Index
L72003 Beschaffung Vergabe NiederösterreichNorm
BVergG 2006 §320Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der Bietergemeinschaft E (bestehend aus 1. der Egesellschaft m.b.H. in W und 2. der I GmbH in W), vertreten durch die Oehner & Partner Rechtsanwaelte GmbH in 1220 Wien, Donau-City-Straße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 17. Jänner 2018, Zl. LVwG-VG-14/002-2017, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Land Niederösterreich, vertreten durch die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien; 2. M GmbH in W, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11, 1220 Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das den Aufwandersatz betreffende Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
1 1. Laut Akteninhalt liegen dem Revisionsfall folgende unstrittige Tatsachen zugrunde:
2 Mit Bekanntmachung vom 3. Juli 2017 leitete die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeber) ein offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich zur Vergabe von Bauleistungen betreffend „Bodenmarkierungsarbeiten auf den Landstraßen B und L im Bereich der NÖ STBA 8 für das Jahr 2018 mit der Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils weitere zwei Jahre“ ein. Eine EU-weite Bekanntmachung erfolgte nicht. Die Ausschreibungsbedingungen sahen eine Bewertung der Angebote nach dem Bestbieterprinzip vor.
3 Den gleichen Leistungsinhalt betreffend wurden von den Straßenbauabteilungen 1 bis 8 als vergebende Stellen für den jeweils sie betreffenden Zuständigkeitsbereich Bekanntmachungen im Zeitraum zwischen 30. Juni 2017 und 10. Juli 2017 veröffentlicht. Die jeweiligen Angebotsabgaben erfolgten im Zeitraum zwischen 25. Juli 2017 und 1. August 2017.
4 Sowohl die Revisionswerberin als auch die Zweitmitbeteiligte (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) beteiligten sich mit Angeboten an der Ausschreibung. Das Angebot der Revisionswerberin wurde hinter dem Angebot der Zweitmitbeteiligten an zweiter Stelle gereiht.
5 Mit der Zuschlagsentscheidung vom 14. November 2017 gab der Auftraggeber bekannt, dass er den Zuschlag der Zweitmitbeteiligten (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) erteilen werde.
6 Mit Antrag vom 20. November 2017, der den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet, begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung.
7 Frühere Auftraggeberentscheidungen im Zusammenhang mit diesem Vergabeverfahren waren nicht bekämpft worden. Auch die zugrunde liegende Ausschreibung wurde bestandfest.
8 2.1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) den Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren ab und verpflichtete die Revisionswerberin zum Ersatz der Barauslagen für den nichtamtlichen Sachverständigen.
9 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
10 2.2 Sofern für das Revisionsverfahren von Relevanz traf das Verwaltungsgericht in seiner Begründung zusammengefasst folgende Feststellungen:
11 Bei der Angebotsöffnung am 25. Juli 2017 seien Vertreter des Auftraggebers und zumindest je ein Vertreter pro Bieter anwesend gewesen. Die Angebote seien jeweils verlesen, gelocht, gebunden und plombiert worden. Für jeden Bieter habe die Möglichkeit bestanden, eine Kopie des Protokolls betreffend die Verlesung der Angebote anfertigen zu lassen.
12 Bei einer Zusammenrechnung der geschätzten Auftragswerte der oben erwähnten im zeitlichen Zusammenhang ausgeschriebenen Aufträge der Straßenbauabteilungen würde - unter Zugrundelegung der Preise für jeweils fünf Jahre - der im Zeitpunkt der Bekanntmachung geltende Oberschwellenwert gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 überschritten werden. Der geschätzte Auftragswert für das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren würde den Schwellenwert nicht übersteigen.
13 Die Prüfung der verfahrensgegenständlichen Angebote hätten zwei Mitarbeiter der vergebenden Stelle durchgeführt, wobei die Einzelpositionen geprüft worden seien. Das Angebot der Zuschlagsempfängerin sei mit den anderen Angeboten hinsichtlich des Gesamtpreises und der Einzelpreispositionen verglichen worden. Mit der Zuschlagsempfängerin habe ein Aufklärungsgespräch mit einer der anderen - in den Parallelverfahren - vergebenden Stellen stattgefunden. Das Protokoll über die dortigen Beantwortungen sei der im vorliegenden Verfahren vergebenden Stelle zur Verfügung gestellt worden. Das Angebot der Zuschlagsempfängerin sei einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen worden, wobei sämtliche Angebotsbestandteile vollständig vorgelegen seien. Dieses weise eine schlüssige, betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Kalkulation und einen plausiblen Gesamtpreis auf. In den wesentlichen Positionen seien die direkt zuordenbaren Kostenträger kostendeckend kalkuliert. Die angebotenen Einheitspreise seien Marktpreise, die in einem Wettbewerb entstanden seien.
