TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/4 I416 2123693-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2123693-2/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Kamerun, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2017, Z. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine ?Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

l. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt mit falschen Reisedokumenten in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie die im Spruch angeführten Identitätsdaten angab. Begründend führte sie ihm Rahmen der Erstbefragung zusammengefasst aus, dass ihr in Kamerun als Mitglied der XXXX Verfolgung wegen ihrer politischen Gesinnung drohe. Am 02.10.2014 sei ihr Restaurant niedergebrannt worden und sie von der Gendarmerie festgenommen, geschlagen und gefoltert worden. Ihr Anwalt habe ihre Freilassung gegen Kaution erwirken können, nun sei aber ein neuer Haftbefehl gegen sie aufrecht.

2. Am 21.03.2016 erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihres Rechtsvertreters Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht.

3. Am 20.05.2016 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung niederschriftlich einvernommen. Sie gab zusammengefasst an, dass sie 2011 Mitglied der XXXX geworden sei. Am 30.09.2014 habe es ein Treffen des XXXX in ihrem Restaurant gegeben. Ein Polizist sei anwesend gewesen, habe einen Flyer des SCNS gesehen und ihren Identitätsausweis mitgenommen. Am 02.10.2014 sei ihr Restaurant in Brand gesetzt und sie von der Gendarmerie festgenommen worden. Sie habe zwei Wochen in Haft verbracht und sei misshandelt worden. Sie sei dann mit Hilfe ihres Anwalts auf Kaution freigekommen und sei dann im Krankenhaus behandelt worden. Am 31.10.2014 sei sie noch einmal zum Gericht gekommen und habe eine Vorladung für den 19.11.2014 bekommen. Ihr Anwalt habe aber gesagt, es sei gefährlich, hinzugehen. Er habe ihr später mitgeteilt, dass es einen neuen Haftbefehl für sie gebe. Sie habe sich dann versteckt gehalten und ihr Ehemann habe ihre Ausreise organisiert. Sie sei per Flugzeug mit einem fremden Reisepass und mit einer Perücke verkleidet aus Kamerun ausgereist und sei sie nach einer Zwischenlandung am Flughafen Wien-Schwechat gelandet. Auf Nachfrage des Richters, ob es nicht naheliegender gewesen wäre, ins Nachbarland Nigeria zu gehen, wo sie Anschluss an die dort aufhältigen Angehörigen ihrer Volksgruppe hätte finden können, gab die Beschwerdeführerin an: "Ich weiß jetzt nicht, was ich sagen soll. Es ist einfach so gekommen." Auf Nachfrage, ob sie in der Zeit, als sie sich versteckt gehalten habe, überlegt habe, wie sie der Bedrohung entgehen könne, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei ja auch schon im Jahr 2011 bei der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit des Südens festgenommen worden. Auch im Jahr 2012 sei sie festgenommen worden und habe drei Tage im Gefängnis verbracht. 2013 sei wie wieder festgenommen und am selben Tag freigelassen worden. Auf Vorhalt des Richters, warum sie diese Ereignisse nicht früher angegeben habe, gab die Beschwerdeführerin an: "Das haben sie mich nicht gefragt."

Die Beschwerdeführerin legte eine Bestätigung über eine gemeinnützige Beschäftigung im Altenwohnheim XXXX vom 11.05.2016, diverse medizinische Unterlagen, ein ÖSD Zertifikat A2 (nicht bestanden) vom 22.12.2015, eine Geburtsurkunde vom XXXX sowie ein Diplom über ihre Tätigkeit als Krankenschwester in Kamerun vor.

4. Am 14.06.2016 fand eine weitere mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Richter wies auf § 22 Abs. 1 AsylG 2005 in der Fassung BGBI Nr. 1 24/2016 hin, wonach die Entscheidungsfrist auf 15 Monate verlängert wurde.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.06.2016, Zl. 1409 2123693, wurde die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass am 01.06.2016 durch die Novelle BGBI. I Nr. 24/2016 § 22 Abs. 1 AsylG in Kraft gesetzt worden sei, dem zufolge über einen Antrag auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden ist, weshalb die Säumnisbeschwerde verfrüht erhoben worden sei.

6. Am 15.09.2016 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und gab zu ihren Fluchtgründen zusammengefasst an, dass sie in Kamerun von der Gendarmerie gesucht werde, weil sie seit Mai 2011 Mitglied des XXXX sei. Am 1. Oktober 2011 hätten sich Mitglieder zum 50. Jahrestag des Bestehens des XXXX getroffen, es sei zu Festnahmen gekommen, sie habe aber fliehen können. Am 1. Oktober hätten sie zur alljährlichen Feier der Gründung der XXXX die Parteifahne hissen wollen, sie sei festgenommen, aber am selben Tag freigelassen worden. Am 01.10.2013 habe sie Flugblätter des XXXX verteilt, sei festgenommen, geschlagen und nach drei Tagen wieder freigelassen worden. Am 30.09.2014 hätte es eine vorbereitende Sitzung des XXXX für die Feierlichkeiten am folgenden Tag in ihrem Restaurant gegeben. Sie sei erst später gekommen und habe gesehen wie zwei Mitglieder der "XXXX" mit ihrem Mann geredet hätten und nach dem Eigentümer des Restaurants gefragt hätten und hätten diese Männer ihren Identitätsausweis und Flugblätter des XXXX mitgenommen. Sie sei am nächsten Tag zu den Gendarmen und zur Polizei gegangen und habe von dem Vorfall erzählt, diese hätte ihr aber nicht helfen können. In der darauffolgenden Nacht sei ihr Restaurant einem Brand zum Opfer gefallen. Am nächsten Tag seien die Gendarmen gekommen und hätten nach dem Besitzer gefragt, als sie sich zu erkennen gegeben habe, sei sie festgenommen und geschlagen worden. Sie habe zwei Wochen im Gefängnis verbracht und sei misshandelt worden. Sie habe das Gefängnis mit Hilfe ihres Anwalts und ihres Bruders verlassen können und sei dann im Krankenhaus behandelt worden.

