Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der Bietergemeinschaft E (bestehend aus 1. der Egesellschaft m.b.H. in W und 2. der I GmbH in W), vertreten durch die Oehner & Partner Rechtsanwaelte GmbH in 1220 Wien, Donau-City-Straße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. Jänner 2018, Zl. LVwG-VG-13/002-2017, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Land Niederösterreich, vertreten durch die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, und 2. ARGE B in W),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird hinsichtlich der Spruchpunkte 3. und 4. der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
In seinem übrigen Umfang (Spruchpunkt 1. und 2.) wird die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Laut Akteninhalt liegen dem Revisionsfall folgende unstrittige Tatsachen zugrunde:
2 Mit Bekanntmachung vom 3. Juli 2017 leitete die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeber) ein offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich zur Vergabe von Bauleistungen betreffend „Bodenmarkierungsarbeiten auf den Landstraßen B und L im Bereich der NÖ STBA 2 für das Jahr 2018“ mit der Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils weitere zwei Jahre ein. Eine EU-weite Bekanntmachung erfolgte nicht. Die Ausschreibungsbedingungen sahen eine Bewertung der Angebote nach dem Bestbieterprinzip vor.
3 Den gleichen Leistungsinhalt betreffend wurden von den Straßenbauabteilungen 1 bis 8 des Amtes der NÖ Landesregierung als vergebende Stellen für den jeweils sie betreffenden Zuständigkeitsbereich Bekanntmachungen im Zeitraum zwischen 30. Juni 2017 und 10. Juli 2017 veröffentlicht. Die jeweiligen Angebotsabgaben erfolgten je nach Ausschreibung im Zeitraum zwischen 25. Juli 2017 und 1. August 2017.
4 Sowohl die Revisionswerberin als auch die Zweitmitbeteiligte (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) beteiligten sich mit Angeboten an der Ausschreibung. Das Angebot der Revisionswerberin wurde hinter dem Angebot der Zweitmitbeteiligten an zweiter Stelle gereiht.
5 Mit der Zuschlagsentscheidung vom 14. November 2017 gab der Auftraggeber bekannt, dass er den Zuschlag der Zweitmitbeteiligten (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) erteilen werde.
6 Mit Antrag vom 20. November 2017, der dem Revisionsverfahren zu Grunde liegt, begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung.
7 Frühere Auftraggeberentscheidungen im Zusammenhang mit diesem Vergabeverfahren waren nicht bekämpft worden. Auch die zugrunde liegende Ausschreibung wurde bestandfest.
8 2.1. Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren ab (Spruchpunkte 1. und 2.).
9 Ferner verpflichtete das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin zum Ersatz der Barauslagen für den nichtamtlichen Sachverständigen (Spruchpunkt 3.) und wies den Antrag auf Ablehnung des mit verwaltungsgerichtlichem Beschluss vom 29. Dezember 2017 bestellten nichtamtlichen Sachverständigen ab (Spruchpunkt 4.).
10 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
11 2.2. Sofern für das Revisionsverfahren von Relevanz traf das Verwaltungsgericht in seiner Begründung zusammengefasst folgende Feststellungen:
12 Bei der Angebotsöffnung am 25. Juli 2017 seien Vertreter des Auftraggebers und zumindest je ein Vertreter pro Bieter anwesend gewesen. Die Angebote seien jeweils verlesen, gelocht, gebunden und plombiert worden. Für jeden Bieter habe die Möglichkeit bestanden, eine Kopie des Protokolls betreffend die Verlesung der Angebote anfertigen zu lassen.
13 Bei einer Zusammenrechnung der geschätzten Auftragswerte der oben erwähnten im zeitlichen Zusammenhang ausgeschriebenen Aufträge der Straßenbauabteilungen würde - unter Zugrundelegung der Preise für jeweils fünf Jahre - der im Zeitpunkt der Bekanntmachung geltende Oberschwellenwert gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 überschritten werden. Der geschätzte Auftragswert für das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren alleine übersteige den Schwellenwert nicht.
