TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/29 W281 2231630-3

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W281 2231630-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 13.11.2013 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.    Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 26.04.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

1.2.    Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2019 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 17.12.2019 in Rechtskraft.

1.3.    In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

1.4.    Aus diesem Grund wurde vom Bundesamt die Abschiebung in den Herkunftsstaat für den 04.02.2020 geplant und gebucht. Der Beschwerdeführer tauchte jedoch unter, indem er seine Unterkunft verließ und sich ab diesem Zeitpunkt unbekannten Ortes aufhielt. Aus diesem Grund musste die Abschiebung storniert werden.

1.5.    Das Bundesamt erließ in weiterer Folge einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG.

1.6.    Am 13.02.2020 versuchte der Beschwerdeführer illegal nach Deutschland weiterzureisen, wobei er von den deutschen Grenzbeamten angehalten und am 14.02.2020 nach Österreich zurückgewiesen wurde. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer festgenommen und stellte am 14.02.2020 aus dem Stande der Anhaltung einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag). Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer u.a. an, nicht in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen.

1.7.    Mit Aktenvermerk vom selben Tag hielt das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anhaltung aufgrund des erlassenen Festnahmeauftrages gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG fest. Dieser Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer persönlich ausgefolgt.

1.8.    Mit Bescheid vom 14.02.2020 ordnete das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer in weiterer Folge keine Beschwerde erhoben.

1.9.    Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 04.03.2020 wurde der dem Beschwerdeführer gemäß § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

1.10.   Am 06.03.2020 wurde der Beschwerdeführer einer afghanischen Delegation vorgeführt und in weiterer Folge für ihn am 11.03.2020 ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

1.11.   Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig gewesen ist. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

1.12.   Der Beschwerdeführer befand sich von 11.04.2020 bis 18.04.2020 in Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

1.13.   Am 25.05.2020 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ein. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers war jedoch in der Folge wegen der andauernden pandemiebedingten Einschränkungen aufgrund von COVID-19 im internationalen Flugverkehr bisher nicht möglich.

1.14.   Das Bundesamt führte am 10.03.2020, am 02.04.2020, am 30.04.2020 und am 26.05.2020 Schubhaftprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durch.

2.1.    Am 05.06.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

2.2      Am 29.06.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Im Zuge der Vorlage wurde vom Bundesamt nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Es bestehe weiterhin aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Aufgrund des Untertauchens des Beschwerdeführers habe der für Februar 2020 gebuchte Abschiebetermin storniert werden müssen. In weiterer Folge habe eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers wegen der Stellung eines Asylfolgeantrages nicht vorangetrieben werden können. Nach Rechtskraft der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes liege nunmehr ein Heimreisezertifikat der afghanischen Botschaft für den Beschwerdeführer vor. Aufgrund der noch immer vorliegenden Mobilitätsbeschränkungen aufgrund der COVID-19 Pandemie habe eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat jedoch noch nicht durchgeführt werden können.

Am 01.07.2020 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zur gegenständlichen amtswegigen Schubhaftüberprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG eingebracht. Im Zuge dieser Stellungnahme wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass entgegen der Ansicht der Behörde im gegenständlichen Fall keine Fluchtgefahr mehr vorliege. Der Beschwerdeführer würde sich im Falle der Entlassung aus der Schubhaft nicht dem behördlichen Verfahren entziehen. Er wäre kooperativ und würde sich für fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Verfügung halten. Zudem sei die Aufrechterhaltung der Schubhaft auch nicht mehr verhältnismäßig. Dass eine Abschiebung bis dato nicht möglich gewesen sei, sei der notorischen Situation hinsichtlich der Reisebeschränkungen aufgrund der COVID-19 Pandemie geschuldet gewesen. Dieser Umstand sei jedoch weder der Behörde noch dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Dass es in naher Zukunft eine Abschiebung nach Afghanistan geben werde, sei zurzeit noch sehr spekulativ. Zwar werde der Flugverkehr langsam wieder aufgenommen, dies betreffe aber in erster Linie Staaten in Europa. Es könne daher überhaupt noch nicht abgeschätzt werden, wann wieder Linienflüge nach Afghanistan aufgenommen werden würden. Auch sei vom Bundesamt nicht dargelegt worden, ob in naher Zukunft eine Charterabschiebung nach Afghanistan geplant bzw. terminisiert sei. Aus aktueller Sicht sei daher keineswegs gesichert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der Schubhafthöchstdauer durchgeführt werden könne. Zudem sei der Beschwerdeführer unbescholten und sei somit sein Interesse an seiner persönlichen Freiheit gegenständlich höher zu werten, als das Interesse der Behörde an der Fortsetzung der Schubhaft. Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