Sie habe einem Termin bei der Gendarmerie am 31.10.2014 Folge geleistet, sei zu einem weiteren Termin am 19.11.2014 aber nicht erschienen, weil ihr Gatte sie freigekauft habe. Später habe sie von ihrem Anwalt erfahren, dass es einen neuen Haftbefehl gegen sie gebe, weil sie der Vorladung für den 19.11.2014 nicht nachgekommen sei. Ihr Ehemann habe sie daraufhin versteckt und ihre Ausreise nach Österreich organisiert. Sie sei in Begleitung eines ihr unbekannten Mannes mit einem gefälschten Reisepass mit dem Flugzeug nach Österreich gereist. Auf Nachfrage, warum die Beschwerdeführerin nicht innerhalb Kameruns umgezogen sei, gab die Beschwerdeführerin an: "Ich hatte überhaupt keine Gelegenheit dazu, weil alles ganz schnell passierte".

Die Beschwerdeführerin gab an, dass im Gerichtsprotokoll irrtümlich aufgenommen worden sei, dass am Tag des Brandes nur ein Mitglied der "XXXX" vor Ort gewesen sei, es seien aber zwei gewesen. Zudem sei irrtümlich aufgenommen worden, dass sie nur einmal inhaftiert worden sei. Auf Nachfrage ihres Vertreters, wie es zum Widerspruch mit den Angaben in ihrer früheren Einvernahme hinsichtlich der Haftdauer im Jahr 2012 und 2013 komme, gab die Beschwerdeführerin lediglich an, ihre heutigen Angaben seien richtig.

Zu ihrem Gesundheitszustand gab die Beschwerdeführerin an, dass sie keine physischen oder psychischen Probleme habe, keine Medikamente nehme und nicht in ärztlicher Behandlung sei. Zu ihrem Privat- und Familienleben führte sie aus, dass ihre Tochter und ihre drei Söhne bei ihrer Schwiegermutter in Kamerun lebten. Wo sich ihr Ehemann befinde, wisse sie nicht. In Kamerun würden zudem ihre Halbgeschwister und ihr Schwager leben, sonst habe sie keine Verwandten mehr. Sie habe in Kamerun 9 Jahre lang die Schule besucht, eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht und als Chefkrankenschwester gearbeitet. In Kamerun hätten sie eine Eigentumswohnung. In Österreich arbeite sie zwei Mal die Woche im Altersheim, besuche zwei Mai die Woche einen Deutschkurs beim BFI und habe zwei Mal die Woche Privatunterricht. Sie sei seit ihrer Einreise keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, arbeite aber gemeinnützig. Sie wolle in Österreich als Krankenschwester arbeiten. Den Deutschkurs A2 habe sie nicht bestanden. Andere Kurse habe sie in Österreich nicht besucht. Sie sei Mitglied beim XXXX in XXXX. Sie habe keine Familienangehörigen oder Verwandte in Österreich.

Die Beschwerdeführerin legte ein ÖSD Zertifikat A2 (nicht bestanden) vom 22.12.2015, die Kopie einer Geburtsurkunde vom XXXX, eine originale Mitgliedskarte der Partei XXXX Nr. XXXX ausgestellt am 19.09.2015 in XXXX, beglaubigte Übersetzungen zu ihrer Ausbildung als Krankenschwester und die Kopie einer Mitgliedskarte der Partei XXXX Nr. XXXX ausgestellt am 23.05.2011 in XXXX, vor.

7. Am 21.09.2016 stellte die belangte Behörde eine Anfrage an die Staatendokumentation, deren Beantwortung am 11.05.2017 einlangte.

8. Am 26.09.2016 und am 19.10.2016 legte der Erstvertreter der Beschwerdeführerin weitere Unterlagen vor. Am 11.12.2016 übermittelte der Erstvertreter ein ÖSD Zertifikat A2 an die belangte Behörde.

9. Am 30.09.2016 nahm die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung Stellung zum Länderbericht zu Kamerun und führte im Wesentlichen aus, dass ihr Vorbringen im Einklang mit den Länderinformationen stehe, wonach es in Kamerun zu willkürlichen Verhaftungen und Folter komme, die Haftbedingungen lebensbedrohlich seien, Korruption herrsche und es zu Verhaftungen von Aktivisten der verbotenen Partei XXXX komme. Sie werde wegen ihrer politischen Gesinnung im ganzen Land verfolgt, weshalb eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei.

10. Am 24.05.2017 wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zum Ergebnis der Anfragebeantwortung niederschriftlich einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme zusammengefasst an, dass sie keine physischen oder psychischen Probleme habe, aber seit etwa 7 Monaten an Halsschmerzen leide. Sie nehme bei Bedarf Schmerzmittel und habe vor, einen Arzt aufzusuchen. Ihre Kinder würden immer noch bei der Großmutter leben, dies hätte sich das Bein gebrochen, die Kinder würden schon seit 8 Monaten keine Schule mehr besuchen.

Der Beschwerdeführerin wurde das Ergebnis der Anfragebeantwortung zur Kenntnis gebracht, wonach zwar die Existenz des genannten Rechtsanwaltes XXXX bestätigt werden könne, aber darüber hinaus keine Anhaltspunkte gefunden worden seien, die das Vorbringen der Beschwerdeführerin bestätigen würden. Die Beschwerdeführerin gab daraufhin an: "Was ich sagen will, ist, dass die Geschichte von Kamerun richtig ist. Wenn jemand nach der SC/VC fragt, würde keiner antworten, da jeder Angst hat. Jeder hat Angst dort, weil die Partei XXXX nicht anerkannt wird von der Regierung. Diese Recherche würde keiner der Gefragten beantworten, weil sie alle Angst haben, dass sie verhaftet werden. Zum Schluss möchte ich sagen, dass ich bei meinen Aussagen bleibe, Mir passierte das alles. Ich kann das Leben meiner Kinder nicht riskieren, Es gibt keine Mutter, die ihre Kinder verlassen würde und auf der anderen Seite der Welt leben würde, wenn das nicht stattgefunden hätte."

