TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/6 96/20/0553

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Veröffentlicht am 06.11.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §52;
WaffG 1986 §12 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Dr. G in Linz, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Juni 1996, Zl. St 241/96, betreffend Verhängung eines Waffenverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. April 1996, mit dem dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Begründend stellte die belangte Behörde u.a. dar, der Beschwerdeführer, der seit 1977 auch über einen Waffenpaß verfüge, sei vor der Erweiterung des Berechtigungsumfanges der ihm 1985 ausgestellten Waffenbesitzkarte 1991 einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen worden, weil er 1988 einer Wohnungsnachbarin angedroht habe, er werde "alles Gebotene" unternehmen, um sie von Lärmbelästigungen abzuhalten. Im amtsärztlichen Gutachten vom 25. September 1991 seien beim Beschwerdeführer "medizinisch keine Einschränkungen für weiteren Waffenbesitz" festgestellt worden.

Am 20. Oktober 1994 habe das Waffenamt der Bundespolizeidirektion Linz vom Leiter der Personalabteilung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, bei der der Beschwerdeführer Dienst versehen habe, telefonisch erfahren, er habe in einem Telefonat mit einem Sektionschef des Bundesministeriums für Finanzen Selbstmordabsichten geäußert und werde in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern stationär behandelt. Laut Befund vom 6. Februar 1996 habe der Beschwerdeführer gegenüber dem Amtsarzt (gemeint: am 20. Dezember 1995, also zu einem viel späteren Zeitpunkt) angegeben, "dies" sei im Zusammenhang mit seiner Suspendierung wegen

"Steuerverfahren/Steuerhinterziehung" gestanden. Mit Mandatsbescheid vom 21. Oktober 1991 (gemeint: 1994) sei ihm der Besitz von Waffen und Munition verboten worden, wogegen er Vorstellung erhoben habe. Bei der amtsärztlichen Untersuchung am 10. November 1994 habe der Beschwerdeführer die Selbstmorddrohung "vehement bestritten" und angegeben, das Krankenhaus wegen Rückenschmerzen aufgesucht zu haben. Bei der neurologischen Untersuchung sei ein "psychophysischer Erschöpfungszustand" festgestellt worden. Das amtsärztliche Gutachten vom 10. November 1994 habe "medizinisch keine Einschränkungen für Waffenbesitz" ergeben, woraufhin das Verfahren zur Erlassung eines Waffenverbotes eingestellt worden sei. Waffenpaß, Waffenbesitzkarte, Faustfeuerwaffen und Munition seien dem Beschwerdeführer wieder ausgefolgt worden.

Mit Schreiben vom 23. November 1995 habe die Präsidentschaftskanzlei der Bundespolizeidirektion Linz mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei offensichtlich psychisch krank und sein Zustand verschlechtere sich trotz psychiatrischer Behandlungen. Er habe in den mit ihm geführten "zahlreichen" Telefongesprächen Selbstmord angekündigt und dies auch in mehreren Schreiben, "zuletzt" vom 21. November 1995, schriftlich wiederholt. Selbst- oder Gemeingefährlichkeit könne nicht mehr ausgeschlossen werden.

Am 21. November 1995 habe der Beschwerdeführer an den Herrn Bundespräsidenten, den Herrn Bundeskanzler, den damaligen Finanzminister Dr. Staribacher, den Vorsitzenden und die Mitglieder der Disziplinaroberkommission im Bundeskanzleramt sowie den Disziplinaranwalt und auch an den Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich per Telefax Schreiben gerichtet gehabt, wonach er mit den Sorgen und Nöten zur Wahrung der Existenz seiner Familie in Krankheit und Not nicht mehr alleine fertig werde, was er vielfach an die angeführten Personen herangetragen habe. Er sei nunmehr seit mehr als einem Jahr in der Suspendierung. Er sei - wie die Ärzte festgestellt hätten - seit Jahren psychisch schwer krank und heute auch verhandlungsunfähig. Die letzte Alternative in seiner Verzweiflung stehe ganz nahe vor seiner Lebenstür: dies sei der Selbstmord. Er könne so nicht mehr lange leben. Die Suspendierung töte ihn. Er wäre doch noch zu jung zum Sterben.