14 Die Zuschlagsempfängerin verfüge über die in den gegenständlichen Ausschreibungsbedingungen geforderten Spezialgeräte. Ihre Bodenmarkierungsgeräte könnten Wasserfarbe, lösungsmittelbasierte Farbe und Mehrkomponenten sowie Spezialmarkierungen auftragen, ohne dass aufwendige Umbauarbeiten vonnöten seien.
15 2.3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, ausgehend von der Bestandfestigkeit der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung, sei die Vergabekontrollinstanz nicht mehr befugt, Rechtswidrigkeiten dieser Entscheidung im Rahmen der Nachprüfung späterer Auftraggeberentscheidungen aufzugreifen, wobei die Rechtsprechung nicht zwischen fundamentalen und weniger schwerwiegenden Verstößen unterscheide. Die in Bezug auf die Ausschreibung vorgebrachten Beschwerdepunkte seien daher nicht zu prüfen.
16 Die Plausibilitätsprüfung habe zum Gegenstand, ob die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar seien, ohne dass eine minutiöse Kalkulationsprüfung erforderlich sei. Es sei eine derart vertiefte Prüfung vorzunehmen, die eine begründete Schlussfolgerung ermögliche, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen könne. Die Nachprüfungsbehörde wiederum habe zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von ausreichend sachkundigen Personen geprüft worden und aufgrund der dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Unterlagen gegeben sei. Die vergebende Stelle habe das verfahrensgegenständliche Angebot der Zuschlagsempfängerin einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen.
17 Hinsichtlich der vorgebrachten Verletzung des § 118 Abs. 4 BVergG 2006 führte das Verwaltungsgericht aus, es sei zwar im gegenständlichen Protokoll nicht festgehalten worden, dass dem Angebot der Zuschlagsempfängerin auch ein Leistungsverzeichnis angeschlossen gewesen sei, jedoch sei aufgrund der festgestellten Handhabung bei der Angebotsöffnung kein Anzeichen für eine nachträgliche Manipulation ersichtlich. Auch bei angemessener Würdigung des Transparenzgebotes und der erforderlichen Nachvollziehbarkeit im Rahmen der Angebotsöffnung, könne eine Verletzung der genannten Bestimmung hier nicht zu einer Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung führen.
18 Es fehle zwar eine Dokumentation über die vertiefte Angebotsprüfung, jedoch sei eine solche im Unterschwellenbereich auch nicht gefordert. Im Übrigen sei das Ergebnis der Aufklärungsgespräche und die Nachforderung bestimmter Unterlagen für das Gericht aufgrund des Akteninhalts dokumentiert und damit nachvollziehbar.
19 Der dem Nachprüfungsverfahren beigezogene nichtamtliche Sachverständige sei - nach detaillierter Darstellung der Prüfschritte - zusammenfassend zu dem Schluss gekommen, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin eine schlüssige und nachvollziehbare Kalkulation enthalte und einen plausiblen Gesamtpreis ausweise, welcher die Kosten und den gewährten Nachlass bei weitem übersteigen würden.
20 Eine Frist zur Stellungnahme zu Befund und Gutachten des Sachverständigen müsse nicht eingeräumt werden, da allen Parteien dessen Beiziehung zur mündlichen Verhandlung rechtzeitig bekannt gegeben worden und die Möglichkeit offen gestanden sei, eine entsprechend fachkundige Person zur mündlichen Verhandlung beizuziehen.
21 Hinsichtlich der Einwendungen der mangelnden Befugnis und technischen Leistungsfähigkeit hätten die Feststellungen ergeben, dass die Zuschlagsempfängerin über sämtliche Befugnisse und die geforderten Spezialgeräte verfüge. Da es sich bei der verfahrensgegenständlich zu vergebenden Leistung um einen Einzelauftrag handeln würde, sei das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach die Zuschlagsempfängerin nicht über eine Anzahl weiterer Bodenmarkierungsmaschinen für die Erbringung von Leistungen hinsichtlich der weiteren gleichartigen Ausschreibungen verfüge, rechtlich unbeachtlich.
