Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Steiermark, Graz-Burg, Hofgasse 15, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Z*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Herwig Aichholzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 62.808,38 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2020, GZ 11 R 186/19g-92, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. September 2019, GZ 53 Cg 35/14b-86, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Am 1. 11. 2006 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der damals 19-jährige Geschädigte als Fußgänger von einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW schwerst verletzt wurde. Die Beklagte haftet aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs bis zur Höhe der für das Unfallfahrzeug vereinbarten Versicherungssumme zu 50 % für sämtliche zukünftige aus diesem Verkehrsunfall resultierende Schäden.
[2] Der Geschädigte erlitt durch den Verkehrsunfall als Dauerfolge ua ein schweres Schädelhirntrauma, ein hirnorganisches Psychosyndrom und eine symptomatische Epilepsie. Aufgrund der Folgen der unfallkausalen Verletzungen bedarf der Geschädigte dauerhaft der Pflege und der Hilfe Dritter. Der Sozialhilfeverband Leoben bewilligte ihm Hilfeleistungen iSv § 3 des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG).
[3] Die Eltern des Geschädigten haben in ihrem Haus zwar eine kleine, den Bedürfnissen des Geschädigten entsprechende Wohnung für ihn eingerichtet (wofür die Beklagte nichts bezahlte). Im Zeitraum von Mai 2011 bis inklusive November 2012 war jedoch seine Unterbringung in einer „Trainingswohnung“ erforderlich. Von Anfang Dezember 2012 bis Ende Februar 2014 befand er sich unter der Woche in einer Einrichtung des „teilzeitbetreuten Wohnens“. Dazu kam der Besuch von „Tageswerkstätten“ im Zeitraum von Mai 2011 bis Februar 2014. Im Zeitraum von Mai 2011 bis inklusive November 2013 erhielt der Geschädigte von den Trainern jedes Monat ein Lebensmittelgeld von 125 EUR ausbezahlt.
[4] Die tatsächlich leistungserbringende Lebenshilfe Leoben stellte dem Sozialhilfeverband Leoben sämtliche für den Geschädigten im Zeitraum von Juni 2011 bis Februar 2014 erbrachten Leistungen in Rechnung, die der Sozialhilfeverband auch bezahlte.
[5] Der Geschädigte trat am 26. 3. 2014 seine bestehenden und künftigen Ersatzansprüche gegen die Beklagte gemäß § 2 Abs 5 lit d StBHG idF LGBl 2012/10 an den Sozialhilfeverband Leoben ab, soweit dieser bescheidmäßig bewilligte Leistungen erbracht bzw (vor-)finanziert hat oder noch erbringen wird. In der Folge übertrug der Sozialhilfeverband diese Ansprüche seinerseits an die klagende Partei.
[6] Der Geschädigte wäre auch ohne die unfallbedingten Verletzungen im klagsgegenständlichen Zeitraum von Mai 2011 bis Februar 2014 noch nicht selbsterhaltungsfähig gewesen, sondern hätte ein Studium absolviert. Sämtliche seiner Lebenshaltungskosten wären in diesem Zeitraum durch die Unterhaltsleistungen seiner Eltern gedeckt worden. Er bezog im Zeitraum von Mai 2011 bis Februar 2014 (ausschließlich) Pflegegeld der Stufe 3 (Landes- und Bundespflegegeld) von insgesamt 11.741 EUR, aber keine Invaliditätspension. Jedenfalls von Februar 2013 bis Februar 2014 überwies die PVA monatlich das dem Geschädigten gewährte Pflegegeld zu 80 % an den Sozialhilfeverband.
[7] Die klagende Partei begehrt Zahlung von 62.808,38 EUR sA. Es stehe ihr der Ersatz von 50 % der Kosten der vom zuständigen Sozialhilfeverband im Zeitraum von Mai 2011 bis Februar 2014 an den Geschädigten erbrachten, bescheidmäßig bewilligten Leistungen nach § 3 StBHG zu. Ein Abzug für „Sowiesokosten“ sei nicht vorzunehmen, weil der Geschädigte aufgrund seiner unfallkausalen Verletzungen nicht selbsterhaltungsfähig sei. Die im Rahmen der Behindertenfürsorge erbrachten Leistungen seien nicht auf die Schadenersatzansprüche des Geschädigten anzurechnen. Überdies sei der geltend gemachte Betrag zu hoch. Alleine die tatsächlich von den Eltern des Geschädigten getragenen Kosten für den behindertengerechten Umbau einer Wohnung, deren anteilige Instandhaltungskosten und Betriebskosten weiterbezahlt werden müssten, und die sonstigen Aufwendungen für Kleidung, Rehabilitationsartikel und Verpflegung würden die Höhe der begehrten Anrechnung erreichen. Auch das an den Geschädigten bezahlte Lebensmittelgeld sei nicht abzuziehen. Im teilzeitbetreuten Wohnen sei keine Verpflegung vorgesehen. Gemäß § 9 StBHG werde zum nötigen Unterhalt nur dann eine Beihilfe geleistet, wenn ein Mensch mit Behinderung sich nicht aus eigenem Einkommen versorgen könne, was auf den Geschädigten zutreffe.
