TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/7 96/19/2555

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Veröffentlicht am 07.11.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §6 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art33;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1966 geborenen ON in Wien, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Werner Huber, dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Romana Zeh-Gindl in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1996, Zl. 113.993/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 22. Februar 1992 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am 25. Februar 1992 einen Asylantrag gestellt. Am 22. November 1994 habe er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung persönlich bei der erstinstanzlichen Behörde überreicht. Damit habe er der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG, wonach der Antrag vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei, nicht Genüge getan.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (29. März 1996) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, maßgeblich.

§ 1 Abs. 3 Z. 1 und 6, § 2 Abs. 3 Z. 4 und § 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lauten:

"§ 1. (1) ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;

...

6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 2. ...

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z 1), Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, ... insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, und ...

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

§ 4 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 Aufenthaltsgesetz aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind oder waren und

..."

§ 7 des Asylgesetzes 1991 (AsylG 1991) lautet:

"§ 7. (1) Ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung). Der Asylwerber hat sich den Asylbehörden für Zwecke des Verfahrens nach diesem Bundesgesetz zur Verfügung zu halten."

Der Beschwerdeführer tritt der entscheidungswesentlichen Annahme der belangten Behörde, er habe den Antrag nicht vor seiner Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt, nicht entgegen. Er vertritt jedoch die Auffassung, er falle unter die gemäß § 4 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigten Personen.

Diesen Ausführungen ist jedoch zunächst entgegenzuhalten, daß dem Beschwerdeführer - falls er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 1991 erfüllte - ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dieser Bestimmung für die Dauer seines Asylverfahrens zukam, er also gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG keine Aufenthaltsbewilligung benötigte.

Selbst wenn der Beschwerdeführer, dem bislang Asyl nicht zuerkannt wurde, Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, wäre, zählte er während der Dauer seines Asylverfahrens nicht zu jenen Fremden, die aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechtes oder eines Staatsvertrages in Österreich Niederlassungsfreiheit im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG genießen. Unter "Niederlassungsfreiheit" im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG ist das unmittelbar aus den dort umschriebenen Normen abgeleitete Recht zu verstehen, in Österreich einen Hauptwohnsitz begründen zu dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424), also sich an einer beliebigen inländischen Unterkunft in der Absicht niederzulassen, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen (§ 1 Abs. 7 MeldeG).

Über den Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention hinaus besteht kein völkerrechtlicher Anspruch auf Asyl für politische Flüchtlinge (vgl. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht9, Rz 1595b). Aber auch die Genfer Flüchtlingskonvention selbst gewährt dem Flüchtling in jener Phase des Aufenthalts, in der die Flüchtlingseigenschaft noch nicht geklärt ist, neben den Rechten aus Art. 33 (Verbot des "refoulement") lediglich den sogenannten minimalen Flüchtlingsstatus (vgl. hiezu etwa Davy, Asyl und internationales Flüchtlingsrecht II, 244 f). Von den mit diesem Status verbundenen Berechtigungen ist die "Niederlassungsfreiheit" im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG, also das Recht, sich im Bundesgebiet an einer beliebigen Unterkunft in der Absicht niederzulassen, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen, nicht umfaßt.

Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die für die in § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG umschriebenen Personen geschaffenen Ausnahmen vom Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus seien sinngemäß auch auf Fremde anzuwenden, die während ihres Asylverfahrens vorläufig im Inland aufenthaltsberechtigt sind, so verkennt er den Regelungsgehalt des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG. In dieser Bestimmung ist der "Verlust des Asyls" ausdrücklich als ein Fall genannt, in dem eine Antragstellung im Inland ausnahmsweise zulässig ist. Der Gesetzgeber hat daher der gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigten Personen ausdrücklich gedacht und die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung ausschließlich auf den Fall des Verlustes des Asyls beschränkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).

Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:

Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen (darunter sind auch bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Asylanträge zu verstehen) zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, sowohl abgewiesene Asylwerber (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396) als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Entscheidend ist, daß im Falle der gedachten Zulässigkeit der Inlandsantragstellung während eines Asylverfahrens oder nach dessen negativem Beschluß der sonst für Einwanderungswillige geltende Grundsatz, wonach die Entscheidung vom Ausland aus abzuwarten ist, im Ergebnis durchbrochen wäre. Eine Einschränkung eines gedachten, durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung persönlicher Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996192555.X00

Im RIS seit

20.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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