22 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
23 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
24 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
25 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
26 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Vorheriger Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
27 4.1 Zur Bemängelung der technischen Leistungsfähigkeit:
28 Die Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit zunächst vor, es liege keine Rechtsprechung zu der Frage vor, ob der Auftraggeber bei der Überprüfung des Nachweises einer geforderten Geräteausstattung für einen konkreten Auftrag die Teilnahme des Bieters an anderen Ausschreibungen berücksichtigen müsse. Insbesondere verlange § 75 Abs. 6 Z 5 BVergG 2006 den Nachweis, dass die Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen, sodass der Bieter im Falle von Parallelausschreibungen über diese Geräteausstattung kumuliert verfügen müsse. Das Verwaltungsgericht weiche zudem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, wonach der Auftraggeber - insbesondere bei Kenntnis von Angeboten eines Bieters in Parallelverfahren - zu prüfen habe, ob der betreffende Bieter über die erforderliche Anzahl von Geräten insgesamt verfüge, weil allenfalls bei einem Auftrag in einem Parallelverfahren die Verfügbarkeit der Geräteausstattung entfalle.
29 4.1.1 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen wäre (ständige Rechtsprechung; vgl etwa VwGH 27.8.2014, Ra 2014/05/0007, mwN). Dies ist hier der Fall:
Gemäß § 75 Abs. 6 Z 5 BVergG 2006, auf welchen die Revision Bezug nimmt, kann als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit bei Bauaufträgen eine Erklärung verlangt werden, aus der hervorgeht, über welche Ausstattung, welche Baugeräte und welche technische Ausrüstung der Unternehmer für die Ausführung des Auftrages verfügen wird. Zu Recht verweist der Auftraggeber in seiner Revisionsbeantwortung darauf, dass diese gesetzliche Bestimmung ihrem Wortlaut zufolge nicht auf andere, parallel zu dem betreffenden Vergabeverfahren laufende Ausschreibungen Bezug nimmt. Es ergibt sich aus dieser Bestimmung entgegen den Ausführungen der Revision kein Anhaltspunkt dafür, dass bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bieters für den konkreten Auftrag auch von vornherein auf die Anforderungen in parallelen Ausschreibungen Rücksicht genommen werden müsse. Eine solche Auslegung würde überdies zu einer drastischen Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere kleinerer Unternehmen führen.
4.1.2 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem zur Frage des Leistungsnachweises in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 2014, 2013/04/0033, wie folgt ausgeführt:
„Die Eignung muss im offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen (§ 69 Z 1 BVergG 2006). Nach den Erläuterungen zu § 69 BVergG 2006 darf die Leistungsfähigkeit zwar auch nach den in dieser Bestimmung genannten Zeitpunkten nicht mehr verloren gehen, doch enthält der Einleitungssatz des § 69 keine Verpflichtung des Auftraggebers zu einer ständigen Überprüfung, ob nach den genannten Zeitpunkten die Eignung seitens des Unternehmers noch vorliegt oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2011, Zl. 2006/04/0200, mwN).
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Leistungsfähigkeit jedenfalls bis zur Zuschlagserteilung gegeben sein muss (vgl. in diesem Sinne zu § 52 Abs. 5 BVergG 2002 das hg. Erkenntnis vom 26. September 2005, Zl. 2005/04/0021). So ergibt sich bereits aus § 19 Abs. 1 zweiter Satz BVergG 2006, wonach die Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu erfolgen hat, dass die Eignungsanforderungen auch im Zeitpunkt des Zuschlags erfüllt sein müssen (vgl. C. Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann, Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar (2009), Rz. 9 zu § 69, mit Verweis auf die Materialien in RV 1171 BlgNR 22. GP, 61).“
30 4.1.3 Inwiefern das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall von dieser Rechtsprechung abgewichen sein sollte, ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Revisionswerberin nicht vorgebracht hat, dass die Zuschlagsempfängerin den Zuschlag auch in einem anderen Verfahren bereits zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung - oder auch danach - bereits erhalten hätte. Die bloße Möglichkeit in einem anderen Verfahren den Zuschlag zu erhalten, schränkt die Verfügbarkeit der Geräte jedenfalls noch nicht ein.