2.3. Am 20.07.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Im Zuge der Vorlage wurde vom Bundesamt nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Es bestehe weiterhin aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Aufgrund des Untertauchens des Beschwerdeführers habe der für Februar 2020 gebuchte Abschiebetermin storniert werden müssen. In weiterer Folge habe eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers wegen der Stellung eines Asylfolgeantrages nicht vorangetrieben werden können. Nach Rechtskraft der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes liege nunmehr ein Heimreisezertifikat der afghanischen Botschaft für den Beschwerdeführer vor. Aufgrund der noch immer vorliegenden Mobilitätsbeschränkungen aufgrund der COVID-19 Pandemie habe eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat jedoch noch nicht durchgeführt werden können und sei damit ab Oktober 2020 zu rechnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wird seit 14.02.2020 in Schubhaft angehalten.

Es liegt ein Heimreisezertifikat der afghanischen Botschaft für den Beschwerdeführer vor. Einen Reisepass besitzt der Beschwerdeführer nicht.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Eine signifikant erhöhte Gefahr einer Infektion mit COVID-19 besteht im Polizeianhaltezentrum, wo der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wird, nicht.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Kontakte in Österreich. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

1.2.    Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

1.2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.11.2013 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.04.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2019 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 17.12.2019 in Rechtskraft.

1.2.2. In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Aus diesem Grund wurde vom Bundesamt die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat für den 04.02.2020 geplant und gebucht. Der Beschwerdeführer tauchte jedoch unter, indem er seine Unterkunft verließ und sich ab diesem Zeitpunkt unbekannten Ortes aufhielt und für die Behörde zwischen 04.02.2020 und 14.02.2020 nicht greifbar war. Aus diesem Grund musste die Abschiebung storniert werden. Er kam in diesem Zeitraum seiner Meldeverpflichtung nicht nach.

1.2.3. Am 13.02.2020 versuchte der Beschwerdeführer illegal nach Deutschland weiterzureisen, wobei er von den deutschen Grenzbeamten angehalten und am 14.02.2020 nach Österreich zurückgewiesen wurde. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer festgenommen und stellte am 14.02.2020 aus dem Stande der Anhaltung einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

Mit Bescheid vom 14.02.2020 ordnete das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer in weiterer Folge keine Beschwerde erhoben.

1.2.4. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 04.03.2020 wurde der dem Beschwerdeführer zukommende faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig gewesen ist. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

1.2.5. Über den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz hat das Bundesamt bisher noch nicht entschieden.

1.2.6. Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit seine Ausreiseverpflichtung missachtet, seine Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen verhindert sowie während seiner aufgrund eines Festnahmeauftrages erfolgten Anhaltung einen Asylfolgeantrag gestellt. Er hat sohin mehrmals gegen verwaltungsrechtliche Normen verstoßen bzw. Handlungen gesetzt, um sich weiter illegal in Österreich aufzuhalten. Weiters hat er versucht, sich unrechtmäßig nach Deutschland abzusetzen, um so einer Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich zuvorzukommen. Zudem befand sich der Beschwerdeführer von 11.04.2020 bis 18.04.2020 in Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

1.3.7. Das Bundesamt ist hat ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet und besteht seit 03.02.2020 ein Heimreisezertifikat. Mittlerweile wurde der Beschwerdeführer der afghanischen Vertretungsbehörde erneut vorgeführt und hat diese für ihn am 11.03.2020 ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Im Hinblick auf sein Verhalten ist der Beschwerdeführer selbst ursächlich für die Dauer der Schubhaft verantwortlich.

1.3.8. Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen innerhalb dieses Zeitraumes durchführbar sind. Ab Anfang Herbst 2020 (Oktober) sind erneut Abschiebungen nach Afghanistan geplant.

1.3.9. Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft und des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bzw. der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hat sich seit der letzten gerichtlichen Überprüfung am 02.07.2020 nicht ergeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vorgegeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die vorangegangenen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend (Geschäftszahlen 2128258-1 und 2128258-2), in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers (Geschäftszahl 2231630-1 und 2231630-2), in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus den unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten der vorgelegten Verwaltungsakte und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans handelt, beruht im Wesentlichen auf den (diesbezüglich gleichbleibenden) Angaben des Beschwerdeführers in seinen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren. Gegenteiliges wurde von ihm auch nicht behauptet und ist in den bisherigen Verfahren auch nicht hervorgekommen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

Dass der Beschwerdeführer seit 14.02.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich zum einen aus einer Einsichtnahme in die Akten seiner Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren und zum anderen aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich ebenfalls keine Einträge finden, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Der von 11.04.2020 bis 18.04.2020 dauernde Hungerstreik wurde vom Beschwerdeführer freiwillig wieder beendet. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass auch weiterhin keine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegt. Hinweise, dass der Beschwerdeführer einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er in Schubhaft angehalten wird, ausgesetzt ist, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer über keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage und den bisherigen Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren.

