Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) H***** GmbH, *****, und 2) Ing. H***** GesmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien A***** GmbH, *****, vertreten durch Emberger Molzbichler Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1) DI R***** S*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2) P*****-GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Schubeck und Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 101.925,13 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. März 2020, GZ 6 R 129/19m-85, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. Juli 2019, GZ 14 Cg 89/17a-78, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie dem Erstnebenintervenienten und der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei jeweils die mit 1.170,20 EUR (darin enthalten 195,03 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Beklagte beauftragte die Klägerinnen als Generalunternehmer mit der Ausführung eines Bauvorhabens in S*****. Zum Gegenstand des Auftrags gehörte auch die Errichtung einer Böschungssicherung in Form einer Erde-Stützkonstruktion. Der Erstnebenintervenient (auf Seiten der Beklagten) war Generalplaner der Beklagten, die Zweitnebenintervenientin hat als Subunternehmerin des Erstnebenintervenienten den technischen Plan für die Stützkonstruktion erstellt; sie wurde von der Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerinnen (als Subunternehmerin der Klägerinnen) ausgeführt.
Ursprünglich war eine kombinierte Stützkonstruktion aus Steinsatz und bewehrter Erde ausgeschrieben. Die Zweitnebenintervenientin hat davon abweichend eine Erde-Stützkonstruktion zur Böschungssicherung geplant, die aus Geogitter, Vlies oder Kunststoffmatten und einer kraftschlüssigen Schüttung bestehen sollte; als Schüttmaterial wurde das bindige (wasserundurchlässige) Aushubmaterial verwendet. Hinter der Stützkonstruktion befindet sich ein Löschwasserbecken, das hinterfüllt werden musste. Die Nebenintervenientin (auf Seiten der Klägerinnen) verwendete auch zu diesem Zweck das bindige Aushubmaterial.
Nach Fertigstellung der Stützkonstruktion samt den Verkehrsflächen traten im Oktober 2014 Schäden in Form von Setzungen und Rissen auf. Die Schadensursache bestand in der fehlenden Drainagierung der Stützkonstruktion und der Nichtberücksichtigung der Interaktion zwischen Stützkonstruktion und Löschwasserbecken, dies in Kombination mit der Verwendung des bindigen Schüttmaterials sowie der Hinterfüllung des Löschwasserbeckens mit diesem Material, was technisch mangelhaft war.
Die Klägerinnen stellten der Beklagten am 30. Juli 2015 die Sanierungskosten mit 101.925,13 EUR in Rechnung. Die angemessenen Sanierungskosten beliefen sich auf 83.748,62 EUR netto bzw 100.498,34 EUR brutto; in diesem Betrag sind auch sogenannte Sowieso-Kosten enthalten.
Die Klägerinnen begehrten den Rechnungsbetrag samt Zinsen. Für die Schäden an der Stützkonstruktion seien allein die Beklagte und deren Nebenintervenienten verantwortlich, die die Ausführung der Arbeiten vorgegeben hätten. Auch die Planung der Sanierung sei ausschließlich bauherrenseitig erfolgt und bei den Klägerinnen beauftragt worden.
