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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in den Revisionssachen 1. des A B, 2. der C D, 3. des E F und 4. des G H, alle in X, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2020, 1. L512 2144759-1/20E, 2. L512 2144748-1/21E, 3. L512 2144763-1/18E und 4. L512 2144753-1/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige des Iran. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Sie sind die Eltern des Dritt- und des Viertrevisionswerbers. Sie stellten am 12. November 2015 bzw. am 3. Oktober 2016 Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstrevisionswerber begründete seinen Antrag damit, dass er bereits im Iran Christ gewesen sei. Er habe als Taxifahrer eine Frau kennengelernt, mit der er sich über das Christentum unterhalten habe und auch eine Hauskirche bei sich zu Hause veranstaltet. Beamte seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten die Zweitrevisionswerberin mitgenommen. Mittlerweile seien alle Revisionswerber zum Christentum konvertiert und in Österreich römisch-katholisch getauft worden.
2 Mit Bescheiden vom 21. Dezember 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge als unbegründet ab, erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest.
3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen diese Erkenntnisse erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1192-1195/2019-12, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 8. Juli 2020, E 1192-1195/2019-14, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revisionen bringen in der Zulässigkeitsbegründung vor, das Bundesverwaltungsgericht sei eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben, warum es von einer Scheinkonversion ausgehe und der Glaubenswechsel nicht aus innerer Überzeugung stattgefunden habe. Die Revisionswerber seien getauft worden und der Taufe sei eine lange und intensive Vorbereitung vorausgegangen. Es würden objektive Umstände für eine ernstgemeinte Konversion sprechen. Der einvernommene Zeuge habe die Ernsthaftigkeit der Konversion bestätigt, jedoch habe das Bundesverwaltungsgericht seine Angaben nicht ordnungsgemäß gewürdigt.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. zum Ganzen VwGH 9.4.2020, Ra 2020/14/0138, mwN).
10 Das BVwG hat sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von den Revisionswerbern verschafft, sie zu ihren Motiven zum behaupteten Religionswechsel sowie ihren religiösen Aktivitäten sowohl in der Heimat als auch in Österreich befragt. Es ist mit ausführlicher Begründung unter Einbeziehung sämtlicher Angaben der Revisionswerber sowie des vernommenen Zeugen in einer Gesamtschau zur Auffassung gelangt, dass eine innere Konversion nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Revision mit der Behauptung, das BVwG sei eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben sowie der Anführung von einzelnen Umständen, die für das eigene Vorbringen sprechen, nicht aufzuzeigen. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist das BVwG auch auf die Aussage des vernommenen Priesters inhaltlich eingegangen. Mit dem bloßen Vorwurf, diese sei „nicht ordnungsgemäß gewürdigt“ worden, wird ebensowenig eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung dargelegt.
11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140402.L00Im RIS seit
02.11.2020Zuletzt aktualisiert am
02.11.2020