TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/29 W250 2232040-2

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W250 2232040-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 12.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 24.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei und ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2016 als unbegründet abgewiesen. Eine Zustellung des Erkenntnisses an den BF war nicht möglich, da er an seiner Meldeadresse nicht mehr aufhältig war. Der BF ist untergetaucht und hat sich seiner Abschiebung entzogen.

2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurde in Österreich straffällig. Zuletzt befand er sich von 29.11.2017 bis 02.03.2020 in gerichtlicher Strafhaft. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.03.2020 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF wird seit 02.03.2020 in Schubhaft angehalten.

3. Die für den 14.03.2020 organisierte begleitete Abschiebung des BF auf dem Luftweg musste am 13.03.2020 storniert werden, da dafür erforderliche Flugverbindungen auf Grund der COVID-Pandemie kurzfristig nicht durchgeführt wurden.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.06.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Dieses Erkenntnis wurde dem Bundesamt sowie dem BF am 01.07.2020 zugestellt.

5. Mit Schreiben vom 22.07.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.5.)

Der unter Punkt I.1. – I.5. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Für den BF wurde unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt. Dokumente, die seine Identität bescheinigen, hat der BF nicht vorgelegt. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 02.03.2020 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2016 abgewiesen. Die Rückkehrentscheidung ist rechtskräftig, durchsetzbar und durchführbar.

3.2. Eine Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2016 an den BF war nicht möglich, da er sich an seiner Meldeadresse nicht mehr aufhielt. Der BF hat sich damit seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen.

3.3. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern wurde in Österreich straffällig. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Selbst eine gerichtliche Verurteilung konnte den BF nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen.

3.4. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF ist in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

4.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 06.07.2017 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall Suchtmittelgesetz – SMG sowie wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der BF hat im Zeitraum 01.06.2016 bis 01.10.2016 vorschriftswidrig Suchtgift – und zwar Cannabiskraut – in einer Menge von 2.000 Gramm zu einem Preis von EUR 10.000,-- einem anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen. Der BF war zum Zeitpunkt der Tat nicht an Suchtmittel gewöhnt, er beging daher die Taten nicht vorwiegend dazu, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu beschaffen, der Erlös sollte vielmehr zur Finanzierung seines allgemeinen Lebensbedarfs verwendet werden.

Anfang Oktober 2016 hat der BF einen anderen im Zusammenhang mit der Lieferung von 500 Gramm Marihuana im Betrag von EUR 2.500,-- geschädigt.

4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 05.03.2018 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG und wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurde die zum Urteil vom 06.07.2017 gewährte Strafnachsicht widerrufen.

Der BF hat in der Zeit zwischen Mitte September 2017 und 29.11.2017 während zumindest zehn Wochen wöchentlich durchschnittlich 1,5 Kilogramm, insgesamt daher 15.000 Gramm, Cannabisharz unbekannten Abnehmern überlassen. Außerdem hat er bis 29.11.2017 1.797,4 Gramm Cannabisharz mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

4.2. Von der algerischen Vertretungsbehörde wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt, die begleitete Abschiebung des BF war bereits für den 14.03.2020 organisiert. Auf Grund der weltweiten Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Reisebeschränkungen konnte die Abschiebung nicht durchgeführt werden.

4.3. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die schrittweise Rücknahme der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 ist bereits angelaufen – für den internationalen Luftverkehr ist sie in einigen Wochen zumindest in einem reduzierten Ausmaß (das Abschiebungen ermöglicht) zu erwarten.

4.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 01.07.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere aus den Unterlagen zur Vorbereitung seiner Abschiebung unter Bezugnahme auf jene Identitätsdaten, unter denen von der algerischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da sein Asylantrag rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

1.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

1.4. Dem Verwaltungsakt sind keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF zu entnehmen, auch in der Anhaltedatei finden sich keine Eintragungen von Arztbesuchen, die auf eine Erkrankung des BF hinweisen. Insofern konnten die Feststellungen zur Haftfähigkeit des BF getroffen werden. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2016 gegen den BF erlassenen Rückkehrentscheidung und dem auf die Dauer von drei Jahren befristet erlassenen Einreiseverbot beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

2.2. Aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend ergibt sich auf Grund eines Berichtes der um Zustellung des Erkenntnisses vom 20.09.2016 ersuchten Polizeiinspektion, dass sich der BF nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhielt. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde auch die Wohnungsinhaberin nach dem Aufenthalt des BF befragt, wobei diese angab, dass die Wohnung bereits seit längerer Zeit leerstehe und sie keine Angaben zum Aufenthaltsort des BF machen könne. Es konnte daher festgestellt werden, dass sich der BF seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen hat.

2.3. Aus den vom Bundesamt vorgelegten Urteilen ergibt sich, dass der BF im Zeitraum von 01.06.2016 bis 01.10.2016 sowie zwischen Mitte September 2017 und 29.11.2017 in Österreich Straftaten begangen hat. Es konnte daher einerseits festgestellt werden, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und straffällig wurde. Dass er die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, ergibt sich sowohl aus seinem unrechtmäßigen Verbleib in Österreich sowie aus seinem wiederholten strafrechtlichen Verhalten, das der BF trotz einer bereits erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung zeigte.