Die Beschwerdeführerin legte eine Arbeitsbestätigung des Altenwohnheims XXXX vom 22.05.2017, eine Teilnahmebestätigung zu einem Erste-Hilfe-Kurs bei Kinder- und Säuglingsnotfällen des Roten Kreuzes vom 02.2017 und die Kopie eines englischsprachigen Schreibens vor.

11. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 07.06.2017 nahm die Beschwerdeführerin Stellung zu den Länderfeststellungen zu Kamerun. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einklang mit den Länderberichten stehe. Die von der Staatendokumentation geführten Erhebungen seien nicht geeignet, die Angaben der Beschwerdeführerin zu entkräften, weil die Leute in Kamerun den erhebenden Personen aus Angst nicht die Wahrheit sagen würden. Der Schwager der Beschwerdeführerin habe Lichtbilder vom Standort des ehemaligen Restaurants gemacht, aus diesen sei ersichtlich, dass die Straße "XXXX" heiße. Rechtsanwalt XXXX habe bestätigt, dass die Angaben der Beschwerdeführerin der Wahrheit entsprächen.

12. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.06.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBI I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kamerun gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt, gegen sie "gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen und "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass ihre Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde "gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG" mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

13. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 03.07.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei, weil die den Beweismitteln willkürlich jede Beweiskraft abgesprochen habe und die belangte Behörde gebotene Ermittlungen, insbesondere über die Staatendokumentation, RA DXXXX und dem Vermieter des Lokals unterlassen habe. Hingegen komme dem Bericht der Staatendokumentation, dass an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten keine Kundgebungen des XXXX oder Verhaftungen festgestellt hätten werden können, keine Beweiskraft zu. Es sei völlig überraschend und basiere auf einem bisher nicht vorgelegten Bericht, wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass es sich bei dem XXXX um eine Scheinpartei handle. Die belangte Behörde habe die gute Integration der Beschwerdeführerin in Österreich verkannt (Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, gemeinnützige Arbeit als Pflegehelferin im APH XXXX, großer Freundeskreis).

14. Mit Schriftsatz vom 04.07.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid weiters durch eine weitere Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde darin zusammengefasst ausgeführt, dass die belangte Behörde mangelhaft ermittelt und eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens unterlassen habe. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte seien unvollständig, teilweise veraltet und allgemein gehalten. Die belangte Behörde habe auf offensichtlich unzuverlässige Quellen zurückgegriffen, weil die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in Widerspruch mit leicht erlangbaren Informationen zu XXXX Aktivitäten stünden. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft, es sei nicht nachvollziehbar* dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit versagt habe. Im Übrigen sei die rechtliche Beurteilung mangelhaft, eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht.

15. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.07.2017 vorgelegt.

16. Mit E-Mail vom 19.12.2018 wurden seitens der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH folgende Integrationsunterlagen vorgelegt: Dienstausweis ÖROK XXXX, gültig bis Juni 2029; Teilnahmebestätigung Verein XXXX am Frauencafé seit August 2018, vom 18.12.2018; Teilnahmebestätigung "Umwelt Verein XXXX" über Abfalltrennung und Abfallvermeidung; Teilnahmebestätigung ÖROK über 8-stündige Unterweisung in Erste Hilfe Kinder-und Säuglingsnotfälle vom Februar 2017; Bestätigung Altenwohnheim XXXX vom 21.02.2018 über die Beschäftigung als Haushaltshilfe seit Mai 2015; Bestätigung des Vereines Tri-Team XXXX über ehrenamtliche Mitarbeit bei den XXXX Games in den Jahren 2016, 2017 und 2018 vom 17 Juni 2018; Teilnahmebestätigung am Workshop Energie- & Klimaschutz im Wohnbereich vom 20.11.2018; Bestätigung über die Teilnahme als Mentee am Projekt "XXXX" vom 03.12.2018; Nachweise des ÖROK, XXXX über freiwillige Tätigkeit seit April 2018 an der Tafel in XXXX und Kleiderladenprojekt der Bezirksstelle XXXX vom 05.und 06. Dezember 2018; Bestätigung des ÖRK über die Teilnahme an einem Rot-Kreuz-Kurs "Erste Hilfe" vom 09.12.2017; Bestätigung des Wohn- und Pflegeheimes XXXX über die stundenweise Tätigkeit seit Mai 2018 vom 11.12.2018; Schreiben des Bildungszentrums für Pflegeberufe über die Nichtaufnahme in die Pflegeassistenzausbildung (Vollzeitvariante); Strafregisterbescheinigung vom 01.06.2018.

17. Mit E-Mail vom 19.12.2018 wurden seitens der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH folgende Integrationsunterlagen vorgelegt: ÖSD Zertifikat B1 vom 09.11.2017 und ÖSD Zertifikat B2 (mündliche Prüfung) vom 20.05.2019, Zertifikat über die Teilnahme an der Prüfungsvorbereitung Integrationsprüfung B2 vom 12.06.2019, Bestätigung der Gesundheits- und Krankenpflegeschule am A.Ö. BKH XXXX über die Aufnahme in die Ausbildung als Pflegassistenz beginnen mit 23.04.2019 vom 21.03.2019, Bestätigung über den Verlauf der Pflegeassistenz-Ausbildung vom 14.10.2019, Ausbildungsbestätigung vom 17.07.2019, Empfehlungsschreiben des Sozial- und Gesundheitssprengel XXXX vom 27.09.2019, Bestätigungen Berufspraktikum des Wohn- und Pflegeheimes der Gemeinde XXXX vom 04.10.2019 und 17.04.2019, Bestätigung des Altenwohnheimes XXXX vom 21.02.2018 über eine regelmäßige Leistung von Tätigkeiten im Rahmen der" Beschäftigung für Asylwerber" seit Mai 2015, Bestätigung ÖROK vom 18.10.2019 über ehrenamtliche Tätigkeit im Kleiderladen XXXX, Teilnahmebestätigung über den Besuch des Rot-Kreuz-Kurses "Erste Hilfe" vom 24.05.2019, Ernennungsurkunde des ÖROK vom 06.06.2019 zur Helferin, sowie zwei personalisierte Empfehlungsschreiben.