Die Beklagte sowie ihre Nebenintervenienten entgegneten, dass die Schäden an der Stützkonstruktion von den Klägerinnen zu verantworten seien, weil die Schadensursache in der Hinterfüllung des Löschwasserbeckens mit bindigem Material bestehe. Bei den in Rechnung gestellten Arbeiten habe es sich um Verbesserungsmaßnahmen gehandelt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Betrag von 86.684,69 EUR sA statt; das Mehrbegehren (13.813,65 EUR + 1.426,79 EUR) wies es ab. Auszugehen sei von den angemessenen Kosten der Sanierung, mit der die Klägerinnen beauftragt worden seien. Dabei sei die Zahlung der Sanierungskosten unter dem Vorbehalt der Klärung der Schadensursache und der jeweiligen Verantwortung der Streitteile gestanden. Die Schäden an der Stützkonstruktion seien überwiegend auf Planungsfehler der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der Beklagten, aber auch auf einen Ausführungsfehler der Klägerinnen zurückzuführen, weil das Löschwasserbecken mit bindigem Material hinterfüllt worden sei. Aus diesem Grund sei den Klägerinnen ein 20%iger Schadensanteil an den Sanierungskosten (abzüglich der darin enthaltenen Sowieso-Kosten) zuzuordnen. Die Klägerinnen hätten daher Anspruch auf Zahlung von 86.684,69 EUR. Die Fälligkeit dieses Zahlungsbetrags sei erst mit der Zustellung des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen im Mai 2018 eingetreten, weil erst dadurch die Schadensursachen und die Verantwortlichkeiten der Streitteile geklärt worden seien.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In rechtlicher Hinsicht enthalte die Berufung keine geeigneten Rechtsausführungen, die einen Zuspruch des abgewiesenen Mehrbegehrens rechtfertigten, weil sich die Klägerinnen nur mit der Frage der Verletzung ihrer Warnpflichten beschäftigten, was ihnen – mangels eines entsprechenden Einwands der Beklagten – vom Erstgericht aber ohnedies nicht angelastet worden sei. Die Fälligkeit des Zahlungsbetrags habe das Erstgericht zutreffend beurteilt. Die Streitteile hätten die Zahlung der Sanierungskosten von der Zuordnung der Schadensursachen abhängig gemacht. Diese Zuordnung habe erst auf Basis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens im Mai 2018 erfolgen können. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
Über Antrag der Klägerinnen und ihrer Nebenintervenientin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil „eine Verbreiterung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Abgrenzung zwischen einem Ausführungsfehler und einer Warnpflichtverletzung sowie zu den Auswirkungen einer Anweisung des Werkbestellers auf den Werkunternehmer“ wünschenswert erscheine.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen der Klägerinnen sowie ihrer Nebenintervenientin, die auf einen Zuspruch von weiteren 13.813,65 EUR abzielen.
Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Beklagte sowie beide Nebenintervenienten, die Revisionen zurückzuweisen, in eventu, diesen den Erfolg zu versagen.
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts sind die Revisionen nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.
Im Anlassfall werden in den Revisionen keine erheblichen Rechtsfragen angesprochen. Die vom Berufungsgericht formulierten Fragen sind derart allgemein gehalten, dass sich daraus weder ein konkreter Bezug zum Anlassfall noch ein Ansatzpunkt für einen Konkretisierungsbedarf erkennen lässt.
2. In den Revisionen bestreiten die Klägerinnen und ihre Nebenintervenientin das Vorliegen eines ihnen angelasteten Ausführungsfehlers. In Wirklichkeit hätten sie auch die Hinterfüllung des Löschwasserbeckens fachgerecht ausgeführt und dafür das bauherrenseitig vorgegebene Material verwendet. Auch diese Arbeiten seien ihnen vorgegeben gewesen.
2.1 Mit diesen Ausführungen weichen die Rechtsmittelwerber von den Feststellungen ab. Die Ursachen für die verfahrensgegenständlichen Schäden bestanden zunächst in der fehlenden Drainagierung der Stützkonstruktion und in der Nichtberücksichtigung der Interaktion zwischen der Stützkonstruktion und dem Löschwasserbecken. Diese technischen Fehler sind auf die mangelhafte Planung der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der Beklagten zurückzuführen. Darüber hinaus hat das Erstgericht festgestellt, dass die Schadensursache – in Kombination mit den erwähnten Planungsfehlern – zudem in der Verwendung des bindigen Schüttmaterials zur Hinterfüllung des Löschwasserbeckens bestand, was ebenfalls technisch mangelhaft war. Aus der Beweiswürdigung des Erstgerichts ergibt sich dazu deutlich, dass dieser technische Fehler auf die Disposition der Klägerinnen bzw ihrer Nebenintervenientin zurückzuführen und daher ihnen zuzuordnen war. Dies haben auch die Klägerinnen so gesehen, weshalb sie in ihrer Berufung die Feststellung bekämpften, wonach der ihnen unterlaufene Ausführungsmangel darin bestehe, dass die Hinterfüllung des Löschwasserbeckens mit bindigem, also prinzipiell setzungsempfindlichem und wasserundurchlässigem Aushubmaterial technisch mangelhaft erfolgt sei. Stattdessen wollten sie festgestellt haben, dass auch das Füllmaterial zur Hinterfüllung des Löschwasserbeckens bauherrenseitig vorgegeben gewesen sei. Mit ihrer Beweisrüge waren die Klägerinnen allerdings nicht erfolgreich.
