TE Vwgh Erkenntnis 1988/12/14 88/03/0086

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Veröffentlicht am 14.12.1988
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Index

StVO
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §46
StVO 1960 §19 Abs4
StVO 1960 §19 Abs6
StVO 1960 §19 Abs7
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. Dr. WW in W, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien I, Mölkerbastei 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Februar 1988, Zl. 75 We 33-1987, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Februar 1988 wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 4 StVO bestraft, weil er am 13. Juni 1985 um ca. 12.15 Uhr in Graz, Kreuzung Schubertstraße-Geidorfgürtel, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws als Wartepflichtiger vom Geidorfgürtel kommend einen auf der Querstraße fahrenden Fahrzeuglenker zum unvermittelten Bremsen-Ablenken seines dem Kennzeichen nach bestimmten Motorfahrrades veranlaßt habe, obwohl in Fahrtrichtung des Beschwerdeführers vor der oben angeführten Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ angebracht sei, wodurch es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Zur Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem ausgeführt:

„Im Gegenstand steht folgender Sachverhalt fest: Der gegenständliche Verkehrsunfall ereignete sich am 13. Juni 1985 gegen 12.00 Uhr Mittag auf der Kreuzung Schubertstraße-Geidorfgürtel. Die Unfallskreuzung ist ungeregelt. In Fahrtrichtung des Fahrzeuges des nunmehrigen Berufungswerbers ist vor der Kreuzung ein Vorrangzeichen gemäß § 52 lit. c Z. 23 StVO (Vorrang geben) angebracht. Zum Unfallszeitpunkt war die Fahrbahn naß. In Annäherungsrichtung des Fahrzeuges der Unfallszweitbeteiligten war rechtsseitig verparkt. Der nunmehrige Berufungswerber befuhr den Geidorfgürtel stadtauswärts und wollte die gegenständliche Kreuzung in gerader Richtung übersetzen. Der Berufungswerber hielt sein Fahrzeug vor der Kreuzung an, dann bewegte er sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 km/h in den Kreuzungsbereich hinein. Die Unfallszweitbeteiligte befand sich ca. 20 m vor der Kreuzung, als sie das Fahrzeug des nunmehrigen Berufungswerbers erstmals in Bewegung wahrnahm. Gleichzeitig hatte der Berufungswerber auch Sicht auf die Mopedlenkerin und hielt sofort sein Fahrzeug an. In der Stillstandsposition ragte der PKW des Berufungswerbers ca. 3 m über die parkenden Fahrzeuge hinaus. Die Unfallszweitbeteiligte leitete nach Ansichtigwerden des Fahrzeuges des Berufungswerbers sofort eine Notbremsung ein und versuchte auch durch ein Nach-links-Verreißen dem Pkw auszuweichen, geriet jedoch dadurch mit dem Hinterrad auf der nassen Fahrbahn ins Rutschen und Schleudern. Mit dem Vorderrad stieß sie dann gegen die linke Seite des Fahrzeuges des Berufungswerbers und zwar im Bereiche der Fahrertüre.

Im Gegenstande wurde zweifelsfrei festgestellt, daß das Einfahren des PKWs des Berufungswerbers in den Kreuzungsbereich Bremsanlaß für die Unfallszweitbeteiligte gewesen war. Da sich dessen Fahrzeug bereits so weit in der Fahrlinie des Fahrzeuges der Unfallszweitbeteiligten befand, sodaß sie jedenfalls zu einer Fahrlinienänderung gezwungen worden wäre, war die Bremsung der Unfallszweitbeteiligten, sowie der Versuch nach links auszulenken, eine durchaus angemessene Reaktion auf das Fahrverhalten des Berufungswerbers.

Diese Feststellungen wurden von der Berufungsbehörde aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien GZ. 39 C 450/86, übernommen.

Da somit feststeht, daß der Berufungswerber als Wartepflichtiger die vorrangberechtigte Unfallszweitbeteiligte zum unvermittelten Bremsen und Ablenken ihres Fahrzeuges veranlaßt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.“

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was zunächst die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, es könne dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden, „welche Behörde in welcher Funktion (Bundes-Landesverwaltung) als Berufungsbehörde eingeschritten“ sei, so ist dem entgegenzuhalten, daß sich aus der Fertigungsklausel des angefochtenen Bescheides eindeutig ergibt, daß der Bescheid von der - im übrigen zuständigen - Steiermärkischen Landesregierung, sohin im Vollziehungsbereich des Landes, erlassen wurde.