18. Am 30.10.2019 erfolgte in Anwesenheit der Parteien eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht. In dessen Verlauf wurden seitens des erkennenden Richters noch folgende Unterlagen von der belangten Behörde angefordert und in die Verhandlung eingebracht: XXXX Ausweise der Beschwerdeführerin von Kamerun und Österreich, Kopien der Geburtsurkunden ihrer Kinder und zwei Fotos der Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kamerun, gehört der Volksgruppe Hausa an und bekennt sich zum muslimischen (sunnitischen) Glauben. Sie spricht die Sprachen Englisch, Französisch und Hausa. Ihre Identität steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin hält sich (mindestens) seit 06.04.2015 in Österreich auf.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin gesund ist und an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen leidet. Sie ist arbeitsfähig. Die Beschwerdeführerin ist durch ihre Ausbildung als Pflegeassistenz krankenversichert und bezieht neben der Ausbildungsentschädigung noch Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und hat vier in Kamerun lebende Kinder. Nicht festgestellt werden kann, dass sie von Ihrem Ehemann geschieden ist, es kann jedoch auch nicht feststellt werden, ob sie noch Kontakt zu ihrem Mann hat. Sie verfügt in Österreich über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. In Kamerun leben außer ihren Kindern noch weitere Verwandte der Beschwerdeführerin und hat sie regelmäßigen Kontakt zu diesen. Die Beschwerdeführerin hat in Kamerun bis zu ihrer Ausreise als "Chef"-Krankenschwester im Krankenhaus in XXXX gearbeitet.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin qualifiziert Deutsch spricht, seit Mai 2015 ehrenamtlich bei verschiedenen Organisationen gearbeitet hat, Mitglied des ÖROK ist und derzeit eine Ausbildung zur Pflegassistenz macht. Die Beschwerdeführerin verfügt aufgrund ihrer Tätigkeiten über soziale Kontakte und nimmt am sozialen und kulturellen Leben in Österreich teil.

Die Beschwerdeführerin in strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden, dass sie in ihrem Herkunftsland Kamerun einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung oder einer sonstigen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Entgegen ihrem Fluchtvorbringen kann mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre Mitgliedschaft beim XXXX von staatlichen Organen ihres Herkunftslandes verfolgt wird, bzw. dass sie ihr Heimatland aufgrund staatlicher Verfolgung verlassen hat.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat Mitglied des XXXX gewesen ist. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin in Österreich ein Mitgliedsausweis des XXXX ausgestellt wurde.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Kamerun und der individuellen Rückkehrsituation:

Der Beschwerdeführerin wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kamerun übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten - seit 1982 ist dies Paul Biya - eine überragende Stellung. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) wurde im Januar 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren. Dezentralisierungsbemühungen wurden von der Regierung Kameruns bislang nur halbherzig durchgeführt.

Das Land wird seit 1966 von der Partei "Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais" (RDPC, bis 1985 "Union Nationale Camerounaise") regiert. Staatspräsident Paul Biya regiert seit 1982. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär. Biya wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt. Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus.

Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten und wurden von der Regierungspartei RDPC gewonnen. Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nordwest, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (77 Jahre) stammt.

Zur Sicherheitslage ist auszuführen, dass es im Kamerun keine Bürgerkriegsgebiete gibt. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West. Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft. Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt. Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert. Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Januar 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden.

Das Rechtssystem Kameruns ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d¿appel). Militärgerichte können auch die Zuständigkeit für Zivilpersonen wegen Straftaten ausüben. Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor. Die Justiz wird jedoch oft vom Präsidenten, seinem Stellvertreter und/oder von der regierenden Partei kontrolliert. Die Justiz ist dem Justizministerium unterstellt und politischer Einfluss und Korruption schwächen die Gerichte. Die Verfassung und das Gesetz sehen das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber die Behörden respektieren dies nicht immer. Angeklagte haben das Recht einen Anwalt ihrer Wahl zu konsultieren, aber dieses Recht wird in den meisten Fällen nicht respektiert; insbesondere in Fällen von Komplizenschaft mit Boko Haram oder anglophonen Separatisten.

Die Einmischung der Exekutive kann das Gerichtsverfahren beeinflussen: Staatsanwälte wurden unter Druck gesetzt, die Verfolgung von Korruptionsfällen gegen einige hochkarätige Beamte einzustellen, während Kritiker behaupten, dass mit Korruptionsvorwürfen Beamte bestraft wurden, die beim Regime in Ungnade gefallen sind. Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern, die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel. Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen.

Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert und/oder bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist.

Die Gendarmerie Nationale hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium. Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement Mobile d'Intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'Intervention Rapide (BIR). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor.

Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite. Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet. Zudem haben zivile Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei und der Gendarmerie.

