TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/7 95/19/0179

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Veröffentlicht am 07.11.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs2;
AufG 1992 §1;
AufG 1992 §10 Abs1;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §5;
FrG 1993 §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des M I in S, geboren 1973, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Mai 1995, Zl. 107.593/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 1. Juni 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG). Als Geburtsort gab der Beschwerdeführer "Bijeljina", als Staatsbürgerschaft "Soz. Förderative Republik Jugoslawien" an. In einer niederschriftlichen Einvernahme am 9. August 1994 wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt vorgehalten, daß er über einen von der österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten, vom 1. August 1994 bis 1. September 1994 gültigen Touristensichtvermerk verfüge, nach dessen Ablauf er das Bundesgebiet zu verlassen hätte, weil ein Aufenthalt im Bundesgebiet nur mit einem Sichtvermerk oder einer Aufenthaltsbewilligung gestattet sei. Da ihm am 28. April 1994 ein jugoslawischer Reisepaß ausgestellt worden sei, halte er sich seit diesem Zeitpunkt unrechtmäßig in Österreich auf. Darin erblicke die Behörde eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG). Der Beschwerdeführer antwortete auf diesen Vorhalt, er habe einen jugoslawischen BHR-Paß besessen, in dem ein Aufenthaltsrecht bis 30. Juni 1994 eingestempelt gewesen sei, weil er aus dem Kriegsgebiet (gemeint: Bosnien) geflüchtet sei. Er sei der Meinung gewesen, daß sich nichts durch die Ausstellung eines neuen jugoslawischen Reisepasses geändert habe und habe daher rechtzeitig vier Wochen vor Ablauf des Aufenthaltsrechtes bei der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt um eine Aufenthaltsbewilligung angesucht.

Mit Bescheid vom 11. August 1994 wies die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt (für den Landeshauptmann von Niederösterreich) den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG ab. Der Beschwerdeführer sei erstmals am 30. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist. Von der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt sei ihm bis 30. Juni 1994 "das Aufenthaltsrecht" bestätigt worden, da er angegeben habe, bosnischer Staatsbürger zu sein. Auf Grund der vorliegenden Fakten sei ihm das Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG bis 30. Juni 1994 gewährt worden. Am 28. April 1994 sei ihm von der jugoslawischen Botschaft in Wien ein jugoslawischer Reisepaß ausgestellt worden, der Beschwerdeführer sei daher seit zumindest diesem Datum jugoslawischer Staatsbürger und halte sich ab diesem Zeitpunkt unrechtmäßig in Österreich auf, weil er weder einen Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsbewilligung besessen habe. Am 6. August 1994 sei der Beschwerdeführer mit einem Touristensichtvermerk, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Belgrad am 1. August 1994 mit einer Gültigkeit bis 1. September 1994, wieder in das Bundesgebiet eingereist.

Das Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG werde nur für Staatsangehörige der Republik Bosnien-Herzegowina eingeräumt, daher befinde sich der Beschwerdeführer vom 28. April 1994 bis zum 5. Juli 1994 unrechtmäßig in Österreich. Darin liege eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit, welche die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen könne. Da die vom Beschwerdeführer angestrebte Aufenthaltsbewilligung zeitlich an den Touristensichtvermerk anschließen würde, könne eine Aufenthaltsbewilligung auch aus diesem Grunde nicht erteilt werden.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er in Bijeljina, also in Bosnien, geboren und auch dort beheimatet sei. Er sei Bosnier, was sich auch aus der Tatsache ergebe, daß sein früherer Reisepaß, in dem sein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG bis zum 30. Juni 1994 eingetragen sei, die Zahl "BHR 994543" trage. Da der Beschwerdeführer wegen seiner fehlenden moslemischen Religionszugehörigkeit keinen Paß der Republik Bosnien-Herzegowina habe erhalten können, habe er sich, um ein gültiges Reisedokument zu haben, bei der jugoslawischen Botschaft in Wien einen jugoslawischen Reisepaß ausstellen lassen. Dadurch habe er aber nicht seine bosnische Staatszugehörigkeit verloren. Er habe, dem § 6 Abs. 3 AufG entsprechend, rechtzeitig um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung angesucht, weshalb es unrichtig sei, daß er eine Aufenthaltsbewilligung im Anschluß an einen Touristensichtvermerk anstrebe.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 3. Mai 1995, zugestellt am 8. Mai 1995, gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe am 1. Juni 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt gestellt, der von dieser mit der Begründung abgewiesen worden sei, daß § 5 Abs. 1 AufG einer Aufenthaltsbewilligung entgegenstehe. Gegen diese Beurteilung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß er zwar nunmehr über einen jugoslawischen Reisepaß verfüge, an sich jedoch als bosnischer Staatsangehöriger zu behandeln sei. Sein Aufenthalt sei bis zum 30. Juni 1994 rechtmäßig gewesen, sein Antrag somit als Verlängerungsantrag zu werten.

Der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben berufenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk, ausgestellt von der Botschaft Belgrad am 1. August 1994 und gültig bis 1. September 1994, eingereist und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen.