2.4. Dass der BF in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Er weist lediglich eine Meldeadresse in einem Polizeianhaltezentrum auf und wurde davor seit 29.11.2017 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Aus seiner langjährigen Anhaltung in Gerichtshaft ergibt sich auch, dass er in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht. Aus den in der Anhaltedatei vermerkten finanziellen Mittel des BF ergibt sich, dass er über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung verfügt. Dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist ergibt sich zudem aus dem Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem, wonach der BF – mit Unterbrechungen auf Grund seines Untertauchens – bis zur Anordnung der Untersuchungshaft in der Grundversorgung betreut wurde. Dass der BF in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert ist und in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt ergibt sich aus seinen Angaben in den bisherigen Verfahren. Gestützt wird diese Feststellung auch durch die Eintragungen in der Anhaltedatei, laut denen er lediglich zwei Mal, und zwar am 04.03.2020 und am 08.03.2020, Besuch in der Schubhaft erhalten hat.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den vom Bundesamt vorgelegten Ausfertigungen der beiden Urteile.

3.2. Die Feststellungen zu der von der algerischen Vertretungsbehörde zugesagten Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF sowie zu Vorbereitung und Stornierung der Abschiebung des BF ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3.3. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen fanden vor dem „Lockdown“ der internationalen Luftfahrt regelmäßig statt. Es ist davon auszugehen, dass in einigen Wochen der internationale Luftverkehr (nicht zwingend der allgemeine Reiseverkehr) wiederaufgenommen wird – womit auch (begleitete) Abschiebungen wieder möglich sind. Entsprechende Ankündigungen von Regierungen und internationalen Fluglinien wurden in den letzten Wochen veröffentlicht und sind notorisch.

3.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 01.07.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

3.1.4. Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und die algerische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zugesagt hat, ist mit seiner Abschiebung innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Innerhalb dieses Zeitraumes erscheint es auch realistisch, dass der Flugverkehr nach Algerien wiederaufgenommen wird.

3.1.5. Da sich der BF bereits einmal seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen hat, eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er über keinerlei soziale, familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt und überdies weder über einen eigenen gesicherten Wohnsitz noch über die finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes verfügt, ist weiterhin im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG von Fluchtgefahr auszugehen.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hat noch während sein Asylverfahren anhängig war Straftaten begangen, er ist untergetaucht und hat sich damit seinem Asylverfahren und seiner Abschiebung entzogen. Anstatt seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen ist er unrechtmäßig in Österreich verblieben und hat wiederholt Straftaten begangen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und es liegt eine ihn betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit ging der BF in Österreich nicht nach. Er tauchte während seines Asylverfahrens unter und entzog sich damit seiner Abschiebung.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist Vorstrafen nach dem Suchtmittelgesetz auf, wobei sich der Zeitraum, in dem er die strafbaren Handlungen gesetzt hat, von 01.06.2016 bis 01.10.2016 sowie von Mitte September 2017 bis 29.11.2017 erstreckt. Seine erste strafbare Handlung nach dem Suchmittelgesetz hat der BF damit bereits wenige Wochen nach der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich begangen. Gerade an der Verhinderung von Drogenkriminalität besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse. Diesem hat der BF massiv zuwidergehandelt, da er wiederholt das Verbrechen des Suchtgifthandels begangen hat. Die gesamte Menge an Suchtgift, die jenen Taten, die dem BF nachgewiesen werden konnten, zugrunde liegen, beträgt 2 Kilogramm Cannabiskraut und 15 Kilogramm Cannabisharz. Durch den Verkauf des Suchtgiftes hat sich der ansonsten mittellose BF eine wesentliche Einnahmequelle erschlossen, da er 2 Kilogramm Cannabiskraut zum Gesamtpreis von EUR 10.000,-- verkauft hat. Die besondere Verwerflichkeit dieser Taten manifestiert sich nicht nur im langen Deliktszeitraum sondern insbesondere darin, dass der BF nach seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen der von 01.06.2016 bis 01.10.2016 begangenen Verbrechen trotz seiner Anhaltung in Untersuchungshaft und dem dadurch verspürten Haftübel bereits zwei Monate nach seiner Verurteilung wegen Suchtgifthandel erneut mit Suchtgift handelte und 15 Kilogramm Cannabisharz in Verkehr brachte.

Es ist auf die mit der Suchtgiftkriminalität im Allgemeinen verbundene große Wiederholungsgefahr hinzuweisen, von der auch im vorliegenden Fall angesichts der Mittellosigkeit des BF in Verbindung mit dem in der Vergangenheit gezeigten Verhalten auszugehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554).

Es ist daher davon auszugehen, dass der BF auch künftig Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz – insbesondere das Verbrechen des Suchtgifthandels – begehen wird, sodass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Die Dauer der Schubhaft ist auf die mit der COVID-Pandemie verbundene Unmöglichkeit der Durchführung der geplanten Abschiebung auf dem Luftweg zurückzuführen. Die damit verbundenen Reisebeschränkungen mindern die Fluchtgefahr nicht und ist auch die Aufrechterhaltung der Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen aufrecht zu erhalten (vgl. VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094-8).

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen. Mit einer Abschiebung innerhalb der Höchstdauer der Schubhaft ist jedenfalls zu rechnen. Es ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weiter gelockert und Abschiebungen zunehmend leichter durchführbar sein werden. Die Reaktivierung des touristischen Flugverkehrs ist ferner keine Voraussetzung für die Durchführbarkeit von Abschiebungen. Hinsichtlich COVID-19 ergaben sich auch keine Anhaltspunkte, dass der BF einer COVID-19 Risikogruppe angehören könnte.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und er zur Finanzierung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes auch vor der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen nicht zurückschreckt. Im Verfahren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändern wird.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Da sowohl eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und die Zustimmung der algerischen Vertretungsbehörde zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF besteht, ist nicht zu erwarten, dass ein gelinderes Mittel für die Sicherung der Abschiebung ausreichend ist.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2232040.2.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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