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt. Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt. In der Praxis kommen Misshandlungen und Folter vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie. In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor. Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel nicht angemessen verfolgt. Systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte Gruppen ist allerdings nicht feststellbar. Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese auch weiterhin meist ungestraft. Die soziopolitische Krise, die Ende 2016 in den Regionen Nordwest und Südwest begann, entwickelte sich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Gruppen. Der Konflikt führte zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen durch Regierungstruppen und anglophone Separatisten. Sicherheitskräfte der Regierung haben außergerichtliche Hinrichtungen begangen, Eigentum verbrannt, willkürliche Festnahmen durchgeführt und Gefangene gefoltert. Eine Reihe von Misshandlungen auf beiden Seiten in den anglophonen Regionen, darunter Brandanschläge auf Häuser und Schulen, sind dokumentiert. Nach Angaben der International Crisis Group haben Regierungstruppen und bewaffnete Separatisten seit der Eskalation 2017 über 420 Zivilisten in den Regionen getötet. Ein im Juli 2018 in der Region Far North entstandenes Video zeigt, wie Männer in Uniform zwei Frauen und zwei Kinder hinrichten. Erst nach einer von Amnesty International durchgeführten Untersuchung, teilte die Regierung mit, dass die Soldaten verhaftet wurden.

Es existiert eine Vielzahl von unabhängigen kamerunischen Menschenrechtsorganisationen, die jedoch zumeist am finanziellen Tropf der internationalen Geber hängen. Gesetzlich sind Organisationen nicht zulässig, die sich gegen die Verfassung, die Gesetze, die Moral richten; oder sich gegen die territoriale Integrität, die nationale Einheit, die nationale Integration oder die Republik stellen. Die Bestimmungen zur Gründung einer NGO sind komplex und nicht alle Antragsteller werden gleich behandelt. Daher entscheiden sich die meisten Menschenrechtsorganisationen für die Gründung gemeinnütziger Vereine, wodurch sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Internationale Menschenrechtsbeobachter können weitgehend unabhängig agieren und ermitteln. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) konnte seiner Tätigkeit im Land nach den üblichen Standards nachgehen und auch unangekündigte Besuche in Gefängnissen durchführen. NGO-Vertreter berichteten wiederholt von Drohungen, willkürlichen Verhaftungen, vereinzelt auch von Folter und menschenunwürdiger Behandlung. Die Regierung kritisierte die Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen.

Im Jahr 2010 hat sich mithilfe der EU-Mitgliedstaaten ein Netzwerk zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zusammengeschlossen, im Jahr 2011 konnte dieses Netzwerk weitere Mitglieder gewinnen und sich auch regional stärker vernetzen. Mithilfe des United Nations Development Programme (UNDP) haben sich ebenfalls 2010 etwa 50 Menschenrechtsorganisationen zu einem nationalen Netzwerk der Menschenrechtsvereine zusammengeschlossen, das vor allem in der Hauptstadt präsent ist.

2018 wurde Kamerun mit Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen ist in der Gesellschaft nur eingeschränkt ausgeprägt, obwohl sich zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für eine Sensibilisierung von Bevölkerung und Regierung in diesem Bereich engagieren. Der Justizapparat ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern.

Dabei garantiert die Verfassung von 1996 die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Außerdem ist Kamerun an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden: Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971); Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984); Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984); Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005); Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein.

Obwohl das Gesetz Meinungs- und Pressefreiheit vorsieht, schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Regierungsbeamte schikanieren Einzelpersonen oder Organisationen, die Kritik ausüben oder Ansichten äußerten, die im Widerspruch zur Regierungspolitik stehen. Personen, die die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, sehen sich häufig mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert. Die Regierung versucht, Kritik zu verhindern, indem sie politische Treffen überwacht. Ein systematisches Vorgehen des Staates gegen die Pressefreiheit ist nicht festzustellen.

Trotzdem ist die kamerunische Medienlandschaft vielfältig. Regierungskritische und oppositionelle Meinungen werden veröffentlicht. Der staatliche Rundfunk und die über 70 lokalen privaten Radiosender sind von vorherrschender Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. In den großen Städten laufen die drei privaten Fernsehsender dem staatlichen Fernsehsender CRTV den Rang ab. Sie befassen sich zunehmend mit sensiblen Themen wie Korruption und Arbeitslosigkeit, bei denen Versäumnisse der Regierung deutlich werden. Es gibt keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung hat jedoch wiederholt den Zugang zum Internet unterbrochen. Die Behörden haben auch regelmäßig den Zugang zu sozialen Netzwerken blockiert oder verlangsamt, um Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und die Mobilisierung von Oppositionskräften zu verhindern.

Die durch die Verfassung geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis immer wieder eingeschränkt. Die Regierung nutzt ein Gesetz, welches Genehmigungen für Demonstrationen vorschreibt. Viele Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik berichteten von erhöhten Schwierigkeiten bei der Einholung der Genehmigung öffentlicher Versammlungen. Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten. Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen. Im Rahmen der anglophonen Krise ist es zu massiven Einschränkungen in diesem Bereich gekommen. Die Behörden unterdrückten auch 2018 die Proteste in den anglophonen Regionen weiter. Vor dem "Unabhängigkeitstag" der anglophonen Separatisten (1.10.) wurde in deren Regionen eine 48-stündige Ausgangssperre verhängt und Versammlungen von mehr als vier Personen waren verboten. Im November 2018 verhafteten die Behörden 20 Demonstranten in Yaoundé. Organisatoren von öffentlichen Versammlungen, Demonstrationen oder Prozessionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Behördenvertreter vorab darüber zu informieren. Gesetzlich ist eine vorherige Zustimmung der Regierung jedoch nicht vorgesehen. Amtsträger behaupten dennoch regelmäßig, dass das Gesetz implizit eine behördliche Bewilligung von öffentlichen Veranstaltungen erfordert. Folglich verweigert die Regierung häufig die Bewilligung von Veranstaltungen bzw. wendet Gewalt an, um nicht genehmigte Veranstaltungen zu unterbinden.

