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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bajyones, Dr. Hinterwirth und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des T V, geboren 1961, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28/2/19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. August 1995, Zl. 111.965/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 6. Mai 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 11. Mai 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Der Antrag war im Antragsformular als "Verlängerungsantrag" bezeichnet.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil der Beschwerdeführer über keinen österreichischen Sichtvermerk verfügt habe, der Antrag daher als Erstantrag zu werten gewesen sei. Da der Antrag im Inland gestellt worden sei, verstoße der Beschwerdeführer gegen § 6 Abs. 2 AufG.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte vor, sich seit 1970 ohne Unterbrechung in Österreich aufzuhalten. Ein unbefristeter Sichtvermerk sei dem Beschwerdeführer infolge einer gerichtlichen Verurteilung 1986 aberkannt worden und ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen worden. Nach der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, die ihm am 13. April 1994 zugestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer seinen Inlandsantrag gestellt. Eine Einreise vom Ausland aus nach Österreich habe nicht stattgefunden.
Der Bundesminister für Inneres wies mit Bescheid vom 10. August 1995 die Berufung gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab.
In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt habe. Gegen die in der Berufung kritisierte Annahme der ersten Instanz, daß sich der Antragsteller im Bundesgebiet aufhalte, sei jedenfalls der Nachweis des Gegenteiles unterblieben.
Es stehe weiters fest, daß der Beschwerdeführer einen unbefristeten Sichtvermerk gehabt habe, der ihm auf Grund eines Aufenthaltsverbotes am 21. Jänner 1987 aberkannt worden sei. Somit habe der Sichtvermerk des Beschwerdeführers ebenfalls mit diesem Datum geendet. Wenngleich das Aufenthaltsverbot durch die Bundespolizeidirektion Graz aufgehoben worden sei, sei der nunmehrige Antrag als Erstantrag zu werten, der gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen gewesen wäre. Die Antragstellung vom Inland aus widerspreche auch dem im § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, daß Fremde die Entscheidung über ihren Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten hätten. Aus diesem Grund und in Folge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und sei auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Er habe ohne jede Unterbrechung seit 1970 in Österreich gelebt und immer über einen Sichtvermerk verfügt. Auf Grund eines Aufenthaltsverbotes vom Jänner 1987 sei ihm der Sichtvermerk aberkannt worden, doch sei ihm in der Folge ein Vollstreckungsaufschub erteilt worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 8. April 1994 sei das Aufenthaltsverbot schließlich aufgehoben worden. Dieser Bescheid sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 13. April 1994 zugestellt worden. Umgehend habe der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Es sei daher unrichtig, wenn davon ausgegangen werde, daß er vom Ausland aus nach Österreich eingereist sei. Das Erfordernis der Erstantragstellung vom Ausland aus sei in seinem Fall nicht gegeben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 22. August 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Die §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten (auszugsweise):
"§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.
...
§ 13. (1) Die Berechtigung zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
..."
§ 15 Abs. 1 FrG lautet:
"§ 15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.
wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2.
wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder
3.
solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.
..."
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, daß die Bundespolizeidirektion Graz mit Bescheid vom 8. April 1994 das gegen den Beschwerdeführer am 21. Jänner 1987 erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot gemäß § 26 FrG aufgehoben hat. Sowohl die Bescheidfeststellungen als auch das Beschwerdevorbringen stehen diesbezüglich mit der Aktenlage in Übereinstimmung.
Wie die Bezeichnung des Antrages des Beschwerdeführers zeigt, meint er, nach Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes an einen vor Verhängung des Aufenthaltsverbotes bestehenden Sichtvermerkes anknüpfen und hiefür die Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG in Anspruch nehmen zu können. Träfe diese Annahme zu, wäre der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, gemäß § 13 Abs. 1 AufG einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2 AufG) zu beantragen.
Eine sinngemäße Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften kommt jedoch nach § 13 Abs. 1 erster Satz AufG nur bei solchen Fremden in Frage, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG (am 1. Juli 1993) aufgrund einer "Berechtigung zum Aufenthalt" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes stand das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot, das erst mit Bescheid vom 8. April 1994 mit Wirkung ex nunc aufgehoben wurde, noch in Geltung. Auch die dem Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen erteilten Vollstreckungsaufschübe konnten nichts daran ändern, daß er sich nicht im Sinne des § 15 Abs. 1 FrG und des § 13 Abs. 1 AufG aufgrund einer ihm erteilten Berechtigung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Schon aus diesem Grund scheidet die Anwendung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz im Falle des Beschwerdeführers aus. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag zu Recht als Erstantrag, für den die Erfolgsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich waren.
Der Beschwerdeführer tritt der Feststellung im angefochtenen Bescheid, er habe seinen Antrag auf Erteilung einder Aufenthaltsbewilligung im Inland gestellt, nicht entgegen. Er bringt auch nicht vor, das Bundesgebiet vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder verlassen zu haben.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168 mwN). Liegt diese Voraussetzung für eine erfolgreiche Antragstellung nicht vor, so hat die Behörde einen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG abzuweisen. Bei diesem Verständnis der Norm und unter Beachtung der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG ist auch in Ansehung von Personen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG bereits in Österreich befanden, eine durch Analogie zu schließende (unbeabsichtigte) Regelungslücke nicht zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2356, 2357). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei gar nicht vom Ausland aus nach Österreich gereist, womit anscheinend angedeutet werden soll, daß in seinem Fall eine Antragstellung vor der Einreise nach Österreich nicht möglich sei, ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Da der Beschwerdeführer (auch) nach der mit Wirkung ex nunc erfolgten Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes über keinen Sichtvermerk verfügte, hielt er sich (auch) nach Zustellung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Graz vom 8. April 1994 weiterhin unrechtmäßig in Österreich auf. Nach den §§ 5 und 82 FrG wäre er verpflichtet gewesen, daß Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Eine Antragstellung "vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" wäre nach einer solchen - gebotenen - Ausreise sehr wohl in Frage gekommen.
Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus dem Akteninhalt ergeben sich Hinweise darauf, daß der Beschwerdeführer aus einem der in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder in § 3 der gemäß §§ 2 und 6 AufG erlassenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, festgelegten Gründe ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt war. Die belangte Behörde hatte den entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrag daher abzuweisen.
An diesem Ergebnis vermögen auch die sich aus dem Beschwerdevorbringen und dem Akteninhalt ergebenden familiären und privaten Beziehungen des Beschwerdeführers zu Österreich nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer hält sich nach seinem Vorbringen zwar bereits seit 1970 in Österreich auf und ist Vater eines im Jahr 1991 in Wien geborenen Kindes. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 hat jedoch mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall des Beschwerdeführers ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190991.X00Im RIS seit
11.07.2001