Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des J in Blumau-Neurißhof, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwalt in Baden, Am Fischertor 5/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. September 1995, Zl. Wa-174/95, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 24. Mai 1995, mit dem dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Diese Entscheidung stützte die belangte Behörde zunächst auf die "Gründe des angefochtenen (erstinstanzlichen) Bescheides", die auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen seien.
Die Bezirkshauptmannschaft Baden hatte folgenden für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt festgestellt:
"Die Bezirkshauptmannschaft Baden hat Ihnen mit Bescheid vom 02.02.1995, ..., die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B auf Dauer entzogen. In dem dieser Entscheidung vorangegangenen Ermittlungsverfahren ist nämlich hervorgekommen, daß Sie bereits seit Jahren an chronischem Alkoholismus leiden.
Am 16.11.1994 wurde beim Gendarmerieposten Günselsdorf Anzeige erstattet, daß Sie seit einiger Zeit vom Wohnzimmer der von Ihnen bewohnten Wohnung im Hause ... aus Schüsse abgeben sollen. Daraufhin haben Beamte des Gendarmeriepostens Günselsdorf Sie am 16.11.1994 um ca. 15.15 Uhr in Ihrer Wohnung aufgesucht. Vorerst haben Sie den Beamten gegenüber den angezeigten Sachverhalt in Abrede gestellt. Im Verlauf des Gespräches haben die Beamten durch den Vorhang des rechten Wohnzimmerfensters zwei Gewehre, die am Fensterbrett angelehnt waren, wahrgenommen. Bereits beim Betreten der Wohnung haben die Beamten in der Küche auf einem Kästchen eine Packung Munition für ein Kleinkalibergewehr vorgefunden. Bei näherer Betrachtung haben die Beamten festgestellt, daß eine der Schußwaffen und zwar das Kleinkalibergewehr der Marke Zbrojovka Brno, Kal 22 Long Rifle geladen war. Unterhalb dieses Fensters wurden am Boden liegend zwei Patronenhülsen Kal 22 lr gefunden. Angesichts der von den Beamten gemachten Wahrnehmungen haben Sie schließlich zugegeben fast täglich sowohl mit dem Kleinkalibergewehr als auch mit einem Luftdruckgewehr auf Krähen und Tauben vom Wohnzimmerfenster aus geschossen zu haben. Noch zu erwähnen ist, daß Sie seitens der Beamten in einem mittelstark alkoholisierten Zustand angetroffen wurden."
Im Zuge ihrer Ausführungen zur rechtlichen Würdigung dieses Sachverhaltes war die Behörde erster Instanz in tatsächlicher Hinsicht auch davon ausgegangen, bei den Schüssen des Beschwerdeführers auf Krähen und Tauben möge subjektiv die Absicht, jemanden zu treffen oder zu gefährden, gefehlt haben, doch habe wegen der in der "Schußlinie" am Haus vorbeiführenden Straße objektiv eine solche Gefährdung sehr wohl bestanden.
In der Berufung hatte der Beschwerdeführer zu diesem Vorfall folgendes vorgebracht:
"1. Ich war am 16.11.1994 vormittag nicht betrunken.
2. Ich habe nie Personen gefährdet und auch nie im alkoholisierten Zustand eine Waffe in Gebrauch genommen.
3. Wenn ich geschossen habe, habe (zu ergänzen: ich) in Richtung Feld geschossen (Tauben, Dohlen)."
In ihren die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides "ergänzenden Bemerkungen" führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe den Umstand, daß er "mehrfach mit einem Kleinkalibergewehr bzw. einem Luftdruckgewehr vom Wohnzimmerfenster aus auf Saatkrähen und Tauben geschossen" habe, "nicht in Abrede gestellt" und dazu "im wesentlichen ausgeführt, daß er hiebei nie Personen gefährdet und auch nie im alkoholisierten Zustand eine Waffe verwendet habe. Er habe immer in Richtung Feld auf Tauben und Dohlen geschossen".
Im Gegensatz zur Behörde erster Instanz - der dazu die Stellungnahme des Amtsarztes vom 6. April 1995 zu einem den Beschwerdeführer betreffenden Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien vom 13. September 1994 und zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Ergebnis einer fachärztlichen Begutachtung im März 1995 vorlag - stützte die belangte Behörde ihre Entscheidung auch auf die Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers als solche. In dieser Hinsicht steht auch nach dem Vorbringen in der Beschwerde außer Streit, daß beim Beschwerdeführer "ein jahrzehntelanger chronischer Alkoholismus vom Deltatyp besteht" und der Beschwerdeführer sich deshalb von Mai bis Juli und neuerlich (nach dem Vorfall vom 16. November 1994) vom 2. Dezember 1994 bis zum 10. Februar 1995 in stationärer Entziehungsbehandlung befand, wobei nach dem Inhalt des im angefochtenen Bescheid zitierten Gutachtens eines Facharztes der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien vom 13. Juli 1995 der Beschwerdeführer schon knapp einen Monat nach der ersten stationären Behandlung wieder rückfällig wurde und in ein süchtiges Alkoholtrinken verfiel, während er bei der Untersuchung am 26. Mai 1995 (also etwas mehr als drei Monate nach der Entlassung aus der zweiten Behandlung) unwiderlegt angab, nun abstinent zu leben.