2.3.    Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Der Stand des Asylverfahrens und der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers ergeben sich aufgrund der Aktenlage.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit dem 04.02.2020 seiner Meldeverpflichtung in Österreich nicht nachgekommen ist und sich bis zu seiner Festnahme am 14.02.2020 im Verborgenen aufgehalten hat, ergibt sich aus einem im Akt einliegenden Auszug des Zentralen Melderegisters und dem Bescheid vom 14.02.2020 der auf einen Bericht der PI Wels Pernau verweist.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 13.02.2020 versucht hat illegal nach Deutschland weiterzureisen, wobei er von den deutschen Grenzbeamten angehalten und wieder nach Österreich zurückgewiesen wurde, ergibt sich aus dem im Akt des Bundesamtes einliegenden Polizeibericht über die Einreiseverweigerung vom 13.02.2020.

Die Feststellung zum Hungerstreik durch den Beschwerdeführer beruht auf der diesbezüglichen Eintragung in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus dem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere der Missachtung der Ausreiseverpflichtung, der Verhinderung der Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, den Versuch, sich nach Deutschland abzusetzen, der Stellung eines Asylfolgeantrages während der aufgrund eines Festnahmeauftrages erfolgten Anhaltung sowie dem Verhalten während der Schubhaft (Hungerstreik, um die Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen).

Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird. An dieser Einschätzung vermag auch der am 25.05.2020 eingebrachte Antrag auf freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat nichts zu ändern, zumal der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz noch immer aufrechterhält und das diesbezügliche Verfahren beim Bundesamt noch anhängig ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher zusammenfassend weiter davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. In einer Gesamtschau ergibt sich daher, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist und aktuell Fluchtgefahr sowie Sicherungsbedarf bestehen. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels aktuell nicht vor. Die Ausführungen im Rahmen der Stellungnahme vom 01.07.2020 (zu 2231630-2) gehen somit weiterhin ins Leere.

Das Vorliegen eines Heimreisezertifikates der afghanischen Vertretungsbehörde für den Beschwerdeführer seit dem 11.03.2020 ergibt sich eindeutig aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes.

Dass es aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie zu Verzögerungen hinsichtlich der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat wegen der vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen kommt, ist evident. Es ist aber davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - wieder substantiell gelockert werden und eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat spätestens dann erfolgen kann. Abschiebungen nach Afghanistan auf dem Luftweg sind bereits vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie regelmäßig durchgeführt worden. Sobald der Flugverkehr nach Afghanistan wieder aufgenommen wird, steht einer Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nichts entgegen, zumal auch schon von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausgestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch die Möglichkeit besteht, den Beschwerdeführer mittels Charterabschiebung nach Afghanistan zu verbringen, womit das Bundesamt nicht an die Wiederaufnahme der Linienflüge gebunden ist. Dass die Abschiebung des Beschwerdeführers voraussichtlich Anfang Herbst 2020 organisiert wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie der Stellungnahme des Bundesamtes vom 20.07.2020. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 02.07.2020 (Zeitpunkt der letzten amtswegigen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung) ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ist weiterhin gegeben - es gibt auch in dieser Hinsicht keinerlei Hinweis für diesbezügliche Änderungen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu Spruchteil A) - Fortsetzung der Schubhaft:

3.1.1.  Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2.  Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; VwGH 23.09.2010, 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (VwGH 22.05.2007, 2006/21/0052; VwGH 29.04.2008, 2008/21/0085; VwGH 28.02.2008, 2007/21/0512; VwGH 28.02.2008 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird. (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung nur ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3.  Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft

3.1.3.1. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Bundesverwaltungsgericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann:

3.1.3.2. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.

Über den Folgeantrag des Beschwerdeführers vom 14.02.2020 hat das Bundesamt noch nicht entschieden. Dem Beschwerdeführer wurde zusätzlich nach Stellung seines Folgeantrages der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Mit Erkenntnis vom 10.03.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war. Da der Beschwerdeführer seinen Folgeantrag während aufrechter Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrages gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG stellte, ist bei der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht erforderlich.