[8] Die Beklagte bestritt und wandte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – ein, der Geschädigte bzw die klagende Partei hätten sich die „Sowiesokostenersparnis“, also jene Kosten, die dem Verletzten auch ohne Unfall durch Verpflegung und Wohnen entstanden wären, in Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung von monatlich 837,76 EUR anrechnen zu lassen. Zumindest sei aber der Regelunterhaltsbedarf, der 2011/2012 mit 517 EUR und 2012/2013 mit 528 EUR sowie 2013/2014 mit 540 EUR zu veranschlagen sei, in Abzug zu bringen. Der Unterhaltsanspruch des Verletzten gegen seine Eltern sei zu den Klagsansprüchen sachlich kongruent. Weiters sei das monatliche Lebensmittelgeld von 125 EUR in Abzug zu bringen.
[9] Das Erstgericht sprach der klagenden Partei 57.821 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren von 4.987,38 EUR sA ab. Es lehnte einen Vorteilsausgleich ab. Eine Haushaltsersparnis müssten sich allenfalls die Unterhaltspflichtigen bei ihren Schadenersatzansprüchen anrechnen lassen. In der Literatur werde dazu überdies die Meinung vertreten, dass bei Kindern und reinen Haushaltsführern eine Vorteilsanrechnung hinsichtlich der Haushaltsersparnis nicht vorzunehmen sei, weil sich die Ersparnis nicht in deren Vermögen niederschlage.
[10] Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit Ausnahme der Entscheidung über das Zinsenbegehren. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
[11] Das Berufungsgericht folgte zum Vorteilsausgleich der Rechtsansicht des Erstgerichts. Bei Kindern führe die Vorteilsanrechnung zu keiner Anspruchsverminderung, weil sich die Haushaltsersparnis nicht in deren Vermögen niederschlage. Klage dagegen etwa ein Vater jenen Schaden im eigenen Namen ein, der ihm aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Heilungskosten seines unterhaltsberechtigten Kindes entstehe, könnte eine allfällige Haushaltsersparnis zu berücksichtigen sein. Die Ersparnis für Kosten der Wohnversorgung unter der Woche falle hier nicht entscheidend ins Gewicht, weil der Geschädigte am Wochenende (nur) eine im Haus seiner Eltern im Dachboden befindliche kleine, seinen Bedürfnissen entsprechend eingerichtete, Wohnung benutze, sodass eine Ersparnis des Geschädigten an Kosten der Wohnversorgung nicht zu erkennen sei. Ein ersatzpflichtiger Schädiger könne sich gegenüber dem Geschädigten auch nicht auf die Unterhalts- bzw Sorgepflicht eines Dritten berufen; die durch das schädigende Ereignis entstehenden Unterhaltsansprüche seien gegenüber dem Schadenersatzanspruch nachrangig.
[12] Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob bei einem Unterhaltsberechtigten eine schadenersatzrechtliche Vorteilsanrechnung zu einer Anspruchsverminderung führe.
[13] Gegen den Zuspruch von 10.172,80 EUR sA richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf einen um diesen Betrag verminderten Zuspruch an den Kläger. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Bei der Vorteilsanrechnung könne es keinen Unterschied machen, ob der Geschädigte oder sein Unterhaltspflichtiger Ersatz begehre. Wegen der Wohnversorgung und der Verpflegung während der Woche sei eine Vorteilsanrechnung in Höhe der Mindestsicherung, zumindest aber des Regelbedarfs im Verhältnis der Wochentage zum Wochenende, somit 5 : 2, angemessen. Der Geschädigte erspare sich neben den Verpflegungskosten etwa einen Teil der Betriebskosten, zB infolge geringerer Instandhaltungskosten wegen geringerer Abnützung.