31 4.1.4 Inwiefern im Zusammenhang mit diesem Antragsvorbringen - wie in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht - ein Begründungsmangel vorliegen sollte, wird von der Revision nicht konkretisiert und ist angesichts der vom Verwaltungsgericht hierzu getroffenen Feststellungen sowie den beweiswürdigenden Ausführungen und der rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Erkenntnis auch nicht ersichtlich.
32 4.2 Die Revision verweist zur Begründung der Zulässigkeit weiter darauf, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, ob eine - wie im vorliegenden Fall - (erheblich) verspätete Vorlage des Vergabeakts eine Auftraggeberentscheidung mit Rechtswidrigkeit belaste und zu deren Nichtigerklärung führen müsse, weil die Rechtsmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung nicht mehr überprüfbar sei.
33 4.2.1 Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision fehlen, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergangen wäre (vgl. VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0011, mwN).
34 4.2.2 Gemäß § 8 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, LGBl. 7200-3, haben Auftraggeber und vergebende Stellen dem Landesverwaltungsgericht alle für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Auskünfte zu erteilen und alle hiefür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Hat ein Auftraggeber, eine vergebende Stelle oder ein Unternehmer Unterlagen nicht vorgelegt, Auskünfte nicht erteilt oder eine Auskunft zwar erteilt, die Unterlagen des Vergabeverfahrens aber nicht vorgelegt, so kann das Landesverwaltungsgericht, wenn der Auftraggeber oder der Unternehmer auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen wurde, aufgrund der Behauptungen des nicht säumigen Beteiligten entscheiden.
35 Aufgrund dieses klaren Gesetzeswortlauts sind die Rechtsfolgen einer unterlassenen Vorlage eindeutig geregelt. Es liegt damit auch auf der Hand, dass eine verspätete Vorlage - des letztlich gesamten - Vergabeaktes per se nicht die Rechtsfolge der Nichtigerklärung der angefochtenen Auftraggeberentscheidung zur Folge haben kann, würde dies doch eine härtere Sanktion bedeuten, als jene, die für die Unterlassung der Vorlage im Falle vorausgegangenen Hinweises auf diese Säumnisfolge angedroht ist.
36 Im Übrigen führt die Revision selbst keinerlei gesetzliche Grundlage für die von ihr angestrebte Rechtsfolge der verspäteten Vorlage des Vergabeakts an.
37 4.3 Zur unterlassenen Verlesung im Rahmen der Angebotsöffnung:
38 4.3.1 Die Revision bringt zur Zulässigkeit unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 2004, 2004/04/0100, vor, das Verwaltungsgericht weiche von dieser Rechtsprechung ab, wonach die gesetzlich vorgesehenen Verlesungen anlässlich der Angebotseröffnung nicht nur der Transparenz des Vergabeverfahrens dienten, sondern auch „präventive Wirkung hinsichtlich der Manipulation der Angebote“ hätten. Würden Teile des Angebots in gesetzwidriger Weise nicht verlesen, so sei die geforderte Relevanz der Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens nicht erst dann gegeben, wenn eine Manipulation (etwa durch nachträgliche Änderung des Angebots) vorliege. In einem solchen Fall wäre eine Nichtigerklärung ohnehin schon auf Grund dieser Manipulation - die jedenfalls den Vergabegrundsätzen gemäß § 21 BVergG widerspricht - möglich. Vielmehr sei die Relevanz bereits dann gegeben, wenn durch die Unterlassung der Verlesung eine Manipulation in einem für den Ausgang des Vergabeverfahrens wesentlichen Bereich ermöglicht bzw. erleichtert würde.
39 4.3.2 Ob im Einzelfall durch die Unterlassung der Verlesung eines bestimmten Teiles der Angebote eine Manipulation in einem für den Ausgang des Vergabeverfahrens wesentlichen Bereich im Sinne dieser Rechtsprechung ermöglicht bzw. erleichtert würde, stellt eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung dar, der keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Beurteilung im Einzelfall könnte demnach nur dann erfolgreich in Revision gezogen werden, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen wäre.