Unbeschadet seines Vorbringens sei bei der Beurteilung seines Antrages allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll. Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Es stehe fest, daß dem Beschwerdeführer von der jugoslawischen Botschaft in Wien ein jugoslawischer Reisepaß ausgestellt wurde. Ab diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer nicht mehr über das Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG verfügt und sei ab diesem Zeitpunkt illegal im Bundesgebiet gewesen, zumal er über keinerlei fremdenrechtliche Bewilligung verfüge.

Da er in Österreich sogar einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehe, stelle der langfristige Verstoß gegen das geltende Sichtvermerksabkommen und die für ihn geltende Sichtvermerkspflicht ein Verhalten dar, welches dazu führe, daß die öffentliche Ordnung gefährdet werde.

Damit lägen zwingende Sichtvermerksversagungsgründe vor. Auf die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - sei angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer sei sowohl hinsichtlich seines Geburtsortes als auch auf Grund seines Aufenthaltes bis zum kriegsbedingten Verlassen seiner Heimat bosnischer Staatsbürger und habe nach seiner Einreise am 30. Jänner 1992 in Österreich Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG bis 30. Juni 1994 erhalten. Sodann habe der Beschwerdeführer rechtzeitig am 1. Juni 1994 einen Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Nachdem ihm die Ausstellung eines Passes der Republik Bosnien-Herzegowina verweigert worden sei, weil er nicht der moslemischen Religionsgemeinschaft angehöre, habe er danach bei der jugoslawischen Botschaft in Wien einen Reisepaß beantragt, welcher ihm am 28. April 1994 ausgestellt worden sei. Die Erlangung eines Reisepasses sei schon aus dem Grund notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführer ein gültiges Reisedokument benötigt habe, um ins Ausland reisen und dort Erkundigungen über den Verbleib seiner Familienangehörigen anstellen zu können. Er habe allerdings nie auf seine Staatsangehörigkeit zur Republik Bosnien-Herzegowina verzichtet und falle als solcher in den Anwendungsbereich der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994. Die Ausstellung eines Reisepasses während der Dauer einer Aufenthaltsbewilligung könne die Rechtswirksamkeit dieser Aufenthaltsbewilligung nicht außer Kraft setzen. Der Beschwerdeführer habe sich demnach niemals illegal im Bundesgebiet aufgehalten. Die belangte Behörde verkenne, daß bei korrekter Vorgangsweise die zu erteilende Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers nicht auf die Zeit seines "touristischen Aufenthaltes" folgen würde, sondern vielmehr auf die Zeit ab 30. Juni 1994, sohin jenen Zeitpunkt, bis zu dem sich der Beschwerdeführer auf Grund einer rechtskräftigen Aufenthaltsbewilligung legal im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die auf seiner Grundlage erlassene Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, maßgeblich.

Die §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 2, 12 sowie 13 Abs. 1 AufG in der Fassung vor dieser Novelle lauteten (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ... .

...

§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.

(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4.

der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

6.

der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;

..."

Die §§ 1 und 2 der am 28. Dezember 1994 kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, lauteten:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

(3) Ungeachtet der Staatsangehörigkeit kann ein solches Aufenthaltsrecht auch Personen aus Grenzstädten zur ehemaligen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina gewährt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen nach dem Abs. 1 gegeben sind.

(4) Dieses Aufenthaltsrecht besteht bis zum 30. Juni 1995.

§ 2. Personen, auf die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 3 zutreffen, können im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte teilweise Integration bei der Erteilung von Bewilligungen im Rahmen der Übergangsregelung des § 13 des Aufenthaltsgesetzes bevorzugt berücksichtigt werden."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, mit einem von der österreichischen Botschaft in Belgrad am 1. August 1994 ausgestellten Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist zu sein, der bis 1. September 1994 gültig war. Sein Beschwerdevorbringen richtet sich im wesentlichen gegen die Begründung der belangten Behörde, die von ihm am 1. Juni 1994 beantragte Aufenthaltsbewilligung hätte zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen sollen. Der Beschwerdeführer habe - entgegen der Annahme der belangten Behörde - als bosnischer Staatsangehöriger gemäß § 12 AufG eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung bis zum 30. Juni 1994 besessen, die er mit seinem Antrag habe verlängern lassen wollen.

Indem der Beschwerdeführer weiters vorbringt, die belangte Behörde verkenne, daß er ungeachtet der Ausstellung eines jugoslawischen Reisepasses am 28. April 1994 weiterhin bosnischer Staatsangehöriger sei, rügt er deren rechtliche Beurteilung, daß er ab der Ausstellung eines jugoslawischen Reisepasses über keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 12 AufG verfüge und sich daher unerlaubt in Österreich aufhalte. Dieses Vorbringen trifft insofern zu, als es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Behörde verwehrt ist, allein daraus, daß einem Fremden ein Reisepaß der jugoslawischen Förderation ausgestellt wurde, zu folgern, der Fremde sei ausschließlich Staatsangehöriger dieses Staates (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 1996, Zl. 95/18/0891, sowie vom 30. Mai 1996, Zlen. 95/19/0912 bis 0915). Ob der Beschwerdeführer - seinem Vorbringen entsprechend - bosnischer Staatsangehöriger ist und im Zeitpunkt der Antragstellung über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich verfügte, kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfließt das vorläufige Aufenthaltsrecht bosnischer Staatsangehöriger auf Grund der gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen der Bundesregierung unmittelbar aus solchen Verordnungen (vgl. bereits zur ersten dieser Verordnungen, der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 403/1993, das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0104). Eine Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigungen erfolgte jeweils durch weitere Verordnungen der Bundesregierung, so nach der bereits erwähnten Verordnung BGBl. Nr. 403/1993 durch die Verordnungen BGBl. Nr. 368/1994 (bis 31. Dezember 1994) sowie durch die im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde maßgebliche Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 (bis zum 30. Juni 1995).

