TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/6 97/20/0548

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Veröffentlicht am 06.11.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des K in Wien, vertreten durch Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien VIII Wickenburggasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1997, Zl. 4.347.601/1-111/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 8. Oktober 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11. Oktober 1995 die Gewährung von Asyl.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1997 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. Oktober 1995, mit dem seinem Asylantrag nicht stattgegeben worden war, abgewiesen und damit die Gewährung von Asyl versagt. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß die vom Beschwerdeführer angegebene Tätigkeit für eine Mudjaheddin-Bewegung, somit für eine verbotene politische Gruppierung, für sich allein noch keinen Grund für die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling darstelle, zumal der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang keine konkreten, gegen ihn persönlich gerichteten, asylrelevanten Verfolgungshandlungen behauptet habe. Die vom Beschwerdeführer angegebene Angst vor Verfolgung, die die Verhaftung eines anderen Sympathisanten dieser politischen Bewegung ausgelöst habe, sei objektiv nicht nachvollziehbar und könne die in der GFK geforderte "wohlbegründete Furcht" vor Verfolgung nicht begründen. Obwohl ein Zusammenhang zwischen der Verhaftung des Sympathisanten und einer ihm selbst drohenden asylrelevanten Verfolgung keineswegs evident sei, habe sich der Beschwerdeführer deshalb nicht mehr nach Hause begeben. Soweit der Beschwerdeführer eine Verhaftung seines Vater angesprochen habe, seien diese Angaben zum einen unglaubwürdig, zum anderen könnten nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die eine Person unmittelbar betreffen, sodaß Ereignisse betreffend deren Familienmitglieder und andere Personen nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten. Von der beantragten Einholung von Auskünften bei Amnesty International, beim UNHCR und von gewünschten Anfragen an das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes sei abzusehen gewesen, weil kein direkter Bezug zur individuellen Situation des Beschwerdeführers zu erwarten gewesen wäre und allgemeine Berichte (über die Situation im Heimatland) grundsätzlich nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen seiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß S 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird lediglich geltend gemacht, daß sich der Beschwerdeführer einer Mudjaheddin-Bewegung angeschlossen habe, somit einer Bewegung, deren Mitglieder im Iran Verfolgungen und Internierungen sowie Strafverfahren ausgesetzt seien. Es liege - so die Beschwerde weiter - in der Natur der Sache, daß der Beschwerdeführer aus Österreich mehr oder weniger unmöglich feststellen könne, welche konkreten Verfolgungshandlungen die Behörden im Iran gegen ihn setzten.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ergebe sich daraus, daß die belangte Behörde die gewünschten Anfragen an Amnesty International, den UNHCR und an das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes nicht vorgenommen habe. Hinzu komme, daß die Behörde ohne irgendeinen Gegenbeweis zu haben, die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, sein Vater sei in Haft genommen worden, als unglaubwürdig zurückweise. Es könne nicht gefordert werden, über das Vorliegen einer Verfolgungsgefahr schriftliche Unterlagen der iranischen Behörden zu verfügen. Zentraler Aspekt des vom § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt somit wesentlich darauf an, ob sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation des Asylwerbers aus Konventionsgründen fürchten würde. Eine Verfolgungsgefahr ist somit dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Z1. 94/20/0858, u.a.). Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen kann die im Bescheid ausgedrückte Auffassung, daß aus der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu der politischen Bewegung, für die er tätig gewesen zu sein behauptete, für sich allein keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung abgeleitet werden könne, nicht als rechtswidrig qualifiziert werden. Richtig ist, daß eine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung nicht erst dann angenommen werden kann, wenn bereits erhebliche Verfolgungsmaßnahmen gegen einen Asylwerber gesetzt worden sind, sondern daß auch unmittelbar drohende Verfolgungshandlungen die Flüchtlingseigenschaft begründen können. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt aber nicht. Die Beschwerde tritt den Ausführungen im Bescheid, wonach der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine konkreten, ihn selbst betreffenden drohenden Verfolgungshandlungen durch die iranischen Behörden angegeben habe, lediglich durch den Hinweis auf seine Tätigkeit für die verbotene politische Gruppierung sowie unter Hinweis darauf entgegen, daß sein Vater in Haft genommen worden sei. Damit werden aber von der Beschwerde keine konkreten Gründe dafür, daß der Beschwerdeführer einer ihm individuell drohenden Verfolgung wegen seiner Tätigkeit für die verbotene politische Gruppierung ausgesetzt gewesen wäre, geltend gemacht. Die Verhaftung eines weiteren Sympathisanten der politischen Gruppierung, der der Beschwerdeführer angehörte, besagt für sich allein noch nicht, daß auch dem Beschwerdeführer eine solche mit nachteiligen asylrechtlich beachtlichen Konsequenzen drohte, zumal nicht dargelegt wird, daß überhaupt mit der Preisgabe seines Namens zu rechnen gewesen wäre. Ebensowenig wird nachvollziehbar ausgeführt, warum die behauptete Haft seines Vaters Rückschlüsse auf eine ihm selbst drohende Verfolgung habe begründen können. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß aus den von ihm beantragten allgemeinen Berichten der genannten Organisationen unmittelbar Rückschlüsse auf eine ihn individuell treffende Verfolgung zu ziehen seien. Damit kann aber die Auffassung der belangten Behörde, allgemeine Berichte über die Situation der Menschenrechte im Heimatland des Beschwerdeführers könnten nicht den geforderten konkreten Bezugspunkt für eine den Beschwerdeführer individuell treffende Verfolgungsgefahr ersetzen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Ausgehend von dem somit nicht ausreichend substantiierten Beschwerdevorbringen ist davon auszugehen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen war. Bei dieser Sachlage erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. W i e n , am 6. November 1997

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997200548.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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