14 Die Angebote seien seitens der Straßenbauabteilung 2 durch sachkundige Personen geprüft worden. Die Angebote hätten in den wesentlichen Positionen und auch im Gesamtpreis keine ungewöhnlichen Abweichungen aufgewiesen. Im Angebot der Zuschlagsempfängerin seien einige Einheitspreise über, einige unter den Einheitspreisen der Angebote der Mitbieter gelegen. Sämtliche Positionen seien in „Lohn“ und „Sonstiges“ aufgeteilt gewesen. Ein ungewöhnliches Missverhältnis habe nicht festgestellt werden können. Die Prüfung der Kalkulation habe ergeben, dass sämtliche Kostenträger in der Kalkulation Berücksichtigung gefunden hätten. Die Leistungsansätze seien in den wesentlichen Positionen auf Plausibilität geprüft und als plausible Größenordnung erkannt worden. Der Lohnkalkulation seien die kollektivvertraglich aktuellen Werte zugrunde gelegt und bei Erstellung die direkten und die umgelegten Lohnnebenkosten berücksichtigt worden. Der ermittelte Mittellohn könne als plausibel angesehen werden. Dem Angebot der Zuschlagsempfängerin liege insgesamt eine schlüssige, betriebswirtschaftlich nachvollziehbar geführte Kalkulation zugrunde. Es weise einen plausiblen Gesamtpreis auf, zumal in den wesentlichen Positionen die direkt zuordenbaren Kostenträger kostendeckend kalkuliert und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar seien.
15 Die Zuschlagsempfängerin verfüge entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die mangelnde technische Leistungsfähigkeit über eine Bodenmarkierungsmaschine für Wasserfarbe. Auch weise die Zuschlagsempfängerin die erforderlichen Referenzprojekte auf.
16 2.3. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, ausgehend von der Bestandfestigkeit der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung sei die Vergabekontrollinstanz nicht mehr befugt, Rechtswidrigkeiten dieser Entscheidung im Rahmen der Nachprüfung späterer Auftraggeberentscheidungen aufzugreifen, wobei die Rechtsprechung nicht zwischen fundamentalen und weniger schwerwiegenden Verstößen unterscheide. Die in Bezug auf die Ausschreibung vorgebrachten Beschwerdepunkte betreffend die Auftragsbewertung seien daher nicht zu prüfen. Die Bezugnahme auf die Rechtssache „Lämmerzahl“ (EuGH, C-241/06) verfange nicht, weil im vorliegenden Fall die betreffenden Ausschreibungen nahezu zeitgleich bekannt gemacht worden seien. Die diesbezügliche Kenntnisnahme durch die Revisionswerberin erhelle sich auch daraus, dass diese selbst sich an mehreren der Ausschreibungen als Bieterin beteiligt habe. Es handle sich daher um einen Einzelauftrag, der im Unterschwellenbereich liege.
17 Die Preisangemessenheitsprüfung sei als Plausibilitätsprüfung ausgestaltet und habe zum Gegenstand, ob die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar seien, ohne dass eine minutiöse Kalkulationsprüfung erforderlich sei. Es sei eine derart vertiefte Prüfung vorzunehmen, die eine begründete Schlussfolgerung ermögliche, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen könne. Die Nachprüfungsbehörde wiederum habe zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von ausreichend sachkundigen Personen geprüft worden und aufgrund der dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Unterlagen gegeben sei. Die vergebende Stelle habe das verfahrensgegenständliche Angebot der Zuschlagsempfängerin einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen. Dabei sei die festgestellte Zuziehung eines „Sachverständigen“ des Auftraggebers nach der Rechtsprechung ausreichend. Es sei sowohl eine formale als auch rechnerische Prüfung erfolgt. Aufgrund des vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen könne davon ausgegangen werden, dass der Gesamtpreis im Angebot der Zuschlagsempfängerin als angemessen im Sinne des BVergG 2006 anzusehen sei.
18 Hinsichtlich der vorgebrachten Verletzung des § 118 Abs. 4 BVergG 2006 führte das Verwaltungsgericht aus, es sei zwar im gegenständlichen Protokoll nicht festgehalten worden, dass dem Angebot der Zuschlagsempfängerin auch ein Leistungsverzeichnis angeschlossen gewesen sei, jedoch sei dieses anhand der durchnummerierten Ausschreibungsunterlagen erstellt worden und aufgrund der festgestellten Handhabung bei der Angebotsöffnung kein Anzeichen für eine nachträgliche Manipulation ersichtlich. Es sei daher davon auszugehen, dass das Leistungsverzeichnis bereits bei Angebotsöffnung vorhanden gewesen sei. Auch bei angemessener Würdigung des Transparenzgebotes und der erforderlichen Nachvollziehbarkeit im Rahmen der Angebotsöffnung, könne eine Verletzung der genannten Bestimmung hier nicht zu einer Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung führen.