Zur eingewendeten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, daß die belangte Behörde selbst unter Zugrundelegung der von ihr getroffenen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer sein Fahrzeug vor der Kreuzung angehalten, sich dann mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 km/h in den Kreuzungsbereich hineinbewegt und das Fahrzeug sofort angehalten habe, als er Sicht auf die Mopedlenkerin gehabt habe, keine Vorrangverletzung durch den Beschwerdeführer hätte annehmen dürfen, weil die Vorrangbestimmungen die Wahrnehmbarkeit des vorrangberechtigten Fahrzeuges voraussetzten. Die belangte Behörde hätte bei diesem Sachverhalt das Verschulden des Beschwerdeführers verneinen müssen, höchstens nur als ganz geringfügig beurteilen dürfen, was sich auch auf das Strafausmaß ausgewirkt hätte. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde bloß Feststellungen aus einem Gerichtsurteil übernommen und an die Stelle ihrer eigenen Beweiswürdigung gesetzt habe, wodurch sie die ihr obliegende Begründungspflicht verletzt habe, und daß ferner der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben sei, weil die von ihm im Verwaltungsstrafverfahren beantragten Beweise nicht aufgenommen wurden. Entgegen seinen mehrmaligen Anträgen habe die Behörde die zeugenschaftliche Einvernahme seines Beifahrers Dipl.-Ing. T sowie die ergänzende Einvernahme eines weiteren Insassen seines Fahrzeuges unterlassen und sich auch nicht mit der diesbezüglich in der Berufung erhobenen Rüge auseinandergesetzt. So ergebe sich aus den Aussagen der genannten Zeugen vor Gericht, daß für den Beschwerdeführer die Sicht auf die Querstraße nach links durch geparkte Autos und durch Alleebäume gehindert gewesen sei, und daß sich der Beschwerdeführer in den Kreuzungsbereich hineingetastet habe. Erst nach Feststellungen zu den Sichtverhältnissen und dem „Sich hineinbewegen“ in den Kreuzungsbereich hätte beurteilt werden können, ob sich der Beschwerdeführer im Schritttempo in die Kreuzung bis zu dem Punkt vorgetastet habe, von dem aus ihm die erforderliche Sicht auf den Querverkehr möglich gewesen sei, er in dieser Position sein Fahrzeug auch zum Stillstand gebracht habe und auch objektiv erstmals das Motorfahrrad habe wahrnehmen können, oder ob aus erhobenen Verfahrensergebnissen Gegenteiliges hätte angenommen werden müssen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Es trifft zwar zu, daß die belangte Behörde den Zeugen Dipl.-Ing. T entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren nicht einvernahm und auch dem Antrag des Beschwerdeführers auf ergänzende Einvernahme des weiteren Insassen seines Fahrzeuges nicht nachkam, aber auch nicht begründete, warum sie dies für entbehrlich erachtete. Der Verwaltungsgerichtshof vermag darin jedoch keinen wesentlichen Mangel zu erkennen. Beide Zeugen wurden - wie der Beschwerdeführer selbst zugibt - vor Gericht vernommen und es war der belangten Behörde nicht verwehrt - auch das räumt der Beschwerdeführer ein -, die Ergebnisse des gerichtlichen Beweisverfahrens bei ihrer Entscheidung zu verwerten. Wie aus den vorstehend wörtlich wiedergegebenen Ausführungen der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorgeht, hat die belangte Behörde entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht bloß die von ihr für zutreffend erachteten Feststellungen des Gerichtes zu ihren eigenen gemacht, sondern sich auch der Beurteilung dieser Feststellungen durch das Gericht in bezug auf das Verhalten des Beschwerdeführers angeschlossen, nämlich daß das Einfahren des Beschwerdeführers in den Kreuzungsbereich der Bremsanlaß für die Unfallszweitbeteiligte gewesen sei, weil sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers bereits so weit (ca. 3 m über die parkenden Fahrzeuge hinausragend) in der Fahrlinie des Fahrzeuges der Unfallszweitbeteiligten befunden habe, daß sie zu einer Bremsung und Auslenkung ihres Fahrzeuges gezwungen worden sei. Wenn die belangte Behörde in diesem Verhalten des Beschwerdeführers, aus dem das Gericht im übrigen auf ein überwiegendes Verschulden des Beschwerdeführers am Zustandekommen des gegenständlichen Verkehrsunfalles schloß, eine Verletzung seiner Wartepflicht sah, weil er dadurch die im Vorrang befindliche Fahrzeuglenkerin zum unvermittelten Bremsen und Ablenken ihres Fahrzeuges nötigte, weshalb er die ihm zur Last gelegte Übertretung des § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 4 StVO zu vertreten habe, so vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten. Es darf nicht übersehen werden, daß von einem bei Sichtbehinderung auf den Querverkehr erforderlichen „Vortasten“, das in der Regel ein schrittweises oder zentimeterweises Vorrollen in mehreren Etappen bis zu einem Punkt, von dem aus die erforderliche Sicht möglich ist, bedeutet, nicht mehr gesprochen werden kann, wenn das Fahrzeug in einem Zuge mit der vom Beschwerdeführer entfalteten Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hineinbewegt wird, sodaß es ca. 3 m über die parkenden Fahrzeuge hinausragt, bevor es zum Stillstand kommt.

Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung, die den Gründen nicht nachvollziehbar entnommen werden könne, da weder in erster noch in zweiter Instanz Strafzumessungsgründe angeführt seien, insbesondere, welches Verhalten als schwerwiegend angesehen worden sei, sodaß Unbescholtenheit nicht mehr habe ins Gewicht fallen können.

Dieser Einwand entbehrt jeder Grundlage. Es enthalt sowohl der Bescheid der Erstbehörde als such der angefochtene Bescheid Ausführungen zur Strafbemessung. Insbesondere legte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides ausführlich und ohne daß ihr eine Rechtswidrigkeit anzulasten ist, dar, daß und aus welchen Gründen sie die über den Beschwerdeführer verhängte Strafe auch der Höhe nach für gerechtfertigt erachtete, wobei sie ausdrücklich auch auf den Milderungsgrund der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers Bedacht nahm, die verhängte Strafe jedoch ungeachtet dessen in Hinsicht darauf, daß sie sich ohnehin im unteren Bereich des Strafrahmens bewegt, für schuldangemessen hielt. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Strafzumessung rechtswidrig vorgegangen wäre.

Da sich die Beschwerde sohin zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 14. Dezember 1988

Schlagworte

Beweismittel Gerichtsverfahren Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Vortasten freie Beweiswürdigung Vorrangberechtigter Verhalten Wartepflichtiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988030086.X00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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