Trotz Mehrparteiensystems - Kamerun weist einen außerordentlichen Parteienreichtum auf - und mehr oder minder ordentlichen Wahlen, wird die kamerunische Politik durch den Präsidenten und 'seine' Partei, die RDPC/CPDM, die ehemalige Einheitspartei, dominiert. Politische Auseinandersetzungen finden kaum im parlamentarischen Rahmen statt, da die Assemblée Nationale/National Assembly inzwischen weitgehend von der RDPC/CPDM beherrscht wird. Systematische politische Verfolgung findet aber nicht statt, jedoch können sich Oppositionsparteien nur schwer entfalten. Angesichts der Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurden Veranstaltungen regierungskritischer Organisatoren und politischer Parteien (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen) in der Regel wegen des Vorwurfs der Gefährdung der öffentlichen Ordnung verboten und vereinzelt gewaltsam aufgelöst. Demonstrationen der Oppositionspartei MRC gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wurden untersagt, Teilnehmer an diesen verbotenen Demonstrationen festgenommen. Einige Anhänger des zweit platzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC), wurden Ende Januar 2019 gemeinsam mit Maurice Kamto verhaftet. Etwa 50 von ihnen wurden am 27.1.19 wieder freigelassen. Kamerun hat seit Ende der deutschen Kolonialzeit einen anglophonen und einen frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80 % der Bevölkerung aus und dominieren die Regierung. 1994 wurde der separatistische XXXX(XXXX) gegründet. Der XXXX setzt sich aus mehreren Splitterfraktionen zusammen, die das Ziel eint, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten. Gemeinsam mit der Cameroon Anglophone Civil Society (CACS) wurde er am 17.1.2017 für illegal erklärt.

Seit Oktober 2016 kommt es in der anglophonen Region zu verschiedensten Protestaktionen. Was mit Streiks von Rechtsanwälten und Lehrern begann, wuchs sich zu einer allgemeinen Bewegung von anglophonen Bürgerprotesten aus. Präsident Biya erklärte die anglophone Sezessionsbewegung kurzerhand zur "Terrorbande" und lieferte damit den Vorwand für ein noch härteres Vorgehen beider Seiten. Der Staat schickte Militär und Polizei, sperrte die Internetleitungen in den anglophonen Provinzen und verhängte Ausgangssperren. Seit Oktober 2016 kommt es in den beiden anglophonen Regionen Südwest und Nordwest immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen, die zu hunderten von Todesopfern und Verletzten geführt haben. Seit Beginn der anglophonen Krise wird mit strafrechtlicher Verfolgung gegen Teilnehmer an den gewaltsamen Protesten und Mitglieder der verbotenen CACS und de XXXX vorgegangen. In einigen Fällen ist es vereinzelt und vorübergehend zu Festnahmen oder Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle, in der Regel im Zusammenhang mit der Planung bzw. Durchführung von nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Regierung, gekommen. Im französischsprachigen Teil Kameruns leben rund 500.000 Anglophone. In der Hauptstadt gibt es u.a. eine (anglophone) presbyterianische Kirchengemeinde. Es gibt außerparlamentarische Winkelzüge von staatlicher Seite gegen Versammlungen oder Aktionen der englischsprachigen Separatistenbewegung XXXX und deren Sympathisanten. Der kamerunische Staat widmet den Aktivitäten der Exilorganisationen wenig Aufmerksamkeit. Im Gefolge der anglophonen Krise interessiert sich der kamerunische Staat jedoch zunehmend für exilpolitische Aktivitäten der anglophonen Opposition. Eine staatliche Verfolgung kamerunischer Staatsangehöriger wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland ist aus den letzten Jahren nicht bekannt.

In Kamerun gibt es keine Staatsreligion. Die kamerunische Verfassung garantiert ihren Bürgern Religionsfreiheit und in aller Regel respektiert der Staat dieses Grundrecht. Die Verfassung verbietet zudem Schikanen oder Diskriminierungen aus religiösen Gründen. Es gibt keine Berichte über gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit, dem Glauben oder der Religionsausübung. Das Verhältnis und der Umgang der Religionen untereinander war lange Zeit von gegenseitigem Respekt und Toleranz geprägt. Der interreligiöse Dialog funktionierte ganz gut. Zwar wurden Anhänger traditioneller Religionen im muslimischen Norden oft verächtlich angesehen, auch wurde vereinzelt von kleineren Konflikten zwischen Christen und Moslems berichtet, aber Kamerun kannte bisher, im Gegensatz zu den Nachbarländern, keine religiöse Gewalt.

In Kamerun leben etwa 250 bis 278 ethnische Gruppen mit unterschiedlichen Traditionen. Die Städte Kameruns bieten einen ethnischen Querschnitt, da dort alle Bevölkerungsgruppen des Landes anzutreffen sind. Über die Anzahl der in Kamerun lebenden Völker gehen die Zahlen auseinander. In diesem völkerreichen Land treffen somit unterschiedlichste Kulturen, Lebensformen, Sprachen und Religionen - deren Grenzen teilweise auch Ethnien-übergreifend verlaufen - aufeinander. Gegensätze und Interessenskonflikte zwischen verschiedenen Ethnien, Nomaden und Sesshaften bzw. Viehhaltern und Ackerbauern, allochthonen und autochthonen Bevölkerungsgruppen, Frankophonen und Anglophonen, Stadt- und Landbevölkerung, "Nordisten" und "Südisten", Christentum und Islam führten und führen manchmal auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die jedoch lokal begrenzt bleiben. Teilweise werden diese Konflikte auch von einzelnen Eliten oder politischen Parteien instrumentalisiert, auch wenn Kamerun bisher zu einem der vergleichsweise stabilsten Länder der Region zählte.

Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor und es besteht weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen bestehenden Gleichstellungsrechten. Beispiele sind, die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen, die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau. Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle. Auch in familiären Angelegenheiten gilt der Mann als Chef, was durch traditionelles und modernes Familien- und Eherecht bestätigt wird. Auf dem Social Institutions and Gender Index der OECD (Familienrecht, körperliche Unversehrtheit, bürgerliche Freiheiten, Bevorzugung von Söhnen und Eigentumsrechte) belegt Kamerun Platz 71 von 86.

