TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 G306 2205763-1

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G306 2205763-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , StA: Kosovo, vertreten durch die RAin Maga Doris EINWALLNER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2018, Zl.: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2019, zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerdeführerin wird in Stattgabe der Beschwerde gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm. 55 Abs. 1 AsylG, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am 18.07.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs 1 AsylG, konkret einer „Aufenthaltsberechtigung plus“. Am 01.05.2018 wurde sie dazu vor dem BFA vernommen.

2. Mit Schreiben vom 28.05.2018 wurde der BF seitens des BFA die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde eine Frist von 14 Tagen, ab Zustellung, eingeräumt. Am 13.06.2018 langte per Mail, von der damaligen Rechtsvertretung (im Folgenden: RV), eine Stellungnahme ein.

3. Mit dem oben im Spruch angeführten und nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen die BF gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt (Spruchpunkt V.).

4. Dagegen richtet sich die per Telefax am 11.09.2018 beim BFA eingebrachte Beschwerde mit den Antrag, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid des BFA vollinhaltlich aufzuheben, in eventu die Angelegenheit zur Sanierung und zur Neuerlassung eines Bescheides an das BFA zurückverweisen und die beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen.

5. Die Beschwerde und die Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 17.09.2018 einlangten.

6. Mit Verbesserungsauftrag vom 08.10.2018 wurde der BF aufgetragen, dem Gericht eine unterfertigte Vertretungsvollmacht in Vorlage zu bringen.

7. Am 09.10.2018 langte per Fax eine unterfertige Vollmachturkunde beim BVwG ein.

8. Am 07.02.2019 langte per elektronischen Rechtsverkehr die Vollmachtsbekanntgabe der nunmehr ausgewiesenen RV ein.

9. Das BVwG führte am 30.04.2019 an der Außenstelle in Graz eine mündliche Verhandlung durch, an der die BF sowie ihre RV teilnahmen. Die belangte Behörde nahm – trotz Ladung – an der Verhandlung nicht teil.

10. Mit Erkenntnis des BVwG, G306 2205763-1/9E, vom 09.07.2019, wurde der Beschwerde der BF stattgegeben und festgestellt, dass eine Abschiebung der BF nach Kosovo gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist, sowie der BF gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

11. Mit Erkenntnis des VwGH vom 17.04.2020, Ra 2019/21/0251 bis 0253, wurde einer, sich gegen die Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ gerichteten außerordentlichen Revision der BF stattgegeben und das unter I.10. genannte Erkenntnis im besagten Umfang (Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“) aufgehoben.

Feststellungen:

Die BF führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehörige von Kosovo.

Die BF hält sich seit Oktober 2013 durchgehend im Bundesgebiet auf und geht keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach.

Die BF verfügte zwischen 22.11.2013 – 21.11.2014 sowie 22.11.2014 – 21.11.2015 über einen Aufenthaltstitel Studierende. Ihren letzten Verlängerungsantrag stellte sie am 13.11.2015 und wurde dieser mit 19.02.2016 abgewiesen. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Wien abgewiesen.

In strafgerichtlicher Hinsicht erweist sich die BF als unbescholten.

Die BF hat im Kosovo 8 Jahre die Grundschule und danach 4 Klassen der Medizinischen Mittelschule, Fachrichtung Apothekentechniker, besucht und diese am XXXX .2003 mit Auszeichnung abgeschlossen. Die besagte Ausbildung enthielt nicht nur fachspezifische, sondern auch allgemeinbildende Unterrichtsfächer.

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, GZ XXXX , vom XXXX .2016 wurde festgestellt, dass die Ausbildung der BF an besagter Berufsmittelschule im Kosovo dem Beruf Apothekentechniker im Lehrberuf Pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin gemäß § 27a Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz gleich kommt.

Die BF legte zudem im Jahr 2013 an der Universität XXXX die Ergänzungsprüfung aus Deutsch erfolgreich ab.