In weiteren Schreiben habe der Beschwerdeführer angeführt, er sei dem Leidensdruck unendlich lange sich dahinziehender Verfahren nicht mehr gewachsen, sei auch psychisch seit langem krank und müsse täglich zahlreiche Medikamente einnehmen. In seiner letzten Verzweiflung bleibe ihm ansonsten nur die nahende Möglichkeit des Selbstmordes.

Mit Schreiben an den Herrn Bundespräsidenten sowie den Herrn Bundesminister für Finanzen vom 27. November 1995 habe sich der Beschwerdeführer für diese Eingaben entschuldigt und zum Ausdruck gebracht, diese Selbstmordäußerungen seien Ausfluß seiner Alkoholisierung gewesen und daher nicht ernst zu nehmen.

Mit Gutachten vom 28. November 1995 (gemeint: eine aufgrund der damaligen Aktenlage erstattete Stellungnahme) habe der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Linz ausgeführt, es habe bei den Untersuchungen 1991 und 1994, auch nach Einholung von Krankenhausbefunden, eine psychische Erkrankung nicht belegt werden können. Die Langzeitbeobachtung mache jedoch eine diesbezügliche Nachkontrolle und gegebenenfalls Neubeurteilung nötig. Derzeit würde jedenfalls akute Selbstgefährdung bestehen. Für Waffenbesitz jeder Art sei der Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht derzeit nicht geeignet.

Mit Mandatsbescheid vom 29. November 1995 sei dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition verboten worden, wogegen er Vorstellung erhoben habe.

Im Ermittlungsverfahren habe der Beschwerdeführer zwei als zeugenschaftliche Aussagen bezeichnete Schriftstücke vorgelegt, wonach er, nach Kenntnis der unterfertigten Personen, psychisch stabil und in keiner Weise selbstmordgefährdet sei. Diese Aussagen hätten in der Unterfertigung vorformulierter Erklärungen bestanden.

Im Anschluß an die amtsärztliche Untersuchung am 20. Dezember 1995 habe der Beschwerdeführer noch einen neuro-psychiatrischen Befund des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Linz (gemeint: vom 25. Oktober 1994) nachgebracht, wonach er am 15. Oktober 1994 wegen Schlaflosigkeit, familiärer und beruflicher Probleme dort in ambulanter Behandlung gewesen sei. Bei der Untersuchung habe sich keine produktive Symptomatik gefunden, keine Selbstmordgedanken, keine Suizidalität, die im Moment (gemeint: am 15. Oktober 1994) explorierbar gewesen wäre. Die Diagnose habe auf psychophysischen Erschöpfungszustand gelautet. Bei einer abschließenden Kontrolle am 25. Oktober 1994 habe sich kein Hinweis auf Suizidalität oder Selbstmordgedanken ergeben.

Ein weiterer neuro-psychiatrischer Befund (gemeint: desselben Krankenhauses) vom 7. Dezember 1995 habe zusammengefaßt, daß es sich um einen Zustand nach reaktiv depressivem Zustandsbild gehandelt habe, wobei zum momentanen Zeitpunkt (am 7. Dezember 1995) keine depressiven Symptome feststellbar seien.

Der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Linz habe in seinem Gutachten vom 6. Februar 1996, in welches die bezeichneten Befunde Eingang gefunden hätten, ausgeführt, es handle sich beim Beschwerdeführer um eine zyklothyme Persönlichkeit mit Stimmungsschwankungen, die in der Vergangenheit, zusammen mit exogener Belastung, zu therapiebedürftigen Episoden geführt hätten. Die schriftlichen Selbstmorddrohungen seien demonstrativ bzw. als Nötigungsversuch aufzufassen. Eine psychische Erkrankung im Sinne einer Psychose sei laut Facharztbefund nicht gegeben bzw. nicht faßbar, müsse aber im Fall neuerlich auftretender Symptomatik unbedingt in Erwägung gezogen werden. Die derzeitige Situation sei vom Beschwerdeführer voll erfaßt, offensichtlich beherrscht und intellektuell verarbeitet. Eine medizinische Nichteignung für Waffenbesitz sei derzeit nicht belegbar.

Nach Gewährung des abschließenden Parteiengehörs habe die Bundespolizeidirektion Linz dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 10. April 1996 den Besitz von Waffen und Munition verboten.

