Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. W***** H*****, vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, wegen 25.182,62 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2020, GZ 6 R 162/19i-27, womit das Teil- und Teilzwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. Oktober 2019, GZ 14 Cg 105/18f-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der über ein Parkticket verfügende Kläger übersah in einer Tiefgarage, die er über eine Schleuse von einem heller erleuchteten Kellergeschoß eines Hotels aus auf dem Weg zu seinem geparkten Pkw betreten hatte, den Niveauunterschied von 11,5 cm zwischen dem an die Schleuse anschließenden 1,9 m breiten Gehsteig und der nachfolgenden Fahrbahn, weshalb er stürzte und sich verletzte. Die Kante des Gehsteigs entlang der Fahrbahn war mit einem 5 cm breiten gelben Streifen versehen, der teilweise abgefahren und abgeblättert war. Weitere Warnhinweise gab es nicht. Der Garagenbetreiberin wurden keine vergleichbaren Unfälle gemeldet, allerdings stolperten zwei weitere Personen in diesem Bereich, ohne sich zu verletzen.
[2] Die Vorinstanzen teilten das Verschulden zwischen den Streitteilen im Verhältnis 1 : 1. Der Kläger strebt in seiner nachträglich zugelassenen Revision eine vollständige Klagsstattgebung an.
Rechtliche Beurteilung
[3] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:
[4] 1. Nach ständiger Rechtsprechung bildet das Ausmaß eines Mitverschuldens wegen seiner Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0087606; RS0044262 [T23, T51]). Ob die Verschuldensteilung angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei welcher im Allgemeinen eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist (RS0087606 [T2]; RS0044262 [T53]). Das gilt auch für die Frage, ob den Geschädigten überhaupt ein Mitverschulden am von ihm geltend gemachten Schaden trifft (RS0044088 [T30]).
[5] 2. Bei Schadenersatzpflichten wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt ein Mitverschulden dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für eine solche Verletzung bestehen, und die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen (RS0023704). Von einem Fußgänger ist zu verlangen, beim Gehen vor die Füße zu schauen und der eingeschlagenen Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden (RS0023787 [T3]).
[6] 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Verschuldensteilung der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig. Der im Verhältnis zur Beleuchtung nicht ausreichenden Markierung des Niveauunterschieds durch die Beklagte steht die sich aus dem festgestellten „Übersehen“ der Stufe ergebende Unaufmerksamkeit des Klägers gegenüber, der – wie das Berufungsgericht unbeanstandet folgerte die Unfallstelle zuvor beim Aufsuchen des Hotels von seinem Fahrzeug aus passiert haben musste und die konkrete Situation daher kannte.
[7] Da auch er somit die konkrete Gefährlichkeit bei gebotener Aufmerksamkeit rechtzeitig erkennen hätte können, hält sich die Bejahung und Gewichtung seines Mitverschulden im Rahmen des dem Berufungsgericht zukommenden Ermessensspielraums und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[8] 4. Soweit der Kläger aus den von ihm zitierten Entscheidungen eine „Tendenz“ zu seinen Gunsten zu erkennen vermeint, ist ihm schon deshalb nicht zu folgen, weil die genannten Fälle völlig unterschiedliche Sachverhalte und Haftungsgrundlagen betreffen. Im Übrigen führten sie alle nicht zum Ausspruch des Alleinverschuldens des Schädigers, das der Kläger hier aber anstrebt.
[9] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, wobei die Bemessungsgrundlage zu korrigieren war.
Textnummer
E129241European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00042.20W.0806.000Im RIS seit
07.10.2020Zuletzt aktualisiert am
07.10.2020