicht die Wiederaufnahme des regulären, touristischen Flugbetriebes voraussetzt.

Das Verhalten des BF in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

3.4. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2226662.6.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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