In seiner Berufung führe der Beschwerdeführer an, er habe die Selbstmordandeutungen, die zur Verhängung des Waffenverbotes geführt hätten, in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand verfaßt und (mit Telefax) verschickt. Er habe sich aufgrund beruflicher Schwierigkeiten in einer mehrwöchigen Krise befunden und seine Sorgen und Probleme manchmal mit Alkohol "ertränkt". Er sei de facto Antialkoholiker und habe mangels Erfahrungen die Auswirkungen von Alkohol in der stattgehabten Form nicht vorhersehen können. Auch jetzt sei er wieder Antialkoholiker. Die Frage, ob sich ein Mensch selbst oder Dritten Schaden zufüge, sei auch eine Frage des Charakters. Wenn sich die Behörde die gewiß mühevolle Aufgabe gestellt hätte, das charakterliche Profil des Beschwerdeführers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu überprüfen, hätte sie feststellen müssen, daß er kein aggressiver Mensch sei und Konflikte in seinem Leben noch nie mit Gewaltandrohung oder Gewalt zu lösen versucht oder gelöst hätte. Die Behörde hätte auch bezüglich der in alkoholisiertem Zustand entstandenen, erstmaligen Selbstmordäußerungen das Ermittlungsverfahren vervollständigen und dabei erkennen müssen, daß der Beschwerdeführer sozial integriert sei und in einer Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern als normaler Bürger lebe. Er habe in fast 20 Jahren das Vertrauen der Behörde (in waffenpolizeilicher Hinsicht) nicht mißbraucht. Zum Beweis führe der Beschwerdeführer seine Gattin als Zeugin an. Der Berufung sei eine Bestätigung des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern vom 15. April 1996 beigefügt, wonach sich bei den letzten durchgeführten ambulanten Kontrollen ein unauffälliger psychopathologischer Status gezeigt habe, ohne Hinweise für das Vorliegen einer depressiven Erkrankung.

Zu diesem Sachverhalt führte die belangte Behörde - nach einer Darstellung der Rechtslage - folgendes aus:

"Es kann davon ausgegangen werden, daß Sie bereits mehrmals (und nicht nur "erstmalig", wie Sie in Ihrer Berufung ausführen) mit Ihrem Selbstmord gedroht haben. Es besteht kein Anlaß, Ihre diesbezügliche Drohung zu bezweifeln, als Ihre Suspendierung verfügt wurde, da sonst wohl kaum über das Finanzministerium und die Personalabteilung Ihrer Dienstbehörde ein entsprechender Hinweis an die Bundespolizeidirektion Linz ergangen wäre. Ferner ist im Schreiben der Präsidentschaftskanzlei angeführt, Sie hätten in den mit Ihnen geführten "zahlreichen" Telefongesprächen Selbstmord angekündigt. Letztlich haben Sie auch Ihre Schreiben vom 21.11.1995 an mehrere Personen gerichtet, wobei anzufügen ist, daß wohl bei jeder einzelnen der angeführten Repräsentanten des Staates und der Verwaltung man sich üblicherweise überlegen würde, zu dieser außergewöhnlichen Form zu greifen, auf Widerfahrenes hinzuweisen.

Die ärztlichen Gutachten bezeichnen Sie als im medizinischen Sinne gesund. Das mag, im Sinne eines momentanen medizinischen Zustandsbildes, zutreffen, wenngleich Ihnen Ihre eigenen Äußerungen entgegenzuhalten sind, daß Sie, nach ärztlicher Feststellung, seit Jahren psychisch schwer krank seien.

Die Berufungsbehörde ist allerdings der Auffassung, daß, wenn jemand wiederholt und zu verschiedenen Zeiten und, wenn man Ihr Schreiben an Spitzenrepräsentanten des Staates bedenkt, gleichsam öffentlich, mit seinem Selbstmord droht, konkrete Umstände vorliegen, die die begründete Besorgnis erwecken, daß von einer Waffe ein zweckwidriger und somit mißbräuchlicher Gebrauch gemacht werden könnte, durch den Leben oder Gesundheit von Menschen, nämlich in erster Linie des Betreffenden, gefährdet werden könnte.