3.1.3.3. Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf

Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Gemessen an § 76 Abs. 3 FPG, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 5, 6 lit. b und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der der laufenden Haft ursprünglich zugrundeliegende Schubhaftbescheid durch den Beschwerdeführer nicht in Beschwerde gezogen wurde und darüber hinaus vom Bundesverwaltungsgericht bereits mit Erkenntnissen vom 15.06.2020 und 02.07.2020 festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Der Beschwerdeführer ist nicht kooperativ, er hat seine für 04.02.2020 geplante Abschiebung dadurch vereitelt, dass er untergetaucht ist und hat versucht sich in der Folge nach Deutschland abzusetzen. Er ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert, er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz und über kein gesichertes Einkommen. Der Beschwerdeführer hat während seiner Anhaltung in Schubhaft am 14.02.2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Kontakte in Österreich. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

Aufgrund dieses Verhaltens bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen, dies auch vor dem Hintergrund des bereits für ihn ausgestellten Heimreisezertifikates durch die afghanische Botschaft.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer auch keine substantiellen Bindungen oder Kontakte in Österreich oder einen gesicherten Wohnsitz. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.3.4. Höchstzulässige Dauer der Schubhaft

Der Beschwerdeführer wird seit 14.02.2020 in Schubhaft angehalten. Die Dauer von sechs Monaten Schubhaft wird am 14.08.2020 erreicht. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Anhaltung in Schubhaft nur mehr unter den Voraussetzungen des § 80 FPG gegeben. Da eine Abschiebung im Herbst 2020 wahrscheinlich ist, ist auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 80 FPG erfüllt sind.

Beim Beschwerdeführer ist § 80 Abs. 4 Z 4 FPG erfüllt, da er die Abschiebung dadurch, dass er von 04.02.2020 bis 14.02.2020 unbekannten Aufenthaltes war und so seine Abschiebung verhindert hat und versucht hat, sich am 13.03.2020 nach Deutschland abzusetzen sowie während der Anhaltung einen Asylfolgeantrag gestellt hat und sich somit bereits mindestens einmal dem Verfahren entzogen hat bzw. ein sonstiges Abschiebehindernis zu vertreten hat. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich. Eine Anhaltung innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten bei Vorliegen der Voraussetzungen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist somit grundsätzlich zulässig.

3.1.3.5. Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft

Die Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist im Wesentlichen auf die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie zurückzuführen, da im gegenständlichen Fall für den Beschwerdeführer von der afghanischen Vertretungsbehörde bereits ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden ist. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass bei rechtmäßigem Verhalten des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall die Verhängung einer Schubhaft gar nicht notwendig gewesen wäre, da wie den Feststellungen zu entnehmen ist, vom Bundesamt die Abschiebung in den Herkunftsstaat bereits für den 04.02.2020 geplant und gebucht gewesen ist. Die Abschiebung musste jedoch storniert werden, da der Beschwerdeführer untertauchte und sich dadurch dem Zugriff der Behörden entzog. Zusätzlich versuchte der Beschwerdeführer sich nach Deutschland abzusetzen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung einen Asylfolgeantrag ausschließlich deshalb gestellt, um seine Abschiebung zu verzögern und seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Kontakte in Österreich. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

Zusätzlich befand sich der Beschwerdeführer von 11.04.2020 bis 18.04.2020 in Hungerstreik um seine Freilassung zu erpressen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (Missachtung der Ausreiseverpflichtung, Verhinderung der Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, Versuch, sich nach Deutschland abzusetzen, Stellung eines Asylfolgeantrages während der aufgrund eines Festnahmeauftrages erfolgten Anhaltung sowie Hungerstreik, um die Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung und eines geordneten Fremdenwesens den Schutz der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die seit 14.02.2020 aufrechte Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Selbst wenn es aufgrund der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 noch immer zu Verzögerungen der Abschiebung aufgrund der auch weiterhin bestehenden Einschränkungen im internationalen Flugverkehr kommt, besteht jedoch die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im frühen Herbst 2020 ist aus derzeitiger Sicht realistisch. Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 wieder substantiell gelockert werden und dann eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat durchführbar sein wird. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt (zumindest noch) nicht ersichtlich. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist - wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt - aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar die Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen vorerst aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er sich einer Abschiebung entzieht oder Maßnahmen setzt, um diese verzögern.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers durchzuführen sein. Bei einer wie im vorliegenden Fall im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 14.02.2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin – auch im Hinblick auf eine Abschiebung in Oktober 2020 - verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 02.07.2020 auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.3.6. Gelinderes Mittel

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens und angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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