Index
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1986 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des E in Wien, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. September 1996, Zl. SD 988/96, betreffend Verhängung eines Waffenverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. August 1996, mit dem dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen.
Nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides waren "Tatsachen" im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG 1986 beim Beschwerdeführer "dadurch gegeben, daß" der Beschwerdeführer "seit dem Jahr 1983 Kriegsmaterial aus den Beständen des österreichischen Bundesheeres entwendet" habe. Dieses im erstinstanzlichen Bescheid nicht näher beschriebene Material sei anläßlich einer freiwilligen Nachschau beim Beschwerdeführer gefunden worden.
Zur Berufung des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde hinsichtlich des Sachverhaltes aus, dem Beschwerdeführer sei am 10. Juli 1995 (richtig: 1985) eine Waffenbesitzkarte ausgestellt worden. Er besitze mehrere Faustfeuerwaffen und Pumpguns. Am 21. März 1995 seien in der Wohnung des Beschwerdeführers in Kindberg von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid in insgesamt acht Positionen zusammengefaßte Patronen und Treibladungen sichergestellt worden. Die unter den Nummern 7 und 8 angeführten Patronen ("96 Patronen, Kaliber 7,62 x 51 mm (.308 Winchester), Fabrikat Hirtenberg, Vollmantelleuchtspurgeschoß") und Treibladungen ("6 Treibladungen TL 70-1 HP 7-76 TL 70-2 HP 5-76, Fabrikat Hirtenberg; diese Treibladungen werden für Granaten, welche aus dem 8,1 cm Granatwerfer verfeuert werden, verwendet") seien Kriegsmaterial. Der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial seien verboten. Der Berufungswerber habe die Patronen und die Treibladungen "ab dem Jahre 1983" im Zuge von Schießübungen des Bundesheeres widerrechtlich an sich gebracht. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Leoben sei das wegen dieses Sachverhaltes eingeleitete Verfahren am 17. April 1996 wegen Verjährung eingestellt worden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde u.a. die Ansicht, das (unerlaubte) Ansammeln großer Mengen von Munition sei besonders dann, wenn es sich dabei um verbotene Munition, d.h. Kriegsmaterial, handle, im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG tatbestandsmäßig, zumal aus einem solchen Verhalten der Schluß gezogen werden könne, die betreffende Person setze sich offenbar bewußt über waffenrechtliche Verbote hinweg (Erkenntnis vom 20. Februar 1985, Zl. 85/01/0039).
Im Fall des Beschwerdeführers lägen Tatsachen vor, aufgrund deren ein Mißbrauch von Waffen zu befürchten sei. Nicht nur, daß sich der Beschwerdeführer, wie er selbst angebe, widerrechtlich in den Besitz der angeführten Patronen gesetzt habe - das strafgerichtliche Verfahren sei zwar wegen Verjährung eingestellt worden -, habe er sich auch über die entsprechenden Bestimmungen des Waffengesetzes und des Kriegsmaterialgesetzes hinweggesetzt. Gerade der Beschwerdeführer als Inhaber einer Waffenbesitzkarte sei verpflichtet gewesen, die entsprechenden waffenrechtlichen Bestimmungen genauestens zu befolgen. Der Schluß sei daher berechtigt, daß er sich "offenbar" bewußt über waffenrechtliche Verbote hinweggesetzt habe. Damit sei die Annahme, daß er auch durch mißbräuchliche Verwendung, d.h. gesetz- bzw. zweckwidrigen Gebrauch, von Waffen "und Munition" Leben und Gesundheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, jedenfalls gerechtfertigt.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, daß er eine Kaderfunktion in einem Panzerbataillon der Bereitschaftstruppe innehabe und auch Ausbilder an schweren Waffen sei sowie, daß er in seiner Tätigkeit als Offizier vom Tag für die Sicherheit des gesamten Bataillons verantwortlich sei und eine scharfgeladene Pistole trage, komme im gegenständlichen Verfahren keine Berechtigung zu. Der Berufung sei daher keine Folge zu geben gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde (sowie Einlangen einer Replik des Beschwerdeführers auf die Gegenschrift) erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht (erstmals in der Beschwerde) geltend, die 96 Patronen "Vollmantelleuchtspurgeschoß" fielen unter die Ausnahmebestimmung des § 28a Abs. 6 WaffG 1986, wonach für "Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß, die als Kriegsmaterial anzusehen sind", das in § 28a Abs. 1 WaffG 1986 verankerte Verbot des Erwerbs, Besitzes und Führens von Kriegsmaterial nicht gelte und der Erwerb dieser Patronen u.a. aufgrund einer gültigen Waffenbesitzkarte zulässig sei. Als Inhaber einer Waffenbesitzkarte habe der Beschwerdeführer diese Patronen daher besitzen dürfen.
