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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A D alias M Zin O, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2020, Zl. W175 2195574-1/17E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Zudem wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Zusammengefasst verneinte das BVwG eine Verfolgungsgefahr aus den vom Revisionswerber vorgebrachten Fluchtgründen und stellte fest, dass dem Revisionswerber eine Rückkehr nach Kabul, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe, möglich sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die vorliegende Revision richtet sich ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie gegen die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung und bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG habe entgegen näher dargelegter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs seinem Erkenntnis nicht die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt und sich daher nicht mit den aktuellen Entwicklungen aufgrund der Covid-19-Pandemie auseinandergesetzt. Es habe näher zitierte Berichte (insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 18. Mai 2020 sowie eine Stellungnahme von Friederike Stahlmann von März 2020) unberücksichtigt gelassen.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar (vgl. VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, Rn. 10, mwN).
9 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. wiederum VwGH Ra 2020/01/0130, Rn. 11, mwN).
10 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, Rn. 14, mwN).
11 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht:
12 Nach der ständigen Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebegefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, Rn. 14).
13 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs reicht für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0231, Rn. 11, mwN).
14 Beim Revisionswerber handelt es sich nach den unbestrittenen Feststellungen des BVwG um einen volljährigen, anpassungsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter mit mehrjähriger Schulbildung, der einer regelmäßigen Arbeit nachgehen kann. Dass der Revisionswerber in Bezug auf Covid-19 einer „Risikogruppe“ angehören würde, wird in der Revision nicht vorgebracht.
15 Der Revisionswerber legt nicht dar, dass hinsichtlich der Covid-19-Pandemie in Afghanistan solche exzeptionellen Umstände vorlägen, welche konkret die reale Gefahr einer Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte darstellten (vgl. zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Afghanistan VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188; 2.7.2020, Ra 2020/20/0212).
16 Dass die in der Revision ins Treffen geführte psychische Erkrankung des Revisionswerbers die Schwere und Intensität aufweise, die für den Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr in seine Heimatregion Kabul eine reale Gefahr einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK und zwar das reale Risiko wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt, bewirken könnte (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2019/01/0438, mwN und Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10), wird in der Revision nicht dargetan.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
18 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 7. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010273.L00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020