TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/7 96/19/2678

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Veröffentlicht am 07.11.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z6;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/035 §13 Abs2;
AufG 1992 idF 1995/035 §6 Abs2;
AufGNov 1995;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1974 geborenen B A in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana und Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Februar 1996, Zl. 113.865/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Februar 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Februar 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1992 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Bis zur rechtskräftigen (negativen) Beendigung seines Asylverfahrens am 24. November 1995 sei der Beschwerdeführer vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 bewirke jedoch gemäß § 13 Abs. 2 AufG nicht, daß ein Fremder gemäß Abs. 1 leg. cit. während ihrer Geltungsdauer den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften stellen könnte. Der Beschwerdeführer sei daher gemäß § 6 Abs. 2 AufG dazu verhalten gewesen, seinen Antrag auf Erteilung der Bewilligung vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Dieser Bestimmung sei mit seiner Antragstellung vom Inland aus nicht Genüge getan. Sein Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem einfachgesetzlichen Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sowie in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art. 8 MRK, Art. 7 B-VG, auf Gleichbehandlung von Ausländern untereinander sowie gemäß Art. 2 des 4. ZP MRK verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (11. März 1996) ist für seinen Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 1 Abs. 3 Z. 6, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG lauten auszugsweise:

§ 1.

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

...

6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine

Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall

des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des

Asyls ... Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf

Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unrührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde betreffend den Gang seines Asylverfahrens und seinen Inlandsaufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung nicht entgegen. Er vertritt jedoch die Auffassung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG sei auf Fremde, die sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung bereits im Inland befinden, unanwendbar. Keinesfalls sei diese Bestimmung aber auf Fremde anzuwenden, die - wie der Beschwerdeführer - schon vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes eingereist seien. Die letztgenannte Rechtsauffassung liege auch einem Erlaß des Bundesministers für Inneres (Zl. 71.370/96-III/11/95) - jedenfalls für Asylwerber, die vor Ablauf des Jahres 1992 eingereist seien - zugrunde. Wenn dieser Erlaß auch den Verwaltungsgerichtshof nicht zu binden vermag, zeige er, daß die vom Beschwerdeführer vertretene Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG die einzig verfassungskonforme sei. Andernfalls wäre es Fremden, insbesondere solchen, die noch im Jahr 1992 als Asylwerber eingereist seien, nicht möglich, durch parallele Antragstellungen Asyl und eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erwirken. Falls eine Interpretation des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG in dem vom Beschwerdeführer vertretenen Sinne nicht möglich sei, werde angeregt, eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen.

Dem Beschwerdeführer kam bis zur rechtskräftigen Beendigung seines Asylverfahrens, also auch im Zeitpunkt seiner Antragstellung, eine Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG zu. Für eine solche Berechtigung kommt jedoch - wie sich aus § 13 Abs. 2 AufG ergibt - eine Verlängerung nach § 13 Abs. 1 AufG nicht in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1403).

Insoweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG sei auf Fremde, die sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Inland aufhielten, überhaupt nicht anwendbar, ist ihm zu entgegnen, daß bei dieser Interpretation die in Rede stehende Bestimmung überhaupt keinen Anwendungsbereich fände. Hielte sich ein Fremder im Zeitpunkt seiner Antragstellung im Ausland auf, wäre § 6 Abs. 2 erster Satz AufG erfüllt, hielte er sich im Inland auf, wäre er nicht anwendbar. Dem Gesetzgeber kann nicht zugesonnen werden, eine solche Regelung getroffen zu haben. Insoweit jedoch der Beschwerdeführer - hilfsweise - die Auffassung vertritt, die in Rede stehende Bestimmung könne nur auf Fremde Anwendung finden, die nach Inkrafttreten des AufG einreisen, verkennt er den Inhalt des § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995. Nach dem dritten Satz dieser Bestimmung ist eine Antragstellung im Inland nur in den dort taxativ aufgezählten Fällen ausnahmsweise zulässig. Da § 6 Abs. 2 AufG nach seinem klaren Wortlaut keine Ausnahmebestimmung für Fremde enthält, die nach § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des Asylgesetzes 1991 während der Anhängigkeit ihres Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren oder sind, sind im Inland gestellte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch in denjenigen Fällen abzuweisen, in denen eine Berechtigung zum vorläufigen Aufenthalt im Sinne des § 7 des Asylgesetzes 1991 vorgelegen ist oder noch vorliegt. Da § 6 Abs. 2 AufG den "Verlust des Asyls" ausdrücklich als Ausnahmetatbestand anführt, fehlt ein Indiz für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der nach § 7 AsylG 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigten Personen. Die vom Beschwerdeführer vorausgesetzte Lücke (in Ansehung von bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Inland bereits aufhältiger Personen) liegt daher nicht vor, weshalb sich auch eine Schließung der - vermeintlichen - Lücke in der vom Beschwerdeführer erwogenen Richtung verbietet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/1421).