Die belangte Behörde setzt sich mit dieser Frage in der Begründung des angefochtenen Bescheides (und im übrigen auch in der Gegenschrift) nicht auseinander. Angesichts der Beschreibung der Patronen im angefochtenen Bescheid ist aber nicht erkennbar, weshalb es sich nicht um "Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß, die als Kriegsmaterial anzusehen sind", handeln solle. Insoweit der angefochtene Bescheid auf der Annahme beruht, der Besitz dieser Patronen sei nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 28a Abs. 6 WaffG 1986 gefallen, widerspricht er daher dem Gesetz.
In bezug auf die verbleibenden sechs Treibladungen für Granatwerfergranaten führt der Beschwerdeführer in der Beschwerde aus, er habe diese "zur Vervollständigung" eines von ihm "in dienstlichem Interesse" angefertigten Demonstrationsmodells einer Granate verwendet, das er nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Kommandant einer Granatwerfergruppe Ende 1992 als Erinnerung behalten habe. Wegen der Zusammensetzung der Füllungen dieser Treibladungen, die in Substanz und Wirkung mit dem im freien Handel erhältlichen Schwarzpulver vergleichbar seien, sei in ihm nie der Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen das Waffengesetz entstanden. Er sei in dieser Hinsicht einem Rechtsirrtum unterlegen, verwahre sich aber gegen die Behauptung einer "bewußten Hinwegsetzung" über Bestimmungen des Waffengesetzes.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß es sich bei den nunmehr behaupteten Motiven für den als solchen nach wie vor nicht in Abrede gestellten Diebstahl dieses Materials um gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerungen handelt und der behauptete Rechtsirrtum angesichts der beruflichen Stellung des Beschwerdeführers völlig unverständlich und jedenfalls vorwerfbar wäre.
Dessen ungeachtet reicht der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aber nicht aus, um die Verhängung eines Waffenverbotes zu begründen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Mehrzahl von Erkenntnissen ausgesprochen, der Erwerb und Besitz von Kriegsmaterial (vgl. dazu - ohne Bezugnahme auf eine besonders große Menge von Kriegsmaterial - die Erkenntnisse vom 22. Februar 1989, Zl. 89/01/0027, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0874), aber auch das gegen § 23 WaffG 1986 verstoßende Überlassen von Munition (Erkenntnis vom 30. Mai 1990, Zl. 89/01/0080) oder eine Vielzahl von Verstößen gegen waffenrechtliche Meldevorschriften (Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 419/78) stünden wegen der zutage tretenden Mißachtung waffenrechtlicher Vorschriften der Annahme, eine Person sei verläßlich im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG 1986, entgegen (vgl. - mit etwas anderer Begründung - auch die Entscheidungen zum unbefugten Führen von Waffen, etwa das Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 92/01/0838; abweichend die auf dem Erkenntnis vom 4. Juli 1984, Zl. 82/01/0091, beruhende Rechtsprechung zum unbefugten Besitz von Faustfeuerwaffen). Demgegenüber wurde in bezug auf die strengeren Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes ausgesprochen, der bloße Besitz einer verbotenen Waffe sei "für sich allein kein Indiz" für die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch eine mißbräuchliche Verwendung von Waffen im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG 1986 (Erkenntnis vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/01/0140, eine Waffe mit einem Gewinde für einen Schalldämpfer betreffend, wobei nicht auf die Behauptung eines fehlenden Vorsatzes abgestellt wurde; in bezug auf das Vorliegen einer verbotenen Waffe bloß obiter das Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0026). Auch aus dem unbefugten Führen einer Faustfeuerwaffe kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geschlossen werden, daß die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen im Sinne der erwähnten Bestimmung bestehe (Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 93/01/1539).
Die entscheidenden Rechtsausführungen in dem von der belangten Behörde zitierten, noch zum WaffG 1967 ergangenen Erkenntnis vom 20. Februar 1985, Zl. 85/01/0039, lauten wie folgt:
"Das gegen den Beschwerdeführer erlassene Waffenverbot wurde von den Verwaltungsbehörden beider Instanzen auf § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1967 gegründet. Darnach hat die Behörde einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Diese Regelung dient - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat (vgl. hiezu Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Zl. 127/80, und die dort zitierte Judikatur) - der Verhütung einer mißbräuchlichen Verwendung namentlich von Schußwaffen und setzt nicht voraus, daß bereits tatsächlich eine solche mißbräuchliche Verwendung stattgefunden hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht es ferner dem allgemeinen Schutzzweck des Waffengesetzes 1967, bei der Beurteilung der mit dem Besitz und dem Umgang mit Waffen, insbesondere mit Faustfeuerwaffen verbundenen Gefahren, einen eher strengen Maßstab anzulegen.