Sie bezeichnen sich immerhin selbst als seit Jahren psychisch schwer krank. Ein psychophysischer Erschöpfungszustand wurde auch diagnostisch festgestellt. Die Ursachen für diesen Zustand, nämlich Ihre Suspendierung vom Dienst bei der Finanzlandesdirektion und anhängige Verfahren, sind nach wie vor nicht weggefallen. Die Berufungsbehörde sieht keine Gewähr dafür gegeben, daß sich ein ähnlicher Erschöpfungszustand nicht wiederholt und daß Sie nicht doch in einem solchen Zustand eine Waffe gegen sich selbst und somit mißbräuchlich einsetzen könnten. Selbst wenn Ihre Selbstmorddrohungen lediglich demonstrativ zu werten seien, zeigen sie, daß Sie sich mit derartigen Gedanken zumindest tragen. Auch wenn dies gleichsam als "Hilfeschrei" zu werten wäre, muß es zumindest aus waffenpolizeilicher Sicht ernst genommen werden, zeigt sich doch, daß Sie, zumindest zeitweilig und phasenweise, mit Ihrer Fähigkeit, Lebensprobleme zu lösen, an einem Ende angelangt sind.

Nachdem ein noch so untadeliges Vorleben die Behörde nicht abhalten darf, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Waffenverbot zu verhängen, hält die Berufungsbehörde die von Ihnen beantragte Einvernahme Ihrer Gattin für entbehrlich; die von Ihnen gesetzten Handlungen sprechen für sich, die bezeichnete Besorgnis, Sie könnten durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen Ihr Leben oder Ihre Gesundheit gefährden, begründet erscheinen zu lassen.

Der angefochtene Bescheid der Erstbehörde ist daher zu Recht ergangen, weshalb Ihre Berufung abgewiesen werden mußte."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe "bereits mehrmals" und nicht, wie in seiner Berufung behauptet, "erstmalig" im November 1995 mit Selbstmord gedroht. Der erwähnten, den Vorfall von 1994 betreffenden Annahme der belangten Behörde hält der Beschwerdeführer entgegen, sie sei "beweisbar unwahr" und beruhe nur auf zwei einander im Detail widersprechenden Aktenvermerken vom 20. Oktober 1994 und 21. Oktober 1994 über "ungeprüfte Telefonermittlungen". Der Aktenvermerk vom 21. Oktober 1994 sei dem Beschwerdeführer im Zuge seiner Akteneinsichten während des laufenden Verwaltungsverfahrens auch jeweils vorenthalten und erst bei einer weiteren Akteneinsicht nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht worden.

Diese Kritik ist im Ergebnis schon deshalb berechtigt, weil der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nur auf den Inhalt des ersten der beiden Aktenvermerke gestützte Annahme, er habe gegenüber einem Sektionschef mit Selbstmord gedroht, vor dem Amtsarzt nach dessen Darstellung am 10. November 1994 vehement bestritten hatte. Hierauf nahm der Amtsarzt selbst nicht ausreichend Bedacht, wenn er in seinem (eine medizinische Nichteignung für Waffenbesitz schließlich verneinenden) Gutachten vom 6. Februar 1996 ausführte, der Beschwerdeführer habe "die Anlaßhandlungen" (darunter die 1994 verfahrensgegenständliche Selbstmorddrohung) "jedes Mal zweifelsfrei gesetzt" und auch "zugegeben". Die belangte Behörde weist auf die Bestreitung der Selbstmorddrohung bei der Untersuchung am 10. November 1994 in der Darstellung des Sachverhaltes ausdrücklich hin. Im Rahmen ihrer in die rechtliche Beurteilung aufgenommenen Beweiswürdigung meint sie jedoch, es bestünde "kein Anlaß", die 1994 ausgesprochene Selbstmorddrohung zu bezweifeln, weil sonst "wohl kaum" über das Finanzministerium und die Personalabteilung der Dienstbehörde des Beschwerdeführers "ein entsprechender Hinweis ... ergangen wäre". Sollte dies die Bestreitung der Selbstmorddrohung durch den Beschwerdeführer widerlegen, so müßte unterstellt werden, ein telefonischer Hinweis der erwähnten Art könne nur richtig sein. Dies widerspräche den Denkgesetzen, weshalb der angefochtene Bescheid insoweit, als er auf der Annahme über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholter, nicht nur im November 1995 ausgesprochener Selbstmorddrohungen des Beschwerdeführers beruht, einer schlüssigen Begründung entbehrt.