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Antragstellung im Inland auch nach der Rechtslage vor der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 zu einer Abweisung des Antrages hätte führen müssen, weil der Fall des Beschwerdeführers - im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht mit jenen Fällen vergleichbar ist, in denen die Antragsteller sich seit vielen Jahren rechtmäßig aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufgehalten haben, weshalb im Lichte der Rechsprechung des Verfassungsgerichtshofes in solchen Fällen die Annahme einer Verpflichtung zur Antragstellung im Ausland geradezu schikanös wäre und allenfalls auch mit Art. 8 MRK in Konflikt geriete. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AufG ergangenen Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, auch die - seines Erachtens der Sache nach analoge - Anwendung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG a.F. auf abgewiesene Asylwerber, die vor Inkrafttreten des AufG eingereist sind, durch den Verwaltungsgerichtshof nicht als verfassungswidrig erachtet.

Das Regelungssystem des § 1 Abs. 3 Z. 6, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG bewirkt daher, daß ein Fremder, der während seines Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt ist, während seines vorläufigen Aufenthaltes nicht mit Erfolg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung stellen kann. Diese Rechtsfolge ist - wie § 13 Abs. 2 AufG unzweifelhaft zeigt - vom Gesetzgeber ausdrücklich als erwünscht erachtet.

Wie der Beschwerdeführer selbst zutreffend erkennt, ist der von ihm zitierte Erlaß des Bundesministers für Inneres vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 94/18/0958).

Insoweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die in diesem Erlaß vertretene Interpretation sei aus Gründen des Verfassungsrechtes geboten, ist ihm zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bereits auf die privaten (und familiären) Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).

Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:

Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen (darunter sind auch bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Asylanträge zu verstehen) zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, abgewiesene Asylwerber in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Dieser Grundsatz kommt auch bei Fremden zum Tragen, die den Asylantrag nicht in der Absicht gestellt haben, damit Einwanderungsvorschriften zu umgehen. Entscheidend ist, daß im Falle der gedachten Zulässigkeit der Inlandsantragstellung während eines Asylverfahrens oder nach dessen negativem Abschluß der sonst für Einwanderungswillige geltende Grundsatz, wonach die Entscheidung vom Ausland aus abzuwarten ist, im Ergebnis durchbrochen wäre. Eine Einschränkung eines gedachten durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung persönlicher Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593). Aus eben diesen Gründen bestehen auch keine Bedenken gegen die Sachlichkeit des Regelungssystems des § 1 Abs. 3 Z. 6, § 6 Abs. 2 erster Satz und § 13 AufG. Der vom Beschwerdeführer als verletzt erachtete Art. 2 des 4. ZP MRK bezieht sich auf Fremde, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Staates aufhalten und ist daher auf den Beschwerdeführer, dessen vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits geendet hatte, nicht anwendbar.

Die vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Rüge der Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes und zur ordnungsgemäßen Begründung des Bescheides geht schon deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer lediglich vorbringt, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensfehler zum Ergebnis gelangt wäre, er sei im Jahre 1992 eingereist. Diese Feststellung hat die belangte Behörde jedoch ausdrücklich getroffen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996192678.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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