19 Zum Vorbringen der mangelnden technischen Leistungsfähigkeit sei festzuhalten, dass das Beweisverfahren ergeben habe, dass die Zuschlagsempfängerin über die notwendige Bodenmarkierungsmaschine verfüge. Da es sich bei dem ausgeschriebenen Auftrag um einen Einzelauftrag handle, sei das Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die mangelnde Verfügbarkeit der Maschinen für die im Bereich der übrigen Straßenbauabteilungen ausgeschriebenen Leistungen unerheblich. Den Kapazitätsnachweis für den verfahrensgegenständlichen Auftrag habe die Revisionswerberin jedenfalls erbracht.
20 Der Antrag auf Nichtigerklärung sei sohin insgesamt abzuweisen.
21 Zur Begründung der Verpflichtung der Revisionswerberin zur Tragung der Kosten für den gerichtlich bestellten, nichtamtlichen Sachverständigen verwies das Verwaltungsgericht auf den sinngemäß anzuwendenden § 76 Abs. 1 AVG, wonach für Barauslagen diejenige Partei aufzukommen habe, die den verfahrensgegenständlichen Antrag gestellt habe.
22 Hinsichtlich der Ablehnung des nichtamtlichen Sachverständigen sei festzuhalten, dass eine solche nach dessen Vernehmung nur dann erfolgen könne, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren oder wegen eines für sei unüberwindbaren Hindernisses nicht habe geltend machen können. Die Revisionswerberin habe in einem Schriftsatz vom 9. Jänner 2018 vorgebracht, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Einwände gegen den bestellten Sachverständigen bestanden hätten. Die in einem Parallelverfahren erstattete „Gutachterliche Stellungnahme“ habe jedoch nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine solche entsprochen, noch seien die „SV-Standesregeln“ eingehalten worden. Dieses Ablehnungsvorbringen erachte das Verwaltungsgericht einerseits als unsubstantiiert, andererseits könnten in einem anderen Verfahren gewonnene, bloß subjektive Eindrücke nicht direkt übertragen werden, sodass weder die Unbefangenheit noch die Fachkunde des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen seien.
23 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die - nach der mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Juni 2018, E 758/2018, erfolgten Ablehnung und Abtretung der von der Revisionswerberin in dieser Rechtssache erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebrachte - vorliegende außerordentliche Revision.
24 Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, die zweitmitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.
25 4.1. Zu I.:
4.1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
26 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
27 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
28 4.1.2. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes kann - wie im vorliegenden Fall - voneinander rechtlich trennbare Aussprüche enthalten. In einem solchen Fall sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können damit auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen (vgl. VwGH 28.1.2015, Ra 2014/20/0121).Weist eine angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so kommt auch eine teilweise Zurückweisung der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof in Betracht (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0017, mwN).
29 4.1.3. Die Revision nimmt in ihrer Zulässigkeitsbegründung keinen Bezug auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in seinen Spruchpunkten 3. und 4. der angefochtenen Entscheidung, sodass davon auszugehen ist, dass hinsichtlich dieser trennbaren Aussprüche kein die Zulässigkeit der Revision begründendes Vorbringen erstattet wurde.
30 Die Revision war daher in ihrem diese Beschlüsse betreffenden Umfang zurückzuweisen.
31 4.2. Zu II.: Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
32 4.2.1. Vorauszuschicken ist, dass hinsichtlich des Revisionsvorbringens betreffend die erforderliche Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit der Zuschlagsempfängerin, der fehlenden Rechtsprechung zu § 75 Abs. 6 Z 5 BVergG 2006, der verspäteten Vorlage des Vergabeaktes, der Zusammenrechnung der Auftragswerte sowie der Zuständigkeit des Einzelrichters wegen der Gleichartigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die rechtlichen Ausführungen in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. September 2020, Ra 2018/04/0157, verwiesen werden kann.
