Entscheidungsdatum
25.08.2020Index
27/04 Sonstige RechtspflegeNorm
GSchG §2 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 62, vom 1.7.2020, GZ …, betreffend Befreiung vom Amte eines Geschworenen oder Schöffen
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 5.6.2020 stattgegeben wird und Frau A. B. gemäß § 2 Z 1 Geschworenen- und Schöffengesetz 1990 – GSchG vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen ist.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
B E G R Ü N D U N G
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 5.6.2020 auf Befreiung vom Amt einer Geschworenen oder Schöffin für den Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2022 abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin Ausführungen getroffen habe, wonach sie nicht geeignet wäre und nicht über andere Menschen urteilen möchte, dass derartige Umstände viele Bürgerinnen und Bürger beträfen und nicht außergewöhnlich seien. Eine mangelnde Eignung als Geschworene oder Schöffin könne daraus nicht abgeleitet werden. Wenngleich die strafrechtliche Bewertung strafbarer Verhaltensweisen von Menschen naturgemäß mit einem gewissen psychischen Druck einhergehe, so erachte die belangte Behörde diese persönliche (seelische) Belastung nicht als unverhältnismäßig. Zudem könne dem Verfassungsgesetzgeber wohl kaum unterstellt werden, dass ihm der Umstand einer möglichen persönlichen (seelischen) Belastung bei der Festlegung dieser – immerhin im Verfassungsrang stehenden – Bürgerpflicht nicht bekannt gewesen wäre. Der (Verfassungs-)Gesetzgeber habe mit der Regelung über die Beteiligung der Bevölkerung an der Rechtsprechung bewusst in Kauf genommen, dass ausgeloste Geschworene und Schöffen keinerlei juristische Erfahrungen aufwiesen und – unabhängig davon – die Rechtslage nach der sie zu urteilen hätten, vielleicht nicht ihrem Gerechtigkeitsempfinden entspreche. Dazu hielt die belangte Behörde fest, dass im Falle der Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Geschworene oder Schöffin, sie alle notwendigen Informationen bei Gericht erhalte, um ihre Pflicht nachkommen zu können.
In der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin eine missverständliche Betrachtungsweise ihres Antrages vom 5.6.2020 geltend. Sie habe damit keinen Befreiungsgrund in Anspruch nehmen wollen, sondern einen Ausschlussgrund, da sie sich aufgrund ihres psychischen Zustandes nicht in der Lage sehe, der Stresssituation in einem Gerichtsverfahren standzuhalten. Aus diesem Grund befinde sie sich in ärztlicher Behandlung, auch sei sie deshalb vor einiger Zeit frühpensioniert worden. Die genaue Diagnose ergebe sich aus dem angeschlossenen Befund. Die belangte Behörde hätte den Ausschlussgrund erkannt, wenn es der Beschwerdeführerin möglich gewesen wäre, schon bei der Antragstellung ein ärztliches Attest vorzulegen. Leider sei sie zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen, die nötigen Unterlagen beizuschaffen. Durch den abweisenden Bescheid sei der Beschwerdeführerin bewusst geworden, dass ihr Antrag missinterpretiert worden sei. Man möge es ihr verzeihen, dass sie mit ihrem Brief den Anschein erweckt habe, den Geschworenen- bzw. Schöffendienst entgehen zu wollen. Sie habe mit ihren Ausführungen deutlich machen wollen, dass sie dem Druck nicht gewachsen sei, wenn sie höre, dass sie über andere Menschen zu urteilen habe. Sie sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht geeignet den Pflichten als Geschworene bzw. Schöffin nachzukommen. Sie beantrage daher sie gemäß § 2 Z 1 GSchG vom Geschworenen- und Schöffendienst auszuschließen.
Der Beschwerde ist eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. C., Fachärztin für Psychiatrie und psychotherpeutische Medizin, in Wien, vom 29.7.2020 angeschlossen. Diese lautet:
„Frau B. A., geb. 1965, befindet sich seit Jahren in regelmäßiger h.o. fachärztlicher Behandlung.
Aufgrund der geringen Belastbarkeit, der seit langem bestehenden Panikattacken und der hohen medikamentöse Einstellung ist Frau B. nicht in der Lage, persönlich als Schöffin zu fungieren.
Um das weitere psychische Brfinden von Frau B. nicht zu gefährden, ersuchen wir sie höflichst die Patientin von der Geschworenenliste zu streichen und von der Verantwortung zu entbinden.“
§ 2 GSchG lautet:
„Vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen sind Personen ausgeschlossen,
1.
die infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes die Pflichten des Amtes nicht erfüllen können,
…..“
Gemäß § 4 GSchG sind vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren (Geltungsdauer der Jahreslisten nach § 12) zu befreien:
1. Personen, die während der Geltungsdauer der vorangegangenen Jahreslisten ihrer Berufung als Geschworene oder Schöffen nachgekommen sind;
2. Personen, bei denen die Erfüllung ihrer Pflicht als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte oder mit einer schwerwiegenden und nicht anders abwendbaren Gefährdung öffentlicher Interessen verbunden wäre.
Der Gesetzgeber des GSchG ging davon aus, dass das Amt eines Geschworenen oder Schöffen, das gemäß § 1 Abs. 1 GSchG ein Ehrenamt ist, dessen Ausübung in der demokratischen Republik Österreich allgemeine Bürgerpflicht darstellt, grundsätzlich von den Angehörigen aller Berufsgruppen ausgeübt werden soll. Nur bei Vorliegen der im § 4 GSchG umschriebenen Befreiungsvoraussetzungen, die nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe abstellen, soll - im Einzelfall - eine Befreiung möglich sein.
Auf Grundlage der nunmehr vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer, durch eine fachärztliche Stellungnahme bescheinigten schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme nicht für das Amt einer Geschworenen bzw. Schöffin im ausgelosten Zeitraum 2021 und 2022 herangezogen werden kann. Da Sach- und Rechtslage im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt relevant ist, war die erstmals mit der Beschwerde vorgelegte fachärztliche Stellungnahme zu würdigen.
Nach den schlüssigen Ausführungen der behandelnden Fachärztin war im Ergebnis dem Antrag der Beschwerdeführerin (nunmehr geändert auf Ausschluss und nicht auf Befreiung) zu folgen. Auf Grundlage der unbedenklichen fachärztlichen Stellungnahme liegen die Voraussetzungen des § 2 Z 1 GSchG vor (und keine sonstigen persönlichen Umstände im Sinne des § 4 GSchG).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Befreiung vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen; AusschlussEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.014.10205.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020