Mit Erkenntnis des BVwG, G306 2205763-1/9E, vom 09.07.2019, wurde, in Stattgabe der Beschwerde der BF, festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf die BF gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. Unter einem wurde der BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

Mit Erkenntnis des VwGH, Ra 2019/21/0251 bis 253, vom 17.04.2020, wurde in Stattgabe einer Revision der BF, das zuvor genannte Erkenntnis des BVwG im Umfang der Zuerkennung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 2 AsylG, aufgehoben.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen beruhen vorwiegend auf den Angaben der BF in ihrem ursprünglichen Antrag und bei der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung sowie auf den von ihr vorgelegten Unterlagen.

Die Identität der BF wird durch den (dem BVwG in Kopie vorliegenden) unbedenklichen Reisepass belegt. Die erfolgreiche Ablegung einer Ergänzungsprüfung aus Deutsch an der Universität Wien ergibt sich aus der in Vorlage gebrachten Zeugnisbestätigung. (siehe OZ 7)

Der Inlandsaufenthalt der BF ergibt sich aus ihrer Aussage und den Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Der Besitz von Aufenthaltstiteln sowie die Abweisung des letzten Verlängerungsantrages sind im Fremdenregister dokumentiert.

Die Erwerbslosigkeit der BF ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug und geht die Unbescholtenheit der BF aus dem Strafregister hervor.

Der Besuch und der positive Abschluss der oben genannten Berufsmittelschule im Herkunftsstaat ergibt sich aus in Vorlage gebrachte Schulzeugnisse sowie einem Abschlussdiplom der besagten Schuleinrichtung (siehe OZ 7). Die Feststellung zu den Ausbildungsinhalten beruht ebenfalls auf der Vorlage der erwähnten Schulzeugnissen, welchen entnommen werden kann, dass neben fachspezifischen Unterrichtseinheiten auch allgemeinbildende Fächer, wie albanische Sprachliteratur, Englisch, Mathematik, Physik, Philosophie, unterrichtet wurde.

Die Feststellung der Gleichwertigkeit der besagten Schulausbildung der BF mit dem oben genannten Lehrberuf in Österreich beruht auf einer Ausfertigung des oben zitierten Bescheides (siehe OZ 7).

Rechtliche Beurteilung:

3. Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels:

3.1.1. Die BF ist als Staatsangehörige des Kosovo Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs 5 AsylG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG persönlich beim BFA zu stellen. Gemäß § 58 Abs 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen. Gemäß § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Bei der Beurteilung, ob die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Interesse des BF auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit seiner Einreise einzubeziehen.

3.1.2. Mit dem oben zitierten Erkenntnis des VwGH, Ra 2019/21/0251, vom 17.04.2020, wurde das Erkenntnis des BVwG, G306 2205765-1/9E, vom 09.07.2019, im Umfang der Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ an die BF gemäß § 55 Abs. 2 AsylG behoben. In einem wurde vom VwGH die vom BVwG im besagten Erkenntnis getroffene Feststellung einer dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für weiterhin als bindend angesehen.

Demzufolge ist – aufgrund rechtskräftiger – Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung mit besagtem Erkenntnis des BVwG, jedenfalls vom Vorliegen der Voraussetzungen iSd. § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm. § 9 Abs. 2 BFA-VG auszugehen (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH umsetzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist). Gegenständlich ist sohin einzig darüber abzusprechen, ob der BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG oder Abs. 2 leg. cit. zu erteilen ist, sofern keine Erteilungshindernisse vorliegen.

3.1.3. Der mit „Modul 1 der Integrationsvereinbarung“ betitelte § 9 IntG lautet auszugsweise wie folg:

„§ 9. …

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

…“

Der mit „Modul 2 der Integrationsvereinbarung“ betitelte § 10 IntG lautet auszugsweise wie folg:

„§ 10 (1) …

(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 18, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,

6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.

(3) …“

Der mit „Modul 1 der Integrationsvereinbarung“ betitelte zunächst mit BGBl. I Nr. 68/2017 und letztlich mit BGBl. I Nr. 145/20147 zum 30.September 2017 (siehe § 82 Abs. 24 NAG) aufgehobene § 14a NAG lautete auszugsweise wie folgt:

„§ 14a. (1) …

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

(5) …“

Der mit „Modul 2 der Integrationsvereinbarung“ betitelte zunächst mit BGBl. I Nr. 68/2017 und letztlich mit BGBl. I Nr. 145/20147 zum 30.September 2017 (siehe § 82 Abs. 24 NAG) aufgehobene § 14b NAG lautete auszugsweise wie folgt:

„§ 14b (1) …

(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat,

6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ an einer ausländischen Schule nachweist, in der die deutsche Sprache als Unterrichtsfach zumindest auf dem Niveau der 9. Schulstufe einer österreichischen Pflichtschule gelehrt wird oder

7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, verfügt.