Bei dieser Sachlage nahm die belangte Behörde an, "insbesondere im Zusammenhang mit der Verwendung von Waffen im Zusammenhang mit dem Abschuß von Tauben und Dohlen" sei die Annahme gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG 1986 durch die mißbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Bei Vorliegen eines chronischen Alkoholismus könne nicht ausgeschlossen werden, daß Waffen auch im alkoholisierten Zustand in Gebrauch genommen würden, wodurch auch die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung gegeben sei. Die Rückfallsgefahr bei Alkoholmißbrauch sei auch nach einer "allenfalls positiven" Entziehungskur besonders hoch, wozu die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1985, Zl. 84/01/0166, verwies. Es sei zwar möglich, daß die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes wegfielen, doch könne die vom Beschwerdeführer angegebene Alkoholabstinenz seit Jahresbeginn 1995 wegen der erwähnten Rückfallsgefahr einen solchen Wegfall der Voraussetzungen für ein Waffenverbot derzeit noch nicht begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht geltend, aus medizinischer Sicht habe sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die behauptete Alkoholabstinenz nach seiner zweiten stationären Behandlung von ihm nicht eingehalten werde, und die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen Rückfalls sei weder im Gutachten vom 13. Juli 1995 noch in der dazu erstatteten amtsärztlichen Stellungnahme vom 26. Juli 1995 "als gegeben erwähnt", sondern vielmehr in beiden Gutachten "implizite ausgeschlossen" worden, insoweit sich der Beschwerdeführer regelmäßigen Untersuchungen unterziehe.
Damit bezieht sich der Beschwerdeführer einerseits auf die im Gutachten vom 13. Juli 1995 vertretene Auffassung des Facharztes, die Wiederausfolgung der Jagdwaffe erscheine "ab einer zu überblickenden Abstinenzphase von sechs Monaten (Ende August 1995) möglich, wobei diese mit den Auflagen einer fortgesetzten regelmäßigen Betreuung in einer Ambulanz für Alkoholgefährdete und fallweisen Laborkontrollen zu verbinden wäre", und andererseits auf die Ansicht des Amtsarztes, der Ausfolgung der Waffen könne "vom Amtsarzt ... erst zugestimmt werden, wenn Herr K. Ende August oder Anfang September 1995 eine fachärztliche Bestätigung über seine weiterbestehende Abstinenz vorlegt. Sodann könnte die Waffenkarte, unter der Bedingung regelmäßiger psychiatrischer Untersuchungen und regelmäßiger Leberfunktionsproben, befristet für ein halbes Jahr ausgefolgt werden". Hiezu führt der Beschwerdeführer in der Beschwerde aus, er habe "eine Bestätigung über seine weiterbestehende Abstinenz" vorgelegt, während sich aus den Verwaltungsakten ergibt, daß er mit seiner am 28. August 1995 erstatteten Stellungnahme zu den beiden ärztlichen Gutachten lediglich eine Kopie der Ambulanzkarte (mit der bloßen Bestätigung der Einhaltung der monatlichen Termine) vorlegte. Abschließend rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es unterlassen, hinsichtlich der von ihr angenommenen Rückfallswahrscheinlichkeit ein medizinisches Gutachten einzuholen, und sie habe sich über die gleichlautenden Ergebnisse der schon vorliegenden medizinischen Befundungen hinweggesetzt.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen in einem Fall wie dem vorliegenden von der Erlassung eines Waffenverbotes allenfalls abzusehen wäre, nicht von den Ärzten beantwortet werden kann, die belangte Behörde in ihrer Entscheidung ohnehin davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer seit dem Abschluß seiner zweiten stationären Behandlung abstinent geblieben ist und gerade die in den ärztlichen Stellungnahmen hervorgehobene Notwendigkeit einer fortgesetzten regelmäßigen Betreuung und Kontrolle, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift mit Recht hervorhebt, klar erkennen läßt, daß ein Rückfall nicht auszuschließen ist. Zieht man überdies den in der Beschwerdebegründung nicht erwähnten Vorfall vom November 1994 mit in Betracht, so kann der belangten Behörde daher unabhängig davon, ob der zuletzt genannte Vorfall mit der damals jedenfalls noch gegebenen Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers im Zusammenhang stand oder nicht, in rechtlicher Hinsicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, es bedürfe noch eines längeren Beobachtungszeitraumes, um davon ausgehen zu können, die im November 1994 vorhandenen Gründe für die Verhängung eines Waffenverbotes seien nicht mehr gegeben (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rückfallsgefahr nach "vorerst" erfolgreichen Entwöhnungsbehandlungen im allgemeinen das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 84/01/0166, und im Zusammenhang mit der Verhängung eines Waffenverbotes das Erkenntnis vom 26. Juni 1985, Zl. 84/01/0264). Unter diesen Umständen war die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers und seine Verweisung auf die Möglichkeit einer späteren Aufhebung des Waffenverbotes nicht rechtswidrig.
Die Beschwerde ist daher unbegründet und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverständiger Entfall der BeiziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200682.X00Im RIS seit
25.04.2001