[14] Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
[15] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[16] 1. Der Oberste Gerichtshof hat die für die Vorteilsanrechnung maßgebenden Grundsätze zuletzt in den Entscheidungen 9 Ob 22/19d und 2 Ob 155/19m dahin zusammengefasst, dass dem Umstand, dass ein schädigendes Ereignis dem Geschädigten auch Vorteile bringen kann, mit der Vorteilsausgleichung Rechnung getragen wird. Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Beschädigung irgendwie beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiven oder Passiven), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden oder deren Bildung durch dasselbe verhindert wurde; demnach ist auch ein Vorteil des Beschädigten, der ohne die erfolgte Beschädigung nicht entstanden wäre, grundsätzlich zugunsten des Schädigers zu buchen (RS0022834). Allerdings sind nicht jegliche Vorteile des Geschädigten auf Schadenersatzansprüche anzurechnen, sondern es kommt immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteils und den Zweck der Leistung des Dritten an (RS0023600; s auch Koziol, Haftpflichtrecht I4 D2 Rz 55). Es ist zu prüfen, ob bei wertender Betrachtung eine Entlastung des Schädigers sachlich gerechtfertigt erscheint (RS0030638 [T6]; 9 ObA 56/16z mwN; Karner in KBB6 § 1295 Rz 16). Anzurechnen sind solche Vorteile, die mit dem Schadenersatzanspruch in einem besonderen Zusammenhang stehen. Dass Schade und Vorteil nicht aus demselben Ereignis entsprungen sind, schließt die Vorteilsausgleichung nicht aus, weil es genügt, wenn beide im selben Tatsachenkomplex wurzeln (RS0022824), wenn also das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch zu einem Vorteil des Geschädigten führt (RS0022824 [T3]). Die Berücksichtigung von Vorteilen kommt aber nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht (RS0114259; RS0122868).
[17] 2. Grundsätzlich können auch Haushaltsersparnisse unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung gegenüber Schadenersatzansprüchen zu berücksichtigen sein. Auch in diesem Zusammenhang ist die Kongruenz von Ersparnis und Schadenersatzanspruch entscheidend (RS0030598; RS0030643 [T1]). In der Rechtsprechung wird etwa die sachliche Kongruenz zwischen Haushaltsersparnissen und Krankenhauskosten bejaht (3 Ob 12/55; RS0030598; RS0030643; vgl auch Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 332 ASVG Rz 45; Reischauer in Rummel³ § 1312 Rz 15). Ist auch die persönliche und die zeitliche Kongruenz gegeben, so ist daher die Haushaltsersparnis im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, was sich im Regelfall auch auf einen möglichen Regressanspruch des (Sozialversicherungs-)Trägers auswirken wird (3 Ob 12/55 SZ 28/28; 8 Ob 141/77 ZVR 1979/131; 8 Ob 29/85; Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek4 § 332 ASVG Rz 45).
[18] Diese auf die Krankenbehandlung durch Anstaltspflege bezogenen Erwägungen können auch für den vorliegenden Fall Geltung beanspruchen, in dem es um die Deckung des unfallbedingt erhöhten Pflege- und Betreuungsbedarfs des Geschädigten, demnach seiner vermehrten Bedürfnisse, geht. Erfolgt die Hilfestellung durch Unterbringung in Wohneinrichtungen (hier) nach dem StBHG, so stellt sich in gleichem Maß wie bei einem Aufenthalt in einer Krankenanstalt die Frage nach der Haushaltsersparnis.
[19] 3. Bei unterhaltsberechtigten Personen, die auch als Gesunde mangels Erwerbseinkommens keine Aufwendungen für Wohnen und Verpflegung aus einem solchen tätigen, soll die Vorteilsanrechnung zu keiner Anspruchsverminderung führen, weil sich die „Ersparnis“ nicht in ihrem Vermögen niederschlägt (vgl Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek, ABGB4 zu § 332 ASVG Rz 45).
[20] 4. Unterhaltsleistungen können nicht schadensmindernd angerechnet werden. Zwar ist ein Unterhaltspflichtiger nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit verpflichtet, einen schädigungsbedingten Mehrbedarf des Unterhaltsberechtigten abzudecken. Diese Leistung hat jedoch nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten, weshalb sich der Schädiger nicht hierauf berufen kann (2 Ob 18/18p; 2 Ob 197/17k; RS0031301). Der Anspruch des Geschädigten geht vielmehr analog § 1358 ABGB aufgrund der Leistung in deren Umfang auf den Unterhaltsschuldner über (2 Ob 18/18p; vgl RS0108085), wodurch (wie auch im Fall der Lohnfortzahlung [RS0043287]) eine bloße Schadensverlagerung bewirkt wird und kein bloß mittelbarer – und deswegen nicht ersatzfähiger – Schaden des Unterhaltsschuldners entsteht (2 Ob 18/18p; 2 Ob 197/17k; 2 Ob 73/14w; RS0043287).