40 4.3.3 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall die Handhabung bei der Angebotsöffnung - Vertreter des Auftraggebers und ein Vertreter für die Revisionswerberin seien anwesend gewesen und die durchnummerierten Angebote jeweils verlesen, gelocht, gebunden und plombiert worden - als geeignet angesehen, eine Manipulation des Angebotes durch die Verletzung der Formvorschrift praktisch auszuschließen und damit die Relevanz des Formmangels im vorliegenden Fall verneint. Eine Unvertretbarkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Revision nicht auf.
41 4.4 Im Zusammenhang mit der Plausibilitätsprüfung führt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen die Verletzung des Parteiengehörs ins Treffen, weil sich das Gericht hier auf das Gutachten des bestellten nichtamtlichen Sachverständigen berufe. Der Revisionswerberin sei jedoch keine Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden. Dies stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Behörde eine angemessene Frist zur Möglichkeit einer Stellungnahme unter Beiziehung einer fachkundigen Person zusetzen habe.
42 4.4.1 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass es sich bei der von der Revision angeführten Judikatur um schriftlich erstattete Gutachten handelte, welche der betroffenen Partei nicht zur Kenntnis gebracht worden waren und dieser keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde, während im vorliegenden Fall das Gutachten durch den Sachverständigen - wie angekündigt - in der mündlichen Verhandlung selbst erstattet wurde. Von einer unterbundenen Kenntnisnahme des Gutachtens durch die Revisionswerberin kann daher nicht die Rede sein. Auch inwiefern es dieser in der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sein sollte, ein entsprechendes Fragerecht auszuüben bzw. einen gegenteiligen Standpunkt darzulegen, zeigt die Revision nicht auf.
43 4.4.2 Im Übrigen führt die Revisionswerberin damit die Verletzung des Parteiengehörs als Verfahrensmangel ins Treffen, der jedoch kann nur dann erfolgreich geltend gemacht werden kann, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang in den Zulässigkeitsgründen dargetan wird, das heißt, dass nachvollziehbar darzustellen ist, inwiefern der ins Treffen geführte Verfahrensmangel zumindest abstrakt geeignet sei, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 24.3.2015, Ra 2015/05/0010, und VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, mwN).
44 Die Revision zeigt jedoch mit ihren Ausführungen die Relevanz des vorgebrachten Verfahrensmangels nicht auf.
45 4.5 Die Revision bringt weiter zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe festgestellt, dass die Bodenmarkierungsgeräte der Zuschlagsempfängerin geeignet seien, um damit sowohl Wasserfarbe als auch lösungsmittelbasierte Farbe und Spezialmarkierungen aufzutragen, ohne dass aufwendige Umbauarbeiten notwendig seien. Das Verwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Revisionswerberin nicht gewürdigt, wonach ein solcher Umbau mit erheblichen Kosten und Zeitaufwand verbunden sei.
46 4.5.1 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0015, 0016). Die Prüfung der Ausschreibungskonformität eines Angebotes stellt dabei stets eine im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung dar (ständige Rechtsprechung; vgl. wiederum Ra 2015/04/0084). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, weil der fallbezogenen Auslegung grundsätzlich keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall könnte nur dann die Zulässigkeit der Revision begründen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/04/0064, mwN; zu den Teilnahmebedingungen in einem Verhandlungsverfahren vgl. VwGH 12.9.2016, Ra 2015/04/0081).
47 Das Verwaltungsgericht hat aus der Feststellung, die Zuschlagsempfängerin verfüge über ein Bodenmarkierungsgerät, welches bei entsprechendem Umbau zur Verwendung für einen Einsatz zur Verarbeitung der geforderten Farbqualitäten geeignet sei, geschlossen, dass die Zuschlagsempfängerin über die in den Ausschreibungsbedingungen festgelegte technische Leistungsfähigkeit verfüge. Eine krasse Fehlbeurteilung der Rechtsansicht, dass ein umbaufähiges Gerät ausschreibungskonform sei, zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. Ebenso wenig stellt sie dar, inwiefern aus den Ausschreibungsbedingungen geschlossen werden müsste, dass ein „erheblicher“ Aufwand die Ausschreibungskonformität wegen mangelnder technischer Leistungsfähigkeit jedenfalls ausschließen würde, sodass die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels betreffend Nichtberücksichtigung der angeblich hohen Kosten des Umbaus nicht aufgezeigt wird.