Wie die Regierungsvorlage zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich zeigt, sollte § 12 AufG der Bundesregierung ermöglichen, für bestimmte Personen, deren Anträge auf Asylgewährung keine Aussicht auf Erfolg hätten, aus humanitären Gründen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zu gewähren (vgl. die RV, 525 BlgNR 18. GP, 11). Dieses vorläufige Aufenthaltsrecht ist demjenigen nach § 7 des Asylgesetzes 1991 nachgebildet und stellt keine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 1 AufG dar. Es entspricht nach der Vorschrift des Gesetzes auch nicht - wie etwa gemäß § 10 Abs. 1 AufG die Aufenthaltsbewilligung - einem Sichtvermerk im Sinne der §§ 5 ff FrG.

Die im vorliegenden Fall einschlägige Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 räumt Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina unter bestimmten Voraussetzungen ein "vorübergehendes Aufenthaltsrecht" nach § 12 AufG ein. Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina ein "vorübergehendes Aufenthaltsrecht", wenn sie auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 nach Österreich eingereist sind. § 1 Abs. 2 leg. cit. räumt dieses Aufenthaltsrecht auch nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1 ein, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde. Unter der Einreise kann wegen des "Auffangcharakters" des vorübergehenden Aufenthaltsrechts nur die jeweils letzte Einreise nach Österreich verstanden werden. Andernfalls käme dem aus humanitären Gründen gewährten vorübergehenden Aufenthaltsrecht, entgegen den aus der Regierungsvorlage erschließbaren Absichten des Gesetzgebers, die Funktion eines die mehrmalige Einreise ermöglichenden Sichtvermerkes im Sinne des § 6 FrG für Fremde zu.

Da der Beschwerdeführer - nach dem nicht bestrittenen Verlassen des österreichischen Bundesgebietes (nach seiner Antragstellung) - mit einem am 1. August 1994 von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten Touristensichtvermerk wieder in das Bundesgebiet eingereist ist, könnte ihm, sollte er bosnischer Staatsangehöriger sein, ein vorläufiges Aufenthaltsrecht somit nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 in der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 zukommen. Ob die einzelnen Voraussetzungen dafür im vorliegenden Fall gegeben sind, kann allerdings ebenfalls dahingestellt bleiben. Selbst wenn nämlich dem Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam, wäre er nicht von § 2 leg. cit. erfaßt. Nach dieser Verordnungsbestimmung können nur Personen, auf die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 3 zutreffen, im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte teilweise Integration bei der Erteilung von Bewilligungen im Rahmen der Übergangsregelung des § 13 des Aufenthaltsgesetzes bevorzugt berücksichtigt werden. Inwieweit diese Bestimmung die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch dann erlaubt, wenn der diesbezügliche Antrag entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG im Inland gestellt wurde, braucht im Falle des Beschwerdeführers nicht untersucht zu werden. Nach dem bisher Gesagten ist nämlich § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 nicht anzuwenden, weil die hier relevante (Wieder)Einreise nach dem 1. Juli 1993 erfolgte, sodaß die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 nicht vorliegt und aus dem selben Grund auch ein Fall des § 1 Abs. 3 der Verordnung nicht vorliegt. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wäre demnach vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gewesen.

Bemerkt wird dazu noch, daß damit keine Aussage darüber getroffen wird, ob und für welche Dauer dem Beschwerdeführer allenfalls auf Grund des § 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 12 AufG zugekommen ist oder zukommt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bereits dann verwirklicht, wenn sich der Antragsteller nach einer mit einem Touristensichtvermerk - ein solcher wird gemäß § 6 Abs. 2 FrG Touristen, Durchreisenden oder solchen Fremden erteilt, die Personen mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet besuchen wollen - erfolgten Einreise im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Inland aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0534). Daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht im Inland aufhielt, wurde von ihm in der Beschwerde nicht behauptet. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, sollte die angestrebte Aufenthaltsbewilligung an den

-

der maßgeblichen Einreise des Beschwerdeführers vorangehend

-

ausgestellten Touristensichtvermerk anschließen. Ihre Schlußfolgerung, daß damit der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht wurde und demnach ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorlag, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Antragstellers ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Falle des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht vorgesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0715).

Bei diesem Ergebnis brauchte auf die Frage, ob die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch zu Recht auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG stützte, nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190179.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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