TE Vwgh Beschluss 2020/9/16 Ra 2020/14/0389

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Dr. Martin Dellasega & Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2020, G312 2188542-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 5. Mai 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund seiner Tätigkeit für ein Sicherheitsunternehmen von der schiitischen Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq zur Zusammenarbeit aufgefordert und bedroht worden zu sein.

2        Mit Bescheid vom 5. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend erachtete es insbesondere die Angaben des Revisionswerbers, er sei von der genannten Miliz angesprochen und bedroht worden, als nicht glaubhaft.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juni 2020, E 1424/2020-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, im Hinblick auf die bereits durch die allgemeinen Länderinformationen aufgezeigten Gefahren für den sunnitischen Revisionswerber im Falle der Rückkehr in den Irak hätte das Gericht individuelle Feststellungen zur Rückkehrsituation des Revisionswerbers in seine Heimatprovinz treffen müssen. Das BVwG habe sich nicht adäquat mit den persönlichen Befürchtungen des Revisionswerbers auseinandergesetzt, sodass die Begründung zur Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz und der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung nicht nachvollziehbar sei. Schließlich seien auch die Ausführungen zum subsidiären Schutz angesichts der konkreten Gefährdung des Revisionswerbers und fehlender Anknüpfungspunkte in seiner Heimatprovinz nicht nachvollziehbar, sodass eine Überprüfung der Argumentation des BVwG geboten sei; auch fehlten jegliche Feststellungen zur Situation im Irak bezüglich der sich abzeichnenden COVID-Pandemie.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Mit der Forderung, das BVwG hätte individuelle Feststellungen zur Rückkehrsituation des Revisionswerbers in seine Heimatprovinz treffen müssen, macht die Revision einen Feststellungsmangel geltend.

10       Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2020/14/0189, mwN).

11       Eine solche Darlegung der zu treffenden Feststellungen enthält die Revision jedoch nicht. Soweit sie in diesem Zusammenhang noch ausführt, der Revisionswerber hätte (schon) als sunnitischer Araber mit zielgerichteter Gewalt gegen seine Person zu rechnen, unterlässt sie eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des BVwG, das eine derartige, auch den Revisionswerber treffende „Gruppenverfolgung“ mit näheren Erwägungen verneinte.

12       Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, es sei eine adäquate Auseinandersetzung mit den persönlichen Befürchtungen unterlassen worden, und den weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG, das den Angaben des Revisionswerbers zu einer Bedrohung durch eine Miliz und seiner (antizipierten) Weigerung, dieser Informationen aus seiner beruflichen Tätigkeit zukommen zu lassen, keinen Glauben schenkte.

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0328, mwN).

14       Das BVwG hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, dem Fluchtvorbringen unter mehreren Gesichtspunkten - fehlende Plausibilität, nicht nachvollziehbare Darstellungen, Widersprüche, wenig detailreiche Schilderungen bzw. teilweise überhaupt fehlende Details - die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Mit dem Hinweis darauf, dass eine Verfolgung von Sunniten durch schiitische Milizen sowie eine sofortige Flucht nach einer derartigen Bedrohung mit Länderberichten in Einklang zu bringen wären, wird eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung daher nicht dargetan.

15       Betreffend die Beurteilung des BVwG, es bestehe - auch abgesehen vom Nichtbestehen des geltend gemachten Fluchtgrundes der Bedrohung durch Milizen - kein Schutzbedarf, hat es (ergänzend) zutreffend darauf hingewiesen, dass auch der Revisionswerber im Rahmen der Beschwerdeverhandlung angegeben hat, ansonsten im Irak leben zu können. Auch insofern ist keine mangelnde Auseinandersetzung mit Befürchtungen des Revisionswerbers erkennbar.

16       Soweit die Revision schließlich ihre Zulässigkeit damit begründet, die Ausführungen zum subsidiären Schutz seien nicht nachvollziehbar, entfernt sie sich mit ihren diesbezüglichen, nur kursorisch ausgeführten Prämissen vom festgestellten Sachverhalt: Eine konkrete Gefährdung des Revisionswerbers wurde - wie oben dargestellt - gerade nicht angenommen, von fehlenden Anknüpfungspunkten in seiner Heimatprovinz kann - trotz Wegzugs seiner Eltern und Brüder - angesichts seines langjährigen Aufenthalts dort und seiner weiterhin dort ansässigen Schwestern nicht ausgegangen werden.

17       In diesem Zusammenhang moniert die Revision zuletzt, das BVwG habe jegliche Feststellungen zur Situation im Irak bezüglich der COVID-Pandemie unterlassen. Sie legt jedoch nicht dar, welche zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung verfügbaren Informationen bereits die vermissten Feststellungen (Gefahr eines „absoluten Lockdowns“, Gefährdung der Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, Unmöglichkeit der Ansiedlung und Erwerbstätigkeit wegen Ausgangsbeschränkungen) bezogen auf den Irak ermöglicht hätten. Im Übrigen ergäbe sich auch aus den geforderten Feststellungen nicht, dass eine für die Gewährung von subsidiärem Schutz erforderliche reale Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat bestehen würde (vgl. dazu im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie etwa VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, Rn 18f).

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 16. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140389.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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