In diesem Zusammenhang ist auch noch anzumerken, daß die Darstellung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer hätte angegeben, "dies" (nämlich die 1994 telefonisch geäußerte Selbstmorddrohung und die damalige stationäre Behandlung in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses) sei im Zusammenhang mit seiner Suspendierung gestanden, in dem von der belangten Behörde zitierten Befund vom 6. Februar 1996 keine Deckung findet. Nach dem erwähnten Befund hatte der Beschwerdeführer bei seiner Untersuchung am 20. Dezember 1995 vielmehr angegeben, bei der Suspendierung handle es sich um die Probleme, die "zum Schreiben" (vom November 1995) geführt hätten. Daß der Beschwerdeführer die 1994 von ihm bestrittene Selbstmorddrohung am 20. Dezember 1995 zugegeben hätte, ist dem Gutachten vom 6. Februar 1996 - ungeachtet der schon erwähnten Aktenwidrigkeit in den Schlußfolgerungen des Amtsarztes - nirgends zu entnehmen. Daß ein stationärer Aufenthalt des Beschwerdeführers in einer psychiatrischen Abteilung nicht stattgefunden hatte, ergab sich schon aus dem (bis nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides unter Verschluß gehaltenen) Aktenvermerk vom 21. Oktober 1994 und aus dem Befund vom 25. Oktober 1994, auf den offenbar schon im amtsärztlichen Gutachten vom 10. November 1994 Bezug genommen wurde und den der Beschwerdeführer nach der Untersuchung am 20. Dezember 1995 neuerlich vorlegte. Die Darstellung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe laut Befund vom 6. Februar 1996 eine Erklärung für eine Selbstmorddrohung und einen stationären Aufenthalt in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses im Oktober 1994 angeboten, widerspricht daher der Aktenlage.

Was die Vorfälle vom November 1995 anlangt, so wendet sich der Beschwerdeführer vor allem gegen die "juristische und insoferne laienhafte" Beurteilung des Sachverhalts durch die belangte Behörde. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Frage, welche Tatsachen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes erfüllen, eine juristische und mit dem Gutachten eines Arztes, "medizinische Nichteignung für Waffenbesitz" sei "derzeit nicht belegbar" noch nicht beantwortet ist. Gegenüber der Bescheidbegründung der belangten Behörde ist andererseits anzumerken, daß die Relativierung der medizinischen Begutachtung des Beschwerdeführers als gesund durch den Hinweis, er habe sich selbst (in den Schreiben vom November 1995) als krank bezeichnet, zur Entscheidungsfindung unter dem Gesichtspunkt einer allenfalls drohenden Verwirklichung von Selbstmordabsichten nichts beiträgt. Das Ergebnis der Begutachtung kann auch nicht als "momentanes medizinisches Zustandsbild" abgetan werden, wenn drei amtsärztliche Untersuchungen (1991, 1994 und 1995) jeweils zum gleichen Ergebnis führten und dieses auch mit dem Inhalt der vom Beschwerdeführer vorgelegten Krankenhausbefunde von 1994, 1995 und 1996 übereinstimmt.

In bezug auf die aktenkundigen, im Verlauf des 21. November 1995 per Telefax an eine Mehrzahl von Funktionsträgern versandten, zum Teil auch auf Eingaben der vorangegangenen Tage bezugnehmenden Schreiben des Beschwerdeführers mit Selbstmorddrohungen ist der Sachverhalt aber noch nicht hinreichend aufgeklärt. Es lassen nämlich einerseits die Krankenhausbefunde vom 7. Dezember 1995 und vom 15. April 1996 nicht erkennen, daß sie in Kenntnis der schriftlichen Selbstmorddrohungen des Beschwerdeführers verfaßt wurden, während andererseits das amtsärztliche Gutachten vom 6. Februar 1996 auf der Annahme beruht, der Beschwerdeführer habe seine Selbstmorddrohungen 1994 (insofern fehlt es schon an der Klärung der Frage, ob diese Selbstmorddrohung stattfand) und 1995 "offensichtlich völlig rational gesetzt", um seinen Anliegen Nachdruck zu verleihen. Dem liegt die bei der Untersuchung am 20. Dezember 1995 nach dem Inhalt des Gutachtens vom Beschwerdeführer abgegebene Erklärung zugrunde, die "Behauptung im Schreiben" (gemeint: die Selbstmorddrohung) habe "nur gedient, um Druck zu machen".