2.2 Mit ihren Ausführungen zum Thema „Ausführungsfehler“ zeigen die Klägerinnen und ihre Nebenintervenientin somit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Auch die von der Nebenintervenientin im gegebenen Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
3. Zur Fälligkeit der Rechnung betreffend die Sanierungskosten vertreten die Rechtsmittelwerber die Ansicht, dass die Rechnung vom 30. Juli 2015 ausreichend prüffähig gewesen sei und es für die Fälligkeit des Rechnungsbetrags nicht auf das Vorliegen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens angekommen sei.
3.1 Ist in einem Werkvertrag im Vorhinein kein festes Entgelt vereinbart und zur Fälligkeit auch keine besondere Regelung getroffen, so tritt die Fälligkeit nicht mit der Vollendung des Werks, sondern erst mit der Zumittlung der Rechnung an den Besteller ein (vgl RS0034319). Nach ständiger Rechtsprechung ist dann, wenn die Ermittlung des Entgeltanspruchs nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falls eine genaue Abrechnung der erbrachten Leistungen und aufgewendeten Kosten voraussetzt, die Fälligkeit des Entgelts mit der ordnungsgemäßen Rechnungslegung, also einer nachvollziehbaren und prüfbaren Abrechnung verknüpft, sodass der Besteller die Möglichkeit hat, die Angemessenheit des Gesamtentgelts zu prüfen (RS0017592; RS0021821; 10 Ob 81/18m). Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist letztlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0021946).
3.2 Im Anlassfall übersehen die Rechtsmittelwerber, dass die klagsgegenständliche Rechnung nicht den herkömmlichen Fall der Abrechnung beauftragter und erbrachter Leistungen betrifft, sondern sich auf Sanierungskosten bezieht, bei denen nicht nur die Angemessenheit, sondern vor allem die Schadensursachen und die daraus resultierende Zuordnung der Schadensanteile strittig sind. In einem solchen Fall hat der Werkunternehmer mit seiner Rechnung nicht nur die Angemessenheit des Rechnungsbetrags darzulegen, sondern darüber hinaus den Nachweis zu erbringen, dass die abgerechneten Sanierungsmaßnahmen beauftragt und erforderlich waren und zur Gänze in den Verantwortungsbereich des beklagten Bestellers fallen, wenn diese Umstände bestritten werden (vgl dazu 1 Ob 161/14d).
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Fälligkeit des zugesprochenen Rechnungsbetrags für die Sanierungskosten nicht schon mit der Rechnungslegung im Jahr 2015, sondern erst mit Vorliegen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens im Mai 2018 eingetreten ist, orientiert sich an diesen Grundsätzen und hält sich damit im Rahmen der Rechtsprechung.
4. Insgesamt gelingt es den Klägerinnen und ihrer Nebenintervenientin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte sowie ihre Nebenintervenienten haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen. Der Streitgenossenzuschlag beträgt jeweils 15 %, weil die Beklagte und beide Nebenintervenienten gesondert vertreten waren und ihnen jeweils drei Parteien gegenübergestanden sind. Für den Erstnebenintervenienten auf Seiten der Beklagten bestand keine Notwendigkeit, zwei getrennte Revisionsbeantwortungen einzubringen.
Textnummer
E129290European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00113.20A.0811.000Im RIS seit
09.10.2020Zuletzt aktualisiert am
09.10.2020