[21] 5. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bleibt jedoch der Geschädigte im Umfang der Schadensverlagerung auf den Unterhaltspflichtigen auch selbst weiterhin aktivlegitimiert, weil es nicht darauf ankommt, ob der durch den Unfall Verletzte oder dessen Unterhaltspflichtiger den Anspruch geltend macht (vgl etwa 2 Ob 364/69 und 8 Ob 27/09t). Daher muss in diesem Fall folgerichtig auch die Anrechnung des Vorteils demjenigen gegenüber eingewendet werden können, der den Schaden im eigenen Namen geltend macht. Das wäre im vorliegenden Fall der Geschädigte gewesen, der seine Ansprüche allerdings dem Sozialhilfeverband abtrat, der sie seinerseits auf die klagende Partei übertrug. Diese müsste sich daher grundsätzlich den Vorteil anrechnen lassen, der in einer allfälligen Haushaltsersparnis des Geschädigten oder seiner unterhaltspflichtigen Eltern bestand.
[22] 6. Nach der bisherigen Rechtsprechung zur Anstaltspflege kann die Anrechnung häuslicher Ersparnisse aber nur dann Platz greifen, wenn der (Sozialversicherungs-)Träger nach seinem tatsächlichen Aufwand abrechnet. Eine Vorteilsanrechnung komme hingegen dann nicht in Betracht, wenn die Auslagen für die Anstaltspflege eines Verletzten in Pauschalbeträgen geleistet werden, weil dies dem Wesen der Pauschalierung widersprechen würde (2 Ob 11/88; vgl auch 2 Ob 172/60 ZVR 1961/54 mwN; Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 332 ASVG Rz 45). Würden Gebührenersätze zumindest teilweise pauschal bemessen, scheide daher die Anrechnung der Haushaltsersparnis diesbezüglich aus (idS Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 332 ASVG Rz 56).
[23] 7. Ob diese Rechtsprechung aufrecht zu erhalten ist, muss hier nicht weiter geprüft werden:
[24] Der Vorteilsausgleich hat nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwand des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs- und Beweislast trifft (RS0036710). Demnach hat der Schädiger im Verfahren erster Instanz konkret die Umstände zu behaupten, die einen Vorteilsausgleich rechtfertigen (8 Ob 83/86; RS0037610 [T3, T4]).
[25] Das Erstgericht hat den Einwand der Beklagten mehrfach erörtert und in einem frühen Stadium des Verfahrens den (auch) an sie gerichteten Auftrag erteilt, zu den „Sowiesokosten“ konkretes Vorbringen zu erstatten (Bd I AS 179). Dennoch legte sich die Beklagte in weiterer Folge auf eine schematische Berücksichtigung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, hilfsweise des Regelbedarfs, als (abstrakte) Haushaltsersparnis des Geschädigten fest, auf der sie auch noch in ihrer Revision ausdrücklich beharrt. Konkrete, im Einzelnen bezifferte Ersparnisse, wie sie sich etwa aus verringerten Verbrauchskosten (zB für Strom, Gas, Heizung etc) im elterlichen Haushalt oder geringeren Aufwendungen für Lebensmittel oder sonstige Anschaffungen ergeben könnten, hat sie hingegen nicht geltend gemacht. Auch in der Revision wird die Anrechnung solcher konkreten Ersparnisse nicht begehrt. Die abstrakten Größen der bedarfsorientierten Mindestsicherung (vgl § 3 Steiermärkisches Mindestsicherungsgesetz) bzw des Regelbedarfs (RS0047395), die nach pauschalierten Sätzen den gesamten Lebensunterhalts- und Wohnbedarf des jeweils Berechtigten abdecken sollen, bilden dazu ein aliud und bieten daher keinen tauglichen Indikator für konkret ersparte Haushaltskosten. Insoweit blieb der Einwand der Beklagten unschlüssig.
[26] Die begehrte Vorteilsanrechnung kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht, was angesichts des erstinstanzlichen Auftrags zu konkretem Vorbringen und der in diesem Zusammenhang gegen die „allgemeinen Verweise auf hypothetische Sachverhalte und Kosten“ gerichteten Unschlüssigkeitsbehauptung der klagenden Partei (Bd I AS 277; vgl ferner Bd II AS 55: kein Raum für einen „pauschal mit irgendwelchen Richtsätzen“ bewerteten Abzug) auch nicht gegen das Überraschungsverbot verstößt.
[27] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO).
Textnummer
E129282European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00070.20P.0917.000Im RIS seit
09.10.2020Zuletzt aktualisiert am
25.06.2021