Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Kodek und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Thomas Fraiß, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei M*****, wegen 6.092,36 EUR, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. Jänner 2020, GZ 4 R 168/19h-63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 1. Juli 2019, GZ 244 E 13/19x-37, teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs und der Schriftsatz der verpflichteten Partei vom 9. Juli 2020 werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Vor dem Erstgericht ist gegen den Verpflichteten ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig. Die hier betreibende Partei ist diesem Verfahren beigetreten. Mit seiner Oppositionsklage gegen die betreibende Partei beantragt der Verpflichtete die umgehende Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, hilfsweise dessen Aussetzung (gemeint: Aufschiebung) und deren Anmerkung im Grundbuch. In der Klage führte der Verpflichtete den Aufschiebungsantrag näher aus und forderte ausdrücklich, dass die Liegenschaftsexekution ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung „gestoppt“ werde.
[2] Zum bisherigen Verfahren und zur vom Senat erfolgten Aktenrückstellung wegen des fehlenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts zur Entscheidung über den Aufschiebungsantrag wird auf die Entscheidung des Senats vom 8. April 2020 zu 3 Ob 41/20f, 3 Ob 42/20b verwiesen.
[3] Im drittinstanzlichen Verfahren ist nur mehr die Entscheidung über die Aufschiebung zu prüfen.
[4] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Aufschiebungsantrag ab. Inhaltlich ging es dabei davon aus, dass die Liegenschaftsexekution in diesem Verfahrensstadium nicht aufzuschieben sei. Die Aufschiebung habe unter anderem dann zu unterbleiben, wenn die Exekution eingeleitet oder fortgesetzt werden könne, ohne dass dies für den Aufschiebungswerber mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Diese Gefahr sei grundsätzlich zu behaupten und zu bescheinigen, außer sie sei offenkundig. Nach der Judikatur sei die Gefährdung iSd § 44 Abs 1 EO (erst) offenkundig, wenn die Versteigerung unmittelbar bevorstehe, nicht aber (wie hier) schon in der Anfangsphase des Verfahrens. In diesem Verfahrensstadium (maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage zur Zeit der angefochtenen Entscheidung) sei der Aufschiebungsantrag daher nicht zu bewilligen, zumal eine Gefährdung iSd § 44 Abs 1 EO vom Verpflichteten nicht nachvollziehbar bescheinigt worden sei.
[5] Aufgrund der Aktenrückstellung sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Rekursentscheidung betreffend den Aufschiebungsantrag zulässig sei. Wenngleich der Rekurssenat zwar der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof folge, könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Sinn der Argumentation des Rechtsmittelwerbers die Vermögensgefährdung iSd § 44 Abs 1 EO bei einer Zwangsversteigerung offenkundig sei (und daher nicht zu bescheinigen wäre), weil der Aufschiebungswerber der Gefahr einer Kreditschädigung durch die anhängige Exekution ausgesetzt sei.
[6] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag auf Abänderung im stattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Das Rechtsmittel ist daher – ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts – als nicht zulässig zurückzuweisen (§ 78 EO iVm §§ 528a und 510 Abs 3 ZPO).
[8] 1.1 Gemäß § 44 Abs 1 EO ist die Aufschiebung der Exekution nicht zu bewilligen, wenn diese begonnen oder fortgesetzt werden kann, ohne dass dies für den Aufschiebungswerber mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Der Aufschiebungswerber muss, abgesehen vom Fall der Offenkundigkeit, konkret einen Vermögensnachteil behaupten und bescheinigen (RS0001619). Bei der Zwangsversteigerung besteht ein offenkundiges Aufschiebungsinteresse (Verlust der Liegenschaft, Verschleuderung) nur dann, wenn die Erlassung des Versteigerungsediktes unmittelbar bevorsteht (RS0001677 [T1, T3]), sonst ist Behauptung und Bescheinigung einer Gefahr erforderlich (RS0013457).
[9] 1.2 Die Entscheidung des Rekursgerichts hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass das (vom Verpflichteten nur unsubstantiiert behauptete) Aufschiebungsinteresse (Gefährdung seiner Kreditwürdigkeit) nicht ausreichend bescheinigt worden sei, kann vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden.
[10] 2.1 Die Frage, ob die Aufschiebung wegen der angeblich kreditschädigenden Wirkung der Anmerkung der Zwangsversteigerung entgegen der bisherigen Rechtsprechung ein offenkundiges Interesse an der Aufschiebung rechtfertigt und damit nicht bescheinigt werden muss, stellt sich im Anlassfall nicht, weshalb damit die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden kann.
[11] 2.2 Der Verpflichtete begehrte angesichts des Umstands, dass die Anmerkung der Einleitung der Zwangsversteigerung auch bei einer Aufschiebung aufrecht bleibt (vgl § 43 Abs 1 EO), die bücherliche Anmerkung der Aufschiebung. Dieser Antrag wurde jedoch bereits rechtskräftig abgewiesen. Durch die bloße Bewilligung einer Aufschiebung würde sich an der behaupteten kreditschädigenden Wirkung der Zwangsversteigerung (durch deren bücherlichen Anmerkung) daher nichts ändern (vgl Jakusch in Angst/Oberhammer³ § 44 EO Rz 1).
[12] 3.1 Auch insoweit der Verpflichtete darauf verweist, dass sich die in Punkt 1.1 dargestellte Rechtsprechung zur Gefahr wegen einer unmittelbar bevorstehenden Versteigerung nur auf eine Aufschiebung ohne Sicherheitsleistung beziehe und die im Anlassfall seiner Ansicht nach vorliegende volle Sicherheit des Betreibenden auch zur Aufhebung bereits vollzogener Exekutionsakte (inkl „Aufhebung der Rangwahrung“) führen könne, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
[13] 3.2 Zum einen widerlegt die Entscheidung 3 Ob 113/91 die These des Verpflichteten, dass nur bei einer Aufschiebung ohne Sicherheitsleistung auf die unmittelbar bevorstehende Erlassung des Versteigerungsediktes abzustellen sei. Zum anderen hat der Verpflichtete ohnedies ausdrücklich eine Aufschiebung ohne Sicherheitsleistung begehrt. Hat aber der Verpflichtete ausdrücklich und unmissverständlich nur eine Aufschiebung ohne Auferlegung einer Sicherheit beantragt, ist das Gericht nicht befugt, dem Verpflichteten die von ihm gar nicht angestrebte Aufschiebung der Exekution gegen Erlag einer Sicherheit aufzudrängen (RS0001457).
[14] 3.3 Mit seinem Hinweis, dass die betriebene Forderung durch titelmäßig gedeckte (und den Gegenstand des Oppositionsverfahrens bildende) Gegenforderungen des Verpflichteten gegen den Betreibenden sichergestellt sein soll, kann der Verpflichtete nicht schlüssig erklären, dass hier eine (volle) Sicherheit zugunsten des Betreibenden vorliegt, die den Vorgaben des § 43 Abs 2 EO bzw des § 44 EO entspricht.
[15] 4. Das Vorbringen zum behaupteten Eingriff der Zwangsversteigerung in das Hausrecht des Rechtsmittelwerbers verstößt gegen das Neuerungsverbot und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.
[16] 5. Der vom Verpflichteten in dritter Instanz zusätzlich eingebrachte Schriftsatz vom 9. Juli 2020 verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RS0041666) und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Textnummer
E129247European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00042.20B.0818.000Im RIS seit
07.10.2020Zuletzt aktualisiert am
07.10.2020