Erst nach der Erstellung dieses Gutachtens führte der Beschwerdeführer - in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. April 1996 - die in der Beschwerde noch um die Behauptung eines maßgeblichen Einflusses von Medikamenten erweiterte und vollends in den Vordergrund gerückte Behauptung, er habe die Schreiben vom 21. November 1995 unter Alkoholeinfluß verfaßt und dies sei für ihr Verständnis entscheidend, in das Verfahren ein. Erst in der Ergänzung der Berufung legte er mit Note vom 29. April 1996 auch Kopien der beiden Schreiben vom 27. November 1995 (an den Herrn Bundespräsidenten und den damaligen Herrn Bundesminister für Finanzen) vor, wonach er schon damals die Schreiben vom 21. November 1995 als "Ausfluß" seiner "Alkoholisierung" erklärt hatte. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Gesichtspunkt im angefochtenen Bescheid nicht weiter auseinandergesetzt.

Damit ergibt sich jedoch in einem für die Entscheidung zentralen Punkt ein widersprüchliches Bild des Sachverhalts:

Einerseits beschreibt der Amtsarzt den Beschwerdeführer aufgrund seiner Angaben bei der Untersuchung als Person, die (gemeint: ohne echte Selbstmordabsichten) Selbstmorddrohungen "völlig rational" als Mittel einsetzt, um ihren Anliegen gegenüber staatlichen Funktionsträgern Nachdruck zu verleihen, und - nach dem Gutachten vom 6. Februar 1996 - aus ihren "Manipulationen" sogar "einen Lustgewinn zu ziehen" scheint, und andererseits beruft sich der Beschwerdeführer in späteren Eingaben unter Vorlage schon in diesem Sinne verfaßter Schreiben vom 27. November 1995 darauf, es habe nur durch seine Alkoholisierung zu den Selbstmorddrohungen kommen können. Die belangte Behörde hat dies nicht zum Anlaß genommen, die sachverständige Begutachtung der Selbstmorddrohungen des Beschwerdeführers (durch den Amtsarzt oder einen psychiatrischen Sachverständigen) unter Einbeziehung dieses im Berufungsverfahren ins Spiel gebrachten Gesichtspunktes ergänzen zu lassen. In waffenrechtlicher Hinsicht ist es aber nicht gleichgültig, ob der Beschwerdeführer - wie das amtsärztliche Gutachten vom 6. Februar 1996 nahezulegen scheint - jemand ist, der in rücksichtsloser Verfolgung seiner Interessen und ohne Scheu vor dem Einsatz derartiger Mittel Selbstmordabsichten vortäuscht, um "Druck zu machen", dies in der Folge ebenso wahrheitswidrig als nicht ernst zu nehmende Folge einer Alkoholisierung hinstellt und aus derartigen Manipulationen noch einen Lustgewinn zu ziehen scheint, oder ob er in Situationen ungewöhnlicher Belastung tatsächlich in einem seine Kontrollfähigkeit beeinträchtigenden Ausmaß zu Alkohol und (nach den Behauptungen in der Beschwerde) auch Medikamenten greift und in einem Zustand herabgesetzter Kontrolle Selbstmorddrohungen äußert. In beiden Fällen sind waffenrechtliche Schlußfolgerungen zu ziehen, die aber wegen der verschiedenartigen Ausprägung der zutage tretenden Sozialwidrigkeit des Verhaltens vor allem in bezug auf die Abgrenzung der Voraussetzungen bloß für eine Verneinung der waffenrechtlichen Verläßlichkeit einerseits und für die Verhängung eines Waffenverbotes andererseits zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. In beiden Fällen kann auch die bisher nicht ausreichend geklärte Frage, ob und unter welchen näheren Umständen der Beschwerdeführer schon 1994 mit Selbstmord gedroht hatte, und die weitere Frage, ob er - entsprechend der Mitteilung der Präsidentschaftskanzlei vom 23. November 1995, deren Richtigkeit er jedoch bestreitet - im November 1995 auch in "zahlreichen Telefongesprächen" und früheren Schreiben als den bisher aktenkundigen seinen Selbstmord angekündigt hatte, ausschlaggebend sein.

Da der Sachverhalt somit noch nicht ausreichend erhoben ist, war der angefochtene Bescheid ohne Auseinandersetzung mit den übrigen Behauptungen in der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Schriftsatzaufwand steht dem Beschwerdeführer aufgrund der am 1. September 1997 in Kraft getretenen Ergänzung des § 49 Abs. 1 VwGG durch Art. II Z. 11 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 88/1997 nicht zu.

Schlagworte

Sachverständiger Entfall der Beiziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996200553.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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