Die Verfassung und weitere Gesetze gewährleisten die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Diese Rechte werden jedoch manchmal eingeschränkt. Sicherheitskräfte fordern an Straßensperren und Kontrollpunkten Bestechungsgelder und schikanieren Reisende. Die Polizei hielt häufig Reisende auf, um Identifikationsdokumente, Fahrzeugregistrierungen und Steuereinnahmen als Sicherheits- und Einwanderungsbekämpfungsmaßnahmen zu überprüfen.

Jedoch könnte nach Personen auch landesweit gefahndet werden, was im Regelfall aber nicht geschieht. Bürger, die auf Veranlassung lokaler Behörden hin verfolgt werden, können dem durch Umzug in die Hauptstadt oder in die Stadt eines entfernten Landesteils Kameruns entgehen.

Die Bewegungsfreiheit in den beiden anglophonen Regionen wurde durch die anhaltende Krise behindert. Als Reaktion auf separatistische Angriffe, verhängte der Gouverneur der Nordwest-Region im September 2018, eine Ausgangssperre. Die Ausgangssperre wurde Ende des Jahres vorübergehend aufgehoben. In den anglophonen Regionen wurde außerdem eine 48-stündige Ausgangssperre verhängt, die bis zum 1.10.2018, dem "Unabhängigkeitstag" der Separatisten andauert. Diese Bemühungen sollten die mit dem selbst erklärten Unabhängigkeitstag von Ambazonia verbundene Gewalt einschränken.

Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt. Trotzdem kann die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln als gesichert angesehen werden. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen. Die Idee, die soziale Absicherung der Bevölkerung hinsichtlich Gesundheits-, Altersversorgung etc. als staatliche Grundaufgabe aufzufassen, hat sich in Kamerun noch nicht wirklich eingebürgert. Zwar existiert eine Caisse Nationale de la Prévoyance Sociale (CNPS), die ihre Leistungen wie Rentenzahlung, Verletztengeld, Invalidenrente etc. aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen finanziert, aber die Mehrheit der Kameruner hat zu dieser öffentlichen Sozialversicherung keinen Zugang, weil viele entweder ohne Arbeitsvertrag, auf selbstständiger Basis und im informellen Sektors arbeiten oder aber arbeitslos sind. Zudem herrscht allgemein großes Misstrauen, ob man, trotz regelmäßiger Beitragszahlung, wirklich im Alter oder in einer Notlage von einer Leistung profitieren wird. Außerdem ist die Einrichtung immer wieder von größeren und kleineren Skandalen betroffen, was das Vertrauen ins System auch nicht fördert. Arbeitslosen- und Krankenversicherungsleistungen sowie Krankengeld werden von der CNPS nicht übernommen. Staatsbeamte dagegen sind über ihren Arbeitgeber versichert. Für sie existiert sogar eine staatliche Krankenversicherung; allerdings gibt es auch hier Probleme, sobald Gelder ausgezahlt werden sollen.

Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2015 geschätzte 38,4 Milliarden US-Dollar, pro Kopf ca. 1.545 US-Dollar. Dennoch müssen 25 % der Kameruner mit weniger als 1,90 US-Dollar auskommen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (12,2), die Lebenserwartung (58,6) oder die Müttersterblichkeit (569 Sterbefälle auf 100.000 Geburten), dürfen die großen regionalen Unterschiede nicht vergessen werden. Bei der aktuellen (2018) statistischen Fortschreibung der Human Development Indizes und Indikatoren erreicht Kamerun beim Gender Inequality Index Rang 141 von 160, beim HDI-Ranking 151 von 189. Zwar ist Kamerun nicht so stark vom Erdöl abhängig wie andere afrikanische Ölexporteure, trotzdem wirkt sich der Ölpreiseinbruch auch auf die Wirtschaft Kameruns aus. Aufgrund der Außenfinanzierung staatlicher Infrastrukturgroßprojekte steigt die Außenverschuldung stark an und beträgt (2017) ca. 30 % des BIP. Kamerun will bis 2035 den Status eines demokratischen und in seiner Diversität geeinten Schwellenlandes erreichen. Dieses langfristige Entwicklungskonzept "Vision 2035" beinhaltet eine Erhöhung des Wirtschaftswachstums, die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, Förderung von Investitionen und eine Senkung des Bevölkerungswachstums auf 2 %. Laut der Strategie für Wachstum und Beschäftigung soll die Wirtschaft zwischen 2010 und 2020 um durchschnittlich mindestens 5,5 % im Jahr wachsen, um Arbeitslosigkeit und Armut zu reduzieren. Weiterer Schwerpunkt ist die Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Kommunikation. Außerdem haben die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besondere Bedeutung. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: Kamerun erreichte 2017 ein Wirtschaftswachstum von ca. 3,2 % 2018 lag das Wachstum bei 4 %. Neben der Öl- und Gasförderung und den Infrastrukturinvestitionen ist der tertiäre Sektor eine treibende Kraft. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von circa 30 % nachhaltig zu senken.

Insbesondere der primäre und tertiäre Sektor tragen derzeit zum Wachstum bei. Rohöl, Holz und landwirtschaftliche Produkte sind die wichtigsten Exportprodukte. Einnahmen aus der Ölförderung konnte Kamerun zuletzt wieder steigern. In der Landwirtschaft wurde die Produktion von Schlüsselprodukten (Kakao, Kaffee, Bananen, Rohkautschuk) durch erleichterten Zugang zu Finanzierung, Ausbildung und Forschung gesteigert. In der Folge erwartet die Regierung künftig weitere Produktionssteigerungen. Weitere Impulse für das Wirtschaftswachstum kommen aus dem sekundären Sektor und basieren auf der beginnenden Umsetzung der Investitionsprogramme zur Verbesserung der Infrastruktur. Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50 %) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 75 % der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen.