48 4.6 Zur Zusammenrechnung der Auftragswerte:
49 Die Revision bringt vor, es liege keine Rechtsprechung zu der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts vor, dass die Festlegung, das verfahrensgegenständliche Vorhaben bilde keine Einheit mit den übrigen im Nachprüfungsantrag erwähnten ausgeschriebenen Aufträgen, bestandfest geworden und damit der betreffende Einwand präkludiert sei. Dies sei bedeutsam für die Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts. Zudem sei die Beurteilung der Zusammenrechnung der Aufträge unrichtig vorgenommen worden.
50 4.6.1. Unbestritten ist, dass die mit der Vergabebekanntmachung nach außen in Erscheinung getretene Schätzung des Auftragswerts und die Wahl des Vergabeverfahrens unangefochten geblieben und damit bestandfest geworden sind. Damit richtet sich der weitere Ablauf des Verfahrens nach dieser (nicht mehr angreifbaren) Wahl. Allfällige (im vorliegenden Fall von der Revisionswerberin hinsichtlich der Wahl der Verfahrensart behauptete) Rechtswidrigkeiten einer bestandfesten Entscheidung dürfen im Rahmen der Nachprüfung einer späteren Auftraggeberentscheidung nicht mehr aufgegriffen werden (vgl. VwGH 18.8.2017, Ra 2017/04/0077, mwN).
51 Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass die Festlegung betreffend den geschätzten Auftragswert, der für das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren unbestritten den maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 nicht überschritt, und die daran anknüpfende Wahl des Vergabeverfahrens bestandfest geworden und dem weiteren Verfahren zugrunde zu legen seien, ohne dass die von der Revisionswerberin behauptete Rechtswidrigkeit der unterlassenen Zusammenrechnung der Auftragswerte im Zusammenhang mit späteren Auftraggeberentscheidungen noch releviert werden könne, steht sohin in Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Auf das Revisionsvorbringen zur materiell-rechtlichen Überprüfung der Festlegung des Auftragswerts ist schon aus diesem Grund nicht mehr einzugehen.
52 4.6.2 In dem von der Revision ins Treffen geführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Oktober 2007, C-241/06 („Lämmerzahl“) resümiert dieser, es laufe der Richtlinie 89/665, insbesondere ihrem Art. 1 Abs. 1 und 3, zuwider, wenn eine Ausschlussregelung des innerstaatlichen Rechts in der Weise angewandt werde, dass einem Bieter der Zugang zu einem Rechtsbehelf, der die Wahl des Verfahrens für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder die Schätzung des Auftragswerts betrifft, versagt wird, wenn der Auftraggeber gegenüber dem Bieter die Gesamtmenge oder den Gesamtumfang des Auftrags nicht klar angegeben hat (Rn 64).
53 Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch insofern von dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt, dass zu nicht behauptet wurde, den Bewerbern hier seien nicht sowohl die Angaben über den Auftragswert selbst als auch die entsprechenden Informationen über die mehr oder weniger zeitgleich ausgeschriebenen Parallelverfahren zur Verfügung gestanden. Ein Hinweis darauf ergibt sich auch nicht aus dem festgestellten Sachverhalt. Dass die Revisionswerberin als Bieterin über zu geringe Angaben verfügt hätte, um die Ausschreibung hinsichtlich der Wahl des Vergabeverfahrens aufgrund der ihrer Ansicht nach zu Unrecht unterlassenen Zusammenrechnung der Auftragswerte anzufechten, ist daher keineswegs ersichtlich, weshalb der behauptete Widerspruch zu dem Judikat des EuGH nicht vorliegt.
54 4.6.3 Aus der bestandfesten Festlegung des Auftragswerts leitet sich in der Folge die Einordnung in ein Verfahren im Unterschwellenbereich und die von der Revision aufgrund der vorgebrachten unrichtigen Bestimmung des Auftragswerts beanstandete Zuständigkeit des Einzelrichters ab. Auch diese Vorbringen können nach dem oben Gesagten die Zulässigkeit der Revision mangels Abweichen von der Rechtsprechung nicht begründen.
55 4.7 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem in der genannten Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. etwa VwGH 18.2.2015, Ra 2014/04/0014).
Wien, am 11. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018040157.L00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020