Auf dem Boden dieser Rechtslage hat die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers, das seiner strafgerichtlichen Verurteilung durch das Geschwornengericht beim Landesgericht Linz mit Urteil vom 24. März 1983 zugrunde gelegen ist, nämlich das Ansammeln von an die 20 Stück Faustfeuerwaffen, einer Maschinenpistole und weiterer verbotener Waffen und großer Mengen von Munition ohne Rechtsirrtum als tatbestandsmäßig im Sinne der Bestimmung des § 12 Abs. 1 WaffG angesehen, da der von ihr aus dem festgestellten Verhalten des Beschwerdeführers gezogene Schluß, er setze sich offenbar bewußt über waffenrechtliche Verbote hinweg, begründet ist. Die von der Behörde aufgrund der Eingaben des Beschwerdeführers ausgesprochene Besorgnis, daß dieser Waffen wieder in einem ähnlichen, die öffentliche Sicherheit gefährdenden Ausmaß ansammeln werde, wie dies schon der Fall gewesen sei, wird vom Vorbringen des Beschwerdeführers in der von ihm selbst verfaßten Beschwerdeschrift bestätigt, da er darin zum Ausdruck bringt, er sei von der Behörde in die "Illegalität" getrieben worden, nur weil er nicht als Waffensammler anerkannt werde. Diese Eingabe läßt ebenso wie die in der Bescheidbegründung genannten nur den Schluß zu, daß die Annahme der Behörde, die kaum noch als rational einzustufende Leidenschaft zum Besitz von Waffen, die den Beschwerdeführer Gesetzesverletzungen in Kauf nehmen lasse, stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der genannten Bestimmung dar, berechtigt ist."
Setzt man diese Ausführungen in Beziehung zu den zuvor erwähnten, gleichfalls Verstöße gegen das Waffengesetz betreffenden Erkenntnissen, und mißt man den im vorliegenden Fall zu beurteilenden Sachverhalt an der Gesamtheit dieser Entscheidungen, so ergibt sich einerseits, daß die bloße Tatsache eines allenfalls auch vorsätzlichen Verstoßes gegen Waffenrecht nicht losgelöst von der Art des Verstoßes und den Umständen des Einzelfalles die Verhängung eines Waffenverbotes rechtfertigt und andererseits, daß sich der vorliegende Fall in bezug auf den konkreten Sachverhalt von dem mit dem Erkenntnis vom 20. Februar 1985, Zl. 85/01/0039, entschiedenen schon durch die - bezogen auf die sechs Treibladungen - vergleichsweise geringe Menge und insoweit, als es sich ausschließlich um Munition und nicht auch um Waffen handelt, auch durch die Art des unbefugt besessenen Materials wesentlich unterscheidet. Darauf, daß der Beschwerdeführer die öffentliche Sicherheit bereits durch eine Ansammlung von Waffen und Munition gefährdet hätte und einer kaum noch als rational einzustufenden Leidenschaft zum Besitz von Waffen verfallen sei, die ihn an der Einhaltung waffenrechtlicher Vorschriften hindere und eine Gefahr darstelle, deutet im angefochtenen Bescheid ebenfalls nichts hin. Hinzu kommt im vorliegenden Fall der Umstand, daß dem Bescheid der belangten Behörde nicht zu entnehmen ist, in welchem engeren Zeitraum "ab dem Jahre 1983" (und damit 13 Jahre vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides) der Beschwerdeführer die 1995 in seiner Wohnung gefundenen Treibladungen - zu denen er in dieser Hinsicht nicht gesondert befragt wurde - an sich gebracht hat. Geht man, worauf der Akt Hinweise enthält, davon aus, daß es sich bei dieser widerrechtlichen Aneignung um ein lange zurückliegendes Fehlverhalten handeln kann, so könnte auch der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer des Kriegsmaterials nicht vor dessen Auffindung freiwillig entledigt und es somit bis zuletzt besessen hatte, nichts daran ändern, daß sich während dieses allenfalls langen Zeitraumes nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides und der vorgelegten Akten nichts ereignete, was sich als Bestätigung der auf den unerlaubten Besitz der Treibladungen gestützten Annahme, der Beschwerdeführer könnte im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG 1986 gefährlich sein, deuten ließe. Das sonstige Wohlverhalten während eines langen Beobachtungszeitraumes müßte bei der zu erstellenden Verhaltensprognose - auch im Falle einer Prüfung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt des § 6 WaffG 1986 - jedenfalls Berücksichtigung finden.
Da der Rechtsansicht der belangten Behörde, der festgestellte Sachverhalt sei eine ausreichende Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbotes, somit nicht gefolgt werden kann, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996200745.X00Im RIS seit
25.04.2001