Die medizinische Versorgung ist in Yaoundé und Douala im Vergleich zum Landesinneren besser, entspricht jedoch bei weitem nicht dem europäischen Standard. In den Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderem medizinischen Verbrauchsmaterialien, die generell vom Patienten selbst beschafft werden müssen. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus wird ausnahmslos Barzahlung im Voraus verlangt. In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Seit den 90er Jahren befindet sich das staatliche Gesundheitssystem Kameruns in der Umstrukturierung. Ziele sind Dezentralisierung, Qualitätskontrolle und die Einbindung der Bevölkerung in Verwaltung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen. Allerdings lassen die Ergebnisse der staatlichen Gesundheitspolitik weiterhin zu wünschen übrig. Es herrscht Ärztemangel und die wenigen verfügbaren Ärzte lassen sich vorwiegend in den städtischen Zentren nieder. Auch unzulängliche Infrastruktur und knappe Arzneimittel sind Missstände, welche die medizinische Versorgungslage Kameruns kennzeichnen. Verschärft wird die Situation durch die Abwanderung von Gesundheitspersonal ins Ausland. Nur wenige Kameruner sind krankenversichert, nichtsdestotrotz gibt es Bewegung auf dem Gebiet der Krankenversicherung; es existieren die unterschiedlichsten Modelle. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Kamerun; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt. Die gezielte Einfuhr von Medikamenten ist insofern problematisch, da Medikamente ohne französischen und englischen Beipackzettel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Die Regierung geht zwar verstärkt strafrechtlich gegen Oppositionelle in den anglophonen Regionen vor. Es sind bislang jedoch keine Fälle bekannt geworden, dass eine politische Betätigung im Ausland zu einer Strafverfolgung in Kamerun geführt hätte. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht. In Kamerun ist es möglich, sich einer Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden zu entziehen. Jedoch könnte nach Personen auch landesweit gefahndet werden, was im Regelfall aber nicht geschieht. Bürger, die auf Veranlassung lokaler Behörden hin verfolgt werden, können dem durch Umzug in die Hauptstadt oder in die Stadt eines entfernten Landesteils Kameruns entgehen.

Es gibt praktisch für jede Urkunde und jedes Dokument professionelle Fälschungen. Die Fälschung von Dokumenten wird in der Bevölkerung oft als Notwendigkeit betrachtet, die Dokumentenlage an die aktuelle Lebenssituation anzupassen. Von den Behörden geht keine Initiative aus, diese Praktiken einzudämmen. Auch bei echten Dokumenten kann nicht von der inhaltlichen Richtigkeit ausgegangen werden, da Dokumente auch bei offiziellen Stellen gekauft werden können. Personenstandsurkunden wie Geburtsurkunden können außerdem auf legalem Weg neu beschafft werden, wenn sich die betreffende Person an ein Gericht wendet und um eine Anordnung zur Nachbeurkundung nachsucht. Die Quote überhaupt nicht beurkundeter Geburten wird auf etwa 30 % geschätzt. Von den Behörden wird wenig Sorgfalt auf die formal korrekte Ausstellung von Urkunden und Dokumenten verwandt. Beliebig datierte Partei- und Mitgliedsausweise können günstig auf dem Markt erworben werden. Parteiregister belegen nur die Zahlung des Mitgliedsbeitrages; von einem politischen Engagement kann allein aufgrund eines Mitgliedsausweises oder eines Parteiregisterauszugs nicht ausgegangen werden.

Zusammengefasst konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr mit einem gänzlichen Entzug ihrer Lebensgrundlage rechnen müsste oder in eine existenzbedrohende oder medizinische Notlage geraten würde, sie selbst hat hinsichtlich einer ihr drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle ihrer Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet.

Die Beschwerdeführerin ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig. Sie verfügt über eine Schulausbildung und hat in Kamerun als Krankenschwester gearbeitet. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr wie zuvor in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Zudem leben Familienangehörige der Beschwerdeführerin (Kinder, Halbgeschwister, Schwager, Schwiegermutter) in ihrem Herkunftsland und sie könnte im Falle einer Rückkehr wieder an ihre letzte Wohnadresse zurückkehren.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Kamerun für die Beschwerdeführerin eine reale Gefahr einer Verletzung von Art, 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Es wurden auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 50 FPG idgF in ihren Heimatstaat Kamerun unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB Auskunftsverfahren wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens weiters Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Kamerun, eine Accord-Anfrage vom 13.03.2018 und einen Bericht von "Le Monde diplomatique" vom 13.12.2018.

Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Herkunft, Gesundheitszustand und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019.

Da die Beschwerdeführerin entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht ihre Identität nicht fest, dies auch unter Berücksichtigung der im Administrativverfahren vorgelegten Geburtsurkunde.

Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich auch aus den vorgelegten Unterlagen und ihren Aussagen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zur Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akt.

Die Feststellung zu ihren familiären Anknüpfungspunkten in Kamerun gründen sich auf ihre Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung und ihren niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde. Die Feststellungen zu ihrem Ehemann gründen sich auf die widersprüchlichen Angaben in den Einvernahmen vor der belangten Behörde und der mündlichen Verhandlung. So gab sie noch im Rahmen der Einvernahme vor der belangen Behörde am 15.09.2016 (AS 193) an, dass sie verheiratet sei und zuletzt im Oktober 2015 mit diesem Kontakt gehabt habe, um dementgegen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 30.10.2019 auszuführen, dass sie geschieden sei und seit 2016 nicht mehr wissen würde, wo sich dieser aufhalte (Protokoll der mündlichen Verhandlung Seite 4).

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin erwerbsfähig ist, ergibt sich aus dem Akt und ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung, die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin Leistungen aus der Grundversorgung bezieht ergibt sich aus der Abfrage aus dem Betreuungsinformationss

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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