(3) …“

Gemäß § 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG bis zu dessen Außerkrafttreten mit Ablauf des 30.09.2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Der mit „Aufgabe der berufsbildenden mittleren Schulen“ betitelte § 52 Schulorganisationsgesetz (SchOG) lautet wie folgt:

„(1) Die berufsbildenden mittleren Schulen haben die Aufgabe, den Schülern jenes fachliche grundlegende Wissen und Können zu vermitteln, das unmittelbar zur Ausübung eines Berufes auf gewerblichem, technischem, kunstgewerblichem, kaufmännischem oder hauswirtschaftlichem und sonstigem wirtschaftlichen oder sozialem Gebiet befähigt. Zugleich haben sie die erworbene Allgemeinbildung in einer der künftigen Berufstätigkeit des Schülers angemessenen Weise zu erweitern und zu vertiefen.

(2) Zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung sind interessierte Schüler nach Möglichkeit durch Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht und durch Freigegenstände zu fördern.“

Gemäß § 53 SchOG schließen berufsbildende mittlere Schulen an die 8. Schulstufe an und umfassen je nach ihrer Art eine bis vier Schulstufen (9., 10., 11. und 12. Schulstufe). (Abs. 1), wobei jede Schulstufe einer Klasse zu entsprechen hat. (Abs. 2).

3.1.4. Die BF verfügt über einen positiven Abschluss der Medizinischen Mittelschule, Fachrichtung Apothekentechniker der vierten Stufe der Berufsausbildung, in XXXX (Kosovo) vom XXXX .2003. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, vom XXXX .2016, wurde festgestellt, dass die besagte Ausbildung der BF im Herkunftsstaat dem Lehrberuf Pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin gemäß § 27a Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz in Österreich gleich kommt. Zudem hat die BF die Ergänzungsprüfung Deutsch an der Universität XXXX am XXXX .2016 positiv abgelegt.

Die BF hat sohin nach Abschluss von 8 Jahren Grundschule 4 Klassen einer Berufsmittelschule im Herkunftsstaat besucht und letztlich diese mit Erfolg abgeschlossen. Mit oben zitiertem Bescheid wurde der BF bestätigt, das die besagte Ausbildung – zumindest – dem Abschluss des Lehrberufes der pharmazeutischen Assistentin nach österreichischem Recht entspricht.

Vor diesem Hintergrund, insbesondere mit Blick auf die einschlägigen Bestimmungen des Schulorganisationsgesetzes, wonach eine berufsbildende mittlere Schule die Aufgabe verfolgt, „den Schülern jenes fachliche grundlegende Wissen und Können zu vermitteln, das unmittelbar zur Ausübung eines Berufes auf gewerblichem, technischem, kunstgewerblichem, kaufmännischem oder hauswirtschaftlichem und sonstigem wirtschaftlichen oder sozialem Gebiet befähigt“, zugleich die erworbene Allgemeinbildung in einer der künftigen Berufstätigkeit angemessenen Weise zu erweitern und zu vertiefen, an die 8. Schulstufe anschließt und je nach ihrer Art eine bis vier Schulstufen/Schulklassen umfasst, ist davon auszugehen, dass aufgrund der von der BF nachgewiesenen, an eine 8-jährige Grundschulbildung anschließende 4-jährige schulische Ausbildung, die zur Befähigung des Nachgehens eines in Österreich anerkannten Berufes befähigt und zusätzlich allgemeinbildende Inhalte vermittelt, die Voraussetzungen iSd. § 9 Abs. 4 Z 3 IntG iVm. § 14a Abs. 4 Z 3 NAG idF. BGBl. 38/2011 iVm § 81 Abs. 36 NAG gegenständlich erfüllt sind. In Ermangelung des Vorliegens von Ausschlussgründen iSd. § 60 AsylG ist der BF sohin ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Rechtsanschauung des VwGH Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2205763.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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