33 4.2.2. Die Revision bringt darüber hinaus in der Zulässigkeitsbegründung vor, es liege ein Begründungsmangel vor, weil die Revisionswerberin zur Entkräftung des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens betreffend die vorgebrachte mangelnde Plausibilität der Angebotspreise im Angebot der Zuschlagsempfängerin ein Gegengutachten der TU Graz vorgelegt habe, das - zusammengefasst - zu dem Ergebnis komme, dass die gutachterliche Stellungnahme des gerichtlich zugezogenen Sachverständigen gravierende methodische, strukturelle und inhaltliche Mängel aufweise und nicht geeignet sei, die Frage der Plausibilität der Angebotspreise zu erklären. So führe das Gegengutachten unter anderem aus, die Stellungnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei weder nachvollziehbar noch überprüfbar, weil sich dieses ohne nähere Erläuterungen auf „die eigenen Erfahrungswerte“ stütze, was zudem in Widerspruch zu den Standesregeln der Sachverständigen stehe, die eine aus dem Befund abgeleitete Schlussfolgerung vorsehe. Die vorgenommene vertiefte Angebotsprüfung entspreche nicht den betriebswirtschaftlichen Anforderungen entspreche und auf die Besonderheiten des gegenständlichen Auftrages nicht eingegangen werde. Hinsichtlich der auffallend niedrigen Einheitspreise habe der gerichtlich bestellte Sachverständige nach Erklärungen gemutmaßt („dies kann daher rühren“). Es sei bauwirtschaftlich nicht nachvollziehbar, dass nicht auch die Kosten für der Abschreibung der Geräte direkt zugordnet würden, weil ein redlicher Unternehmer bei einer derart langen Vertragslaufzeit eine kalkulatorische Abschreibung für die Geräte zuzuordnen habe. Auch würden Fremdfinanzierungskosten von Geräten als ausgabenwirksame Kosten anfallen.
34 Das vorgelegte Gegengutachten sei in dem angefochtenen Erkenntnis nicht gewürdigt worden, da das Verwaltungsgericht lediglich lapidar festgehalten habe, dass sich das erkennende Gericht auf Grund des Inhalts von Befund und Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen „selbst unter Zugrundelegung der ergänzenden Ausführungen des Antragstellervertreters“ keinen Anlass sehe, die Richtigkeit, Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit dieses Gutachtens in Frage zu stellen. Im Ergebnis sei damit auch das Recht auf Parteiengehör verletzt worden, weil das Verwaltungsgericht lediglich formal eine Gegenstellungnahme zugelassen habe.
35 4.2.3. Die Revision ist aufgrund dieses - die Abweisung des Nachprüfungsantrages und den damit verbundenen Ausspruch über den Ersatz der Pauschalgebühren betreffenden - Vorbringens zulässig und auch berechtigt.
36 4.2.4. Ist eine Partei durch Vorlage eines Privatgutachtens dem gerichtlich bestellten Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten und liegen demzufolge einander in ihren Schlussfolgerungen widersprechende Gutachten vor, so kann das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf eines der beiden Gutachten stützen. Es hat in diesem Fall im Rahmen seiner Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen es einem der beiden - formal gleichwertigen - Beweismitteln den höheren Beweiswert zubilligt als dem anderen (vgl. VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0088, mit Verweis auf VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058). Allenfalls ist es Aufgabe des Verwaltungsgerichts, den in der Sache gerichtlich bestellten Sachverständigen aufzufordern, sein eigenes Gutachten zu ergänzen und sich dabei mit den Aussagen des Privatsachverständigen auseinander zu setzen und gegebenenfalls darzulegen, warum die Annahme des Privatgutachters seiner Ansicht nach nicht zutreffen (vgl. VwGH 24.3.2020, Ra 2019/09/0159; 4.4.2019, Ra 2017/11/0227; 21.1.2019, Ra 2018/03/0130, jeweils mwN).
37 4.2.5. Den eben dargestellten Grundsätzen wurde das Verwaltungsgericht mit seinen Begründungsausführungen im angefochtenen Erkenntnis schon deshalb nicht gerecht, weil es sich im Rahmen seiner Beweiswürdigung mit dem von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten in keiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt hat.
38 Die von der erstmitbeteiligten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung gegen das Revisionsvorbringen ins Treffen geführten Anmerkungen des Verwaltungsgerichts, „das erkennende Gericht sehe unter Zugrundelegung der ergänzenden Ausführungen des Antragstellervertreters keinen Anlass, die Richtigkeit, Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens (Anm.: des gerichtlich bestellten Sachverständigen) in Frage zu stellen“, bzw. „mit den allgemein gehaltenen Ausführungen des Antragstellervertreters würde eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen nicht aufgezeigt werden“, sind nicht geeignet dem vorgebrachten Begründungsmangel erfolgreich entgegen zu treten, weil diese verwaltungsgerichtlichen Ausführungen keinen konkreten Bezug zu den Argumenten des vorgelegten Privatgutachtens herstellen. Sie sind als bloße Leerformeln nicht geeignet, das Erfordernis einer nachvollziehbaren Würdigung der Beweismittel zu erfüllen.
39 5. Aus diesem Grund belastete das Verwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung im Umfang der Abweisung betreffend den Nachprüfungsantrag mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb es in diesem Umfang einschließlich des damit untrennbar verbundenen Ausspruchs betreffend den Ersatz der Pauschalgebühren gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
40 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.
41 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018040189.L00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020